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Electro Harmonix MEL9 Test

Das EHX MEL9 ist das vierte Effektpedal in Folge, das der New Yorker Hersteller Electro Harmonix den Klängen eines berühmten Tasteninstrumentes widmet. Beim vorliegenden Gerät hat sich der Effektspezialist dabei das legendäre Mellotron zum Vorbild genommen, das seine Blütezeit in den 60er und 70er Jahren hatte und heute als die Urform des Samplers gilt.

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Nachdem wir mit B9, C9 und Key9 bereits die drei übrigen Tastenpedale der Serie genauer unter die Lupe nehmen konnten, bin ich gespannt, wie sich der vierte “Tastenstreich” der New Yorker im heutigen Test schlagen wird.

Details

Zur Geschichte des Mellotron:

Das Mellotron wurde Anfang der 50er Jahre von dem Amerikaner Harry Chamberlin entwickelt und konnte auf einem Magnetband aufgezeichnete Klänge per Klaviertastatur wiedergeben. Dabei wurden ab Werk schon verschiedene Sounds angeboten, die von Chören über Streicher bis hin zu Bläsern reichten. Nachträglich konnte sich der Kunde aber auf Wunsch weitere Klangsamples anfertigen lassen. Gerade in der Filmvertonung fand das Mellotron großen Anklang, aber auch Bands wie beispielsweise die Beatles oder King Crimson nutzten es häufiger auf ihren Aufnahmen. Aufgrund seines hohen Gewichtes wurden die ursprünglichen Geräte dieser Gattung eher im Tonstudio als live verwendet. Das Funktionsprinzip dieses damals in der Anschaffung sehr teuren Instrumentes war recht störanfällig und brachte auch den zusätzlichen Nachteil mit sich, dass der Verschleiss der Bänder durchaus hörbar, aber gleichzeitig auch sehr charakteristisch für den Sound dieser Geräte war. Auch heute noch sind Mellotron-Sounds in Sample-Librarys verschiedener Hersteller zu finden. Die Originalgeräte kommen aber wegen der erwähnten Nachteile fast nicht mehr zum Einsatz.

Optik/Aufbau:

Auch beim MEL9 ist EHX dem Design der zuvor veröffentlichten “Tastenpedale” treu geblieben. Unser Proband kommt mit den Maßen 118 x 95 x 56 mm (T x B x H) und fällt so etwas breiter aus als Bodenpedale in Standardgröße. Außer dem Pedal befindet sich im Lieferumfang ein 9V-Standardnetzteil.

Fotostrecke: 3 Bilder Das stabile Metall-Gehäuse mit den Maßen 118 x 95 x 56 mm (T x B x H) ist…

Auf der Oberseite findet der Anwender dann die vier Potis Attack, Sustain, Dry und Effect zur Justierung des Signals sowie einen weiteren gerasterten Regler zum Anwählen der neun verfügbaren Presets. Diese sollen typische Sounds abdecken, die damals mit einem Mellotron häufig wiedergegeben wurden. So lassen sich unter den Presets Orchestra, Cello und Strings verschiedene Streichinstrumente abrufen, und die Bläserabteilung ist mit den Presets Flutes, Clarinet, Saxophone und Brass gleich mehrfach vertreten. Den Abschluss bilden zwei verschiedene Chorausgaben, die unter den Bezeichnungen Low Choir und High Choir firmieren. Justieren lassen sich die Sounds in ihrem Attack- und Sustainverhalten über die entsprechend bezeichneten Potis. Abgesehen vom Brass-Preset wurden alle Presets mit einem Swell-Effekt versehen, der sich in seiner Stärke per Attack-Poti konfigurieren lässt. Via Sustain-Poti kann zudem die Länge des Ausklangs eines Presets eingestellt werden. Nur beim Brass-Preset nehmen die beiden Potis andere Rollen ein. Hier lässt sich laut Hersteller ein Filter-Sweep und der sogenannte “Lipp Buzz” steuern, also die Vibration des angeblasenen Tons.

Fotostrecke: 3 Bilder Es stehen vier Regler zur Bearbeitung des Signals zur Verfügung

Den Eingang für das Instrumentensignal findet der Spieler wie gewohnt auf der rechten Seite des Pedals, die linke Seite hält einen Dry Out sowie einen Effect Out bereit. Über die schon erwähnten mit Dry und Effect betitelten Potis wird das Mischverhältnis zwischen Effektsignal und trockenem Signal festgelegt, das dann über den Effect Out ausgegeben wird. Der Dry Out wiederum bleibt dauerhaft mit dem gepufferten Instrumentensignal belegt. Aktivieren lässt sich der Effekt über einen stabil wirkenden Fußschalter, vier Gummifüßchen auf der Unterseite sorgen zudem für eine gute Bodenhaftung.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Instrumenten-Eingang findet sich auf der rechten Gehäuseseite
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Praxis

Für den heutigen Test hänge ich das MEL9 vor meine Lehle Sunday Driver DI-Box, deren Signal abschließend an den Wandler meines Motu Audio-Interfaces geschickt wird. Wie schon bei seinen Vorgängerpedalen empfiehlt der Hersteller für eine stabile Wiedergabe der Sounds, Gitarren mit einem etwas kräftigeren Output zu verwenden. Daher nutze ich für den Test den Steghumbucker meiner Yamaha Pacifica 611, der einen recht hohen Output generiert. Übrigens lässt sich das Pedal auch laut Datenblatt mit anderen Instrumenten wie beispielsweise einem E-Bass einsetzen, verarbeitet allerdings nur Signale bis 55Hz bzw. bis zur tiefen A-Saite.
Beim ersten Anspielen der Presets präsentiert auch diese Tastenausgabe leider wieder dieselben Schwachstellen wie seine Vorgänger: Auch beim MEL9 ist eine spürbare Latenz beim Spielen vorhanden, außerdem lässt das Tracking an einigen Stellen deutlich zu wünschen übrig. Absolut vonnöten ist auch bei diesem Pedal der Verzicht auf typische Gitarrenspielweisen wie Bendings oder Slides. Dennoch reagieren die Presets teilweise etwas überempfindlich auf dynamische Spielweisen und haben deutlich hörbare Schwierigkeiten, schnellere Linien sauber zu verarbeiten.

Hören wir uns im Folgenden die Sounds des Pedals etwas genauer an: Los geht’s mit dem ersten Streicherpreset, das Aufnahmen eines kompletten Orchesters wiedergeben soll.

Audio Samples
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Preset 1: Orchestra
DryEffectAttackSustain
0171117

Beim ersten Hinhören entsteht hier definitiv der Eindruck eines Orchesters aus einem alten Film. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings der typisch “orgelige” und dennoch etwas unnatürlich wirkenden Klang deutlich, den ich auch schon von den Vorgängerpedalen kenne. Bei den zuvor aufgezählten Eigenschaften des Pedals ist es natürlich nicht weiter verwunderlich, dass das Gerät mit derselben Tonerzeugung arbeitet wie seine Serienkollegen. Abgesehen von den schon angesprochenen Defiziten produziert es in diesem Preset immer wieder klangliche Artefakte, die als unschöne Verzerrungen bzw. Knacken wahrnehmbar sind. Dieses Problem taucht übrigens auch in anderen Presets auf.
Weiter geht es mit dem Cello-Preset. Ich spiele zuerst ein paar längere Töne und anschließend noch einmal eine Tonleiter etwas schneller auf und ab.

Audio Samples
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Preset 2: Cello
DryEffectAttackSustain
017712

In der tiefen Lage lassen sich Gemeinsamkeiten mit einem Cello erkennen. Allerdings erinnert mich das ganze mehr an Sounds von Einsteigerkeyboards aus den 90er Jahren. Nicht nur bei diesem Preset ist dennoch positiv anzumerken, dass sich dank des Sustain-Potis, hinter dem sich ein Hall- oder Delay-Effekt verbirgt, länger gezogene Noten deutlich einfacher als bei den Vorgängern realisieren lassen. Am Ende der Aufnahme kann man deutlich hören, dass das Preset schneller gespielte Noten unsauber wiedergibt.
Die letzte Streicherausgabe auf Preset 3 bedient laut Datenblatt ein Streichquartett, das mir bis dato am Besten gefällt.

Audio Samples
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Preset 3: Strings
DryEffectAttackSustain
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Das folgende Preset wendet sich der Bläserabteilung zu und soll den Sound einer Querflöte wiedergeben. Im zweiten Teil der Aufnahme habe ich das trockene Gitarrensignal hinzugemischt, das unter Umständen für etwas mehr Stabilität im Sound sorgen kann. Auch wenn besonders durch das Vibrato Anklänge einer Querflöte zu vernehmen sind, wirkt es ebenfalls eher unnatürlich. Dennoch gilt es, für den Grad der Authentizität auch hier wieder die Oktavlage im Blick zu behalten. Gut hören lässt sich übrigens auch der Versatz zwischen Gitarrensignal und Effektsignal ab der zweiten Hälfte des folgenden Beispiels:

Audio Samples
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Preset 4: Flutes
DryEffectAttackSustain
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Beim Klarinetten-Preset werden neben der mangelnden Authentizität auch leider wieder deutliche Unsauberkeiten in der Signalverarbeitung hörbar.

Audio Samples
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Preset 5: Clarinet
DryEffectAttackSustain
0171112

Für die Saxophon-Preset habe ich mich an mehrstimmigen Spielweisen versucht. Im ersten Beispiel kann man hören, wie das Pedal es leider nicht schafft, den Basston sauber zu halten. Im zweiten Beispiel hört ihr einen mehrstimmigen Saxophon-Satz.

Audio Samples
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Preset 6.1: Saxophone (Tracking Fail) Preset 6.2: Saxophone
DryEffectAttackSustain
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Auch wenn sich das Brass-Preset weniger nach einem Bläsersatz anhört als vielleicht vermutet, lassen sich dank der Filteroptionen, die das Pedal hier über das Attack- und das Sustain-Poti bereithält, recht interessante Sounds erzeugen.

Audio Samples
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Preset 7: Brass
DryEffectAttackSustain
0171410

Mit den abschließenden Chor-Presets lassen sich teilweise nur schwer mehrstimmige Klänge produzieren. Zudem werden etwas komplexere Akkorde hier häufig unzureichend wiedergegeben.

Audio Samples
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Preset 8: Low Choir
DryEffectAttackSustain
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Audio Samples
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Preset 9: High Choir
DryEffectAttackSustain
0171413
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Fazit

Electro Harmonix’ viertes Tastenpedal konnte im Test zwar – wie vom Hersteller gewohnt – mit einer sauberen Verarbeitung punkten, offenbarte aber leider in Sachen Spielgefühl und Signalwiedergabe dieselben Mängel, wie sie auch schon bei den vorherigen Ausgaben des Herstellers zu beobachten waren. Dazu gehört eine deutlich spürbare Latenz, die sich ungünstig aufs Spielgefühl auswirkt sowie Unsauberkeiten in der Wiedergabe der gespielten Töne. Dennoch besitzen einige Presets dieses Vertreters typische Merkmale eines Mellotrons und auch die mitgelieferte Attack- und Sustain-Funktion wirkt sich positiv auf die Sounds aus. Für das Einstreuen solcher Klänge während eines Konzertes kann das MEL9 mit etwas Übung dennoch von Nutzen sein. Im Hinblick auf die im Test angesprochenen Defizite erscheint mir der Kaufpreis allerdings recht hoch.

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • klanglicher Ansatz einiger Presets
  • Attack- und Sustain-Regler
Contra
  • mangelnde Authentizität der Sounds
  • spürbare Latenz beim Spielen
  • Unsauberkeiten im Tracking und in der klanglichen Auflösung
Artikelbild
Electro Harmonix MEL9 Test
Für 225,00€ bei
Saubere Verarbeitung, aber leider Mängel in Sachen Spielgefühl und Signalwiedergabe.
Saubere Verarbeitung, aber leider Mängel in Sachen Spielgefühl und Signalwiedergabe.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Electro Harmonix
  • Modell: MEL9
  • Effekt-Typ: Mellotron-Effektpedal
  • Anschlüsse: Input, Effect Output, Dry Output, Netzteilbuchse
  • Regler: Dry Volume, Effect Volume, Attack, Sustain, Preset
  • Modes: Orchestra, Cello, Strings, Flute, Clarinet, Saxophone, Brass, Low Choir, High Choir
  • Schalter: Ein/Aus
  • Bypass Modus: Buffered Bypass
  • Stromversorgung: 9V DC, Netzteil im Lieferumfang
  • Abmessungen T x B x H: 118 x 95 x 56 mm
  • Preis: 239,00 Euro
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