Nicht schon wieder, bitte! Ganz ehrlich: Die inflationär hohe Zahl an Software-Clones beliebter Studiogeräte hängt vielen Tonschaffenden schon zum Halse heraus. Hm, na ja, außer vielleicht den Plug-In-Sammlern, deren DAWs aufgrund der massiven Plug-In-Sammlung länger zum Hochfahren brauchen als ein Amt zur Reaktion auf ein Einschreiben. Wer sich mit wirklich jedem neuen Software-Produkt beschäftigt, der kommt kaum noch zu etwas anderem. Wozu soll ich also ein Produkt testen, das das vielleicht fünfzigste digitale Abbild eines Universal Audio 1176 sein soll?
Nun gut, zumindest designmäßig ist der Softube FET erfreulicherweise nicht an das Original angelehnt, zudem sind dort einige zusätzliche Bedienelemente zu erkennen, die aufhorchen lassen. Die Nullen und Einsen, aus denen der FET besteht, sind außerdem nicht irgendwo von irgendwem auf Papier gemalt worden, sondern gehen auf das Konto zweier pfiffiger Schweden, die von Linköping (sprich: “Linnschöpping”) aus unter anderem schon diverse “Amp Rooms” auf die Tonschaffenden der weiten Welt losgelassen haben. Diese haben im Regelfall anerkennende Gesichtsausdrücke bei den Nutzern bewirkt. Es gibt also doch Gründe, sich dem Plug-In mit blankpoliertem Seziermesser zu nähern.
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Details Erfreulich frisch ist der Designweg, den Softube eingeschlagen haben: Weder strikte Orientierung am Originaldesign noch neue Nüchternheit. Was in den auslaufenden 70er Jahren des letzten Jahrhunderts der letzte HiFi-Schrei war, ist heute als Retro-Schick wieder modern.
Richtig geraten: Dies ist NICHT der FET. Aber die gemeinsame Designsprache lässt sich nicht verleugnen!
Und genau so präsentiert sich der FET. Man möchte die Regler am Liebsten anfassen! Dies geht natürlich nicht, aber per “Dolmetscher” Maus und Bildschirm funktioniert die Bedienung ganz ordentlich. Allerdings ist durch die angetäuschte Dreidimensionalität der eingestellte Wert oft eher zu erahnen als abzulesen. Nun ja, anscheinend müssen selbst für schöne und verhaltene Designs Federn gelassen werden. Alle vom Original bekannten Bedienelemente verfügen beim Softube FET über große Regler: Input, Ratio, Attack, Release und Output. Vielleicht sucht jemand unter euch den “Threshold” unter den Bedienelementen. Wer bislang das Geräteprinzip des 1176 nicht kennt: Der Threshold ist fix, mittels Eingangsverstärkung (Input) legt man fest, welche Pegelanteile im Kompressionsbereich liegen und welche nicht.
Eine positive Überraschung ist, dass sich im Gegensatz zum Original bei der Ratio nicht etwa nur die in Produktionen oft zu groben, aufgedruckten Verdichtungsverhältnisse auswählen lassen, sondern auch sämtliche Zwischenstufen. Dennoch lassen sich die 1176-Standard-Ratios (4:1, 8:1, 12:1 und 20:1) durch einen Klick auf die virtuelle Gehäusebeschriftung gezielt anwählen. Unter den Ratios findet sich auch der “All Buttons”-Modus, dessen Vorhandensein mit einer Hand am Mund in Flüstersprache von Engineer zu Engineer weitergegeben wurde. Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass man beim Drücken aller Ratio-Buttons gleichzeitig (Synonyme: “Four-Button-Trick”, “British Mode”, “Slam-Mode” und viele mehr) eine besondere Kompressoreinstellung erhält. Die resultierende Ratio pendelt irgendwo zwischen 10:1 und 20:1, die Zeitparameter Attack und Release ändern sich in Abhängigkeit vom Eingangssignal ebenfalls stark. Dies kann vor allem bei perkussiven Signalen zum “Plateau-Effekt” (einer recht langen Gain-Reduction-Phase mit anschließendem starken “Suck” bei der Rückregelung auf 1:1) führen. Zudem steigen die Verzerrungen besonders bei tieffrequentem Material an. Das klassische Einsatzgebiet dieses Modus sind parallel komprimierte Drum-Busse, Overhead-, Room- oder “Dirt”-Mikros.
Bei hohen Kompressionen werden Signale oftmals zu stark zusammengedrückt. Einerseits entsteht dadurch ein manchmal gewünschter Sound, vor allem bei Drums und Vocals verschwinden aber Signalbestandteile, die man gerne weiter hören würde. Ein ebenfalls ehemaliger Geheimtipp schafft Abhilfe: Entgegen der Lehre wird ein derartig eingestellter Dynamik-Effekt nicht als Einschleif-, sondern als Zumisch-Effekt verwendet. Dieser, auch als “New York”-Kompression bekannte Produktionsvorgang enthält durch das zugemischte Trocken-Signal noch die ursprünglichen Transienten. Eine derartige parallele Kompression am Pult oder in der DAW zu realisieren, erfordert nicht nur aufwändigeres Routing (und somit immer auch Qualitätsverlust), sondern verschlechtert auch die Übersichtlichkeit und Bedienbarkeit im Mix. Offenbar aus genau diesen Gründen haben sich die Schweden dafür entschieden, dem FET einen einfachen, aber ungemein hilfreichen Dry/Wet-Regler zu spendieren, wie man ihn von Zumisch-Effekten kennt. Der Regler nennt sich hier “Parallel Inject” und schaut sinnvollerweise links neben dem Output-Regler aus der virtuellen Gerätefront. Ein originaler Blackface- oder Silverface-1176 verschenkt einen Teil seiner Einsatzmöglichkeiten. Es ist in vielen Produktionssituationen notwendig, auf den Detektorweg eines Dynamikgerätes Einfluss zu nehmen. Wer beispielsweise eine Schlagzeug-Subgruppe komprimiert, kennt es: Aufgrund der Frequenzabhängigkeit unseres Gehörs sind tieffrequente Signale wie die Bassdrum oft mit höherem Pegelanteil gemischt als andere. Dies sorgt dafür, dass sie auch maßgeblich bestimmen, ob ein Threshold überschritten ist oder nicht – und ob komprimiert wird oder nicht. Mit einem Equalizer im Detektorweg lässt sich das verhindern. Auch der Einsatz eines externen Detektorsignals erscheint häufig sinnvoll. So kann beispielsweise eine Gitarre von Snare-Schlägen “heruntergedrückt” werden, ein Bass von der Bassdrum, ganze Subgruppen (oder sogar Summen!) durch die Gesangsstimme. Um einen “External Key” oder einen Sidechain-EQ herzustellen, muss ein Kompressor erst einmal “erlauben”, sein Nutzsignal durch ein fremdes oder verändertes Signal steuern zu lassen, außerdem bedeutet dies wie die Parallel-Kompression einen erhöhten (realen oder virtuellen) Verkabelungsaufwand. Nett also, dass die Nordmänner diese Funktionen direkt integriert haben. Auch ein Delay-Gerät oder -Plug-In für das zu komprimierende Signal ist nicht notwendig, da es einen “Lookahead”-Regler gibt, der diese Aufgabe übernimmt. Wer diese Funktion nicht kennt: Durch Verzögerung des zu komprimierenden Signals wird nach Abzweigung des Detektorweges dem Kompressor erlaubt, schon vor eintreffenden Signalspitzen mit dem Herunterregeln in der eingestellten Attackzeit zu beginnen. Dies ist vor allem bei kurzen Attack-Zeiten und transientenreichem Material sowohl aus klangästhetischen (Knackser!) als auch technischen (nicht abgefangene Pegelspitzen, dadurch keine Verringerung der Dynamik!) Gründen sinnvoll. Der Regelbereich von 0 – 1 ms ist absolut ausreichend, längere Delays würden sich in der Synchronität der einzelnen Spuren negativ bemerkbar machen. Außerdem reichen oft schon die Wandler-Delays als Verzögerung aus.
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Praxis Weihnachten für die etwas Lesefaulen unter euch: Ab jetzt gib es ordentlich etwas zu lauschen. Es lohnt sich, versprochen! Nach der kinderleichten Installation und Freischaltung per iLok haben zwei Freunde und ich in Berlin einen kleinen Song zusammengesteckt:
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Song
Der Mix, den ihr hier hört, ist ausschließlich mit dem Softube FET komprimiert worden, die Einheit im Master stand im Bypass-Modus.
Kanalübersicht des Songs (click to enlarge)
Da der originale Mono-Kompressor äußerst gerne für die Verdichtung (und auch Färbung) von Gesangsstimmen benutzt wird, ist dies auch für mich die erste Anlaufstation. So klingt die unbearbeitete Stimme:
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Vocals bypassVocals light Comp.Vocals heavy Comp.Vocals heavy/parallel Comp.
Das folgende File weist mit ca. 3:1 eine moderate Ratio auf und ist bewusst “langsam” eingestellt. Hier zeigt sich schon der Vorteil des erweiterten Funktionsumfangs, denn beim Original lassen sich Verhältnisse zwischen 1:1 und 4:1 erst gar nicht auswählen. Die Kompression erfolgt unauffällig, technisch und mit verhaltener Färung, wie man es vom Original gewohnt ist. Seinen klanglichen Stempel drückt der FET dem Signal erst bei stärkerer Arbeit auf. Bei fast gleichen Zeitparametern, einem Kompressionsverhältnis von fast 8:1 und einem erhöhten Input (also quasi “geringerem” Threshold) hört man die Verwandtschaft des digitalen mit dem real existierenden Kompressor. Das leichte Zerren, die ausgeprägte Verdickung und die auffälligen Regelvorgänge sind sofort jedem vertraut, der einmal mit dem Klassiker von Universal Audio (bzw. Urei) gearbeitet hat. Wem der etwas “plattgedrückte” Sound nicht behagt, der freut sich, dass ihn der Dry/Wet-Regler angrinst. Kurz daran gedreht und – schwups – klingt das Signal trotz hoher Dynamikeingrenzung offen und natürlich.
1/3 Hier gibt es die Einstellungen der Vocal-Files zum u0022Nachlesenu0022. Light Compressionu2026
2/3 u2026heavy seriellu2026
3/3 u2026und in paralleler Betriebsart.
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Gitarre bypassGitarre Standard-Comp.Gitarre All Buttons
Bei der Solo-Gitarre zeigt sich, welchen Spaß es machen kann, den All-Buttons-Mode anzuwenden. Bei derartigem tonalen Material fällt die einsetzende Verzerrung besonders auf. Dem Gitarren-Signal tut es gut, allerdings fällt in den Spielpausen der enorme Kompressionshub auf – das hat allerdings nichts mit dem FET zu tun, sondern gilt für jeden Kompressor.
1/2 So sehen die Einstellungen der u0022Standard-Comp.u0022-Gitarre ausu2026
2/2 u2026und das hier ist u0022volle Mu00f6hreu0022.
Auch dem E-Bass steht der FET-Sound gut zu Gesicht:
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Bass bypassBass 1Bass 2Bass/BD Sidechain
Er macht ihn ordentlich FET(t). Die vorhin angesprochene Sidechain-Verkettung mit Bassdrum und Bass bringt das Bass-Signal zum Einknicken bei jedem Bassdrum-Schlag.
1/3 Hier wie gewohnt die Einstellungen fu00fcr u0022Bass 1u0022u2026
2/3 u2026u0022Bass 2u0022u2026
3/3 u2026 und die Verwendung des Sidechains.
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BD bypassBD 1BD 2SN bypassSN Comp.
Einzelne Drum-Signale mit 1176-Dynamics zu komprimieren, war eine lange Zeit der Elite der Audioproduktion vorbehalten: Schließlich ist es ein teures Vergnügen, sich die Sideracks mit teurem Outboard vollzustopfen. Dass es für einzelne Signale lohnenswert sein kann, sollte spätestens bei diesen Beispielen klar sein.
Allerdings ist natürlich eine 1176-Kompression nicht immer für alles passend. Der Bassdrum würde in diesem Mix ein LA-2A aus gleichem Hause etwas mehr “Bauchigkeit” verleihen.
OH bypassOH 1Drumbus SC-EQ offDrumbus SC-EQ onDrumbus All ButtonsDrumbus All Buttons / parallelDrumbus Hard LimitDirtmike bypassDirtmike Over-Comp.
Auf Overheads angewendet, freut man sich über die Möglichkeit, das Plug-In auch im Stereo-Betrieb anwenden zu können (Surround geht leider nicht!). Dies gilt in gleichem Maße für den Drum-Bus, dafür scheint das Plug-In wie geschaffen zu sein. Im nachfolgenden File ist das Gewicht der Bassdrum durch einen Low-Cut etwas “entschärft”. Im All-Buttons-Modus dreht der FET dann so richtig auf und zeigt, was er kann. Dieses heftige Pumpen ist es, das Produzenten und Toningenieure so lieben und das viele Konsumenten von Produktionen kennen. Auch auf das Dirt-Mike angewendet macht diese Kompressionsform Sinn.
1/5 So sieht die Kompression der OH-Mikros ausu2026
2/5 u2026das ist der Drumbus (SC-EQ on)u2026
3/5 u2026der Drumbus All Buttons / parallelu2026
4/5 u2026Drumbus Hard Limitu2026
5/5 u2026und Drumbus All Buttons Mix.
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Summe bypassSumme Standard-Comp.Summe breathing
Im Mastering findet man diesen Kompressionstyp recht selten. Einmal, weil die Einstellmöglichkeiten doch recht gering sind, jedoch auch, weil die typische “Vermatschung” der Höhen nicht jede Summe verträgt.
1/2 Die Einstellungen fu00fcr die Standard-Summenkompressionu2026
2/2 u2026und die u0022artmendeu0022 Kompression.
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Fazit Alles in Allem verdient der Softube FET anerkennendes Kopfnicken. Die klangliche Nähe zum Hardware-Vorbild ist erstaunlich, was vor allem bei hohen Kompressionen und dem All-Buttons-Modus deutlich wird. Gutes Modelling, liebe Wikinger! Und gute Programmierung, denn das Plug-In läuft auch in vielen Instanzen ohne Abstürze oder Regelfehler! Die Details zeigen, dass hier nicht Computer-Nerds, sondern Tontechniker am Werk waren. Im Handbuch ist sogar ein kleiner Signalflussplan enthalten. In vielen Produktionen, die akustische Drums und Vocals enthalten, ist ein 1176 oder ein Klon unverzichtbar. Der FET ist zwar nicht der einzige Software-Klon, steht aber definitiv in der ersten Reihe! Der Preis ist zwar nicht gerade gering, aber man muss nun wirklich keine Angst haben, übers Ohr gehauen zu werden. Ob man wie gewohnt um einiges tiefer in die Tasche greifen will, um das Plug-In auf der auch nicht gerade preiswerten Digidesign-Hardware laufen zu lassen, muss man allerdings selbst entscheiden.
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