Nura Nuraphone Test

Der Nuraphone ist ein absolut innovativer Bluetooth-Kopfhörer von Down Under, welcher durch ein Kickstarter-Projekt finanziert wurde.

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Der Clou: Durch die Aufnahme und Analyse otoakustischer Emissionen (OAE) wird eine individuelle Wiedergabe auf den Benutzer zugeschnitten. 
Der mattschwarze Kopfhörer ist das momentan einzige Produkt des in Melbourne ansässigen Herstellers Nura (Gründung 2015) und wird ausschließlich über den Online-Shop der eigenen Webseite vertrieben. Wir sind natürlich sehr neugierig, wie diese durchaus berechtigte Idee – aufgrund unzähliger Ursachen kann das Hörempfinden von Mensch zu Mensch tatsächlich sehr unterschiedlich sein – vom Nuraphone in die Praxis umgesetzt wird.

Details

Bauweise

Der Nuraphone ist ein dynamischer Kopfhörer in geschlossener Bauweise mit ohrumschließenden Ohrmuscheln, welche allerdings die Besonderheit eines zusätzlich integrierten In-Ear Stöpsels aufweisen. Der Hersteller bezeichnet diese ausgefallenen Konstruktion als „Dual Layer Sound Isolation“, welche tatsächlich bemerkenswerte Dämmeigenschaften besitzt. Das simple Gehäuse des Kopfhörers weist keine weiteren Raffinessen auf, ist nicht klappbar und wiegt ohne Kabel 329g.

Die ungewöhnliche Konstruktion der inneren Ohrmuschel des Nuraphone
Die ungewöhnliche Konstruktion der inneren Ohrmuschel des Nuraphone

Verarbeitung / Optik

Der optisch stilvoll-puristische Kopfhörer von Nura ist durch einen Metall-/Aluminium-dominierten Materialmix bemerkenswert robust und weist keinerlei Verarbeitungsmängel auf. Die Ohrpolster (inklusive der wechselbaren Stöpsel) sowie die Polsterung des Kopfbügels sind aus Silikon gefertigt. Aufgrund der potentiellen Beschädigungsgefahr war ich noch nie ein Freund von freiliegenden Kabeln bei Kopfhörern. Beim Nuraphone sind diese jedoch stabil ummantelt und sitzen zudem vertrauenserweckend fest in den Ohrmuscheln, sodass man den Kopfhörer wahrscheinlich bedenkenlos im Rucksack transportieren kann (obwohl eine Transportbox vorhanden ist). Insgesamt entspricht die Verarbeitungsqualität des australischen Kopfhörers absolut meiner Erwartungshaltung an ein Modell, für das man mehr als 300 Euro auf den Tisch legen muss. 

Dank vieler Metallbauteile ist der Nuraphone ein zäher Bursche!
Dank vieler Metallbauteile ist der Nuraphone ein zäher Bursche!

Mitgelieferte Kabel und Co.

Der Nuraphone wird in einem stabilen und optisch attraktiven Case mit Magnetverschluss geliefert. Weiterhin an Bord ist lediglich ein ca. 1,25 m langes USB-A-Ladekabel, welches in einer weiteren kleinen Gummi-Box aufbewahrt wird, die magnetisch im Transport-Case des Kopfhörers befestigt werden kann – praktisch! Optional erhältlich sind eine Reihe weiterer Kabeloptionen, die beim Hersteller für satte 19,95 US$ bis 39,95 US$ (Lightning-Anschluss mit Remote) geordert werden können. Erst die optionalen USB-Varianten (A, C, Micro-USB) sowie das Lightning-Kabel ermöglichen eine Audioübertragung ohne Nutzung einer Bluetooth-Verbindung, was selbstverständlich auch für das analoge Anschlusskabel (3,5 mm Miniklinke) gilt. Weiterhin können zusätzliche Stöpsel (Nuraphone tips) bestellt werde. Die App NURA , die zur Konfiguration des Kopfhörers notwendig ist, wird kostenlos in den entsprechenden App-Stores angeboten.

Fotostrecke: 3 Bilder Die abgebildeten, optionalen Kabel lässt sich der Hersteller gut bezahlen.

Technik (OAE, Immersion, Bluetooth)

Konkrete Angaben zu den Audiowerten des Nuraphone sucht man vergeblich, was bei Bluetooth- bzw. Mobilkopfhörern aber auch kein seltenes Phänomen ist. Ausreichend technischen Gesprächsstoff bietet der innovative Kopfhörer aber auch so allemal.
OAE
Das auffälligste Merkmal des Nura Nuraphone ist seine automatische Anpassung der Wiedergabe, welche auf der Messung der otoakustischen Emissionen (OAE) unserer Ohren basiert. Meines Wissens, also ohne tiefere Recherche, handelt es sich hierbei um das Alleinstellungsmerkmal des australischen Kopfhörers. Aber was bedeutet das konkret und wie funktioniert so etwas? OAE sind Signale, welche vom Innenohr ausgehen, wobei man zwischen stimulierten und spontanen OAE unterscheidet, deren extreme Form der Tinnitus ist. Die OAE-Messung mit dem Nuraphone erfolgt anhand verschiedener „Testtöne“, die das rechte und linke Ohr getrennt stimulieren. Vielleicht kann man es sich am besten so vorstellen, dass hierdurch eine Reflektion oder Rückkopplung ausgelöst wird, welche Rückschlüsse über die individuelle und frequenzselektive Empfindlichkeit erlaubt und welche hieraus resultierenden Wiedergabeanpassungen zur Optimierung erforderlich sind. Die klangliche Anpassung basiert beim Nuraphone auf einem Mittelwert beider Ohren und erfolgt auf linkem und rechtem Wandler identisch. Das resultierende Profil kann abgespeichert und auch deaktiviert werden, wobei – soviel vorweg – die Wiedergabe im „Generic Mode“ (ohne Anpassung) sehr unbefriedigend und zum Musikgenuss quasi unbrauchbar ist.

Fotostrecke: 3 Bilder Mein Hörprofil

Immersion Mode
Der Immersion Mode, welcher auf der Nura-Homepage sehr emotional und blumig beschrieben wird („Immerse Yourself“, „We feel music“, usw.) ist eigentlich nichts weiter als eine regelbare Bassanhebung. Zusätzlich zum automatisch generierten Profil ist es allerdings absolut erfreulich, dass man diesen „Geschmacks-Parameter“ nach eigenem Belieben separat einstellen kann.

Regelung der Bassintensität
Regelung der Bassintensität

Bluetooth
Dass die Audioübertragung per Bluetooth häufig mit Einschränkungen und Qualitätseinbußen einhergeht, sollte unter Audio-affinen Benutzern bekannt sein. Dennoch muss ich einräumen, dass ich mich mit dem Thema Bluetooth-Audio bisher nur oberflächlich auseinandergesetzt habe. Beim Nuraphone sind mir allerdings Unterschiede in der Wiedergabe per Kabel und Bluetooth (iPhone) aufgefallen, sodass ich zu dieser „Nebensache“ (aus Sicht vieler Musikkonsumenten) einige Punkte anzumerken habe. Entscheidend für die Qualität der Audioübertragung ist der verwendete Codec. Angaben hierüber sucht man bei einigen Herstellern vergeblich. Auf der Homepage von Nura hingegen erfährt man, dass der Nuraphone die Standards aptX audio und aptX HD audio von Qualcomm verwendet, die als äußerst hochwertig gelten und sogar eine verlustfreie Übertragung bis 48kHz und 24Bit ermöglichen. Allerdings kommt von dieser Qualität bei Nutzern von iOS-Geräten nicht viel an, da dieser konkrete Standard offenbar nicht unterstützt wird und das Signal aufgrund einer zusätzlichen Datenkompression qualitätsgemindert die Ohren des Benutzers erreicht. Wenn man Wert auf die optimale Wiedergabequalität im Bluetooth-Betrieb legt, sollte man also einen entsprechenden Player (Android, macOS Sierra, sonstige aptX-kompatible Player) verwenden. Mehr zum Thema Klang folgt später im Praxisteil dieses Testberichts.

An der Bluetooth-Verbindung mit meinem MacBook Pro gibt es nichts zu beanstanden.
An der Bluetooth-Verbindung mit meinem MacBook Pro gibt es nichts zu beanstanden.

Praxis

Verwendungszweck des Nuraphone

Der Nura Nuraphone ist aus meiner Sicht – und trotz übertrieben ekstatischer Aussagen diverser tonschaffender Audio-Profis im Promo-Video auf der Homepage – primär ein Kopfhörer für den Musikkonsum, dessen hervorragende Dämmung auch wie geschaffen für den mobilen Einsatz ist. Viele geschlossene Kopfhörer bieten sich ebenfalls zum Monitoring während der Aufnahme im Studio an, allerdings entsprechen die Kabeloptionen des Nuraphone nicht den Standards, die hierfür erforderlich sind. So z.B. der Standard, dass ein Kabel nicht bereits beim ersten, leichten Zug herausfällt.

Hier sitzen die Kabel leider nicht besonders fest.
Hier sitzen die Kabel leider nicht besonders fest.

Konfiguration und Bedienung

99 Prozent der aktiven Bedienung erfolgt über die App. Leider ist es nur im „reinen“ Bluetooth-Betrieb möglich die Settings des Kopfhörers zu verändern, d.h. sobald auch nur ein Kabel in der Buchse des Nuraphone steckt, kann keine Verbindung zur App hergestellt werden, was schade ist, wenn man beispielsweise im Kabelbetrieb die Bassintensität verändern möchte. Die komplette Konfiguration erfolgt also über ein per Bluetooth gekoppeltes iOS- oder Android-Gerät. In meinem Fall ein iPhone SE, mit welchem ich zunächst die App NURA installieren musste

Fotostrecke: 3 Bilder Kabel in Buchse = keine Bedienung per App

Nach erfolgter Installation muss man lediglich den eindeutigen Anweisungen innerhalb der App folgen, um ein eigenes Soundprofil zu erstellen und zu sichern. Während dieses Prozesses, der ca. ein bis drei Minuten dauert, wird man auf beiden Ohren separat von verschiedenen Frequenzen beschallt. Hierbei ist es wichtig, dass der Hörer korrekt sitzt, sollte dies nicht der Fall sein, wird man von der App auf diesen Missstand hingewiesen und kann den Vorgang wiederholen.

Das Anlegen weiterer Profile (insgesamt drei) ist problemlos möglich.
Das Anlegen weiterer Profile (insgesamt drei) ist problemlos möglich.

Der Kopfhörer selbst besitzt nur ein, per App konfigurierbares Bedienelement: den berührungsempfindlichen Button an der linken Ohrmuschel. Die zuweisbaren Kommandos sind in der folgenden Abbildung zu sehen:

Fotostrecke: 2 Bilder Die möglichen Button-Funktionen

Klang

Der Nuraphone wurde für diesen Test an den folgenden Geräten – sofern jeweils vorhanden – über den Kopfhörerausgang und über Bluetooth betrieben: iPhone SE, iPad 4, Apple MacBook Pro, UAD Apollo 8
Zum Testen des Kopfhörers habe ich einen stilübergreifenden Mix eigener und fremder Produktionen über Kopfhörer angehört und analysiert.
Wie bereits angedeutet wurde, empfinde ich die Wiedergabe per Bluetooth von meinen iOS-Geräten als etwas „plärrend“ und kalt. Die Audioqualität bei vorhandener Kabelverbindung (analog, Lightning) sowie bei der Bluetooth-Kopplung an mein MacBook Pro ist spürbar höher, der Klang „vollmundiger“. Die folgenden Beurteilungen sind unter diesen, besseren Bedingungen im Personalised Mode zustande gekommen. Der Generic Mode ist m.E. nicht wirklich brauchbar und unterscheidet sich gravierend von der OAE-basierten Anpassung.
Wiedergabeeigenschaften
Die Wiedergabeeigenschaften im Personalised Mode sind innerhalb der Kategorie Mobilkopfhörer absolut überzeugend. Die Frequenzabbildung ist musikalisch und weitgehend homogen, wobei eine leichte Anhebung mittlerer Frequenzen auffällt, die mir aber sehr gut gefällt, weil hierdurch Gesangsstimmen eine würdige Präsenz erhalten – eine etwas frischere Alternative zum „Smiley-Frequenzgang“ vergleichbarer Produkte. Die Regelbarkeit des Bassanteils im sogenannten „Immersion Mode“ ist ein wertvolles Feature, da man den Impact tiefer Frequenzen nach eigenem Geschmack stufenlos justieren kann. Eine luftige Transparenz offener Kopfhörer wird wohl kaum jemand vom geschlossenen Nuraphone erwarten, doch an der Raumabbildung gibt es nichts zu kritisieren. Die Stereobühne wirkt angenehm, nicht übermäßig breit und weitgehend natürlich. Auch die Tiefenstaffelung ist für einen Mobilkopfhörer überdurchschnittlich. Soweit ist klanglich alles gut und gelungen, dass sich im Promo-Video allerdings professionelle Engineers vor die Kamera stellen und sagen, dass sie so etwas Tolles noch nie gehört hätten, ist doch etwas übertrieben. Das Impulsverhalten des Nuraphone ist dem Zweck entsprechend in Ordnung, bei hohen Abhörlautstärken fällt allerdings eine einsetzende Kompression bis hin zu leicht zerrenden Artefakten auf. Das können andere Kopfhörer, die nicht zwingend teurer sind, besser. Alles in allem kann man die Wiedergabeeigenschaften aber als absolut positiv bewerten, besonders wenn man bedenkt, wie viele Geräte mit äußerst fragwürdigen Audioeigenschaften für teures Geld ebenfalls in diesem Marktsegment angeboten werden.

Tragekomfort

Ich bin kein wirklicher Freund von In-Ear-Kopfhörern, dementsprechend empfinde ich den Nuraphone subjektiv als unkomfortabel, und dass zusätzliche Polster aus Silikon meine Ohren umschließen, macht die Sache auch nicht unbedingt besser. Der perfekte Sitz erfordert darüber hinaus ein sorgfältiges Justieren des Kopfhörers. Ein positiver Aspekt ist die allenfalls moderate Wärmeentwicklung des geschlossenen Modells, was einem eigens hierzu entwickelten Ventilsystem innerhalb der Ohrmuscheln zu verdanken ist. Bei der Polsterung des Kopfbügels gilt offenbar „Design vor Funktion“. Hier wäre mehr machbar gewesen, den Druck des über 300 g wiegenden Nuraphone auf die Schädeldecke zu mildern. Hierzu muss ich allerdings anmerken, dass auf meinem Schädel selten mehr als ein Dreitagebart anzutreffen ist. Dennoch – insgesamt betrachtet ist der eingeschränkte Tragekomfort mein Hauptkritikpunkt am Nuraphone. In diesem Kriterium würde ich allen geschlossenen Modellen meiner kleinen Kopfhörersammlung (AKG K270, Audio-Technica ATH-M50 , Ultrasone Pro 580i, Superlux HD-660, Sennheiser Momentum) den Vorzug geben.

Fotostrecke: 2 Bilder Etwas großzügiger hätte die Polsterung des Kopfbügels gerne ausfallen können.

Fazit

Der Nura Nuraphone ist zweifellos eine technische Innovation. Dank otoakustischer Emissionen wird ein individuelles Wiedergabeprofil generiert, das in meinem Fall ein absolut zufriedenstellendes, homogenes Ergebnis liefert. Um ihn als audiophile Zäsur in meinem Leben zu bezeichnen, fehlt es allerdings noch an Präzision und Auflösung. Zum reinen Musikkonsum ist der australische Kopfhörer aber eine interessante Empfehlung! Zu kritisieren ist die unbefriedigende Wiedergabe über Bluetooth bei iOS-basierten Playern sowie der aus meiner Sicht mangelhafte Tragekomfort. So gesehen hinterlässt der Nuraphone bei mir ein etwas zwiespältiges Bild. Dennoch würde ich mich freuen, wenn dieses mutige Projekt von kommerziellem Erfolg gekrönt würde. Wer weiß, wozu kommende Entwicklungen des australischen Herstellers eventuell imstande wären, die auf dieser Technik (OAE) basieren. 

Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • sehr gute passive Dämmeigenschaften
  • sehr gute Klangqualität (Personalised Mode mit Kabel)
  • drei speicherbare Profile
  • separate Regelung der Basswiedergabe per Nura-App
  • praktische Transportbox
  • hochwertige Verarbeitung
Contra
  • mangelhafter Tragekomfort
  • störanfällige Steckverbindung im Betrieb per Kabel
  • mangelhafter Sound im Generic Mode (ohne Processing)
  • unzureichende Information über den Ladezustand des Akkus
  • Bluetooth-Audio nicht optimal für iOS-Geräte
  • kein analoges Audiokabel im Lieferumfang
Artikelbild
Nura Nuraphone Test
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Features und Spezifikationen
  • geschlossener Bluetooth Kopfhörer mit OAE Messung und automatischer Sound Kalibrierung
  • geschlossen
  • ohrumschließend
  • Dual Layer Noise Isolation
  • Generic + Personalised Mode
  • Immersion Mode (entspricht Bass Boost)
  • Kühlung der Ohrmuscheln („Tesla Valves“)
  • Lithium-Ionen Akku (bis zu 20 Std. Betrieb mit Bluetooth)
  • USB-A-Ladekabel (mit separatem Case)
  • optionale Kabelanschlüsse: Lightning (mit Mikrofon), USB-A, USB-C, Micro-USB, 3,5mm-Miniklinkenstecker (stereo, vergoldet)
  • Touch-Buttons (Ohrmuschel)
  • Bluetooth (Qualcomm aptX audio, aptX HD audio)
  • kostenlose App Nura für iOS (9.3+) und Android (5.1+)
  • Transportbox
  • Gewicht: 329g (ohne Kabel)
  • Preis: US$ 399,– (im Online-Shop des Herstellers am 05.02.2018)
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Filip Joveski sagt:

#1 - 03.09.2018 um 12:27 Uhr

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