Wie? Metall kann “crisp” sein? Und “cross” obendrein? Entstammt die Überschrift der Feder eines verhinderten Werbetexters für Produkte, die die Welt nicht braucht?
Natürlich nicht: Wie immer bei bonedo geht es auch hier in erster Linie um Sounds. Und wer diese Ludwig-Snare spielt (oder sich die Beispiele anhört), kommt bei der bekanntermaßen schwierigen Suche nach geeigneten Adjektiven für den Klang um “crisp” und “cross” kaum herum.
Anzeige
Die Frage, ob Metall oder Holz als Kesselmaterial die bessere Wahl ist, beschäftigt Trommler schon lange. Solche aus exotischen Holzsorten gelten meist als “wärmer”, meist auch edler und hochwertiger. Der amerikanische Hersteller von Schlagzeugen und Perkussion Ludwig-Musser scheint es sich schon vor vielen Jahren zum Ziel gesetzt zu haben, durch hohe und dauerhafte Qualität der guten alten Metallsnare die Akzeptanz zu verschaffen, die sie verdient. Die LM 400 ist ein wirkliches Qualitätsprodukt und mit einem halben Tausender auch eher teuer. Das Metall, aus dem die Trommel besteht, ist allerdings kein Stahl, sondern Aluminium. Das recht weiche Material ist nahtlos gezogen und verchromt. Neben der klassischen LM 400 gibt es im Verkauf Abwandlungen mit dünneren Tubelugs und etwas tieferen und mit gehämmerten Kesseln.
Bei Toningenieuren sind Metallsnares sehr beliebt. Nicht wenige haben für den Holzsound eine Radioking und für den Metallsound eine Supraphonic im Schrank, um eine der beiden nach erfolglosem Laborieren am Snaresound der edlen High-Tech-Snare den verdutzten Trommlern auf den Snareständerkorb zu legen. Ähnlich ist es bei Gitarren und Amps: Im Studiobetrieb ist nach einem kurzen Probehören oft eine der ersten Amtshandlungen des Technikers der Austausch des blinkenden und polierten Racks und der zum Klamottenstil des Musikers passenden Custom-Gitarre gegen einfaches und jahrzehntelang bewährtes Werkzeug (ich brauche hier wohl keine Marken zu nennen). Das ist der Kern dessen, was Ludwig-Snares ausmacht: Simples, zuverlässiges und flexibles Gerät, das auf zahlreichen Produktionen wieder zu finden ist. Wenn es “knallig” und höhenreich werden soll, ist Ludwig häufig die erste Wahl. Schön sein dürfen andere, diese hier darf gut klingen. Damit steht fest: Die Supraphonic ist nichts für Schlagzeuger, die sich über die Optik ihres Drumkits definieren wollen, denn statt Hingucker ist die LM 400 eher “Hinhörer”. Nix Flammen, Totenköpfe, Blümchenmuster: einfach Snaredrum. Auch neueste technologische Meisterleistungen sucht man an ihr vergeblich: Die allseits bekannte, einfache Teppichabhebung wird ebenso seit Jahrzehnten verwendet wie die “Imperial Lugs”. Mittlerweile hat sich glücklicherweise auch herumgesprochen, dass Die-Cast-Spannreifen zwar massiver aussehen, aber im Grunde nur für einen anderen Sound sorgen, der nicht unbedingt mit besser gleichzusetzen ist. Aber der Reihe nach:
Bauweise und Verarbeitung Der gezogene Kessel ist fünf Zoll tief und hat mittig eine umlaufende Ausstülpung, die unter anderem eine allzu starke Resonanzbildung im stark reflektiven Inneren des Kessels verhindern hilft. Mit einem Durchmesser von 14 Zoll weicht dieses Instrument nicht von der stimmflexiblen Standardgröße ab. Die Spannreifen weisen keine Besonderheiten auf: Sie sind gezogen und sie sind rund. Wer jetzt “Ach nee!” denkt, der kann gerne einmal die Hoops preiswerter Trommeln nachmessen. Ludwigs Reifen waren auch nach tagelangem Hin- und Herstimmen und teilweise brutalen Spannungsunterschieden noch absolut rund. Die Erfahrung lehrt, dass das voraussichtlich auch Jahrzehnte so bleibt. Bei so manch einer Snare (nicht nur den ganz billigen!) sind schon deutliche Toleranzen bei fabrikneuen Instrumenten bemerkbar! Zusammen mit dem hochwertigen Kessel wird es überhaupt erst möglich, eine Snare vernünftig zu stimmen. Zehn Spannschrauben pro Fellseite halten das Fell auf dem Kessel. Die Lugs sind im klassischen Ludwig “Imperial” Design ausgeführt. Diese durchgängigen Böckchen kennzeichnet neben dem unauffälligen (Art-Deco-) Design vor allem, dass sie durch generell untermaßige Bauweise die Spannschrauben nicht absolut parallel zum Kessel aufnehmen, sondern leicht nach aussen gewinkelt. Die Supraphonic hält auch nach vielen Rim-Shots noch die Stimmung, im Test musste sie sich allerdings nach einer halben Setprobe der kinetischen Energie geschlagen geben. Auf diese Urgewalt reagierte sie -wie jede Snare- mit leichter Verstimmung der benachbarten Spannschrauben. Insgesamt bilden Böckchen, Schrauben, Unterlegscheiben, Reifen und Kessel eine gute Funktionseinheit. Wenn bei Trommeln das Schlagfell nicht ganz plan aufliegt, verstimmt es sich manchmal schon nach wenigen Strikes – das ist hier nicht der Fall. Die Fellauflagekante hat darauf immer auch entscheidenden Einfluss. Bei Holzsnares ist es möglich, die tatsächliche Berührungsfläche zwischen Fell und Kessel sehr klein zu halten, Metallkessel sind umgefalzt und dementsprechend etwas “runder”. Bei der Falz auf der Resonanzfellseite fällt auf, dass diese nicht überall ganz sauber gearbeitet ist: Genau an der Stelle der Fellauflage finden sich kleine Dellen im Metall, Herkunft unbekannt (Werkzeug?). Diese sind nicht sonderlich tief und auch nicht sonderlich flächig, daher haben sie keine Auswirkungen auf die Planlage des Fells, man erkennt auch bei geringen Stimmungen keinen zusätzlichen Faltenwurf an den entsprechenden Stellen. Trotz allem hinterlässt dies den berüchtigten bitteren Geschmack im Mundraum – denn schließlich handelt es sich bei der LM 400 trotz des momentanen Spielgeld-Dollarkurses um eine der teureren Metallsnares. Nicht umsonst aber schauen viele Amerikaner (und auch die Inseleuropäer) neidvoll auf die Qualität deutscher und japanischer Musikprodukte. Wer hier Gegenargumente sucht: So manches hochqualitatives Gerät oder Instrument erweist sich dann doch als “over-engineered”. Um die Wogen zu glätten: Bis auf obiges, vernachlässigbares Manko macht es die Verarbeitungsqualität fast unmöglich, Negativaspekte zu finden. Keine Wülste oder überstehenden Nähte, nichts, was zu viel Spiel hätte oder raschelt, klappert, mitschwingt. Auch die Verchromung des Kessels ist ordentlich und unterscheidet sich deutlich von dem, was man aus dem Land mit der großen Mauer gewohnt ist.
Die “P85”-Abhebung arbeitet einfach, aber wirkungsvoll. Schön ist, dass der Spannhebel eine ideale Höhe hat, was das Anheben oder Ansetzen während des Spiels deutlich erleichtert. Die Teppichspannung bleibt konstant, was nicht zuletzt der ordentlichen Strainingscrew geschuldet ist. Auch der Teppich selbst ist mehr als nur “ok”, viele Drummer peppen aus gutem Grund ihre XY-Snare mit Ludwig-Teppichen auf. Bei Metallkesseln ist es im Herstellungsprozess nicht möglich, ein Snarebed zu schaffen, daher haben Schlagzeuger immer wieder Probleme mit der Justage. Die Abhebung der Ludwig ist aber in den richtigen Höhen und Kesselentfernungen angesetzt. Die Werksbefellung tritt in Gestalt eines Ludwig “Weather Master” auf. Dieses einlagige Fell ist sehr stark aufgeraut und hat die Optik einer Tierhautmaserung. An die Eisenarme unter den Trommlern: Sofort austauschen! Diese Fell ist zwar sehr gut und harmoniert gut mit der Snare, dokumentiert wirklich harte Schläge jedoch leider sofort mit einer kleinen Beule. Für alle nicht so brutalen Trommler kann ich dieses Fell (vielleicht auch für andere Snares) aber völlig empfehlen. Ok, der Name ist nicht so wahnsinnig kreativ, die sprachliche Nähe von “Master” zu “King” und damit dem Marktführer bei Schlagzeugfellen ist nicht allzu groß. Aber nun gut. Kommen wir zum Wesentlichen, dem Sound:
Anzeige
Sound Schon der erste Schlag auf die noch ungestimmte Snare trainiert die Gesichtsmuskeln: Zuerst werden reflexartig die Augen zusammengekniffen, weil das Leichtgewicht ordentliche Pegel zu generieren imstande ist – und das in Frequenzbereichen, in denen das menschliche Gehör äußerst empfindlich ist. Noch mehr Adjektive gefällig? Dann wäre “schneidend” hier angebracht. Die Gegenbewegung der mimischen Muskulatur folgt auf dem Fuße: Die Augen werden wieder weit aufgerissen, die Augenbrauen springen in Richtung Haaransatz und die Stirnhaut wird zu feinen Runzeln zusammengefaltet: Wow! Anders als viele sonstige Snares ist der Sound dieses Instruments auffällig komplex. Egal, wie die Ludwig gestimmt wird: Nie ist sie langweilig, nie ist sie penetrant. Ludwig-Musser ist in erster Linie ein Hersteller von Schlagwerk für Marching-Bands. Verständlich, dass “langweilige” Snaresounds der Tod einer solchen Musik wären. Daher ist der Klang auf Vielschichtigkeit ausgerichtet. Der Tontechniker freut sich: Bei Instrumenten mit einem “reichen” (also breitbandigen) Spektrum hat man es einfacher, sie in den Gesamtmix zu integrieren. Es gibt keinen aufdringlichen, herausstechenden Kessel-Ping, die Hauptresonanzen lassen sich durch gezieltes Stimmen hervorheben oder verdecken, die Supraphonic lässt eine große Range an Stimmungen zu. Verschiedene Spielweisen machen sich sofort bemerkbar, der Klangunterschied von Centre-Strike zu Off-Centre-Strike ist enorm. Am Rand gespielt, bekommt der Klang einen starken “Air”-Anteil, de Grundtonbereich bricht weg.
Wie auch für Marching-Drums üblich, hat diese Ludwig eine unglaublich präzise Teppichansprache. Selbst, wenn eine Daune auf das Schlagfell fällt, ist ein leises Rascheln der Spiralen wahrnehmbar (ok, das ist vielleicht ein wenig übertrieben). Das klingt natürlich einerseits gut, denn es lassen sich auch in der geringsten Dynamikstufe feine Nuancen unterscheiden, wodurch die Supraphonic uneingeschränkt auch für den Einsatz als “kleine Trommel” im Orchester geeignet ist (und dort auch wirklich eingesetzt wird). Andererseits ist dadurch die Gefahr groß, dass trotz gezielter Stimmung die Snares auch dann fröhlich mitrascheln, wenn ein ganz anderes Instrument gespielt wurde (Toms, Bassdrum). Mit einem etwas kräftigeren Fell ausgestattet, geht ein wenig von dieser Feinheit verloren, dafür erhält man auch bei kräftigen Strikes den Sound, nach dem man womöglich schon lange auf der Suche war: Ohne großartige tontechnische Bearbeitung fühlt man sich sofort an viele Aufnahmen der 60er und 70er erinnert. Viele Rocktrommler spielten (und spielen) eine solche Snare, und für Funk ist dieses Instrument allererste Sahne. Die dünnen Spannreifen übertragen Rimshots sehr direkt auf den Fellreifen, wodurch man es ordentlich krachen lassen kann.
Mit Druckgussreifen würde ein solcher Shot bei Weitem nicht so höhenreich ausfallen. Am “crispen” Sound haben das Resonanzfell und die Spiralen sehr starken Anteil, jedoch wird der Grundsound schon deutlich durch den Kessel geprägt. Mit einer getrennten Mikrofonierung der Schlag- und Resonanzseite lässt sich der Gesamtsound äußerst gezielt bestimmen. Sicher: Wer versucht, denn fetten und warmen Sound tiefgestimmter Achtzoll-Maplekessel zu erzielen, hat die falsche Art Instrument gekauft. Die LM 400 reagiert deutlich, aber nicht übertrieben auf unterschiedliche Schlegel. Der Charakter wird durch nicht zu dicke Holzstöcke am ehesten unterstrichen.
Anzeige
Fazit Trotz kleinerer Mankos: Die Ludwig LM 400 Supraphonic ist nicht auf einen “Klassikerbonus” angewiesen, sondern ist ein schlicht und einfach vorzüglich klingendes Instrument. Die Snare kann von Trommlern und Technikern, die wissen, was sie tun, ohne großen Aufwand für ein riesiges Spektrum an Einsatzmöglichkeiten eingesetzt werden. Orchester, Marching, Jazz, Funk, Rock (habe ich etwas vergessen?) sind ein ideales Umfeld für dieses Instrument. Jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er den Preis angemessen findet oder nicht, aber langjährige Klassiker wird es wohl niemals zum Schleuderpreis geben. Auch für Tonstudios ist eine Supraphonic eine lohnenswerte Investition, denn selbst in 30 Jahren wird man sie noch hervorkramen können.
Testaufbau: Werksbefellung und Remo Powerstroke 3, Dämpfung mit 1cm-Ring Mikrofonierung: Top EV RE20, Bottom Beyerdynamic M640 Preamps: 2 x Focusrite ISA220 (bearbeiteter Soundschnipsel mit Bottom: CAD Equitek E200 Richtcharakteristik Acht, Lydkraft TubeTech MP1-A, to-tape EQ/Kompressor ISA220), HPF bei jeweils 40Hz
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.