Unbestreitbar gibt es Situationen im Arbeitsleben eines Bassisten, in denen es praktisch sein könnte, die Sounds bewährter und angesagter Bass-Stacks einfach per Knopfdruck abzurufen. Wer stand nicht schon mit seinem Combo auf der Bühne und verspürte den dringenden Wunsch, genau den Bass-Sound parat zu haben, der dem gerade gespielten Titel im Original seinen Stempel aufgedrückt hat. Wunschdenken? Ein Hersteller, der sich mit Akribie genau diesen Herausforderungen stellt, ist Line 6.
Mit einer ganzen Serie unter dem stimmigen Namen LowDown versucht der Modelling-Spezialist, genau diese Lücke zu schließen. Den Combos der Serie und den beiden Topteilen HD400 und HD750 hat man gleich noch die beliebtesten Basseffekte, einen Kompressor und ein Stimmgerät mitgeben, und eine Box mit vier 10er Lautsprechern gehört ebenfalls zum Angebot. Wer Line 6 kennt, der weiß, dass die aufgezählten Features kaum die ganze Palette darstellen können – ein Grund, sich der Serie etwas eingehender zu widmen. Wir haben uns mit dem HD400 das kleinere der beiden Topteile mit 400 Watt ins bonedo Teststudio geholt und sind gespannt, ob und wie es einige glorreichen Boliden der Bass-Geschichte wiederbeleben kann.
Der LowDown HD400 wurde für den Einbau in ein 19“ Rack konzipiert und nimmt bei einer Einbautiefe von 240 mm drei Höheneinheiten in Anspruch. Das verschraubte Metallgehäuse ist aber so ordentlich verarbeitet und macht einen so stabilen und zuverlässigen Eindruck, dass es unter normalen Bedingungen auch beim Betrieb außerhalb des Racks seine Innereien ausreichend schützen sollte. Gummifüße besitzt der Amp allerdings nicht, wer auf ein Rack verzichtet, der sollte deshalb auf der Unterseite eine Rutschsicherung nachrüsten. Ansonsten könnte es passieren, dass sich das neue Schätzchen schon beim ersten Gig selbstständig macht.
Optisch kommt der HD400 ziemlich elegant daher, die 2 mm starke Frontplatte aus gebürstetem Metall passt hervorragend zu den großen Metallschutzbügeln und den zehn Drehreglern in Chrom. Zudem ist das Bedienfeld sehr klar strukturiert, was im Idealfall auch eine unkomplizierte und intuitive Bedienung erlaubt.
Gehen wir die Features im Einzelnen durch: Direkt nach den zwei Klinkenbuchsen mit unterschiedlichen Empfindlichkeiten für passive und aktive Bässe folgt das „Sound-Zentrum“ des HD400. Dabei handelt es sich um einen Regler, mit dem fünf verschiedene Verstärkermodelle angewählt werden können. Hinter dem Modell „Clean“ verbirgt sich der Sound eines Eden Travelers, ein cleaner Fusionbass-Ton mit klaren Höhen und warmen Bässen. Für die Einstellung „R&B“ hat Line6 den legendären Fliptop Combo B-15 von Ampeg analysiert, der in den 60er und 70er Jahren von vielen Motown-Bassisten vorzugsweise im Studio verwendet wurde. Bei den nächsten Verstärkermodellen geht es heftiger zur Sache. „Rock“ soll den Sound eines 74er Ampeg SVT-Heads samt zugehöriger 8 x 10“ Kühl-Gefrierkombinationsbox, sozusagen die Mutter aller Rockbass-Stacks, reproduzieren. Die Einstellung „Brit“ dagegen steht für einen angezerrten Basssound á la John Entwhistle, für den ein Marshall Super Bass aus dem 1968er Jahrgang Pate stand. Das letzte Amp Modell „Grind“ ist eine Kombination aus einem angezerrten Sansamp PSA-1, der über einen Ampeg SVT verstärkt wird, wovon sich Line 6 einen aggressiven, modernen Rocksound verspricht.
Zusätzlich existiert eine sechste Reglerstellung „Synth“. Der HD400 kann also nicht nur verschiedene Verstärker simulieren, sondern liefert auch auf Knopfdruck fette Bass-Synthie-Sounds, und zwar bevorzugt die Klassiker der 70er Jahre. Im Synthie Modus verwandeln sich die vier EQ-Potis Bass, Lo-Mid, Hi-Mid und Treble und der Kompressorregler „Opto Comp“ zu den wichtigsten Funktionen eines Analogsynths. Der Bassregler fungiert dann als Hochpassfilter, Lo-Mid steuert die Resonanz, Hi-Mid wird zum Envelope-Regler und steuert die Intensität der Filterhüllkurve, während man mit dem Treble-Poti Attack und Decay, also die Geschwindigkeit der Hüllkurve, bestimmt. Zusätzlich kann man mit dem Kompressor-Regler „Opto Comp“ verschiedene Wellenformen einstellen, die Bandbreite reicht dabei von Sägezahn über Dreieck- und Rechteckwellen bis zur Pulsbreitenmodulation. Auch der Deep-Schalter, der bei den Amp-Modellen als EQ-Preset zum Anfetten des Sounds fungiert, stellt im Synth-Modus eine ähnliche Funktion bereit. Er fügt dem Sound eine um eine Oktave tiefere Dreieckswelle hinzu und sorgt so für mehr Low-End. Der „Drive“-Regler entspricht dem Gainregler normaler Verstärker und versorgt auch den Synthiesound mit einer Verzerrung, wenn man ihn beherzt aufdreht.
Eine dermaßen große Soundvielfalt schreit natürlich nach einer Presetverwaltung, damit die mühevoll geschraubten Klänge blitzschnell abrufbar sind. Line6 hat dem HD400 vier Speicherplätze mit auf den Weg gegeben, die mit den beleuchteten Tastern oder den optional erhältlichen Kontrollern FBV Express oder FBV Shortboard per Fuß bedient werden können. Bei Auslieferung sind die Plätze mit Werkssounds belegt, die man aber mit eigenen Kreationen überschreiben kann. Die Leuchtdioden der Preset-Tasten geben übrigens bei aktiviertem Tuner auch Rückmeldung über die Stimmgenauigkeit; erst wenn die beiden mittleren Taster grün leuchten, ist die Tonhöhe korrekt. Welchen Ton man gerade stimmt, erfährt am beim Blick auf den Amp-Model-Regler. Leuchtet die Einstellung „Clean“, stimmt man gerade die H-Saite, bei „R&B“ die E-Saite, und so weiter, bis schließlich mit der letzten Einstellung „Synth“ die C-Saite eines 6-Saiter-Basses angezeigt wird.
Jetzt sind wir mit den zahlreichen Features fast durch, es bleiben noch die Potis „Chan Vol“ zum Angleichen der Lautstärkenunterschiede, die bei den Presets entstehen können, und „Master“ für die Endlaustärke des Amps. Last, but not least wartet noch der von den Line6 Kombos bekannte „Smart FX“-Regler auf seine Vorstellung. Mit ihm erhält man Zugriff auf drei bei Bassisten sehr beliebte Effekte, nämlich einen Envelope Filter für den Wah-Wah Funk, den Oktaver mit EBS Octobass Simulation und zuguterletzt einen Chorus, der dem legendären Gerät von T.C. Electronic nachempfunden ist. Einzelne Parameter der Effekte kann man mit dem „Smart FX“ natürlich nicht steuern, der Regler verändert beim Drehen selbständig einige Parameter und macht den jeweiligen Effekt im Uhrzeigersinn intensiver. RÜCKSEITE
Sämtliche Anschlussmöglichkeiten sind beim HD400 auf der Rückseite platziert. Dazu gehören der obligatorische Di-Out in Form einer XLR-Buchse inklusive Groundlift, ein Klinken Preamp-Out und zwei Speakon-Lautsprecheranschlüsse, ein Mini-Klinkenanschluss für den MP3 Spieler, ein Kopfhörerausgang als normale Klinke und die Buchse für die optional erhältlichen FBV-Pedale.
Um mir einen ersten Eindruck über die Soundmöglichkeiten des HD400 zu verschaffen, höre ich mich als erstes durch die vier Presets, die der Amp ab Werk mitbringt. Schließlich ist es interessant zu wissen, was sich Line 6 selbst unter einem guten Basssound vorstellt. Hinter den Tastern A, B und C verbergen sich drei Presets, für die jeweils ein Amp-Modell als Ausgangsbasis verwendet wurde. Auf Speicherplatz D wird ein Synth-Sound angeboten.
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Preset 1 – CleanPreset 2 – RBPreset 3 – Rock
Bei allen Presets wurde zudem heftig Gebrauch von den Klangtools gemacht, vermutlich, um dem Amp möglichst beeindruckende Sounds zu entlocken. Ich finde die drei Amp-Modelle allerdings etwas zu heftig aufgepumpt und nicht sehr praxistauglich, mit sehr mächtigem Low-End und relativ wenig Definition. Damit Ihr einen Eindruck davon bekommt, habe ich genau diese drei Presets über den XLR-Ausgang des Amps aufgenommen. Dazu muss gesagt werden, dass der „XLR Direct Out“ des HD400 zusätzlich eine Mikrofon-Simulation mit rausschickt, es soll also der Sound eines mikrofonierten Bass-Stacks nachgebildet werden. Wer das nicht möchte, kann den „Pre Out“ verwenden, hier liegt logischerweise das reine Vorstufensignal an. Man sollte den Sound des Verstärkers aber keinesfalls vorschnell nach dem Hören der Presets beurteilen. Schließlich handelt es sich dabei lediglich um Vorschläge von Line 6 und die sind natürlich stark abhängig vom jeweiligen Instrument, der Spieltechnik und letztendlich auch Geschmacksache. Ein Sound, der vom Preset-Programmierer mit einem sonor klingenden Precision-Bass erstellt wurde, hört sich mit einem drahtigen Stingray wahrscheinlich furchtbar an und muss dementsprechend angepasst werden, damit er funktioniert. Am besten verwendet man also ein Preset als Ausgangsbasis für den eigenen Sound oder man schaltet den HD400 erst einmal auf „Manual“-Mode und fängt von vorne an.
Das geht ganz einfach, indem man den gerade aktiven und leuchtenden Preset-Taster drückt. Der HD400 wird dann komplett auf „Flat“ gebügelt und man kann mit dem Aussuchen eines Ampmodells beginnen. Den saubersten Sound bekommt man mit der Eden Traveler Simulation „Clean“, ohne jeglichen EQ Eingriffe klingt der Amp hier relativ ausgewogen über das ganze Frequenzspektrum, das Low-End ist solide und kompakt mit einem warmen Tiefmittenbereich, der Höhenbereich ist allerdings eher dezent und zurückhaltend. Bei den anderen Modellen ist beim Blick auf die simulierten Amps sowieso klar, wohin die Reise geht, denn der HD400 soll wohl eher Vintage- und Rockfans ansprechen, und das macht er dann auch wirklich gut. Jede Simulation liefert grundsätzlich einen sehr brauchbaren und durchsetzungsstarken Grundsound, der dann mit dem EQ, der jeweils auch den EQ des simulierten Verstärkers nachbildet, an den eigenen Geschmack angepasst werden kann. Der „Drive“-Regler ermöglicht zusätzliche Soundnuancen, wie mit einem Gain-Regler kann man den Sound sättigen oder bei heftigem Einsatz übersteuern, was vor allem in Verbindung mit den Modellen „Grind“ und „Brit“ zu guten Ergebnissen führt. Wer jetzt noch nicht genug hat, kann sich den Smart FX Regler zur Brust nehmen und seinen Sound mit einem der drei Effekte bearbeiten. Die Qualität der Effekte ist durchaus ansprechend, der Oktaver hat ein gutes Tracking und der Chorus klingt sehr smooth, ohne den Sound schwammig zu machen. Beim Envelope-Filter vermisst man aber doch die Möglichkeit, diverse Parameter selbst einstellen zu können, was die Verwendung einigermaßen limitiert.
Alles in allem präsentiert sich der HD400 aber mit seinen zahlreichen Features wirklich flexibel, von relativ cleanen bis zu abgedrehten Overdrive- und Effektsounds ist alles drin
Audio
Samples
0:00
/
0:00
0:00
Chorus
Wie immer, wenn man viele Möglichkeiten zur Verfügung hat Sounds zu erstellen und zu verbiegen, muss man auch hier ein wenig aufpassen, dass man das Ganze nicht übertreibt. Ist eine passende Einstellung gefunden, wird sie mit einem langen Druck auf einen der vier Preset-Taster abgespeichert und gleichzeitig die Werkseinstellung überschrieben. Das integrierte Stimmgerät ist genauso komfortabel zu bedienen. Mit Betätigen des „Tuner“-Tasters wird der Amp stummgeschaltet, die leuchtenden Preset-Taster und der Amp-Modell-Regler zeigen Tonhöhe und Stimmgenauigkeit an, was auch in der Praxis schnell und zuverlässig funktioniert.
Zum Abschluss noch ein Wort zur Leistung des Verstärkers: Line 6 gibt für den HD400 eine Ausgangsleistung von 400 Watt an, womit er sich lautstärkemäßig in einer Liga mit vielen Topteilen befindet. Die Power reicht auf jeden Fall für die meisten Anforderungen auf mittelgroßen Bühnen, wer allerdings in einer lauten Rockband gegen Gitarrenwände und einen kräftigen Drummer anspielen muss, der kann mit dem HD400 schon an die Grenzen kommen und sollte das nächstgrößere Modell HD750 mit 750 Watt in Erwägung ziehen.
Der Line6 LowDown HD400 bietet durch seine üppige Ausstattung mit fünf Amp-Modellen, diversen Klangwerkzeugen und drei der gebräuchlichsten Basseffekte eine große Vielfalt an Sounds. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist er kein Plug-and-Play-Amp. Man sollte sich etwas Zeit nehmen und mit EQ und den verschiedenen Modellen arbeiten, um den Verstärker an seine Instrumente und an seine Soundvorstellungen anzupassen. Belohnt wird diese Mühe mit jeder Menge praxistauglicher Sounds. Die Grundrichtung geht schon durch die angebotenen Simulationen eindeutig in Richtung Rock und Vintage, cleane Sounds sind aber nicht weniger überzeugend. Lediglich Freunde super-crisper Hifi-oder Slapsounds sind mit anderen Verstärkern vermutlich besser bedient. Die Synth-Abteilung ist eine zusätzliche Dreingabe zum Experimentieren und für den einen oder anderen abgedrehten Basspart ganz brauchbar. Allerdings ist das Tracking, wie bei vielen Bass-Synths, nicht optimal und der Praxiswert damit eher fraglich. Zusätzliche und nützliche Features wie die einfache Presetverwaltung, der tadellos funktionierende Tuner oder der gut klingende Kompressor passen zum positiven Gesamtbild und machen den HD400 besonders mit Blick auf seinen günstigen Preis zur Empfehlung.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
Verarbeitung
Soundmöglichkeiten
gute Effekte
einfache Bedienung
gute Ausstattung
Preis / Leistung
Contra
Transportfaktor, Einbau in Rack ratsam
Tracking der Synthie-Sounds nicht optimal, wenig Praxiswert
Anschlüsse: 2x Klinke Input, Stereo Mini Klinke für MP3, symm. direct Out XLR mit Groundlift, Phones, Pre-Out, 2 x Speakon für Lautsprecher, FBV Pedalanschluss
Klangregler: 5 Amp-Modelle, 4-Band EQ, Deep EQ Preset
Hi Rainer, super Test, ich hab ihn kurzerhand bei Thomann geordert. Preis/Leistung sind schon echt super was das Klangliche und die Vielseitigkeit angeht. Da kann mein alter Trace mit 350W absolut nicht mithalten in Bezug auf Druck und Lautstärke.Die Verarbeitungsqualität lässt aber doch ziemlich zu wünschen übrig. Oder liegt es am B-Stock (die Netzsteckerbuchse fällt mir fast entgegen, ist ja auch ein gewisses Sicherheitsrisiko)? Und bei dem dünnen Blech würde sich ein Rackcase auch anbieten. Da der Verstärker aber auch nur die halbe Tiefe hat und der Ein-/Ausschalter auf der Rückseite liegt müsste es für mich jedoch eine Maßanfertigung werden.Ich denke er geht wieder zurück und dann gibt's als "Entschädigung" den kleinen TC BH250 :-) und wenn die Power nicht reicht dann kommt halt noch ein Großer dazu. Der schwarze Schmied verlockt ja schon ganz schön ...
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Ben sagt:
#1 - 22.02.2013 um 19:21 Uhr
Hi Rainer,
super Test, ich hab ihn kurzerhand bei Thomann geordert. Preis/Leistung sind schon echt super was das Klangliche und die Vielseitigkeit angeht. Da kann mein alter Trace mit 350W absolut nicht mithalten in Bezug auf Druck und Lautstärke.Die Verarbeitungsqualität lässt aber doch ziemlich zu wünschen übrig. Oder liegt es am B-Stock (die Netzsteckerbuchse fällt mir fast entgegen, ist ja auch ein gewisses Sicherheitsrisiko)? Und bei dem dünnen Blech würde sich ein Rackcase auch anbieten. Da der Verstärker aber auch nur die halbe Tiefe hat und der Ein-/Ausschalter auf der Rückseite liegt müsste es für mich jedoch eine Maßanfertigung werden.Ich denke er geht wieder zurück und dann gibt's als "Entschädigung" den kleinen TC BH250 :-) und wenn die Power nicht reicht dann kommt halt noch ein Großer dazu. Der schwarze Schmied verlockt ja schon ganz schön ...