Lewitt LCT 441 Flex Test

Lewitt hat sich in kurzer Zeit mit einer breiten Produktpalette und einer Selbstverständlichkeit auf dem Mikrofonmarkt breitgemacht, als sei das noch nie anders gewesen.

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Neues Konzept: 441 mit Patternauswahl

Die Spanne reicht von schnörkellosen, preiswerten Arbeitsgeräten bis hin zu einer Reihe von Mikrofonen, die mit Funktionen aufwarten, die man woanders vergeblich sucht. Das auch beim Lewitt LCT 441 Flex der Fall, welches auf der NAMM 2018 vorgestellt wurde.

Details

Weitere Richtcharakteristiken

Firmen aus dem deutschsprachigen Raum scheinen ganz vorne mitzuspielen, wenn es um das Etablieren neuer oder selten genutzter Polar Patterns geht. Schoeps hat seine Colette-Serie um breite und offene Niere erweitert, das Meisterwerk von Microtech Gefell kann man in Form zweier Cardioidebenen beispielsweise im Bundestag bewundern. Ansonsten begnügen sich Hersteller eher damit, Patterns so konstant wie möglich zu gestalten – hier wären beispielsweise Sankens CU-41 und CU-51 zu nennen.

Mit einer Doppelmembrankapsel lassen sich viele Dinge anstellen!
Mit einer Doppelmembrankapsel lassen sich viele Dinge anstellen!

DasLewitt LCT 441 Flex verdient sich den Zusatz zur Zahl 441 mit einer erweiterten Auslegung des Doppelmembrankapsel-Prinzips. Wie die Umschaltung von Richtcharakteristika bei Mikrofonen gemeinhin funktioniert, ist bekannt: Zwei Nierenkapseln liegen Rücken an Rücken. Nimmt man nur das Signal der vorderen, ist es eine Niere. Mischt man vordere und hintere Membran mit gleicher Polarität zusammen, ergibt sich eine Kugel. Invertiert man das Signal der hinteren Kapselseite, erhält man eine Acht. Und es gibt die bekannten Zwischenstufen. Mit dem LCT 441 Flex geht Lewitt nämlich einen Schritt weiter: Die Verschaltung funktioniert auch umgekehrt. Dadurch ist eine „rückwärtige Niere“ möglich und auch verschiedene Zwischenstufen der quasi nach hinten zeigenden Richtcharakteristiken.

Bei Lewitt-Mikrofonen nicht immer ganz eindeutig – hier kommt diese Aussage eine irgendwie erweiterte Bedeutung: "Front"-Sticker auf dem LCT 441 Flex
Bei Lewitt-Mikrofonen nicht immer ganz eindeutig – hier kommt diese Aussage eine irgendwie erweiterte Bedeutung: “Front”-Sticker auf dem LCT 441 Flex

Die Umschaltung erfolgt mit den für den Hersteller typischen Drucktastern, die resultierende Charakteristik wird durch Aufleuchten des entsprechenden Zeichens in einem schick designten Kreis mit Tiefenwirkung angezeigt. Als Schmankerl kann die rechte Taste für ein paar Sekunden gedrückt bleiben, was eine zufällige Auswahl zur Folge hat. In der Mitte des besagten Kreises zeigt ein weiß leuchtendes Lewitt-Icon Betriebsbereitschaft an, ein rotes macht auf Übersteuerungen aufmerksam. Der maximale Schalldruckpegel ist mit 144 dB SPL für 0,5 % THD+N aber reichlich hoch.

Die Patternauswahl des LCT 441 Flex ist ein ungewöhnlicher Anblick.
Die Patternauswahl des LCT 441 Flex ist ein ungewöhnlicher Anblick.

Typische Lewitt-Merkmale

Das Lewitt LCT 441 nutzt die gleiche Plattform wie viele andere Mikrofone des österreichischen Unternehmens. Den Body bildet ein Zinkdruckgussgehäuse mit Lochblechgitter, das in der elastischen Halterung LCT40 SH Platz findet und mit einem kleinen, nahen Metallpoppfilter versehen werden kann. All dies und ein Windschutz gehören zum Lieferumfang. Die Kapsel bildet die 1-Zoll-Doppelmembrankonstruktion (3 Mikrometer goldbeschichtetes Mylar) mit dem Zentralanschluss und dem grünen, schraubenfixierten Ring, die auch in anderen Lewitts gute Dienste leistet.  

Fotostrecke: 4 Bilder Stiltreu: Das 441 Flex sieht aus wie viele andere Lewitt-Mikros.

Praxis

Richtwirkungsverwirrung

Stufenloses Tube-/Solid-State-Blending, Rauschen unter 0 dB, Stereoaufnahme und Digitalinterface – Lewitt ist findig darin, seinen Mics Besonderheiten mitzugeben, die sich im Vergleich mit vermeintlich normaleren Mikros in der Aufmerksamkeit potenzieller Käufer in die erste Reihe drängeln. Was man davon nun wirklich benötigt, steht auf einem anderen Blatt.
Und so male ich mir ein Meeting bei Lewitt zur Planung des LCT 441 Flex mit folgendem Dialog aus:
– „Das 441 ist in der Entwicklung bislang sehr positiv. Es klingt gut, ist technisch sehr vernünftig und wird nicht zu teuer. Wir müssen ihm aber aus Marketinggründen noch einen ,Unique Selling Point‘ mitgeben. Etwas, das nicht viel kostet, aber auffällig ist. Irgendwelche Vorschläge?“
„Pattern einstellen per iPhone-App!“
– „Hm, ok …“
„Ein Laserpointer zum Ausrichten!“
– „Wozu um alles in der Welt das denn? … Oh, das gibt’s sogar schon.“
„Einfach die Nierenpatterns auch für die Rückseite einstellbar machen!“
– „Ja, schon besser!“
Liebe Leser, ihr ahnt meine Frage: Was soll das? Ich meine, schließlich kann ich „nach hinten zeigende Richtpatterns“ auch dadurch erzeugen, dass ich das Mikrofon einfach um 180 Grad drehe. Die resultierende Polarität kann ich an eigentlich jedem Preamp mit Hilfe des kleinen Schalters (im Volksmund „Phasendreher“) einstellen. Gut, das 441 lässt sich im installierten Zustand nicht so einfach in der elastischen Halterung drehen und nicht immer „zeigt“ das Bedienfeld in die passende Richtung. Aber mit der Elektronik eine mechanische Hürde zu umgehen ist selten der Königsweg. Verständlich wäre es, die Einstellung fernsteuern zu können, wenn die Dinger über dem Drumset oder sonstwo hängen. Ich würde mich eher freuen, wenn die Frontseite eines Lewitt-Großmembranmikros „fail safe“ und für alle User sofort erkennbar wäre. Das würde zumindest den Papierstreifen auf jedem originalverpackten Lewitt-GMK-Mikro unnötig machen. Und wenn ich mir ein weiteres Statement erlauben darf: Ich finde die Pattern-Zufallsfunktion ziemlich albern und eines Profiwerkzeugs ziemlich unwürdig. Mag sein, dass das jemand spaßig findet. Das Lewitt 640 TS will ich als mögliche Alternative nennen, denn wie beim Microtech Gefell UM 930 twin und dem Sennheiser MKH800 TWIN ist hier eine getrennte Signalführung möglich – und damit eine nachträgliche Einstellung der Richtcharakteristik (und sogar Automationen etc.).

Die Möglichkeiten der Patternwahl sind zwar neu, doch so ganz weit oben auf der Wunschliste der Engineers dieser Welt stand das nicht…
Die Möglichkeiten der Patternwahl sind zwar neu, doch so ganz weit oben auf der Wunschliste der Engineers dieser Welt stand das nicht…

Richtcharakteristik, die Zweite!

Das Thema Richtcharakteristik erscheint jetzt erschöpfend behandelt, nicht? Nein, da wäre noch etwas, was aber jedes Mikrofon betrifft: die Konsistenz der Patterns. Sicher, wem es auf einen möglichst stabilen Frequenzgang aus allen Richtungen ankommt, der kauft möglichst kein Großmembranmikrofon – und erst recht kein umschaltbares. Neben der für Doppelmembrankonstruktionen typischen eher schwachen generellen Off-Axis-Ausblendung von Niere und Acht und der Tendenz zum Achterpattern bei hohen Frequenzen der Kugel, gibt es eigentlich keine besonderen Auffälligkeiten. Die Niere ist bis 90 und 270 Grad recht konstant, lediglich das Frequenzband ab 10 kHz richtet etwas stärker. Einige Zacken im polaren Frequenzgang können übersprechende Signale und Reflexionen etwas verfärben, aber all das ist schlichtweg normal für ein Mikrofon dieser Bauart.  

Richtcharakteristika werden auch für Soundzwecke ausgewählt
Richtcharakteristika werden auch für Soundzwecke ausgewählt

Patternumschaltung für Soundnuancen

Die verschiedenen Richtwirkungen bieten unterschiedliche Tonalitäten besonders der Präsenzen und – natürlich – Bassdarstellungen bei naher Besprechung. Die Acht klingt bei axialer Besprechung sehr „kernig“, die Kugel eher luftig und die Niere crisp-kristallin. Besonders die sicher viel benutzte Niere ist sehr modern. Die zusätzlichen Flex-Richtcharakteristika ohne Änderung der Einsprechrichtung zu benutzen, verbietet sich in den meisten Fällen, da einmal der Direktschallanteil dadurch zu klein wird, aber auch aus dynamischen Gründen.

Grobdynamik und Feindynamik

Das Zauberwort Dynamik ist gefallen. Ein Feld, in dem Lewitt-Mikrofone punkten können. Sicher ist das 441 Flex nicht so dermaßen flüsterleise wie das Subzero, aber mit 7 dB(A) in Nierencharakteristik ist man schon in Bereichen, die vor zwei Jahrzehnten für Mikrofone dieser Bauform unmöglich erschienen. Ich meine mich zu erinnern, dass das Neumann TLM 103 von 1997 das erste Mikro war, das diesen Wert erreichte, aber das war auch kein umschaltbares. Spektral ausreichend ausgewogen und im Zeitverlauf homogen ist das Rauschen, sodass es sich bei Hörbarwerdung durch (zu) viel Headroom, hohe Schalldynamik oder einfach extremen Kompressoreinsatz nicht direkt negativ bemerkbar macht. Und auch EQing verträgt das Lewitt bis zu einem hohen Maße im gesamten Frequenzbereich.

Audio Samples
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Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Niere, 10 cm Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Niere, 30 cm Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Niere, 70 cm Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Niere, 30 cm, 45 Grad Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Acht, 30 cm Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Kugel, 30 cm Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Rückwärtige Niere, 30 cm Lewitt LCT 441 Flex, Vocals, Rückwärtige Niere, 30 cm, 180 Grad Audio-Technica AT5045, Vocals, 10 cm Audio-Technica AT5045, Vocals, 30 cm Audio-Technica AT5045, Vocals, 30 cm, 180 Grad

Schnell ist das Lewitt LCT 441 Flex, ganz besonders bei axialer Besprechung. Rauschanteile von geriebenen oder gehauchten Konsonanten werden schön texturiert dargestellt, vielleicht etwas gehypt. T- und S-Laute springen quasi aus dem Material heraus. Nicht schlecht für ein Mikrofon dieser Preisklasse!
Das gilt wie gesagt bei frontaler Besprechung. Für Vocals ist das nicht so schlimm: Ein wenig verrundende Reflexionen abseits der Hauptschallquelle können nicht schaden. Bei bleedenden Nachbarinstrumenten mit hohem Pegel muss man jedoch natürlich eine Klangänderung in Kauf nehmen.  

Plopp ok, Nahbesprechung gut

Die Ploppempfindlichkeit des Mikrofons selbst ist ok, wenngleich ich dem Metallfilter ein handelsübliches Konstrukt vorziehe. Bei naher Besprechung lassen sich die zusätzlichen Bassanteile durch den Proximity-Effekt gut über den Abstand steuern, es gibt keine abrupten Änderungen. Auch klingt die Anhebung natürlich und satt, nie wirklich sonor oder wie eine externe Klangkomponente. Und Lewitts Aussagen in den Unterlagen kann ich absolut beipflichten: Die verschiedenen Richtcharakteristika erlauben eine klare Steuerung des Klangcharakters auch und gerade bei geringem Abstand. Das ist allerdings auch bei vielen anderen umschaltbaren Mikrofonen der Fall.  

Two for the drums

Wir hatten ein Pärchen der Lewitt LCT 441 Flex bekommen, da hat es sich angeboten, dass unser Autor Max Gebhardt sie sich über das Drumkit hängt. Vor allem als einzelnes Front-of-Kit macht ein 441 Flex eine gute Figur. Und ganz generell: Wer einen modern und frisch klingenden Allrounder sucht, ist mit dem Mikrofon sicher gut bedient, wenngleich ich auch bei Overheads und an Amps ein Hochpassfilter vermisse. Ein Pad scheint kaum nötig.

Fotostrecke: 4 Bilder Wir hatten zwei 441 Flex für den Test!
Audio Samples
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Lewitt LCT 441 Flex, Drumroom, Niere, Kit Lewitt LCT 441 Flex, Drumroom, Niere, solo Lewitt LCT 441 Flex, Drumroom, Acht, solo Lewitt LCT 441 Flex, Drumroom, Kugel, solo Lewitt LCT 441 Flex, Drumroom, Rückwärtige Niere, solo Lewitt LCT 441 Flex, Drumroom, Rückwärtige Superniere, solo Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Niere, Kit Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Niere, solo Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Breite Niere, Kit Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Breite Niere, solo Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Superniere, Kit Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Superniere, solo Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Kugel, Kit Lewitt LCT 441 Flex, Overheads, Kugel, solo AKG C214, Overheads, Kit AKG C214, Overheads, solo

Fazit

Dass Lewitt hervorragende Mikrofone bauen kann, ist hinlänglich bewiesen. Das LCT 440 Pure  ist ein gutes Beispiel, das LCT 440 Subzero sicher auch. Auch das LCT 441 Flex ist durchaus gelungen, wenngleich mich der Eindruck beschleicht, dass hier auf Teufel komm raus ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen wurde, das bislang von der Tontechnikwelt wohl aus gutem Grund nicht allzu schmerzlich vermisst wurde. Nun gut, es zwingt einen ja niemand, die invertierten Richtcharakteristika zu benutzen, richtiggehend stören tun sie auch nicht. Wer diese Thematik für sich ausblenden kann oder tatsächlich einen Mehrwert darin sieht, erhält für einen fairen Betrag ein technisch gutes, frisch und detailliert klingendes Mikrofon für eine Vielzahl von Anwendungsfällen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • hohe Dynamik
  • moderner Grundsound
  • hohe Detailtreue
  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • fragwürdiges Patternkonzept mit Zufallsgenerator
Artikelbild
Lewitt LCT 441 Flex Test
Für 379,00€ bei
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FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN
  • Großmembran-Kondensatormikrofon
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: 8 Stück, darunter Kugel, Niere, Acht und rückwärtige Nierencharakteristiken, zusätzlich Zufallsmodus
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48 V Phantomspeisung
  • Eigenrauschen: 7 dB (A) bei Nierencharakteristik
  • maximaler Schalldruckpegel: 144 dB SPL (0,5% THD+N)
  • Zusätzliche Features: Clipping-Anzeige, Clipping-History
  • Preis: € 399,– (Straßenpreis am 25.07.2018)
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Die Patternauswahl des LCT 441 Flex ist ein ungewöhnlicher Anblick.

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