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Jet City 100H Test

Nachdem mein Kollege Bassel El Hallak das Jet City 20H Topteil getestet und für sehr gut befunden hatte, war ich schon ganz gespannt auf dessen großen Bruder mit 100 Watt, der nun von mir durch die Mangel gedreht werden sollte. Die Amps sind erst seit 2009 auf dem Markt und von keinem geringeren als Mike Soldano designt. Der hatte mit seinem 1987 herausgebrachten SLO-100 Topteil neue Maßstäbe in puncto Röhrenamps gesetzt. Aus gutem Grund spielen einige Gitarrenhelden wie Steve Lukather, Eric Clapton oder Mark Knopfler diesen Verstärker auch heute noch live oder im Studio.

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Jet City hat sich das Know-how des Meisters zunutze gemacht, allerdings mit einem klaren Konzept: 100% Tube Tone, 0% Bullshit (Zitat von der Jet City Website). Also kein Firlefanz und keine zusätzlichen Features wie Boostschalter oder dergleichen. Einfaches, überschaubares Design, aber mit hochwertigen Bauteilen, und nach dem Motto „Weniger ist mehr“ auch noch zu extrem günstigen Konditionen in Fernost gefertigt. Die Marketingstrategie klingt auf jeden Fall recht gut, aber wir wollten sehen, ob der Verstärker die Versprechungen auch halten kann. Alle Einzelheiten erfahrt ihr im folgenden bonedo-Test.
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DETAILS

Gehäuse/Optik
Auch auf die Optik hat man das „Weniger ist mehr“ -Konzept übertragen, es gibt keine auffälligen Farben oder bunt blinkende LEDs. Das Gehäuse besteht aus 18 mm starkem Multiplex und ist mit schwarzem Kunstleder überzogen, lediglich für die Frontseite hat man blauen Bespannstoff gewählt. Dort findet man mittig das große, runde Jet City Logo und einen weißen Kunststoffkeder, der sich quer über die komplette Front zieht. Mit den Maßen 635 x 270 x 240 mm (B x H x T) und einem Gewicht von 20 Kilo bewegt sich der Amp im Standardbereich für Topteile. Der Griff auf der Oberseite gewährt einen gut ausbalancierten Tragekomfort und mit seinen vier hohen Gummifüßen bleibt er auch bei großen Lautstärke-Vibrationen sehr sicher auf der Box stehen. Zum Schutz gegen unfreiwillige Stöße hat man dem Topteil außerdem schwarze Metallschoner an alle Ecken geschraubt, sodass es einen sehr soliden Eindruck hinterlässt und für das Leben vor, während und nach dem Gig bestens gewappnet scheint. Im Inneren arbeiten fünf 12AX7 Röhren in der Vorstufe und vier 6L6 in der Endstufe.

Bedienfeld
Das 60mm hohe Bedienfeld aus schwarz lackiertem Metall beherbergt acht große Regler, eine Eingangsbuchse, die zwei Schalter für Power und Standby und eine blaue LED, die den eingeschalteten Amp signalisiert. Der Verstärker ist zweikanalig aufgebaut, es gibt einen Normal-Kanal, der für Clean und Crunch zuständig ist und einen Overdrive-Kanal für die höheren Verzerrungsgrade. Beide besitzen je einen Gain- (Preamp Level) und einen Master-Regler (Master Level) und sind damit komplett unabhängig in der Lautstärke einstellbar. Sie teilen sich allerdings eine Klangregelung, bestehend aus Bass, Middle, Treble in der Vorstufe und Presence in der Master-Sektion. Die Kanalumschaltung kann leider nur über den mitgelieferten Fußschalter vorgenommen werden. Am Bedienfeld gibt es dafür weder einen Schalter noch eine LED, die über den Status Auskunft geben könnte. Meines Erachtens wurde hier etwas zu viel gespart, eine Schaltmöglichkeit und Anzeige sollte ein Amp schon mitbringen. Auch wenn es nur ein einfacher Kippschalter ist, an dessen Stellung man den ausgewählten Kanal erkennen kann.

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Rückseite
Auf der Rückseite finden wir die gut bestückten Lautsprecheranschlüsse, fünf an der Zahl: 2x 4Ω, 2x 8Ω und 1x 16Ω. Damit ist man auf alle Einsätze vorbereitet. Außerdem warten hier die Buchse für den Fußschalter und die Send/Return Anschlüsse für die serielle Effektloop auf Beschäftigung. Auch hier gilt der Spargedanke, denn Regler oder Schalter zur Pegelanpassung unterschiedlicher Effektgeräten sind nicht vorhanden. Aber um es vorwegzunehmen: Die Voreinstellung ist optimal und die Loop funktioniert sowohl mit normalen Bodentretern als auch mit Multieffekten.

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PRAXIS
So, jetzt geht es ans Eingemachte, wir werden den Verstärker genauestens unter die Lupe nehmen. Wie immer geht es mit den Cleansounds los und wir arbeiten uns dann bis in den Hi-Gain-Dschungel vor.

Zuerst einmal habe ich alle Potis der Klangregelung einschließlich Presence auf 12 Uhr gestellt und den Preamp-Level-Regler des Normal-Channel auf 9 Uhr. Wir erhalten einen Cleansound, bei dem die oberen Mitten leicht angehoben sind. Der Amp hat einen leicht dreckigen Charakter – ganz klar, man hat sich hier mehr am britischen Marshall Plexi-Sound als an sauber klingenden Fender Amps orientiert. Der Plexi war ja auch die Basis für den Soldano SLO-100.

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Clean Flat

Wenn man den Preamp-Level etwas höher stellt (10 Uhr), bekommt man bei hartem Anschlag eine leichte Verzerrung. Mit einer Tele sehr gut für Funk-Grooves geeignet.

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Dirty Funk

Aber keine Angst, die Lautstärkereserven für den Cleansound sind sehr hoch. Man erreicht mit einer Master-Einstellung von 12 Uhr einen durchsetzungsfähigen Ton in Bühnenlautstärke. Dreht man den Master-Regler auf 14 Uhr (Preamp Level auf 10), dann setzt allmählich die Endstufenkompression ein und ein immens druckvoller und dynamischer Sound ist das Resultat. Wer sich zum Beispiel in einer Ska-Band gegen eine Horde Bläser durchsetzen muss, der findet hier seinen perfekten Partner.

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Ska Crunch

Hat der Preamp Level 12 Uhr erreicht, ist Zerre angesagt, angenehm bissig mit viel Punch. Hier ein Beispiel mit dem Steg-Pickup der SG. Der Amp liefert eine ausgezeichnete dynamische Ansprache und eine sehr gute Tonübertragung.

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Dirty Riff
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Als Nächstes widmen wir uns der Klangregelung. Der Normal-Channel ist immer noch aktiv, allerdings mit fortgeschrittenem Gain, der Preamp-Level-Regler steht mittlerweile auf 15 Uhr und wir erhalten schon ein fettes Classic-Rock-Brett. Alle Regler stehen auf 12 Uhr, nur der jeweils getestete wird zuerst auf 7 dann 12 und schließlich auf 17 Uhr eingestellt. Es geht los mit dem Bassregler.

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Bass

Sehr guter Wirkungsgrad, von dünnen Sounds bis großem Bassfundament ist alles drin, vor allem klingt das Ganze auch bei weit aufgedrehtem Regler im Bassbereich nie matschig oder undifferenziert. Auch das weite Absenken der Bassfrequenzen ist in der Praxis sehr wichtig, wenn man zum Beispiel in einem Raum mit hohen Bassresonanzen spielt. Dort ist es manchmal angesagt, die Bässe sehr weit zurückzudrehen. Wenn dann der Wirkungsgrad im Absenken nicht hoch ist, sieht es schlecht aus. Aber da gibt es beim Jet City keine Probleme. Weiter geht es mit den Mitten.

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Middle

Die Centerfrequenz liegt bei etwa 700 Hz und der Regler greift breitbandig mit einem ebenfalls hohen Wirkungsgrad ein. Hier sind in Verbindung mit entsprechenden Settings der Höhen und der Presence fette Mid Scoop Sounds sowie der typisch britische Rock-Ton einstellbar. Jetzt ist der Treble-Regler an der Reihe.

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Treble

Mit ihm wird, mit der gleichen Intensität wie bei den andern beiden Reglern, der Frequenzbereich zwischen 2 und 4 eingestellt. Auch bei voll aufgedrehtem Treble-Poti ist der Sound nicht zu bissig und klingelt nicht im Ohr. Die Feinabstimmung der Klangregelung ist wirklich ausgezeichnet, man sollte zuerst alle Regler auf 12 Uhr stellen, dann erhält man einen ausgewogenen Grundsound. Jetzt nach Geschmack die einzelnen Bereiche anheben oder absenken, das war´s. Ich habe ziemlich viel an dem Topteil herumgeschraubt, aber keine Einstellung gefunden, die wirklich schlecht oder unbrauchbar klang.

Der Presence-Regler dient zur Feinabstimmung des oberen Höhenbereiches in der Master Sektion. Er gibt dem Klang die gewünschte Brillanz.

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Presence

Jetzt wird zum Overdrive-Kanal gewechselt. Dieser fängt, vom Zerrfaktor her gesehen, da an, wo der Normal-Kanal aufhört. Allerdings klingt er etwas wärmer, die oberen Mitten stechen hier nicht so stark hervor. Ihr hört ein Beispiel mit Preamp-Volume auf 9 Uhr und einer neutralen Einstellung der Klangregelung mit allen Reglern auf 12 Uhr.

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Overdrive Flat

Dreht man den Preamp-Level auf 12 Uhr, dann erhält man mit einer Les Paul bereits ein fettes Zerrbrett. Trotz hoher Lautstärke und Verzerrungsgrad halten sich die Nebengeräusche in einem überschaubaren Rahmen.

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Les Paul Brett

Der Amp fängt allmählich zu singen an und bei Preamp-Level auf 15 Uhr erhalten wir Sustain ohne Ende. Der Ton steht wie eine Eins und klingt sehr lange aus. Man muss nicht kämpfen und ab einer gewissen Lautstärke kippen die gespielten Noten sehr gut in den Obertonbereich und sorgen für angenehme Feedbacks. Hier ein Beispiel mit einer Les Paul mit Halspickup.

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Les Paul Lead

Jetzt gibt es noch etwas für die harte Abteilung. Mit voll aufgedrehtem Preamp Level, Middle komplett zurück, Treble voll auf und Presence auf 12 Uhr erhalten wir einen kernigen Metal-Sound.

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Metal

Jetzt ist die Akkordverständlichkeit bei voll aufgedrehtem Gain an der Reihe. Die Akkorde E, G, D, A, E werden nacheinander angeschlagen und sind als solche trotz hohem Verzerrungsgrad sehr gut zu erkennen. Der Klang ist sehr transparent, man hört noch die einzelnen Anschläge beim letzten E-Akkord. Das zeichnet einen wahrhaft guten Verstärker aus!

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Chords

Der Verzerrungsgrad ist selbst im Overdrive-Kanal noch gut mit dem Lautstärkeregler an der Gitarre zu steuern. Ihr hört ein Beispiel mit der Strat, bei der zuerst der Volume-Regler auf 3, dann auf 10 gestellt wird. Die Verzerrung geht bei heruntergedrehtem Poti deutlich zurück.

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Dyna Poti
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Kompliment! Der Amp ist wirklich erstklassig und bietet Boutique-Sound zum relativ günstigen Preis. Für einen Straßenpreis von gerade einmal um die 1000 Euro erhält man hier einen sehr vielseitigen und schnörkellosen (im positiven Sinne) Amp, der auf der Bühne und im Studio einen extrem guten Job macht. Die Ansprache und das Dynamikverhalten sind erstklassig, der Verstärker überträgt alle Töne 1:1 und es macht richtig Spaß, mit ihm zu spielen. Der Normal-Kanal überzeugt durch einen rotzigen Cleansound, der aber bei aufgedrehtem Gain richtig gut zerren kann. Der Overdrive-Kanal liefert das typische, singende Soldano-Sustain. Die Klangregelung arbeitet hervorragend und macht den Amp in so gut wie allen Stilrichtungen einsetzbar.  Die Verarbeitung ist bestens, lediglich einen Schalter zur Kanalumschaltung und eine entsprechende Anzeige des Kanalstatus am Amp hätte ich mir noch gewünscht. Unbedingt mal antesten! Das Preis-Leistungsverhältnis ist ausgezeichnet.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • Sound
  • Dynamik, Ansprache
  • Wirkungsbereich der Klangregelung
  • Schalldruck, Durchsetzungsvermögen
  • Sustain im Overdrive-Kanal
Contra
  • Kein Schalter zur Kanalumschaltung am Amp
  • Keine Anzeige zum angewählten Kanal am Amp
Artikelbild
Jet City 100H Test
Für 385,00€ bei
Technische Daten Jet City 100H
  • Hersteller: Jet City Amplification
  • Modell: Jet City 100H
  • Typ: Röhrenverstärker Topteil
  • Ausgangsleistung: 100 W
  • Röhrenbestückung: 4x 6L6, 5x 12AX7
  • Bedienfeld: Normal, Overdrive (Preamp Level), Bass, Middle, Treble, Normal, Overdrive (Master Level), Presence
  • Rückseite: 5x Lautsprecheranschluss, Fußschalter, Send, Return
  • Abmessungen: 635 x 270 x 240 mm (B x H x T)
  • Gewicht: 20 kg
  • Lieferumfang: Fußschalter FS-1
  • Preis: 1100,- Euro UVP
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