Drawmer 1973 Test

Drawmer 1973 bei bonedo im Test – Mit mehreren Jahrzehnten Pro-Audio-Erfahrung gehören die Briten um Firmengründer Ivor Drawmer zu den alten Hasen im Geschäft. Der neue Multibandkompressor 1973 vereint Technologien aus verschiedenen Klassikern des Herstellers zu einem erstaunlich günstigen Preis.

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Was um 1982 mit ein paar Helferlein wie Delay Lines und Noise Gates begann, entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem etablierten Hersteller mit breitem Portfolio. Analogprozessoren bildeten jedoch stets das Rückgrat der Firma aus dem englischen Yorkshire. In dezentem Schwarz gehalten, vereinten die Geräte seit je her britisches Understatement, Workhorse-Charme und den einen oder anderen interessanten technischen Kniff. Lange vor dem gegenwärtigen Boom von Boutique-Gear setzte Drawmer auch auf Röhrenschaltungen, und selbst bei seinen Transistor-Tools bleibt stets der Blick auf die großen Klassiker aus der Goldenen Ära gewahrt, auch wenn die Briten nie um eigenständige Lösungen verlegen waren.
Dies trifft auch auf den jüngsten Streich zu, den 1973. Hinter diesem Kürzel, welches unmissverständlich Assoziationen an die Hochzeiten der diskreten Class-A-Technik heraufbeschwört, verbirgt sich ein dreibandiger Kompressor aus Basis von Feldeffekttransistoren (FETs). Im Jahre 1973 wurde die Blackface-Revision F von UREIs legendärem 1176LN produziert, insofern scheint die Namensgebung schon einmal zu passen. Doch der 1973 ist keineswegs ein wie auch immer gearteter Klon des UREI-Kompressors, er hat mit diesem zunächst einmal nur die grundsätzliche Topologie des Regelelementes gemein. Vielmehr hat Drawmer im 1973 Charakteristiken verschiedener Prozessoren aus dem eigenen Portfolio vereint: Das Gerät kombiniert Eigenschaften des Drawmer 1960 und 1968 mit solchen des mehrbandigen Mastering-Flaggschiffes S3.

Details

Bypass für jedes Band

Unter der Haube des 1973 verbergen sich drei separate FET-Kompressoren, welche durch zwei Frequenzweichen auf Basis von Filtern mit 6 dB Flankensteilheit voneinander getrennt sind. Mit Regelbereichen zwischen 50 Hz und 1,3 kHz respektive 1-14 kHz lassen sich die Bänder des 1973 recht flexibel zuschneiden, um den unterschiedlichsten Anwendungszwecken gerecht zu werden. Jedes Band verfügt über einen Mute/On/Bypass-Schalter, mit dem sich der Kompressor des entsprechenden Frequenzbereiches aktivieren und deaktivieren lässt, das Band kann auch komplett stumm geschaltet werden. Dieses nicht ganz alltägliche Feature erlaubt es gerade auch weniger erfahrenen Anwendern, den 1973 gezielt einzustellen, da auf diese Weise der Kompressor eines bestimmten Bandes so eingestellt werden kann, dass man dabei auch nur dieses eine Band hört. Gerade um sich mit Multibandkompression im allgemeinen und dem Drawmer im speziellen vertraut zu machen ist dies eine hervorragende Funktion. Jedes Band bietet dann im wesentlichen den gleichen Parametersatz, welcher aus Potis für Threshold (-30 bis +20 dB) und Gain (-5 bis +20 dB) sowie zwei Attack/Release-Drehschaltern mit je sechs Positionen besteht. Der Attackparameter lässt sich zwischen 0,2 und 50 ms variieren, wobei sich die exakte Zeit jeweils interaktiv bei der Wahl der Releaseposition etwas anpasst. Für die Release stehen Werte zwischen rasanten 80 ms und 1 s zur Verfügung, dazu noch drei Positionen mit programmadaptiven Zeitkonstanten in unterschiedlichen Bereichen. Mit diesen Werten deckt der 1973 ein recht breites Spektrum ab. Die Pegelreduktion eines jeden Bandes wird schließlich durch LED-Ketten mit jeweils acht Segmenten visualisiert.

Fotostrecke: 5 Bilder Standard-Parameter: Jedes Band des 1973 bietet Einstellmöglichkeiten für Threshold, Gain sowie Attack/Release.

„Big“ und „Air“

Neben diesen Parametern, die allen drei Bändern gemein sind, gibt es jedoch noch zwei Schaltfunktionen, die nur im Bass- bzw. Höhenband zur Verfügung stehen. Ersteres kann mit einem „Big“ genannten Sidechain-Lowcut aufwarten, letzteres verfügt über die sogenannte „Air“-Schaltung, die helfen soll, Höhen wiederherzustellen die gerade bei heftiger Kompression verloren gehen können. Die Schaltfunktionen sind allesamt mit Status-LEDs versehen, was der Übersichtlichkeit gerade bei diesem doch eher komplex parametrisierten Gerät sehr zugute kommt.

Mit dabei: Wet/Dry

Neben den drei Einzelbändern findet sich auf der rechten Seite der Frontplatte noch eine ebenfalls sehr aufwendig gestaltete Mastersektion, deren optisch beherrschendes Element in Form von zwei recht großen beleuchteten VU-Metern daherkommt. Sie zeigen ausschließlich den Ausgangspegel an, diesen allerdings in verschiedenen Varianten. So bieten die Drehspulinstrumente nicht nur eine Anzeige nach dem VU-Standard, sondern auch eine solche mit schnelleren Integrationszeiten, die Pegelspitzen besser darstellen kann. Es finden sich hier auch – abermals mit LEDs unterstützte – Schalter für Betrieb und Bypass, sowie zwei weitere Bedienelemente die Einfluss auf die Gainstruktur nehmen: zum einen der Master-Ausgang mit einem Einstellbereich von ±12 dB, zum anderen ein Wet/Dry-Poti, das global Parallelkompression ermöglicht, indem das kombinierte Signal aller drei frequenzselektiven Kompressoren stufenlos mit dem Direktsignal überblendet werden kann. 

Fotostrecke: 3 Bilder Sämtliche Anschlüsse befinden sich auf der Rückseite des robusten Gehäuses.

Kein Luxus

Sämtliche Anschlüsse befinden sich auf der Rückseite des Gehäuses. Insgesamt wurde der 1973 robust und durchdacht konzipiert und gefertigt, wartet aber nicht mit übertriebenem Hardware-Luxus auf, was mit Blick auf den eher moderaten Kaufpreis auch nicht überrascht. Es wurde hier konstruktiv nicht am falschen Ende gespart, aber edle optische Details wie massiv gefräste Potikappen oder eine bombastisch dicke Frontplatte gibt’s beim 1973 nicht – es zählt das adäquat verpackte Innenleben! Ebenjenes besteht aus einer übertragerlos symmetrierten Schaltung, die auf konventionelle Through-the-hole-Löttechnik setzt und die in den verschiedenen Audiostufen benötigte Verstärkung zu einem guten Teil aus Operationsverstärkern des Typs NE5532 bezieht – solider Industriestandard also. Wie das charakteristische mechanische Klicken verrät, verfügt der Drawmer-Multiband über einen mit Relais aufgebauten Hardwire-Bypass. Im Netzteil kommt ein Ringkerntrafo zum Einsatz, der ausreichend groß, aber nicht extrem überdimensioniert daherkommt – ganz auf Linie der restlichen Konstruktion. Insgesamt hinterlässt der technische Aufbau des 1973 also einen guten Eindruck.

Praxis

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Bedienung eines Multibandkompressors etwas schwerer zu meistern ist als die Arbeit mit einem Singleband-Gerät. Insofern gilt noch einmal hervorzuheben, dass es der 1973 durchaus recht einfach macht, Zugang zum Gerät zu finden. Das liegt einerseits am nicht übertrieben ausufernden aber doch sehr informativen Manual, das die wesentlichen Eigenschaften und Funktionen des Drawmers gut auf den Punkt bringt. Aber auch das Gerät selbst bietet etwa mit den Mute-Optionen der drei Bändern Einstellhilfen, die das Verständnis des Prozessors erleichtern. Hat man sich dann mitten in die Praxis begegen, bietet die Fronplatte mit den beiden VUs und den drei LED-Ketten ordentlich Disko – das macht was her im Rack…

Der Drawmer-Multiband vereint Eigenschaften anderer Prozessoren des Herstellers in einem Gerät.
Der Drawmer-Multiband vereint Eigenschaften anderer Prozessoren des Herstellers in einem Gerät.

Nun wäre dieses Bling-Bling letztlich wertlos, wenn der 1973 seine physische Präsenz nicht auch mit guten Audioeigenschaften untermauern könnte. Und diese sind definitiv gegeben. Ein Knackpunkt bei komplexeren Tools wie Multibandkompressoren ist stets, dass viel Technik Im Siganlweg liegt und das kostbare Audiomaterial möglicherweise verwässern könnte, etwa durch Phasenproblem im Bereich der Crossoverfrequenzen. Diese prinzipbedingten Artefakte halten sich beim Drawmer jedoch glücklicherweise in praktikablen Grenzen. Will man das Gerät nicht über Gebühr hören, dann muss man dies auch nicht.

Die Kompression selbst bietet eine interessante charakterliche Mischung. Es handelt sich eben um robust und kräftig zupackende FET-Schaltungen, die aber beispielsweise durch Softknee-Abstimmung etwas gezähmt wurden. Gerade mit schnellen Regelzeiten kann man sehr aggressiv und deutlich hörbare zu Werke gehen, der 1973 lässt sich aber auch eleganter und unauffälliger abstimmen. Und schließlich bietet er gerade bei längeren Attackwerten auch ordentlich Punch. Diese recht hohe Bandbreite lässt sich noch weiter verfeinern durch den Einsatz von Parallelkompression – entweder man stellt den 1973 betont aggressiv ein und mischt ihn dann nur leicht hinzu, oder man lässt bei ohnehin eher dezenten Einstellungen sogar noch ein paar Originaltransienten passieren. Das Einsatzspektrum reicht schließlich von der Einzelspurbearbeitung über Subgruppen bis hin zur Summenkompression, wobei der Drawmer sowohl als Mixtool wie auch als Kreativprozessor eine recht gute Figur macht. Auf Einzelsignalen bekommt man etwa die Saitengeräusche und den Grundtonbereich einer Bassline separat zu fassen, und auch als De-Esser auf Vocals lässt sich der 1973 gut einsetzen – hier kommen den Ergebissen auch die auf Wunsch recht schnellen Regelzeiten zugute.

Audio Samples
0:00
Vocals, Original Vocals, De-essing Vocals, De-essing, Mid-Band-Kompression Drumbus, Original Drumbus, moderate Kompression Drumbus, moderate Kompression, Big&Air Drumbus, heftige Kompression Bass, Original Bass, Low-Band-Kompression Bass, 3-Band-Kompression

Schließlich lässt sich das Resultat noch mit den Big- und Air-Funktionen verfeinern. Insbesondere bei dem Höhen-Lift fällt jedoch auf, dass es der Signalweg in letzter Konsequenz nicht mit der Seidigkeit und Eleganz ausgewiesener Highend-Prozessoren aufnehmen kann. Die Funktion arbeitet griffig und effektiv, aber eben auch ein bisschen zu raubeinig, um samtig zu schmeicheln. Signalwege, die dieses vermögen, lassen sich aber mit diesme Funktionsumfang nicht zu diesem Preis realisieren, und insofern sollte man diese Kritik tunlichst im rechten Licht betrachten.

Fazit

Der Drawmer 1973 bietet durch und durch professionelle Features und interessante Zusatzfunktionen in einem Preisbereich etwas gehobenerer Singleband-Kompressoren. Man merkt den Details in Konzeption und Fertigung an, dass das Gerät auf viel Erfahrung fußt – hier wird augenscheinlich nichts dem Zufall überlassen. Dass man zu diesem Preis hier und da aus dem Blickwinkel des anspruchsvollen Profi-Anwenders in Relation zur wesentlich teureren Highend-Liga ein paar Abstriche machen muss, soll die tatsächlich vorhandenen Qualitäten des 1973 nicht schmälern. Auch ein Traditionshersteller wie Drawmer kann eben nicht zaubern. Freunde der Multibandkompression finden im 1973 also einen kompetenten Partner zu einem mehr als angemessenen Kaufpreis.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • Funktionsumfang
  • aufwendiges Metering
  • Mute-Funktion der einzelnen Bänder
  • flexible Einsatzmöglichkeiten
Contra
  • Klang neigt in den Höhen je nach Einstellung bisweilen ein wenig zur Härte
Artikelbild
Drawmer 1973 Test
Für 1.579,00€ bei
Drawmer 1973: Analoger Multibandkompressor auf FET-Basis
Drawmer 1973: Analoger Multibandkompressor auf FET-Basis
Spezifikationen
  • analoger Multibandkompressor auf FET-Basis
  • drei Bänder mit weiten Crossover-Bereichen
  • separater Mute/Bypass pro Kanal sowie ein globaler Bypass
  • Wet/Dry-Mischung und Ausgangspegel global einstellbar
  • VU-Meter mit verschiedenen Anzeigemodi
  • Preis: € 1585,– (UVP)
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