DJ-Kultur #1 – Ursprung und Geschichte

Studio_54_teaser
Inhalte
  1. Die Anfänge des DJings
  2. Die Diskothek – Ursprung eines Konzeptes oder einer Lebensart?
  3. Musikalische Weiterentwicklungen
  4. The Curch
  5. Sanctuary und Studio 54
  6. Am Ende von Disco

Die Anfänge

Das Kürzel „DJ“ wird zwar inzwischen international wie ein eigenständiges Wort gebraucht (sprich „Deejay“), aber es handelt sich dabei lediglich um eine Abkürzung für die Berufsbezeichnung Discjockey. Dieser aus dem Englischen stammenden Begriff bezeichnet mit Disc zum einen eine Scheibe oder Platte und mit Jockey den Rennreiter oder Fahrer. Im ursprünglichen Sinn war der Discjockey jemand, der im Rundfunk oder später auch in Diskotheken und Clubs Schallplatten auflegte.

Fotostrecke: 2 Bilder Al Jarvis

Die Anfänge des DJings

Als erste erwähnenswerte DJs der Geschichte kann man wohl die Radio-DJs aus den Anfängen des Rundfunks bezeichnen, auch wenn das Medium zu Beginn des 20. Jahrhunderts sicherlich noch sehr exklusiv und keinesfalls ein Massenphänomen war.
Der erste DJ, der das Auflegen von Platten so zelebrierte, dass der Eindruck entstand, es fände ein Konzert statt, war Al Jarvis. Zwar beschritt er damit 1932 in Los Angeles Neuland, aber für den Einzug in die Geschichtsbücher reichte sein Bekanntheitsgrad trotzdem nicht. Seine Art Platten aufzulegen und diese anzumoderieren, schaute sich Martin Block aus New York ab und wurde damit 1935 zum ersten Radio-DJ-Star. Er legte einen Song nach dem anderen auf, also keinen „Mix“ im heutigen Sinne, füllte die Pausen mit phantasievollen Anmoderationen und schuf damit eine neuartige Performance, die ihn sehr populär werden ließ. Seine Sendung „Make-believe Ball“ hatte nach nur vier Monaten durchschnittlich vier Millionen Zuhörer.

Sowohl Werbeagenturen wie auch die Musikindustrie begriffen schnell, welches Potential sich hier verbarg und welche Medienmacht hier ungenutzt brachlag. Und so kam es, dass die Plattenindustrie Martin Block mit Platten und Interviewpartnern versorgte, während sich Werbeagenturen um Werbepartner und Sponsoren kümmerten und eine neue wirtschaftliche Partnerschaft entstand. Top 40-Radiostationen folgten in den 50er Jahren und brachten jede Menge Radio-DJs hervor. Durch viel Airplay wurden damals Hits kreiert und die Verkaufszahlen der nun erschwinglichen Tonträger gesteuert.

Die Diskothek – Ursprung eines Konzeptes oder einer Lebensart?

Ihren zeitlichen Ursprung findet die Diskothek wohl im Paris des Zweiten Weltkrieges. Während der deutschen Besatzung wurden die französischen Jazzbands aus den Live-Clubs vertrieben, das französische Publikum blieb aus und die Clubs führten ein Schattendasein mit den wenigen und ungebetenen Gästen aus Deutschland. Die Franzosen gingen in Höhlen und Keller auf die andere Seite der Seine und installierten dort leichte Beschallungssysteme, bestehend aus Plattenspieler, Verstärker und Lautsprecher. Die Pariser feierten so heimlich in ihrer eigenen Stadt zu Musik aus der Konserve. Nach dem Krieg kehrte das öffentliche Leben wieder in die Pariser Clubs zurück und auch die Bands spielten wieder dort. Einige allerdings blieben bei dem Konzept, Musik aus der Konserve anzubieten und begründeten einen neuen Trend.
Der Ursprung der Disco ist also europäisch, doch sämtliche Weiterentwicklungen fanden zunächst in den USA statt, insbesondere in New York. 1960 wurde dort „Le Club“ eröffnet und der erste DJ, der in einer Disco in New York Platten auflegte, war Slim Hyatt, der eigens von Olivier Coquelin, dem Manager des Clubs, angeheuert wurde. Doch glichen die damaligen DJ-Abende musikalisch eher einer Stop-and-go-Veranstaltung als einem kontinuierlichen musikalischen Fluss. Die berühmten Gäste des Le Club machten die ehemalige Garage populär.
Mehrere Discotheken sollten folgen, doch es dauerte noch einige Jahre, bis sich dieser Trend im Big Apple wirklich durchsetzte, um in den 70er Jahren seinen Höhepunkt zu erreichen. Modetänze wie der Twist verhalfen der „Peppermint Lounge“ Mitte der 60er Jahre zu unvergesslichen Clubnächten, in denen Gäste wie Greta Garbo und Judy Garland ausgelassen tanzten und feierten. Das „Arthur“ übernahm die Stellung als „The Place to be“ und verdrängte die Peppermint Lounge, ohne die aber weitere Entwicklungen so vielleicht gar nicht stattgefunden hätten.

Peppermintlounge
Peppermintlounge

Musikalische Weiterentwicklungen

Musikalisch tat sich in den Discotheken bis Ende der 60er Jahre dann nicht mehr so viel. Die musikalischen Stilrichtungen der Clubs orientierten sich stark am Mainstream und entwickelten sich in dieser Zeit nicht weiter. Im Gegenteil, es fand sogar eine rückläufige Entwicklung statt, in der viele Clubs wieder zur Live-Musik zurückfanden.
Musikalische Weiterentwicklungen in der Tanzmusik waren in jener Zeit nicht Sache der New Yorker Clubs, sondern den populären Undergroundpartys vorbehalten. Diese Miet- oder Blockpartys wurden in entlegenen, abgefahrenen Locations veranstaltet und boten den DJs eine neue Plattform für ihre neuartigen Mixtechniken und Tanzmusikstile. So verstanden es Ende der 60er Jahre die DJs erstmals, eine musikalische Kontinuität in ihre Sets zu bringen. Die Stücke wurden nicht mehr nur ein- und ausgeblendet oder nacheinander gespielt, sondern so miteinander vermischt, dass ein konstanter musikalischer Fluss entstand und Spannungsbögen erzeugt wurden, die nur der Dramaturgie des DJs oblagen.
1969 entstand der erste Underground-Club in New York, es war das Geburtsjahr des „Salvation“, wo ausschließlich Partymusik gespielt wurde. Terry Noel war dort DJ der ersten Stunde, wurde allerdings von Francis Grosso, der als DJ-Autor noch berühmt werden sollte, als Resident abgelöst. Genauso wie „The Church“ das Salvation in der Underground-Szene sehr bald ablösen sollte.

Salvation
Salvation

The Church

… war eine umgestaltete Baptistenkirche in „Hell´s Kitchen“ südlich des Central Park, die allerdings auf Druck der katholischen Kirche in „Sanctuary“ umbenannt werden musste. Das Publikum war zunächst heterosexuell, doch nachdem eine Drag-Queen die Geschäfte übernommen hatte, wandelte sich das Gästespektrum und der Club mutierte zur Heimat von Drag-Queens, modeorientierten Schwulen und der gut aussehenden Männer New Yorks. Doch nicht nur das: Endlich hatten die Schwulen einen Ort, an dem sie ausgiebig feiern konnten. Und nach ihren Aufständen im Juni 1969 hatten sie nun auch das Selbstvertrauen gewonnen, ihr Leben nicht mehr vor der Öffentlichkeit verstecken zu müssen. Wegen dieses Publikums gab es natürlich reichlich „Sex and Drugs“ im Sanctuary. Der Club glich einem Supermarkt, in dem die Dealer die tanzwütigen Homosexuellen mit Koks, Speed, LSD und Haschisch versorgten.
Der DJ und spätere Autor Francis Grosso, der den Job von Noel übernahm, war zumindest in New York der Erste, der die Platten nicht nur ineinander mischte, sondern sein Quellmaterial zudem veränderte und so etwas völlig Neues entstehen ließ. Er mixte Gospelchöre mit Rythm-only-Passagen und spielte einen Mix aus aktuellen Funkproduktionen von James Brown bis Booker T.
Grosso brachte auch die DJ-Technik entscheidend voran, weil er als erster DJ „Slipcueing“ anwendete. Er hielt also mit den Fingern die Platte so lange fest, bis der Beat der vorherigen Platte endete, und ließ erst dann los. Eine weitere grundlegende Neuerung geht auf seine Idee zurück, rund zugeschnittene Filzmatten (Slipmates) zwischen Plattenteller und Vinyl zu legen, sodass der Motor den Plattenteller weiter antreiben konnte. Da so der Reibungswiderstand extrem minimiert wurde, hatte die Platte sofort die richtige Geschwindigkeit, wenn sie losgelassen wurde.
Doch damit nicht genug, denn Grosso war auch der erste DJ, der die Vorhörmöglichkeit nutzte, die Pulthersteller wie Rodec aus Belgien in ihre Sende- und Discopulte integriert hatten (z.B. Rodec CU 888 ca. 1970. So war er in der Lage, die Lautstärke des nachfolgenden Stückes an die des laufenden Tracks anzupassen.

Rodec CU888
Rodec CU888

Mit den neuesten pitchbaren Thorens-Plattenspielern hatte Grosso zudem die Möglichkeit, die Abspielgeschwindigkeit der Stücke einander anzugleichen und konnte so einen noch perfekteren Mix präsentieren. Seine Skills verhalfen ihm zu Ruhm und Ehre, und Clubbesitzer und Veranstalter umwarben ihn als Headliner für ihre Veranstaltungen. Grosso genoss seinen Status und nutzte ihn weidlich aus. Seine Groupies waren die einzigen Frauen, die Einlass in die Partys im Sanctuary fanden, und er kostete alle Annehmlichkeiten aus, die sein Job mit sich brachte. Auch den Drogen war er nicht abgeneigt.
Doch wer hoch aufsteigt, kann bekanntlich auch recht tief fallen. Auch Grosso musste erleben, dass er dabei keine Ausnahme darstellte, nachdem er sich mit seinen Drogendealern angelegt hatte. Deren Schläger verprügelten ihn so heftig, dass sein Gesicht in mehreren Operationen wiederhergestellt werden musste.
Im April 1972 schloss die Stadt New York den „Sündenpfuhl“ Sanctuary inmitten von Manhattan. Mit dem Ende dieses legendären Schwulen-Clubs endete auch die große Zeit von Grosso, auch wenn er später in vielen anderen Clubs auflegte. Seine Karriere war so eng mit dem Sanctuary und der legendären Ära dieser großen Zeit verbunden, dass er nie mehr an seine vergangenen Erfolge anknüpfen konnte.
Doch die Disco-Kultur war nun in vollem Gange: Schloss ein Club seine Pforten, wuchsen an anderer Stelle zwei neue aus dem Boden. Mitte der Siebziger hatte sich aus der Minderheitenkultur „Disco“ eine Popkultur entwickelt hatte, die Geschichte schreiben sollte. Hierzu trug unter anderem nicht unwesentlich der Film „Saturday Night Fever“ von Nick Cohn bei, der 1977 in die amerikanischen Kinos kam.

Studio 54, der wohl berühmteste Club

… in New York öffnete im April 1977 seine Pforten. Die Disco unter den Discos war der Treffpunkt der Schönen und Reichen. Glamour und Party, Drogen und Exzesse, sehen und gesehen werden – hier traf sich die High Society mit den Exoten der New Yorker Mode- und Musikwelt. Die Tür war eisern und der homogene Mix auf der Tanzfläche zwischen Mann und Frau, homo- und heterosexuell, westlich und asiatisch war vom Gründer Steve Rubell geplant und durch und durch kalkuliert. Disco war nun extrem „in“ und Mainstream geworden, weswegen die Schlange vor dem Studio 54 allabendlich unglaublich lang war, beinahe wie vor den Toren einer riesigen Halle bei einem Rolling Stones Konzert.

Fotostrecke: 3 Bilder Saturday Night

 

Jedoch gerieten Rubell und sein Partner im Dezember 1979 in das Visier der Steuerfahnder und wurden wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwar wurden sie nach 13 Monaten wieder entlassen, aber ihr Club schloss im Februar 1980 seine Pforten. Nachdem große Konsortien die Clublandschaft übernommen hatten, wurde Rubell als Berater eingesetzt und das „Studio“ eröffnete im September 1981 neu. Als dann 1986 endgültig zum letzten Mal die Lichter ausgingen, ging damit auch eine Popkultur und Massenbewegung in den Ruhestand – eigentlich eine längst überfällige Reaktion, denn der eigentliche Disco-„Vibe“ war spätestens 1979 bereits verflogen.

Am Ende von Disco kommt immer wieder Disco …

Doch mit dem Ende von Disco kamen andere Stile wie Hi-Energy, House, Acid-House und später Techno und alle ihre Subgenres. Sie alle hatten eines gemein: die Illusion einer nie endenden Party, totale Extase, ein Fallenlassen, ein Eintauchen in die Sphären der Musik. Diese Errungenschaften der Disco-Musik blieben und finden sich bis heute in vielen elektronischen Tanzmusikstilen wieder.
Für die DJs bedeutete diese Epoche endlich den ruhmreichen Einzug in die Clubs. In diesen Zeiten lernten sie den Umgang mit den unterschiedlichen Energien, die Musik innehat, und wie sie damit Spannungsbögen innerhalb eines DJ-Sets erzeugen konnten. Technisch war das sicherlich noch nicht besonders ausgereift. Francis Grosso war einer der Vorreiter, weil er die damaligen technischen Möglichkeiten voll ausschöpfte und als erster Nutzer von Slipmates die Entwicklung der DJ-Skills entscheidend vorantrieb. Am Ende der Disco-Ära war klar, dass die DJs noch nicht am Ende waren. Sie sollten die Entwicklung von Club-Musik entscheidend weiterbringen. Allein die Erkenntnis, dass die Radio-Mixe der aktuellen Produktionen den Ansprüchen der Tanzwütigen nicht mehr genügten, sollte viele DJs inspirieren, eigene Mixe zu erstellen, zu remixen, gar selbst zu produzieren …

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