ANZEIGE

Dexibell Vivo S7 Test

Praxis

Nach dem Betätigen des Netzschalters hat man fast Zeit für eine kleine Kaffeepause, denn tatsächlich braucht das Vivo S7 etwa 42 Sekunden (!) bis es spielbereit ist. Nach Aussage des Vertriebs liegt das am offenen Konzept des Systems, das unter anderem für die Erweiterbarkeit mit neuen Sounds sorgt. Gewöhnungsbedürftig ist die Wartezeit aber auf jeden Fall, und im Falle eines kurzzeitigen Stromausfalls auf der Bühne könnte sie zu einem echten Problem werden. Gerade bei einem Stagepiano wäre ein schnelleres Hochfahren wünschenswert.
Wenn es startklar ist, lässt sich das Vivo S7 wirklich hervorragend spielen, und das liegt vor allem an der wirklich guten Tastatur. Die bewährte TP/40 von Fatar fühlt sich wegen der „Ivory“-Beschichtung sehr griffig an. Sie ist für meinen Geschmack nicht zu schwer gewichtet und lässt sich sehr gut kontrollieren. Auf den Luxus von Holztasten muss man hier verzichten, aber die damit verbundene Gewichtsersparnis ist bei einem Stagepiano natürlich von Vorteil.

Klang

Hören wir uns zunächst einige verschiedene Pianos an:

Audio Samples
0:00
VIVO Grand Pop Grand Classic Grand Upright Piano Honky Tonk

Alle Pianos klingen wirklich gut und haben durchaus unterschiedlichen Charaktere. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie sich sehr dynamisch spielen lassen, einen ausgewogenen Grundsound haben und bei härterem Anschlag ein wenig „Biss“ bekommen, was mir persönlich gut gefällt. Auch der Klang des Upright Pianos kann überzeugen; der hölzerne, leicht wummerige Klang kommt einem typischen Upright wirklich sehr nahe. Die berüchtigten Loop- oder Sample-Artefakte kann ich beim Vivo S7 nicht erkennen – die Mischung aus Sampling und Modeling scheint sich hier bewährt zu haben.
Auch in Punkto Dynamik hat mich das Vivo S7 überzeugt. Ganz besonders wird das beim Spielen über Kopfhörer deutlich. Ein weiteres schönes Detail: In den Bässen entstehen, je nach schnellem oder langem Halten der Noten, krasse Dämpfergeräusche. Auch die ungedämpften Saiten im Diskant bleiben erfreulich lange zu hören.

Audio Samples
0:00
Dynamik, Polyphonie, Release-Geräusche

Einzig die Frage, ob man den eingangs erwähnten „holophonen“, d.h. dreidimensionalen Charakter erkennt, kann ich für mich nicht komplett klären. Der Klang ist insgesamt einfach sehr authentisch und vielleicht reicht das an dieser Stelle auch vollkommen aus. Mit dreidimensionalen Sound, der dann schließlich über Stereo wiedergegeben wird, verbinde ich nämlich auch eher lästige Chorus- oder Surroundeffekte, und genau das findet man hier glücklicherweise nicht wieder.  

In punkto Pianosound kann das Dexibell Vivo S7 überzeugen.
In punkto Pianosound kann das Dexibell Vivo S7 überzeugen.

Weitere Klänge

Hören wir uns noch ein paar weitere Klänge aus dem Vivo S7 an. Vor allem die E-Piano-Abteilung dürfte hier von Interesse sein, denn da gibt es bei vielen Digitalpianos noch Nachholbedarf und gerade ein Stagepiano sollte hier nicht patzen. In den folgenden Beispielen kommen übrigens auch diverse Effekte zum Einsatz.

Audio Samples
0:00
Rhodes Rhodes Drive Wurli Chorus Wurli Tremolo DX Piano Clavinet Strings, Pads, Brass

Insgesamt finde ich die E-Pianos zwar nicht ganz so realistisch wie die akustischen Pianos, jedoch ist auch hier die Qualität insgesamt recht hochwertig. Vor allem die Effekte klingen gut, sogar der Verzerrer, der dem Rhodes im Beispiel „Rhodes distorted“ einen typischen Zerrer-Sound à la Chick Coreas „500 Miles High“ gibt.

True To Life Editor

Wer den Pianosound an den persönlichen Geschmack anpassen möchte, darf beherzt im T2L-Editor des Vivo S7 „herumtweaken“. Diverse Parameter, welche im Normalfall auf 0 stehen, lassen sich hier im Wertebereich von -64 bis +63 anheben oder absenken. Mit dem links neben dem Display befindlichen Drehencoder geht das zum Glück sehr schnell! Im folgenden Beispiel habe ich alle der folgenden Parameter auf +63 angehoben: Hammer-, Key Off- und Damper-Noise sowie String- und Damper-Resonance.

Audio Samples
0:00
einstellbare Resonanzen und Nebengeräusche

Auch bei den E-Pianos können im T2L-Edit-Menü typische Nebengeräusche angehoben oder abgesenkt werden, wie beispielsweise eine „Cabinet Resonance“, „Damper Noise“, „Growl“ beim E-Piano, oder „Percussion“ für verschiedene Orgelklänge. Zwar klingen einige dieser Effekte bei übertriebenen Einstellungen etwas unnatürlich, trotzdem finde ich das Ergebnis immer noch recht brauchbar. Mir persönlich könnten gerade die Hammer-Geräusche im Normalfall noch etwas lauter sein, denn ein Quäntchen mehr Attack-Geräusch verhilft Piano-Sounds gerade auf der Bühne zu etwas mehr Durchsetzungsvermögen. Auch der „Growl“-Parameter beim E-Piano gefällt mir sehr gut!

Audio Samples
0:00
Cabinet Resonance, Damper, Growl, Keyclick
Fotostrecke: 3 Bilder Im T2L-Editor lassen sich die Sounds individuell anpassen.

Chord Enhancer / Chord Freeze

Hinter der „Chord Enhancer“-Funktion versteckt sich ein nützliches Feature. Spielt man einen Sound aus der Strings/Choir/Pad-Kategorie und aktiviert die Chord Enhancer-Funktion, dann generiert das Vivo bei gedrückten Akkorden einen tiefen Basston. Spielt man Dreiklänge in Grundstellung, dann wird der Grundton typischerweise zwei Oktaven tiefer gedoppelt. Dieses Feature erinnert ein wenig an eine Harmonizer-Funktion und verhilft zu einem volleren Klang.
Mit der „Chord Freeze“-Funktion hingegen haben die Entwickler eine etwas verspieltes Feature im Vivo S7 untergebracht: Spielt man einen Akkord, so kann er durch Betätigen des „Chord Freeze“-Tasters „eingefroren“ und anschließend mit nur noch einer Taste wieder aufgerufen und transponiert werden. Ein Moll-Dreiklang kann mittels „Chord Freeze“ beispielsweise in allen zwölf Tonarten mit nur noch einer Taste reproduziert werden. Aus meiner Sicht ist diese Funktion schlichtweg unnötig.

Interner Speicher

Zum Abspeichern eigener Setups dienen die 81 internen Speicherplätze des Vivo S7. Über den Memory/Write-Taster können spontane Soundkreationen intern abgespeichert werden. Ebenfalls können die Soundbänke auch als eigenständiges Memory-Set auf einem USB-Stick gespeichert und geladen werden.

X Mure App

Wer ein iPhone oder iPad besitzt, der kann sich die App „X Mure“ herunterladen und die Pianos der Dexibell Vivo-Reihe um eine Arranger-Funktion erweitern. Voraussetzung für den Betrieb mit einem iPhone oder iPad ist ein Apple iPad Camera Connection Kit bzw. Lightning USB Adapter, um die Geräte miteinander zu verbinden. Schade, dass das nicht auch über Bluetooth geht wie das Audio Streaming!
Die App X Mure besteht aus den drei Modi „Touch“, „Vivo“ und „Instrument“, in denen audiobasierte Begleitrhythmen abgespielt und in Echtzeit gesteuert werden können. Leider ist nur der Vivo-Modus kostenlos, die anderen Modi müssen erst kostenpflichtig freigeschaltet werden. In der App kann man über den Splitmodus des Vivo S7 die Arranger-Funktion mit der linken Hand steuern. X Mure erkennt dann die gespielten Akkorde und reagiert entsprechend „live“ darauf, indem die Akkorde des Backing-Tracks angepasst werden. Die audio-basierten Rhythmen bieten wie bei einem Arrangerkeyboard vier verschiedenen Variationen und typische Fill-Ins. Für Vivo-Anwender sind alle Rhythmen frei nutzbar, andernfalls müssen sie teilweise kostenpflichtig freigeschaltet werden.
Die App ist eine Bereicherung für den Spieler und schon alleine der Vivo-Modus bringt einige interessante Features mit sich. Wer beispielsweise über die Realbook-App „IReal Pro“ verfügt, der kann die Akkordfolge eines ausgewählten Jazz-Titels von der IReal Pro App im XML-Format exportieren und in X Mure importieren. Jeder Begleitrhythmus aus der VIVO-App folgt dann dem Akkordschema des importierten Titels. So kann man auch ein Experiment wagen und sich beispielsweise überzeugen, ob ein Standard à la „How High The Moon“ auch im Pop-Gewand klingt!
Im nächsten Beispiel habe ich einen Salsa-Rhythmus per App geladen, eine Akkordfolge aus dem IRealBook in die X Mure App geladen und dann zwischen den vier verschiedenen Rhythmus-Variationen hin- und her gewechselt. So hört sich eine Begleitung aus der X Mure App an:

Audio Samples
0:00
X Mure Salsa Pattern
Kommentieren
Profilbild von Walter Trapp

Walter Trapp sagt:

#1 - 31.10.2016 um 21:25 Uhr

0

......für mich ein wichtiges Argument ( kam im Artikel etwas zu kurz ), die Erweiterbarkeit mit Soundfonts, die auf diversen Seiten im Netz zum Download angeboten werden. Damit kann man fehlende Sounds, wie z.B. Akkordeon o.ä. nachrüsten. Ich hab die Lautsprecherversion p7 und hab das interne Pop Grand mit dem Stereopiano ( externer Soundfont ) gelayert. Dies passen außerordentlich gut zusammen ohne den bekannten Choruseffekt und ist von der Dynamik her ein guter Flügelsound. Dem internen Pop Grand habe ich einen "Overdrive" - Effekt nachgeschaltet ( Overdrive auf Null abgesenkt ).
Dieser wirkt dann als Enhancer und verstärkt nochmals die Dynamik im Bass- und Höhenbereich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.