Coles 4030L Test

Das Bändchenmikrofon Coles 4030L ist zum Test zu uns bei bonedo geschickt worden. Wir sind das erste Magazin, das das neue Ribbon-Mikro ausgiebig testen durfte! Sehr praktisch ist, dass wir den Neuling gegen den teureren STC- bzw. Coles-Klassiker 4038 stellen konnten, um nicht nur herauszufinden, was es kann, sondern auch, wo die Unterschiede des Lolloipop-Mikrofons zum sperrigen, schwarzen Monstrum 4038 sind.

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Vielleicht nicht die absolute Schönheit, aber ein qualitativ hochwertiges Ribbon-Mike in englischer Tradition: Coles 4030L


Mit Bändchenmikrofonen hat das englische Unternehmen eine Geschichte fortgeführt, die sowohl englischen Sprechersound aus der Zeit Trennung der Welt in Ost und West als auch Schlagzeug-, Streicher-, Bläser-, E-Gitarren- und sonstige Sounds stark geprägt hat. Stichworte wie “Ringo Starr” und “Abbey Road” sollten hier zunächst ausreichen, ich möchte an dieser Stelle auf den ausführlichen Test des Coles 4038 verweisen. Doch Coles Electroacoustics gibt sich nicht mit der Weiterführung der Klassiker 4038 und 4104 zufrieden, sondern hat mit dem 4040 Bändchen- und dem 4050 Stereo-Bändchenmikrofon neue, modernere Werkzeuge konstruiert, die unter Engineers ein hohes Ansehen genießen. Coles bringt nun nicht im Wochentakt neue Produkte auf den Markt, sodass schon die Ankündigung des 4030L unsere Augen haben größer werden lassen. Ob das nach dem Test auch für die Ohren gilt?

Details

Das 4030L ist preiswerter als 4038 und 4040

Die Dauerlutscherform ist geometrisch simpel und deutlich einfacher zu fertigen als der alte Klassiker – zumal mittlerweile mit CNC-Technik gearbeitet werden kann. Das allein drückt den Preis, welcher vom Hersteller mit 699,– Euro samt Mehrwertsteuer “unverbindlich empfohlen” wird. Der Ladenpreis eines 4038 liegt bei 900 Euro, allerdings darf aufgrund der altertümlichen Steckernorm noch ein Adapter separat erstanden werden (und der Mikrofonständer, der den Trumm zu halten in der Lage ist, ebenfalls). Am Wesentlichen wurde nicht gespart, denn das Bändchenelement ist dem Coles 4040 entliehen. Das ist sicher gut zu wissen, denn eine wirkliche “Sparversion” würde nicht nur hier Änderungen vornehmen, sondern auch beim Empfänger/Wandler – und beim Herstellungsort: Das 4030L ist wie alle Coles vollständig im Land jenseits des Kanals gefertigt. Wie beim 4040 ist auch der Frequenzgang des 4030L wie zu erwarten dem 4038 gegenüber deutlich erweitert, insbesondere nach oben: Die obere Grenzfrequenz des Lollipop-Ribbons ist mit 20 kHz angegeben, die untere mit 30 Hz (4038: 50-15k). 

Fotostrecke: 4 Bilder Einfach herzustellende Form: Lollipop

Ganz klar Coles: 300 Ohm Impedanz

Für die dreifachen Shockmounts und die vielschichtige Korbkonstruktion des 4040 ist im 4030L jedoch genausowenig Platz wie für eine besonders große Elektronikplatine. Viel braucht´s außer dem Übertrager bei einem derartigen Mike nicht, gibt es doch weder Umschaltbarkeit noch Filter, Pads oder sonstigen Krimskrams. Der Übertrager jedoch sorgt für eine Impedanz von 300 Ohm, was deutlich mehr ist, als viele andere moderne Mikrofone bieten (meist unter 200 Ohm). Durch die enorme Überanpassung ist es mit den meisten Preamps allerdings kein Problem mehr, eher bekommt der mittlerweile immer häufiger zu findende Impedanzwahlschalter eine deutliche Klangmacht beim 4030. Ich nutzte aber gerne spezialisierte Preamps mit sehr hoher Impedanz.

Ribbons benötigen gute, cleane Preamps mit viel Gain und hoher Eingangsimpedanz.
Ribbons benötigen gute, cleane Preamps mit viel Gain und hoher Eingangsimpedanz.

Übertragungsfaktor: 0,56 mV/Pa

Typisch für Coles ist neben der 300-Ohm-Impedanz auch die geringe Empfindlichkeit – auch beim 4030L liegt diese bei mickrigen 0,56 mV/Pa. Spätestens hier sollte klar sein, dass der verwendete Preamp eine große Rolle spielt. Übliche Audio-Interface-Stangenware mag zwar bei Kondensatormikrofonen ordentliche Dienste leisten, leistet sich aber bei höheren Gains oftmals auch handfeste Probleme. Bedenkt man, dass mit einem Ribbon-Mikro wie dem 4030L auch leise Schallquellen aufgenommen werden, die Mikrofonierung etwas entfernter ist (oder sogar beides!), dann muss das Mikrofonsignal sich mit vielleicht nur 54 dB Gain begnügen und droht im Rauschen jämmerlich zu ertrinken. Dass bei 125 dB weniger als 1% THD vorliegen, ist eigentlich kein Grund zum Jubeln, doch sollte man bedenken, dass die Verzerrungen bei 1 kHz gemessen werden – und bei Bändchen mit der Frequenz abnehmen.

Praxis

In einem ersten Test schon zeigte sich das Dauerlutscher-Mikrofon besonders einfach im Handling – das ist eine wesentliche Neuerung bei Coles. Angenehm ist, dass das 4030L mit 12,5 Zentimetern Höhe sehr klein und mit 250 Gramm recht leicht für ein englisches Bändchen ist (Was man auf den Fotos nicht sieht: Das Coles 4038 wiegt viermal so viel!). Im kleinen Halter, dessen Feststellschraube mir eine ein wenig zu geringe Angriffsfläche bietet, lässt sich das Mikrofon axial drehen. Diese zunächst banal klingende Möglichkeit ist allerdings sehr hilfreich, um das Bändchen aus der Achse zu drehen, wie es bei hochpegligen Schallquellen bisweilen sinnvoll ist. Insbesondere aber für die Anwendung im MS- oder auch im Blumlein-Stereoverfahren erweist sich die leichte Ausrichtbarkeit als gern gesehen. Wer ungern mit zwei Stativen hantiert, um damit auszurichten: Es wird demnächst eine Stereoschiene für 139 Euro (UVP) erhältlich sein.

Im einfachen Halter kann man das 4030L drehen – das ist zwar eigentlich banal, aber durchaus praktisch!
Im einfachen Halter kann man das 4030L drehen – das ist zwar eigentlich banal, aber durchaus praktisch!

Und klanglich? Nun, der erste Eindruck bestätigt, dass es sich klar um ein Bändchen handelt, der Coles-Stallgeruch ist ebenfalls deutlich. Insgesamt wirkt es sehr offen und fein, das Attribut “modern” finde ich passend. Gerade kurze Konsonanten im Gesang werden schön schnell und konkret übertragen. Den ganz großen, auffälligen Charakter und den “Bigger than Life”-Sound liefert wahrscheinlich nur das 4038, doch ist das 4030L deutlich flexibler und weniger färbend. Das erweiterte Höhenspektrum macht seinen Einsatz seltener grenzwertig, das ist klar ein Vorteil: Es wird mehr Situationen geben, in denen man es einsetzen kann, denn viele moderne Stimmen, manches Cabinet, aber auch Precussionsounds, Bläser und einige mehr benötigen etwas mehr Höhen, als sie das 4038 liefern kann. Doch der Grundsound eines Mikrofons ist nur eine Sache: Das 4030 lässt sich wie seine Kollgen sehr gut mit dem Equalizer bearbeiten, ohne dass negative Eigenschaften zum Vorschein kommen, besonders in den Höhen. Allerdings ist hier wieder die Mahnung notwendig, einen guten Preamp zu besitzen, denn was nutzt es einem, in den Höhen ganz toll Bestandteile herausarbeiten zu können, wenn man gleichzeitig das Rauschen des Vorverstärkers mit anhebt?

Audio Samples
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4030L 10 cm 4030L 30 cm 4030L 60 cm 4030L 45 Grad 4038 10 cm 4038 60 cm 4030L an 10 kOhm 4030L an 600 Ohm

Natürlich besitzt ein Bändchen einen ausgeprägten Nahbesprechungseffekt, sodass sich bei von bekannteren Mikrofon(-typen) übernommenen Besprechungsabständen eine höhere Bassigkeit einstellt. Nicht zuletzt daraus resultiert der Eindruck, Bändchen hätten “gar keine” Höhen. Der Proximity-Effekt klingt beim Coles 4030L angenehm und lässt sich über den Abstand auch sehr gut steuern. Sehr angenehm im Praxisbetrieb ist die schöne Off-Axis-Klangeigenschaft, denn als echte Acht ist das Ribbon-Mikrofon ordentlich frequenzkonstant. Möglicherweise hat die einfache Gehäusekonstruktion ihren Teil dazu beigetragen.

Fazit

Als Nachteil des Coles 4030L könnte man anführen, dass das Bändchenmikrofon nun wirklich nicht besonders edel aussieht. Die Lolli-Form mag zwar jemanden, der so etwas noch nicht gesehen hat, zu einem kleinen Grinsen verleiten, doch ist sie nicht einmal neu. Mit den Äußerlichkeiten endet die Liste der möglichen Kritikpunkte aber schon – wenn man nicht die hauseigenen Konkurrenten Coles 4038 und 4040 zu Vergleichen heranzieht. Ersteres ist die unangefochtene Nummer 1, wenn es um samtige, beruhigende Höhen und einen wuchtigen “Bigger than Life”-Sound geht, letzteres kann in seinem großen Bauch eine bessere Konstruktion für Besprechungsschutz und Aufhängung unterbringen als das 4030L, doch der eigentliche Ribbon-Wandler von 4030L und 4040 ist identisch. Dementsprechend hat das kleine, unscheinbare Mikrofon auch die typischen Coles-Gene mit auf den Weg bekommen. Und genau diese machen aus dem Mikrofon ein durchaus mächtiges Tool: Das 4030L ist ein sehr flexibles Bändchen, welches mit Wohlklang und Gemütlichkeit punkten kann, ohne dabei aber höhenarm und ohne Detailzeichnung zu sein. Wie bei allen Ribbons sollte man jedoch über einen guten bis sehr guten Vorverstärker verfügen (aber das sollte man sowieso!). Sucht man ein Bändchen, welches viele Aufgaben im Studio übernehmen kann, vielleicht sogar als erstes oder einziges seiner Art, dann ist das hier getestete Mikrofon sicher eine gute Option und steht somit in Konkurrenz zu Royer R-101 und Beyerdynamic M 130. Ich halte fest: Das Coles 4030L ist insgesamt ein hervorragendes Mikrofon zu einem sehr guten Preis. 

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • typischer, angenehme Bändchencharakter
  • moderner und höhenreicher als Klassiker 4038
  • gutes Preis-/Leistungsverhältnis
Contra
Artikelbild
Coles 4030L Test
Vielleicht nicht die absolute Schönheit, aber ein qualitativ hochwertiges Ribbon-Mike in englischer Tradition: Coles 4030L
Vielleicht nicht die absolute Schönheit, aber ein qualitativ hochwertiges Ribbon-Mike in englischer Tradition: Coles 4030L
Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Acht
  • Wandlerprinzip: dynamisch (Bändchen)
  • Frequenzgang: 30 Hz – 20 kHz (-3 dB)
  • Übertragungsfaktor: 0,56 mV/Pa
  • Ausgang: XLR
  • Preis: Euro 699,- (UVP)
Hot or Not
?
Vielleicht nicht die absolute Schönheit, aber ein qualitativ hochwertiges Ribbon-Mike in englischer Tradition: Coles 4030L

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