Kaum ein Produkt wurde in der noch jungen Recording-Software-Geschichte so sehnlich erwartet wie Melodyne Editor. Denn dabei handelt es sich um das erste Celemony-Produkt, das die neue Technologie «Direct Note Access» enthält, kurz DNA. Dabei geht es um die Bearbeitung einzelner Töne innerhalb einer polyphonen Audioaufnahme. Wie treffend das aus der Biologie entlehnte Akronym DNA ist und was Melodyne Editor kann, damit soll sich dieser Test beschäftigen.
Celemony hat bereits zu Beginn dieses Jahrtausends den Bereich Audio-Software revolutioniert. Damals erschien die erste Version des Programms, mit dem sich die monophonen Spuren etwa einer Stimme, einer Geige, eines Saxophons oder Ähnlichem so bearbeiten lassen wie MIDI-Daten. Melodyne muss aufgenommene oder importierte Audiospuren kurz analysieren und stellt sie dann wie in einem MIDI-Pianorollen-Editor dar. Sprich: Jede Note kann im Timing und in der Tonhöhe frei verändert werden. Das war eine echte Weltneuheit, und ein echtes Konkurrenzprodukt ist bis heute nicht in Sicht.
Im Laufe der Jahre erblickten einige neue Stand-Alone-Versionen und letztlich auch eine Plug-In-Variante das Licht der Welt. Dabei wurden das Handling, der Pitchshifting-Algorithmus und einiges mehr stetig verbessert.
Die Musikmesse 2008 in Frankfurt markierte dann für Celemony den bisherigen Höhepunkt öffentlichen Interesses. Publikumszeitschriften wie Der Spiegel, internationale Nachrichtenagenturen und -Sender baten um Interviews – ungewöhnlich für ein Software-Unternehmen aus dem Audiobereich. Was war passiert?
Peter Neubäcker, Celemony-Gründer und geistiger Vater von Melodyne, hatte gerade seine neueste Technologie vorgestellt: Direct Note Access. Und die weitet das Melodyne-Betätigungsfeld auf musikalisch polyphone Passagen aus. Das scheint wie die Überwindung der Physik und rief die Weltpresse auf den Plan. Niemand konnte sich vorstellen, dass es möglich ist, einen gespielten Akkord mithilfe von Software in seine Einzelteile zu zerlegen und die Töne unabhängig zu manipulieren. Neubäcker sprach bei dieser Premiere davon, dass die DNA-Technologie etwas theoretisch Unmögliches tue, das in der Praxis aber gut funktioniere.
Produktstart
Bis zur Produktreife dauerte es nach der Ankündigung der DNA-Technologie noch ein Weilchen. Wie mir Celemony bestätigte, lag das aber nicht daran, dass die neue Technologie nicht rechtzeitig fertig wurde. Die meiste Zeit wurde darauf verwendet, die DNA für den Benutzer gut bedienbar zu gestalten und die Software von Grund auf neu zu programmieren. Seit Herbst 2009 ist Melodyne Editor verfügbar und kommt als Stand-Alone-Software sowie als Plug-In in den Formaten VST, AU und RTAS, selbstverständlich für Windows und Mac. Ein wesentlicher Unterschied: Die Stand -Alone-Version importiert Audiodateien in allen üblichen Auflösungen und Dateiformaten, während beim Plug-In immer eine „Transfer“ genannte Echtzeitüberspielung des Audiomaterials erforderlich ist.
Die Voreinstellungen
Nach dem Import der Audiodaten nimmt sich Melodyne Editor einen kurzen Augenblick, um das Material zu analysieren. Die Dauer dieses Vorgangs hängt nicht ganz unwesentlich von der Spielzeit der Audiodatei, aber auch der Geschwindigkeit des verwendeten Rechners ab. Anschließend wird das Material in einem Piano-Roll-Editor mit den bekannten Melodyne Blobs dargestellt (siehe Abbildung). Die Software bietet drei verschiedene Algorithmen: „Melodisch“ (natürlich monophon) und „Perkussiv“ gab es schon vorher, neu ist die Variante „Mehrstimmig“ – die mit der DNA-Technologie.
Das Haupfenster
Notenerkennung
Wer Melodyne schon länger benutzt, der weiß, dass der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit in der Notenerkennung liegt. Nur wenn Melodyne alles richtig erkannt hat, was man hört, kann die Bearbeitung optimal verlaufen. Die automatische Erkennung ist gut, aber nicht unfehlbar. Zum Glück gibt es die Möglichkeit, manuell nachzubearbeiten. Bei monophonem Material ist das in der Regel kein Problem. Meist gibt es nur ein paar Töne, die in der falschen Oktave erkannt wurden. Das ist schnell korrigiert. Und zur Sicherheit besitzt Melodyne Editor einen eingebauten Synthesizer, der dem Nutzer die Melodie zur Überprüfung vorspielen kann.
Bei mehrstimmigem Material ist die Notenerkennung eine ungleich komplexere Aufgabe für Melodyne Editor, aber auch für den Benutzer. Erkennt Melodyne Editor bei einem vierstimmigen Akkord nur drei Töne, besteht einer der drei Blobs aus zwei Tönen. Wird dieser Blob verschoben, ändern sich beide Töne, weil Melodyne Editor nicht „weiß“, dass es sich beispielsweise um den gleichen Ton in verschiedenen Oktavlagen handelt. Um gute Ergebnisse zu erzielen, ist es also unerlässlich, gleich nach dem Transfer in den Notenerkennungs-Modus zu wechseln und dort die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.
Den Notenerkennungs-Modus erreicht man per Klick auf das Pfeilwerkzeug mit dem +/– Symbol. Zunächst ist es sinnvoll, mit dem Schieberegler die allgemeine Empfindlichkeit der Notenerkennung zu justieren. Ist der Schwellwert richtig gesetzt, hat man anschließend deutlich weniger Arbeit mit einzelnen Noten. Der rechte Teil des Schiebereglers, das Klammer-zu-Symbol, bestimmt dabei die Anzahl der angezeigten potentiellen Noten. Der linke Teil ändert die Wahrscheinlichkeitsschwelle. Zusätzlich gibt es jalousienähnliche Begrenzungen am oberen und unteren Rand der Pianorolle. Damit lässt sich der Bereich begrenzen, in dem Melodyne Editor Noten erkennen soll.
Sobald diese globalen Parameter optimal eingestellt sind, geht es an die Feinarbeit: Jeder sichtbare Blob kann per Doppelklick einzeln inaktiv oder aktiv geschaltet werden. Trotzdem kann es Noten geben, die auch in der feinsten Auflösung nicht als einzelne Note erkannt werden. Auch dafür gibt es eine Lösung: Melodyne Editor zeigt ein „Energiebild“, das einer Wellenformdarstellung ähnelt, wenn die Erkennungs-Empfindlichkeit auf maximal gestellt ist. Das Energiebild zeigt auch solche Noten, die weder als aktiv noch als potentiell erkannt wurden. Ist die fehlende Note identifiziert, lässt sie sich einfach per Doppelklick aktivieren.
Insgesamt ist mir beim Test aufgefallen, dass die Notenerkennung bei polyphonem Material eine sehr komplexe Aufgabe ist, für Melodyne Editor wie den Anwender. Neben der Tonhöhe aller einzelnen Noten geht es auch um die Erkennung der exakten Start- und Endpunkte, welche die Ergebnisse erheblich beeinflussen. Ein geschultes Ohr ist für die Bearbeitung nicht ganz unwichtig. Ich jedenfalls bekam im Laufe der Zeit immer mehr Übung und betrachte die Bearbeitung der polyphonen Notenerkennung als ein neu zu lernendes Handwerk.
Die verschiedenen Melodyne-Werkzeuge
Der Spaß beginnt natürlich erst, wenn die Notenerkennung abgeschlossen ist. Für alle, die sich bisher noch nicht mit Melodyne beschäftigt haben, an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung dessen, was Melodyne schon lange mit monophonem Material machen kann:
Pitchshifting
Die Tonhöhen können verschoben, aber auch quantisiert werden, zum Beispiel zum Stimmen einer Note oder zur Anpassung an verschiedene Skalen. Außerdem lässt sich die Geschwindigkeit eines Tonhöhenübergangs detailliert beeinflussen, vielleicht um möglichst natürliche Ergebnisse zu erzielen. Leichte Tonhöhenschwankungen, wie etwa bei einem Vibrato, lassen sich gezielt verstärken oder abschwächen und die Formanten können unabhängig bearbeitet werden. Das hilft vor allen Dingen bei größeren Tonhöhenveränderungen.
Timing und Lautstärke
Die Start- und Endpunkte der Noten können extrem flexibel beeinflusst werden. Sie können im Timing quantisiert werden, aber auch die Notendauer lässt sich extrem längen oder kürzen. Das Amplituden-Werkzeug macht es möglich, den Pegel jeder Note unabhängig einzustellen – aus meiner Sicht eine in der Praxis nicht zu unterschätzende Funktion.
Neben diesen sehr detaillierten Eingriffsmöglichkeiten gibt es beim Plug-In auch Echtzeit-Drehregler für Pitch, Formant und Amplitude, die sich über die Automation des Sequenzers fernsteuern lassen.
All diese Bearbeitungsmöglichkeiten sind in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert worden. Die Qualität der Algorithmen „Melodisch“ und „Rhythmisch“ ist sehr ordentlich und steht an dieser Stelle nicht wirklich zur Debatte. Die spannende Frage lautet: Wie gut arbeiten die genannten Werkzeuge mit polyphonem Audiomaterial im Modus „Mehrstimmig“?
Die Möglichkeiten von Direct Note Access
Direct Note Access ist ohne Übertreibung eine Revolution im Bereich der Audio-Bearbeitung. Während sicherlich jeder Nutzer zu Beginn verschiedene Transpositions- und Timing-Experimente anstellt, lohnt es sich, einen Blick auf mögliche Anwendungen im Alltag zu richten. Hat sich beispielsweise die Gitarre während der Recording-Session verstimmt? Mit Melodyne Editor ist es kein Problem, die verstimmten Töne wieder ins Lot zu bringen. Ähnliches gilt natürlich für Aufnahmen analoger Synthesizer oder anderer Instrumente, die sich leicht verstimmen. Hat der Pianist einzelne Töne in seiner Performance zu laut oder zu leise gespielt? Mit dem Amplituden-Werkzeug sind diese Töne leicht anzupassen. Ebenso einfach ist es, einzelne Noten zu muten, zum Beispiel wenn das Spiel des Pianisten mit der linken Hand im Zusammenhang eher stört. Akkord-Erweiterungen sind genauso so schnell hinzugefügt (durch Kopieren) wie ausgemerzt (durch Muten der Noten). DNA bietet für Audio-Aufnahmen mehr oder weniger alle Möglichkeiten, die dem MIDI-Musiker zur Verfügung stehen.
Damit bieten sich natürlich auch erweiterte Möglichkeiten zur Nutzung von Sample-Librarys, die mehrstimmiges Material enthalten. Zwar sagen die Celemony-Mitarbeiter, dass DNA „nur“ zur Bearbeitung einzelner Instrumente gedacht ist, aber bis zu einem gewissen Grad lassen sich auch Aufnahmen eines Ensembles mit Melodyne Editor bearbeiten. Während das bei kleinen Gruppen (String-Quartett) mehr Erfolg verspricht als bei großem Orchester, sollte man es auf einen Versuch ankommen lassen. Eines geht jedoch nicht: Wenn zwei Instrumente den gleichen Ton in der gleichen Oktavlage spielen, kann auch die DNA-Technologie das Gemisch nicht entwirren. Oder sollte ich besser sagen „noch nicht“? Bislang hat der Entwickler Peter Neubäcker die Physik noch nicht überlistet, aber möglicherweise schafft er das ja noch. Wir werden sehen …
Wie klingt DNA?
Schon nach dem Transfer einer Audiospur in das Melodyne-Editor-Plug-In habe ich bei manchem Material einen leichten Unterschied gegenüber dem Original hören können. Besonders deutlich war es bei den Aufnahmen einer Westerngitarre. Hier fehlte es ein wenig im oberen Frequenzbereich. Im Zusammenhang eines Arrangements fallen solche Kleinigkeiten aber nicht auf. Außerdem wird in der Praxis wohl kaum jemand Melodyne Editor benutzen, um das Ausgangsmaterial unverändert abzuspielen.
Unangenehmer kann aber ein anderer Nebeneffekt sein: Je nach Ausgangsmaterial klingen die Transienten angeschliffen und nicht mehr ganz sauber. Besonders stark fiel mir das wieder bei einer Westerngitarre auf.
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Artefakte
Artefakte bei akustischer Gitarre Um den Unterschied zwischen der unbearbeiteten Version und Melodyne Editor zu zeigen, wird in diesem Beispiel alle zwei Takte umgeschaltet. Der Click dient zur Orientierung im Taktraster. Die unbearbeitete Version beginnt.
Aber das ist keine große Überraschung, denn mit diesem Problem haben alle mir bekannten Pitchshifting- und Timestretching-Algorithmen zu kämpfen. Transientenärmere Signale wie Streicher- oder Pad-Sounds sind davon so gut wie nicht betroffen. In der Praxis handelt es sich dabei aber um eine möglicherweise gar nicht so relevante Einschränkung, denn die typischen polyphonen Teile eines Mixes werden durch die Nebeneffekte des DNA-Processings nicht beeinträchtigt. Die durchgängige Schrammelgitarre beispielsweise wird in der Popmusik meist durch Stimmen und instrumentale Melodien überlagert. Da nimmt niemand mehr angeschliffene Transienten wahr. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Melodyne Editor Probleme lösen kann, die sich mit keiner anderen Soft- oder Hardware lösen lassen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet kann man gut mit ein paar kleinen Processing-Artefakten leben. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Artefakte natürlich stärker in Erscheinung treten, wenn die Notenerkennung nicht optimal ist. Die Arbeit an der Notenerkennung zahlt sich an dieser Stelle ganz besonders aus.
Bei meinen Versuchen mit dem Zeit-Werkzeug (Timing) fielen die Transienten-Einbußen zum Teil drastischer aus als beim Pitchen, je nachdem, wie sehr der Klang des Ausgangsmaterials von den Transienten abhängig war. Schmerzlich vermisst habe ich die Möglichkeit, Timing-Veränderungen zurückzusetzen (unabhängig von Undo), damit das Audiomaterial nach einer erfolglosen Versuch/Irrtum-Arbeit wieder an seine originale Position kommt. Denn für Tonhöhen-, Formanten- oder Amplituden-Veränderungen ist diese Funktion bereits vorhanden. Aber möglicherweise kommt sie ja bald, zumindest steht sie auf der Celemony-Agenda recht weit oben.
Das von vielen unterschätzte Amplituden-Werkzeug hat mir im Test am besten gefallen. Damit lassen sich nicht nur unerwünschte Dynamiksprünge beseitigen, sondern auch drastischere Eingriffe vornehmen. So war es problemlos möglich, Akkorde auszudünnen, indem ich einzelne Töne mutete. Das hat mich sehr begeistert.
Das Tonhöhen-Werkzeug leistet gute Arbeit, wenn man ein paar Grundregeln beachtet. Nach meiner Erfahrung gelingen Tonhöhen-Veränderungen in Akkorden dann am besten, wenn man nicht die höchste oder tiefste Note verändert. Elektrische Gitarren sollten am besten als DI-Signal bearbeitet werden, also bevor sie einen Gitarrenamp passiert haben. Denn je höher der geräuschhafte Anteil im Ton, desto schwerer ist das Signal für Melodyne (Editor) zu knacken. Wer ohnehin mit Software-Emulationen von Gitarrenverstärkern arbeitet, sollte also das entsprechende Plug-In hinter Melodyne Editor in den Signalfluss bringen.
Neben Akkord-Veränderungen, etwa von Dur nach Moll, ist Melodyne Editors Qualifikation als nachträgliches Stimmgerät nicht zu unterschätzen. Dabei ist man mit dem globalen Nachstimmen einzelner Töne noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. So lässt sich zum Beispiel mit dem Werkzeug für Tonhöhen-Modulation ein Vibrato verringern, aber auch Tonhöhenübergänge zwischen zwei Noten können gezielt beeinflusst werden.
Interessante und praxistaugliche Ergebnisse habe ich auch mit dem Formant-Werkzeug erzielt. In einem der Klangbeispiele hört Ihr die Auswirkungen auf eine akustische Gitarre. Von kleinen Veränderungen, um einem Signal mehr Durchsetzungskraft im Mix zu verleihen, bis zu drastischen, aber trotzdem noch gut klingenden Änderungen ist hier vieles möglich.
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Arrangement
E-Guit im Arrangement Im ersten achttaktigen Durchgang ist die Funk-Strat unbearbeitet, im zweiten habe ich mit Melodyne Editor einige Töne nachgestimmt, alle Anschläge im Timing quantisiert und einzelne Töne mit dem Amplituden-Werkzeug etwas leiser gemacht. Im dritten Durchgang kommt eine unbearbeitete Melodie hinzu. Im vierten Durchlauf habe ich diese Melodie etwas nachgestimmt und zusätzlich eine Oktave höher dupliziert.
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Formantbearbeitung
Formantbearbeitung Wie drastisch sich der Klang eines akustischen Instruments durch Formant-Shifting in Melodyne Editor verändern lässt, zeigt dieses eher experimentelle Beispiel einer akustischer Gitarre.
Die Benutzeroberfläche
Wie anfangs erwähnt, war einer der Gründe für die relativ lange Zeit zwischen Ankündigung und Erscheinen von Melodyne Editor, dass Celemony die Software von Grund auf neu programmiert hat. Während einige Veränderungen für den Benutzer nicht direkt ersichtlich sind, wie etwa die Optimierung des Multi-Threadings, gibt es einige sehr lobenswerte Veränderungen, die jeder Benutzer direkt zu spüren bekommt.
Melodyne Plug-In war vor einigen Jahren der Vorreiter beim Thema Größe des Plug-In-Fensters. Der Nutzer konnte zwischen drei verschiedenen Darstellungsgrößen wechseln. Ein Umschalten zwischen den Größen war aber nur nach einem Neustart der Host-Software möglich. Melodyne Editor geht noch einen entscheidenden Schritt weiter: Das Plug-In-Fenster kann durch einfaches Ziehen in der unteren rechten Ecke beliebig groß oder klein dargestellt werden, ganz so, als wäre es ein Fenster des Host-Programms und kein Plug-In. Großartig!
Aber auch die Zoom-Möglichkeiten mit Tastaturkommandos, die Ausnutzung von Scrollrädern der Maus und die grafische Darstellung haben mich vollends überzeugt. Selbst im Plug-In gibt es einen eigenen Cycle-Modus, der allerdings nur dann funktionieren kann, wenn der Sequenzer steht. Melodyne Editor ist für mich damit ein Beispiel, wie zeitgemäße Audio-Software aussehen kann und bedient wird. Erstaunlich, was Celemony aus den eingeschränkten Möglichkeiten herausholt, die einem Plug-In zur Verfügung stehen.
An dieser Stelle sei auch noch der wichtigste Unterschied zwischen dem Plug-In und der Stand-Alone-Version genannt: Das Programm Melodyne Editor kann die erkannten Noten als MIDI-File exportieren, dabei werden Timing und Tonhöhe, aber auch die Lautstärken berücksichtigt. In der Praxis ist diese Funktion zum Beispiel sinnvoll, wenn ein Instrument mit einem MIDI-Instrument gedoppelt werden soll oder die Daten zu Noten umkonvertiert werden müssen.
Wichtig: Speicherpfade für Melodyne Editor einstellen
Die in das Plug-In transferierten und vom Melodyne Editor selbst erzeugten Dateien benötigen Platz auf der Festplatte. Melodyne ist so voreingestellt, dass die Audiodateien in den Benutzerordner geschrieben werden, der sich in aller Regel auf der internen Start-Festplatte befindet.
Dieser zentrale Speicherort hat jedoch zwei wesentliche Nachteile. Bei der Datensicherung oder beim Übertragen einer Session auf einen anderen Computer werden diese Daten nicht kopiert. Ohne diese Dateien arbeitet Melodyne Editor aber nicht. Außerdem bläht sich im Laufe der Zeit der Benutzerordner mit den Melodyne-Daten auf. Das kann zu starkem Verlangsamen des Startvolumens führen.
Deshalb sollte man vor der Melodyne-Benutzung die Speicherpfade richtig einstellen.
Und zwar so:
Im Menüpunkt „Einstellungen“ des Plug-Ins besteht die Möglichkeit, einen projektbezogenen Speicherpfad für die transferierten Dateien zu bestimmen. Der gilt für alle Instanzen des Plug-Ins im aktuellen Projekt. Ich empfehle, einen Unterordner im Ordner „Audio Files“ der betreffenden Session anzulegen. So bleibt immer alles beisammen.
Wo die von Melodyne Editor erzeugten Dateien landen, wenn kein Projekt-bezogener Speicherpfad eingestellt ist, lässt sich in den „Voreinstellungen“ des Plug-Ins festlegen. Diese Sicherheitsmaßnahme schützt vor einem überquellenden Benutzer-Ordner auf dem Startvolumen.
Gegenüber dem ursprünglichen Melodyne-Plug-In ist die Speicherpfad-Verwaltung damit erheblich verbessert. Zwar konnte man auch in der alten Version einen individuellen Speicherpfad festlegen, allerdings musste das für jede Instanz einzeln gemacht werden. Und eine globale Voreinstellung für einen Standard-Speicherpfad gab es auch nicht.
Im Test habe ich Melodyne Editor primär als Plug-In in Pro Tools 8 LE verwendet, aber auch Logic 9 und die Stand-Alone-Version kamen zum Einsatz. Zwar gab es auch ein paar Abstürze, summiert allerdings höchstens einen alle drei bis vier Tage und immer nur in der Plug-In-Version, die Stand-Alone-Version lief absolut stabil. Beim Zusammenspiel zwischen Plug-In und Host gibt es diverse Gründe, warum es haken kann, und das muss nicht immer am Plug-In liegen.
Keine der oben genannten Artefakte, die bei der Bearbeitung von empfindlichem Ausgangsmaterial auftreten, können die Bedeutung dieses Produkts schmälern: Melodyne Editor hat die Schallmauer durchbrochen und ist ein absoluter Meilenstein im Bereich Audio-Bearbeitung. Noch vor wenigen Jahren hätte niemand gedacht, dass es einmal eine Software geben könne, mit der man einzelne Noten in einem polyphonen Kontext getrennt bearbeiten könne.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders erfreulich, dass Celemony die Preise sehr benutzerfreundlich gestaltet hat. 349 Euro für Neukunden sind wahrlich preiswert, von der extrem kulanten Preisgestaltung für Updates einmal abgesehen. Wer sich noch erinnern kann, welche astronomischen Summen zum Beispiel für die ersten Harddisk-Recording-Systeme aufgerufen wurden oder wie Dolby und Aphex früher ihre Technologien vermarkteten, weiß zu schätzen, was Celemony im Bereich „Demokratisierung der Produktionsmittel“ leistet.
Abgesehen vom Preis/Leistungs-Verhältnis ist natürlich besonders spannend, was die Anwender mit der neuen Technologie anstellen. Führt die DNA-Technologie zu neuen Musik-Stilen? Verändert sich der Produktionsprozess, weil der Komponist/Produzent weitreichender in die Performances der Mitmusiker eingreifen kann? Das alles wird die Zeit zeigen. Klar ist bisher nur eines: Peter Neubäcker – Gründer von Celemony Software und geistiger Vater der DNA-Technologie – gebührt ein Platz in der Hall of Fame der Audio-Pioniere. Meine Begründung: Die Entwicklung der DNA-Technologie ist für mich zumindest gleichbedeutend mit der Les Paul zugesprochenen Erfindung der Mehrspurtechnik bei Bandmaschinen. Nicht weniger als das.
Neue Nomenklatur
Die Melodyne-Produktpalette ist mit Erscheinen des Melodyne Editors umbenannt worden. Der Melodyne Editor ersetzt das bisherige Melodyne Plug-In. Melodyne Uno wird zukünftig Melodyne Assistant genannt, Melodyne Cre8 wird in der nächsten Melodyne-Studio-Version aufgehen. Lediglich Melodyne Essential RTAS, das jedem Pro-Tools-System beiliegt, behält seinen Namen. Aber wie gesagt: Aktuell bearbeitet lediglich Melodyne Editor polyphones Material mit Direct Note Access (Stand Februar 2010).
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
Einzigartiger Zugriff auf einzelne Noten innerhalb einer polyphonen Audioaufnahme
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