Antares Harmony Engine EVO Test

Antares gehört zu den Global Playern, wenn es um die Bearbeitung von Vocals geht. Bekannt geworden durch das berühmt-berüchtigte AutoTune, das so ziemlich jeden schiefen Gesang ins rechte Licht rückt, hat der Hersteller diverse Plug-ins im Sortiment, mit denen sich Vocals und Instrumente künstlich doppeln, Pitch-shiften und in der Dynamic bearbeiten lassen.

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Harmony Engine EVO ist ein Harmonizer-Plug-in, das aus einer Stimme Backing Vocals und ganze Chorsätze erzeugen kann, und zwar harmonisch zum Grundton des Songs. Mit dem Namenszusatz „EVO“ bietet der Hersteller die nächste Generation seiner Vocal-Processing-Technologie, welche mit einer verbesserten Tonhöhenerkennung und einem geschmeidigeren, artefaktfreien Pitch-Shifting ausgestattet sein soll. Ob das bei Harmony Engine authentisch klingt und inwiefern sich damit auch Instrumente bearbeiten lassen, haben wir in unserem Praxistest herausgefunden.

Details

Kompatibilität und Verfügbarkeit

Das Plug-in gibt es für Windows ab Version 7 in den Formaten VST3 und AAXnative sowie für macOS 10.6 oder neuer zusätzlich als AU-Plug-in. Der Hersteller bietet eine Testversion, mit der ihr Harmony Engine EVO zehn Tage in vollem Umfang testen könnt. Zur Aktivierung der Lizenz wird ein iLok-Account inklusive USB-Key benötigt.

Aus eins mach fünf!

Harmony Engine bietet vier unabhängige Stimmen inklusive Formantkorrektur, die aus der eigentlichen Hauptstimme generiert werden. Jede Stimme sitzt in einem Kanalzug mit Lautstärke und Panorama sowie einstellbaren Intervallen (-16 bis +16) und umfangreichen Vibrato-Parametern. Damit die Stimmen auch die richtigen Töne erzeugen, besitzt die Engine eine Harmony-Control-Sektion, in der Grundton und Skalen auswählbar sind – so treffen die Chöre immer den richtigen Ton. Die Voices können statt der Skalen auch per MIDI angesteuert werden. Dafür gibt es ein zusätzliches, MIDI-gesteuertes Effekt-Plug-in, das einen Sidechain-Eingang besitzt, in dem das Ausgangsmaterial eingespeist werden kann. Das Schöne ist, dass man somit die Wahl hat MIDI-Noten zu programmieren oder auch live einzuspielen, um den Voices die Noten vorzugeben. Für schnelle Harmoniewechsel on-the-fly hält das Plug-in überdies eine sogenannte „Harmony-Preset-Matrix“, für den Fall, dass innerhalb eines Projektes unterschiedliche Harmonie-Einstellungen abgerufen werden sollen.

In der Harmony-Control-Sektion können die Voices vorgegebenen Skalen und Akkorden zugewiesen werden.
In der Harmony-Control-Sektion können die Voices vorgegebenen Skalen und Akkorden zugewiesen werden.

Ganz schön human

Beim Doppeln (mehrfaches Einspielen) der Aufnahmen entstehen naturgemäß Abweichungen in Tonhöhe und Timing. Da Harmony Engine die Dopplungen künstlich aus dem Ausgangsmaterial generiert, sitzen sie auch exakt gleich in Tune und besitzen exakt dasselbe Timing wie das ursprüngliche Signal. Das Plug-in erlaubt es Abweichungen zu simulieren und hat dazu passende Parameter am Start, mit denen sich global – also für alle erzeugten Stimmen gleichzeitig – zufällige Unregelmäßigkeiten hinzufügen lassen. Dadurch sind Pitch und Timing der Voices dann nicht mehr ganz „on Point“ – das Resultat sind natürlicher klingende Vocals! Um den Charakter der Voices zu verändern, verfügen diese über einen Throat-Length-Parameter, der eine Veränderung des Rachenraumes simuliert. So soll der Effekt erzeugt werden, dass die Harmonies von unterschiedlichen Sängern performt wurden.

Integriertes Choir-Modul

Ebenfalls mit an Bord ist das Choir-Modul des gleichnamigen Plug-ins; nur eben fünffach –einmal pro erzeugter Stimme. Dieses reichert das Signal wahlweise mit zwei, vier oder acht Unisono-Voices an. Dadurch wird der Effekt erzeugt, dass die Stimmen gedoppelt wurden. Um auch hier für natürlicher klingende Ergebnisse zu sorgen, können die künstlich generierten Dopplungen, im Plug-in „Choirs“ genannt, global in Vibrato, Pitch, Timing und Stereo Spread angepasst werden. Letzterer Parameter sorgt für eine Feinjustierung der Stereobasis. Sechs verschiedene Voreinstellungen lassen sich in der „Voice-Parameter-Matrix“ abspeichern, um sie bei Bedarf schnell abzurufen. Das ist ebenso praktisch wie die Harmony-Presets, da sich mehrere Settings abspeichern lassen und sehr leicht viele A/B-Vergleiche machen lassen. So kann man viel mit den Settings experimentieren und seine besten Settings miteinander vergleichen, ohne das Preset-Menü der DAW nutzen zu müssen!

Für künstliche Dopplungen der erzeugten Stimmen sorgt das Choir-Modul.
Für künstliche Dopplungen der erzeugten Stimmen sorgt das Choir-Modul.

Presets

Die Harmony Engine kommt mit einer Preset-Library, die bereits voreingestellte Parameter und Chords beinhalten. Nur noch Grundton und Skalen müssen eingestellt werden, um schnell den Sound typischer Harmonies zu erreichen, die bereits im Panorama verteilt und in der Lautstärke angepasst sind. Individueller ist es allerdings, wenn man selbst Hand anlegt und sich seine eigenen – zum Song passenden – Harmonies gestaltet. Auf geht’s in die Praxis!

Das Plug-in kommt mit diversen Voreinstellungen für Akkorde und Skalen.
Das Plug-in kommt mit diversen Voreinstellungen für Akkorde und Skalen.

Praxis

Vorbereitung ist die halbe Miete

Harmony Engine EVO wird als Plug-in in den Insert des DAW-Kanals geladen. Wichtig ist, dass ausschließlich cleane Signale (ohne Effekte wie Hall, Choirs etc.) genutzt werden sollten, um zu guten Ergebnissen zu kommen. Zudem muss das Ausgangsmaterial vorher am besten in Melodyne bzw. AutoTune oder vergleichbaren Pitch Correction Tools sauber „in Tune“ sein. Wenn zu hohe Tonhöhenschwankungen und Abweichungen von eingestelltem Grundton und der Skala bestehen, kommt die Engine nicht mehr klar und ordnet die Töne falsch zu, wodurch deutliche Artefakte auftreten – und die klingen wirklich schrecklich. Daher sollte man am besten in den ersten Insert-Slot ein Pitch Correction Plug-in und in den zweiten Harmony Engine EVO laden. 
Beim Ausgangsmaterial darf es sich grundsätzlich nur um monophone Signale handeln, etwa Vocals sowie Instrumente, die keine Akkorde spielen. Handelt es sich beim zu bearbeitenden Material um eine Vocal, sollte man, bevor es losgeht, noch die Stimmlage des Sängers einstellen. Verfügbar sind Soprano, Alto/Tenor und Bass/Baritone. Falls es sich um ein Instrument handelt, hält das Plug-in auch dafür eine Option bereit. Um die Stimme des Sängers noch genauer zu definieren – damit möglichst gute Ergebnisse erzielen werden können –, bietet Harmony Engine Optionen für „Model Glottal“. Bei der Lautbildung der menschlichen Stimme dient die sogenannte Glottis als Artikulationsorgan. Je nachdem mit wie viel Ausdruck und Energie der Sänger eine Performance abliefert, kann die Vocal als Soft, Medium, Loud und Intensive eingestuft werden. Ist man sich nicht sicher oder ändert sich die Vocal im Song von weich gesungen bis zu intensiven Gesangseinlagen, belässt man den Parameter am besten auf Medium, was im Test oftmals zu den besten Ergebnissen führte.

Fotostrecke: 2 Bilder Damit die Engine die Tonhöhe besser erkennen kann, wird die Stimmlage festgelegt.

Harmonies auf Knopfdruck!

Um der Hauptstimme eine Harmonie hinzuzufügen, wird lediglich ein Intervall ausgewählt. Sofern man sich zuvor Grundton und Skala entsprechend zum Song ausgewählt hat, erzeugt die Engine gleich passende Harmonien – allerdings auch nur dann, wenn das Material vorher wirklich in der Tonhöhe korrigiert wurde. Andernfalls treten starke Artefakte auf, was ich aber auch nicht anders erwartet hatte. Jeder Kanal lässt sich hinzumischen, stumm und solo schalten wie auch im Panorama verteilen, auch die Main-Vocal. 

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Gemeinsam hören sich Haupt- und zweite Stimme (Intervall + 8) schon mal gut an; zur Kontrolle höre ich sie mir solo an. Da fallen dann stellenweise Artefakte auf, die besonders bei den Konsonanten entstehen. Auch mit Feinjustierung von Vocal Range, Model Glottal und Tracking konnten die Artefakte nicht ganz beseitigt werden. Letztere Option kann zwischen Relaxed und Choosy das anliegende Signal unterschiedlich bewerten: Handelt es sich um ein in der Tonhöhe korrigiertes Signal, tendiert man am besten in Richtung Choosy. Ist das Ausgangsmaterial eher unruhig oder nicht getuned, sollte das Tracking besser „Relaxed“ justiert werden. In den folgenden Klangbeispielen hört ihr die Leadvocal und daraufhin die mit Harmony Engine erzeugten Voices.

Audio Samples
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01. Vocal: Original 02. Vocal: + 3 03. Vocal: +8 04. Vocals: +3 +8 05. Vocals: All + Variation in Timing, Pitch und Naturalize 06. Song 07. Song +3 +8 08. Song +3 +8 (inkl. Choir) 09. Song +3 +8 +5 – 4 10. Song +3 +8 +5 – 4 (inkl. Choir)

In der Humanize-Sektion habe ich die Parameter auf etwa 25 geregelt, da mir die Abweichungen zu stark geworden sind, was sich bei der Timing Variation bis hin zu einem kurzen Delay äußern kann. Mit dem Choir habe ich die Dopplungen ebenfalls nicht zu stark abweichen lassen und Werte zwischen 25 und 50 gewählt. Die Ergebnisse klingen bis auf hin und wieder kurz auftauchende Artefakte wirklich authentisch, was besonders im Kontext mit dem restlichen Arrangement des Songs natürlich wirkt.  
Die Engine funktioniert auch sehr gut mit monophonen Instrumenten, etwa dem Cello, das ihr in den nächsten Klangbeispielen hören könnt. Auch hier habe ich erst die Stimmen und daraufhin die Choirs hinzugeschaltet und feinjustiert: Das Ergebnis klingt wirklich brauchbar, da Harmony Engine gut auf das anliegende Signal reagiert! Die Choirs liefern authentische Dopplungen, die je nach feinjustierten Stimmen ein in sich stimmiges Klangbild ergeben.

Audio Samples
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11. Cello 12. Cello +8 13. Cello +5 14. Cello (All) 15. Cello (All + Choir) 16. Song 17. Song +8 +5 18. Song +8 +5 (Choir)

Was fehlt?

Leider muss das Plug-in ohne Multi-Output auskommen, weshalb die sich nicht auf einzelne Kanäle der routen lassen. Sehr schade, denn dadurch muss man sich mit dem Klangbild abfinden, das aus Engine herauskommt. Man möchte instinktiv zu EQ und Co. greifen. Da tiefere und höhere Stimmen durch ihre unterschiedlichen Tonlagen auch andere Frequenzbereiche besetzen wäre es sinnvoll sie unabhängig von der Hauptstimme zu bearbeiten. Das ist so nicht möglich. Daher ist man darauf angewiesen das Ausgangsmaterial auf weitere Spuren der kopieren und in jede eine Engine-Instanz laden, was wiederum jedes Mal mit Konfiguration und kostbarer Rechenleistung verbunden ist.
Davon abgesehen fehlt dem Plug-in ein eigenes Pitch-Correction-Modul, denn ohne vorige Tonhöhenkorrektur erhält man keine anständigen Ergebnisse – worauf sogar im Manual hingewiesen wird. Hier hat man bewusst auf entsprechendes Feature verzichtet, um den AutoTune-Absatz anzukurbeln. Dadurch, dass die meisten gängigen DAWs heutzutage mit diversen Plug-ins oder Editoren ausgestattet sind und selbst der Freeware-Markt einiges zum Pitch Editing hergibt, ist es zu verkraften.

Fazit

Antares Harmony Engine liefert authentische Harmonien zu Grundton und Skalen eines Songs. Das Plug-in macht sowohl auf Vocal-Tracks als auch auf monophon gespielten Instrumenten eine gute Figur. Ein integriertes Pitch-Correction-Modul würde das Plug-in bereichern, um unabhängig von weiteren Plug-ins bzw. Editoren zu arbeiten. Jede der vier Voices kann mit Abweichungen in Tonhöhe und Timing angereichert werden, was zu natürlichen Ergebnissen führt. Durch das integrierte Choirs-Modul entstehen kurzerhand realistische Dopplungen der Mainvocal und Voices. Kurzum: Harmony Engine EVO ist ein Vocal-Plug-in, das einwandfreie Vocal- und Instrument-Harmonien auf Knopfdruck liefert und daher in keiner Plug-in-Sammlung fehlen sollte, wenn es um die künstliche Erzeugung von Harmonies und Dopplungen geht!
Pro
  • intuitives Bedienkonzept
  • schnelle, authentische Ergebnisse
  • Harmonien via Skalen oder MIDI-Input
  • regelbare Zufallsabweichungen
  • natürlich klingende Dopplungen bis 16 Voices
Contra
  • kein Multi-Out für die Harmonies
  • ohne eigenes Pitch-Correction-Modul
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Features
  • Harmonizer-Plug-in
  • vier erzeugbare Voices aus einer Stimme oder einem Instrument
  • Parameter pro Voice: Charakter, Intervall, Vibrato, Lautstärke und Panorama
  • Throat-Modeling-Technologie für jede Voice
  • Choir-Modul erzeugt zu jeder Stimme zwei, vier oder acht Dopplungen
  • Harmonisierung über feste oder skalierte Intervalle zu Grundton und Skala
  • Humanize-Funktionen für realistischere Abweichungen
  • Akkordfolgen statt Skalen auch per MIDI-In triggerbar für schnelle Harmoniewechsel in Echtzeit
  • sechs Voreinstellungen der Voice-Parameter speicherbar
  • Systemvoraussetzungen: Windows 7 oder neuer, macOS 10.6 oder neuer, AU/VST3/AAXnative-kompatible DAW, iLok-Account inklusive USB-Key
Preis
  • 189,- EUR
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • intuitives Bedienkonzept
  • schnelle, authentische Ergebnisse
  • Harmonien via Skalen oder MIDI-Input
  • regelbare Zufallsabweichungen
  • natürlich klingende Dopplungen bis 16 Voices
Contra
  • kein Multi-Out für die Harmonies
  • ohne eigenes Pitch-Correction-Modul
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Antares Harmony Engine EVO Test
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