Hersteller von E-Drumkits können einem fast schon ein wenig leidtun. Sie strengen sich an, den kleinen, aber stetig wachsenden Markt mit Produkten zu beliefern, die zwei Eigenschaften beinhalten sollen, die sich eigentlich grundsätzlich ausschließen: hoher Nutzen und ein bezahlbarer Preis. Darüber hinaus sollen E-Drumkits natürlich all das bieten, was akustische Sets nicht liefern können: flexible Sounds jeglicher Couleur, Sequencer- und Sampling-Funktionen und flüsterleise Anschlagsgeräusche, damit man abends in der Mietwohnung neben dem schlafenden Säugling das prollige Doublebass-Solo für den Gig nächsten Freitag üben kann.
Und als wäre das nicht schon genug, wird vom User als Maßstab für Sound und Spielgefühl in der Regel das akustische Drumkit herangezogen. Wie gesagt: Die Hersteller können einem leidtun.
Auch Alesis stellen sich dieser Sisyphus-Aufgabe mit vielen unterschiedlichen Kits. Neustes Produkt auf dem Markt ist das DM10, ein System, welches sich vieler der eben erwähnten Punkte annimmt und trotz üppiger Ausstattung unter der 1000-Euro-Schallgrenze bleibt. Aber ihr könnt euch wie immer darauf verlassen: Dem bonedo-Radar entgeht nichts!
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Details
Drumpads, Beckenpads und das Herzstück des E-Drumkits, das Modul, werden an einem Rack aus profilierten Aluminiumrohren befestigt. Füße, Verbindungsmuffen und Klemmen sind aus Kunststoff. Die vier Zweizonen-Tompads messen acht Zoll im Durchmesser, das ebenfalls mit zwei Zonen ausgestattete Pad für die Snare ist zwei Zoll größer. Beide 12” Crash-Pads bieten keine Choke-Funktionalität (allerdings gibt es in der Alesis Produktpalette entsprechend ausgestattete Pads. Das Ride-Pad misst 14” und stellt ganze drei Zonen zur Verfügung – beides ist sinnvoll bei diesem Instrument. Das Bassdrum-Pad lässt sich mit einem Pedal der Wahl bedienen, aufgrund seiner Größe kann über ein Doppelpedal auch der Hi-Hat-Fuß mithelfen, die Spielfläche mit Tritten zu bombardieren. Wer mag, kann per Y-Kabel auch einfach ein zweites Bassdrum-Pad anschließen. Auf echtes Hi-Hat-Feeling muss allerdings leider verzichtet werden: Hier dienen Beckenpad und Fußpedal-Einheit dazu, die fehlende Maschine zu ersetzen. Alle Pad-Spielflächen haben eine rabenschwarze Mylar-Spielfläche. Der Rimtrigger wird über die “echten” geflanschten Stahlspannreifen gespielt, die bei Bedarf zur Schonung von Stöcken und Handgelenken einen Gummiüberzug erhalten können.
DM10 ist praktischerweise auch die Bezeichnung für das verwendete Drum-Modul. Maximal 64 Stimmen vermag die Kiste simultan auszugeben. “So viele Arme habe ich doch eh nicht”, mögt ihr jetzt vielleicht denken, doch durch Layering, Velocity-Crossfades und nicht zuletzt die Sequencer-Wiedergabe kann man dieser weit entfernt gewähnten Marke recht schnell nahekommen. Im 128 MB großen ROM tummeln sich insgesamt über 1000 Sounds in linearem 16Bit-Format, die – teilweise effektiert – zu Kits zusammengesetzt sind. Der Speicher ist mit 100 Kits ausreichend groß, es darf alles überschrieben werden.
Auf der Rückseite ist richtig was los. Neben den 13 Trigger-Inputs, an die die mitgelieferte Peitsche angeschlossen wird, findet man folgende Buchsen, die mit ihrer Beschriftung kundtun, mit welchen Steckern sie gerne gefüttert werden möchten: zwei Cinch-Audioeingänge (z.B. für Playbacks), insgesamt vier symmetrische Audioausgänge, von denen ein als Aux bezeichnetes Pärchen freies Routing ermöglicht, einen Stereo-Kopfhörerausgang, eine USB-Buchse für MIDI-over-USB und zum Datenaustausch sowie eine MIDI-In- und eine -Out-Buchse. Mit der Stromgewinnung aus der kinetischen Energie von Schlägen auf Drum- und Beckenpads wird es wohl noch einige Jahre dauern, daher ist das Drummodul DM10 zunächst noch mit einem Anschluss für das externe Netzteil ausgerüstet.
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Praxis
Zum Fototermin des E-Drumkits im SAE Institute Köln wird schnell klar, dass das DM10 (wie so viele andere E-Drumkits auch), nicht unbedingt für den mobilen Gebrauch konzipiert wurde. Der Aufbau dauert generell recht lange, der allererste “Initial-”Aufbau sogar eine Ewigkeit. In aller Ausführlichkeit liefert euch der Test des USB Pro mit seinem identischen Rack genaue Informationen zu diesem Thema. Das umfangreiche Gestänge richtig zusammenzusetzen, die Enden der Kabelpeitsche den jeweiligen Buchsen zuzuführen, vor allem aber das Ausstatten der Rims mit den Stockschaft und Handgelenke schonenden Gummis könnte so manchen Heiligabend vermiesen. Bis das Kit vom Beschenkten und dem schenkenden Papa aufgebaut ist, ist die Weihnachtsgesellschaft entnervt und die Oma längst im Bett. Ob die Pads dann für mitternächtliches Getrommel leise genug sind?
Tatsächlich hält sich das Spielgeräusch in Grenzen. Die Pads selbst sind freundlicherweise wirklich geräuscharm und wer sich die Arbeit gemacht hat, die Rims mit den Gummiüberzügen zu versehen, wird so auch Großmütterchens Schlaf schonen können. Die Cymbal-Pads sind da schon etwas lauter. Gerade das Spiel auf der Schulter “mit ordentlich Schmackes” (also besonders bei der Ride) erweist sich als nicht besonders Ruhezeiten-kompatibel. Die schwarzen Gel-Pads sind nicht gerade für den kräftigsten Rebound bekannt. Zwar kann man darauf schön satte Schläge setzen, doch für präzise, gepresste Beats erscheinen sie deutlich zu träge. Vermisst wird also definitiv ein Gewebefell auf der Snare – alternativ ein Pad mit vergleichbaren Eigenschaften. Meine Tomfelle hingegen haben oft auch nur den Rebound eines Kopfkissens. Das finde ich bei diesen Instrumenten nicht so unfassbar wichtig, ist aber definitiv von der persönlichen Spielweise und Musikrichtung abhängig. Jeder Schlagzeug-Pädagoge wird mir aber zustimmen, wenn ich sage, dass das Spielverhalten der Pads besonders für Einsteiger keinen adäquaten Ersatz für ein akustisches Drumkit darstellt. Als Vergleich wird oft der Unterschied zwischen einem E-Piano und echter Klavier- oder sogar Flügelmechanik herangezogen. Insofern relativiert sich der Heiligabend-Vergleich wieder, denn ein E-Kit ist für den Anfänger definitiv immer noch keine gute Alternative zum “normalen” Drumkit.
Die Becken-Pads spielen sich jedoch relativ ordentlich, zumal man hier mit der Spannung der Flügelschraube guten Einfluss auf die Beweglichkeit hat. Trotzdem werden wir in naher Zukunft von keinem Hersteller “gefühlsechte” E-Crashes zu erwarten haben. Von Hi-Hats einmal ganz zu schweigen: Ich würde die teurere Lösung mit einer “richtigen” Hi-Hat-Maschine und zwei E-Pads immer der Pad-Footcontroller-Geschichte vorziehen. Erfreuliche Nachrichten gibt es aber für den (bei den meisten Trommlern) rechten Fuß: Das Gel des Bassdrumpads hat erstaunliche Ähnlichkeit mit einem etwas schlaff gespannten Bassdrum-Fell. Da man sämtliche verfügbare Maschinen des Market benutzen kann, steht präzisen Bassdrum-Schlägen nichts im Wege.
Klanglich ist das Modul des Paktes eine Überraschung. Die akustischen Sounds wirken ausgewogen und passen sich in viele Umgebungen ein. Wichtig finde ich, dass sie nicht nur darauf getrimmt sind, solo schön und wuchtig zu klingen, sondern sich auch ordentlich in Produktionen einfügen können. Oft ist es für Standard-Anwendungen nur noch von Nöten, die Art und den Grad der Kompression zu steuern sowie leichte Klangregelungen mittels EQ vorzunehmen. Zu sehr “mix-ready” ist der Sound allerdings nicht und das ist auch gut so. Denn der Versuch, vollständig komprimierte und mit EQ bearbeitete Signale zu liefern, kann erfahrungsgemäß nur scheitern. Auch im Bereich elektronischer und Effekt-Sounds kann die Kiste punkten. Anstatt effekthascherischer Kirmes-Sounds gibt es eine Reihe Klassiker – etwa die guten (oder schlechten?) alten Simmons-Sounds. Ihr wisst schon: achteckige, brettharte Spielflächen, Achtziger-Bands mit geschmacklosem Neon-Outfit und schier unfassbaren Frisuren.
Im Grunde kommt mit dem DM10 jeder User auf seine Kosten, denn man findet neben naturgetreuen Drumsounds, verschiedene Percussion (wichtig, wenn das DM10 nur als Ergänzung zum akustischen Set genutzt werden soll) und Drummachines. Im Modul lassen sich Instrumente hervorragend zusammenstellen und zu Set kombinieren. Die Einstellmöglichkeiten sind durch die Bank sorgsam ausgewählt und mit ordentlicher Qualität umgesetzt.
Die Bedienbarkeit des DM10-Moduls ist dank der Lautstärkefader für die einzelnen Instrumente (bzw. deren Gruppen), der ausreichenden Anzahl Schaltflächen, deren sinnvoller Anordnung und nicht zuletzt aufgrund der gut gelösten Rückmeldung des Systems an den User wirklich einfach zu bedienen. Natürlich mag sich der ein oder andere Nutzer an mancher Stelle noch mehr Editiertiefe, schnellere Erreichbarkeit mancher Parameter oder deren permanente Anzeige auf dem Screen wünschen. Ich bin mir aber sicher, dass Alesis hier den sinnvollen Mittelweg gefunden hat. Für Parametereinstellungen von Instrumenten gibt es die Reiter “INST”, wo aus einer Kategorie das Sampelset ausgesucht werden kann, “LVL” für Pan, Pegel und dessen Hüllkurven, “FX” natürlich für Effekte und “MORE” für den eher seltener benötigten Klumpatsch, darunter Pitch, Dynamik, Ausgänge und Zugehörigkeit zu Mute-Groups.
Eine wichtige Nachricht ist sicher, dass selbst unbedarfte Nutzer nicht an diesem vielleicht ersten Drummodul in ihrem Leben verzweifeln müssen: Vieles ist selbsterklärend, das Handbuch macht seinen Job vernünftig. Ist höhere Individualität an Sounds gefragt, lassen sich eigene Samples unterbringen oder die Triggerdaten von den Pads per MIDI oder MIDI-over-USB direkt weiter zu PC oder Mac schubsen. Dort können dann Akustikdrums-Spezialisten wie BFD oder Superior Drummer oder Sampler und Drummachines verwendet werden – bei natürlich oftmals nicht mehr ganz so gutem Echtzeit-Timing. Soll Sequencing betrieben werden, kann eine kleine Hardwarekiste nie und nimmer den Komfort von Software-Systemen bieten. Allerdings sind die Möglichkeiten im DM10 sinnvoll, das Sequencing ist schnell erlernt – das ist oft auch ein didaktisch sinnvoller Einstieg in die “Welt” des Sequencings! So lernt man mit Matrix-Editioren umzugehen, bekommt aber gleichzeitig den Bezug zu den wichtigen Listeneditoren. Gegen die in gängiger Software übliche 3840 PPQN Sequencer-Auflösung, kann der integrierte Sequencer nicht anstinken, er arbeitet mit (oft immer noch ausreichenden) 96 PPQN. Das ist immerhin die Genauigkeit einer 384stel Note.
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Das Alesis DM10 Studio Kit ist ein Paket mit üppiger Ausstattung, dessen Anwendungsgebiet durchaus auch außerhalb des Hobbyraums zu suchen ist. Ein sehr mobiles System ist ein derartiges Kit mit seinen vielen Kabeln und dem umständlichen Rack natürlich nicht, doch kann es – hat man erst einmal die Tortur des Aufbauens hinter sich gebracht – im (Projekt-)Studio wirklich gute Dienste leisten. Auf ein reines Triggersystem zum Ansteuern von Software-Sounds muss man das DM10 nicht reduzieren, denn die Sounds des Moduls sind wirklich ordentlich. Klar: Software ist der Hardware in manchen Punkten (zum Beispiel dem Layering) überlegen. Dass man für 1000 Euro nicht alles verlangen kann, liegt auf der Hand. Aber die vielleicht wichtigste Aussage ist folgende: Alesis haben mit dem DM10 einen wirklich vernünftigen Kompromiss gefunden.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
gute Sounds
Preis-Leistungsverhältnis
vernünftige Parameterauswahl und Bedienbarkeit des Moduls
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