Ableton Live 7 Test

Es ist gemeinhin üblich, in der Einleitung eines Testberichts in einem kurzen Satz den jeweils zu begutachtenden “Gegenstand“ darzustellen”, also einfach mal eben kurz zu erklären, was das, was man da testen wird, eigentlich ist. Was sich grundsätzlich einfach anhört, kann bei Ableton Live schon dafür sorgen, dass der Blick des Testers angestrengter wird und er einige Minuten stumm auf seinen Bildschirm starrt. Nun, hier ein Versuch: Bei Ableton Live handelt es sich um eine Software, mit der das Erstellen, Aufzeichnen, Editieren und Mischen von Audio- oder Steuer-Signalen möglich ist. Als Besonderheiten sind die Verknüpfung zwischen zeitlich linearer Arbeit und spontaner Interaktion sowie die Möglichkeit zur granularen Bearbeitung zu nennen. Puh. Alles klar? Dann kann’s ja losgehen.

Ich kann beruhigen: So kompliziert, wie das gerade vielleicht eben klang, ist Live nicht. Bei Weitem nicht, eher im Gegenteil. Unter den Audioprogrammen gehört Live, trotz mittlerweile immensem Funktionsumfang, zu den einfachen, logischen und oft selbsterklärenden Programmen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass das Konzept jünger als zehn Jahre ist, hat für eine gegenüber den teilweise schon ein Vierteljahrhundert (!) alten Sequencern/DAWs sehr gute Bedienerfreundlichkeit gesorgt. Allerdings ist vielleicht der Start in dieses Programm erklärungsbedürftig, und dies nicht nur für Ein-, sondern auch für Umsteiger. Doch wie sehen diese wie auch immer gearteten User aus, die in die Arbeit mit diesem Programm ein- oder von der Arbeit mit einem anderen Programm zu diesem umsteigen? Nun, sicher ist, dass die Produktbezeichnung nicht wie der ein oder andere Bandname mit blindem Seitenaufschlagen und „Mit-dem-Finger-draufzeigen“ im Englischlexikon gefunden wurde. Einer der Erfinder des Programms vermisste zur Umsetzung seiner musikalischen Ideen ein Programm, welches für den Bühneneinsatz geeignet war. Dazu gehörte neben hoher Betriebssicherheit auch die Möglichkeit, spontan arbeiten zu können, indem man geplante Abläufe verändert, Material aus seiner Library temposynchron einsetzt, Tonhöhen und Timing in Echtzeit verändert (also “Elastic Audio” einsetzt), direkt aufzeichnen und loopen kann und vieles mehr. Kein schlechter Start für eine Software, oder?

Der Hauptkunde war und ist der Live-Elektroniker. Im Laufe der Entwicklung wurde das, zunächst von Einigen belächelte Programm für viele andere Anwender interessant. Heute gibt es viele Musiker, die von der ersten Skizze bis zum fertigen Song oder Live-Set  mit Ableton Live arbeiten. Genauso ist es mittlerweile sogar möglich, Videos zu synchronisieren. Zudem wird Live auch für “akustische” Musiker immer interessanter. Ableton schreibt seit Anfang des Jahrtausends eine fortwährende Erfolgsgeschichte und reiht sich so in die anderen beiden deutschen Sequencer ein, die die Welt erobert haben. Aber selbst hier gibt es eine Ausnahme: Die beiden Software-Dinosaurier sind in Hamburg entwickelt worden, Ableton hingegen ist in unserer Schrippen- und Bulettenhauptstadt zuhause. Jenau, Baliin, dit mein’ ick, wa? Interessant ist übrigens, wie die verdutzten Softwaregiganten versucht haben, die Vorteile des kecken Progrämmchens Live in ihre Riesenapplikationen einzugliedern. Einiges war sogar schon vorher möglich, doch sind die Benutzer nur selten in den Tiefen des Sequencers an ihnen vorbei gelaufen. Und ob sie es dann verstanden haben und es wirklich reibungslos funktioniert hat, ist eine ganz andere Frage.
Nachteile gibt es dennoch: Vieles, was die Programme mit monumentalem Funktionsumfang bieten, wird man in Live nicht finden. Notenansicht, logische Editoren, Multiscreen, OMF und dergleichen? Fehlanzeige.

DIE NONLINEARITÄT DER ZEIT- DAS KONZEPT
Kaum jemand weiß, dass Ableton in ihr Programm eine Möglichkeit eingewebt haben, mit der man Zeitsprünge vornehmen kann und dadurch Elvis Presley noch einmal live sehen kann. Die Enttäuschung folgt auf dem Fuße: Das war gelogen. Dennoch ist Live in “zeitlicher” Hinsicht interessant: Das System arbeitet mit zwei unterschiedlichen Hauptfenstern, die eine geschickte Verbindung aufweisen.
Die Arrange-Ansicht arbeitet wie die allseits bekannten linearen Sequencer nach dem so genannten Bandmaschinenprinzip. Deutlich wird dies durch die horizontal dargestellte Zeitleiste. Hier kann in üblicher Fasson aufgenommen und editiert werden. Die vertikal angeordneten Tracks haben ihre Kopfzeile zwar auf der rechten Seite, aber außer dieser (typisch hauptstädtischen?) exzentrischen Ausnahme findet man doch alles so vor, wie man es erwartet.

Die Session-Ansicht. Gut zu erkennen sind die vertikalen Tracks. In Track 4 ist ein leerer Slot markiert, der einen Clip enthalten kann.
Die Session-Ansicht. Gut zu erkennen sind die vertikalen Tracks. In Track 4 ist ein leerer Slot markiert, der einen Clip enthalten kann.

Spannender ist die Session-Ansicht, die – so hört man – schon dafür gesorgt haben soll, dass selbst erfahrene Musiksoftware-Nutzer nach dem Öffnen des Programms einige Zeit stumm und fragend auf den Monitor geschaut und es mittels Apfel-Q oder Alt-F4 achselzuckend wieder beendet haben. Halb so wild! Die Reihenfolge der Tracks ist – wie in Mixeransichten anderer Programme üblich – die gleiche wie in der Arrange-Ansicht, jedoch eben in Anordnung von links nach rechts statt von oben nach unten. Eine konstante und lineare Zeitleiste kann es hier nicht geben, da in der Session-Ansicht spontan entschieden werden kann, was als nächstes geschieht. Stattdessen gibt es vertikal angeordnete Slots in jedem Track, die Audio- oder MIDI-Clips aufnehmen können. MIDI-Daten können zu Plug-Ins oder externen Geräten geleitet werden. In jedem Track lassen sich MIDI- oder Audio-Effekte nutzen, ein übliches Routing mit Send/Return und Subgruppen ist ebenfalls möglich. Ein Track kann immer nur einen Clip spielen, es ist jedoch möglich, in einer horizontalen Einheit (“Scene”) alle Clips zu starten. Fällt dem Nutzer ein, dass sich ein Clip aus einer anderen Szene gut eignen würde, so kann dieser angeklickt werden und läuft mit. Selbst das Vorhören über Kopfhörer von bislang nicht verwendeten Files ist möglich – und das sogar im aktuellen Songtempo!

In der Arrangement-Ansicht sind die Tracks wie gewohnt horizontal (auf der y-Achse) angeordnet. Wie man es von linearen Systemen her kennt, gibt es eine durchgängige Zeitleiste (x-Achse).
In der Arrangement-Ansicht sind die Tracks wie gewohnt horizontal (auf der y-Achse) angeordnet. Wie man es von linearen Systemen her kennt, gibt es eine durchgängige Zeitleiste (x-Achse).

Der eigentliche Clou kommt aber noch: Sessions können samt aller weiterer Aktionen (Parameterveränderungen von Plug-Ins, etc.) in das Arrangement aufgenommen werden. Dadurch kann das Live-Feeling für das Arrangieren eines Songs genutzt werden. Dank der außerordentlichen Engine gibt es so gut wie keine Aktionen, für die die Wiedergabe angehalten werden müsste! Auch umgekehrt ist es möglich, Arrangements abzuspielen und in der Session-Ansicht zu bearbeiten. Eine kleine Schaltfläche in der Kopfzeile leuchtet auf, wenn das Arrange verändert wurde und erlaubt durch einmaliges Anklicken die Rückkehr zur Linearität.

WIE MAN SICH DIE ZEIT UNTERTAN MACHT – DIE ARBEITSPRAXIS
Hört sich ja alles spannend an. Nur: Wie wird das angestellt? So manche Applikation hat zwar viele tolle Möglichkeiten, ihre jeweilige Bedienung ist jedoch häufig alles andere  als selbsterklärend. Häufig gibt es in verschiedenen Programmteilen eine unterschiedliche Handhabung von Parametereinstellung, Terminologie oder Sortierung. Anders bei Live: Alles, was hier geschieht, ist logisch und nachvollziehbar, das Design verdient nicht nur Preise, sondern hat genau solche auch erhalten. Ressourcensparend (das beinhaltet auch Bildschirmplatz), livetauglich, übersichtlich, mit klar voneinander getrennten Sinneinheiten, aber trotzdem schön. Sehr nett: Es gibt keine Werkzeuge, aus denen ausgewählt werden muss. Einzige Ausnahme bietet der „Pencil“, den man vor allem als Alternative ansehen und daher häufig schlicht ignorieren kann. Der Mauszeiger verwandelt sich positionssensitiv in eine Lupe, eine Edit-Klammer, oder in was sonst gerade an dieser Stelle sinnvoll erscheint. Super, danke Leute!

Ableton_Live_7_7

Das recht junge Konzept ermöglicht Arbeitsschritte, die mit anderen Audioprogrammen nicht möglich sind. Besonders hervorzuheben sind hier die Envelopes. Dies sind clipbasierte Automationen, bei denen sich für jeden Parameter die Durchlauflänge einzeln festlegen lässt. Ein eintaktiges Drum-Loop kann also mit verschiedenen Klangerzeuger-, Clip-, Mixer-  oder Effekt-Parametern so automatisiert werden, dass er erst in vielen tausend Jahren wieder exakt die gleichen Parametereinstellungen hat. Langeweile ade. Leider kann man keine “leeren” Audioclips erstellen, die die Parameter der Plug-Ins verändern, die externes Audiomaterial von beispielsweise Analog-Synthesizern prozessieren (Workaround: Digital-Null-Clips benutzen). Ebenfalls schade ist, dass die Follow Actions, mit denen Abspielreihenfolgen bestimmt werden, nicht für komplette Szenen anwendbar sind. Aber schon in den Tracks sorgen sie für interessante Möglichkeiten. Anschauen! Wem das noch nicht ausreicht, der kann beliebiges Audiomaterial in wählbarer Auflösung auf eine MIDI-Spur slicen. Wird dieser Vorgang gestartet, entsteht eine neue MIDI-Spur samt Sampler, bei dem die einzelnen Bestandteile auf die Tasten gelegt werden. Die erst einmal in der  Ursprungsreihenfolge vorhandenen Slices können im MIDI-Editor verschoben, dupliziert und bearbeitet werden, wie es von der Arbeit mit MIDI-Daten, die einen Sampler ansteuern, bekannt ist. Erinnert sich vielleicht noch jemand, wie lange das zu Zeiten der Hardware-Sampler gedauert hat? Live ist also gleichzeitig ein ausgefuchstes Zeitsparprogramm.

Eine wichtige Frage ist die nach der Qualität. Audiowerte sind in erster Linie nur Zahlen, die nur wenig über den Sound an sich angeben. Dabei ist es erst einmal von geringer Aussagekraft , ob eine 64-Bit-Engine zum Einsatz kommt oder eine, die mit einer Wortbreite von 32-Bit arbeitet. Wichtig sind neben den Algorithmen im Mixer vor allem die der granularen Funktionen, schließlich ist Live doch ein “Elastic Audio”-Programm. Besonders, wenn die hohe und etwas ressourcenhungrigere Hi-Quality-Einstellung verwendet wird und die Art des Materials (Beats, Tones, Texture oder Complex) richtig gewählt wurde, ist die Klangqualität absolut erstaunlich. Sicher: Bei extremen Transponierungen oder Stretches/Compressions stößt Live, wie auch jedes andere Programm, an seine Grenzen. Natürlich benötigen diese Fähigkeiten Leistung. Kommen Abletons Effekte und womöglich Drittanbieter-Plug-Ins hinzu, ist oft der schnellste Mac oder PC mit seinem Latein am Ende. Schön ist, dass es nun auch in Live möglich ist, Spuren einzufrieren, damit anstelle vieler Bearbeitungsstationen nur noch eine einzige Audiospur (linear) wiedergegeben werden kann.

Live kommt mit einem stattlichen Paket von Plug-Ins daher. Ein einfacher Sampler (der auf den drolligen Namen Simpler hört) ist genauso dabei wie ein sehr guter Drum-Sampler. Die ganz große Lobesfanfare würde ich aber erst dann auspacken, wenn ich (Start-)Zeiten anhand einer Schwingungsform einstellen könnte und es eine vernünftige Pitch-Envelope gäbe. Schön ist auch die Library, die nicht nur aus dem Instrument, sondern teilweise auch mit nachgeschalteten Effektketten kombiniert ist. Mit Hilfe der MIDI-Effekte lassen sich logische Veränderungen an den Befehlen vornehmen. Des Weiteren ermöglichen sie Arpeggiator-Funktionen und dergleichen. Bei den Audio-Effekten finden sich, neben wirklich vernünftigen Brot- und Butter-Effekten (EQs, Dynamics, Reverb, Delay), auch die richtig abgefahrenen „Signal-auf-den-Kopf-steller“. Der Beat Repeat und das Grain Delay sind richtige Monster! Zu Racks kombiniert und mittels Mapping organisiert, erhält man Regler, mit denen man brave Audiosignale mit einer Handbewegung komplett auf Links drehen kann. Wer Spaß an der Zerstörung hat, kommt vor allem mit Redux, dem finsteren Bitcrusher/Aliaser auf seine Kosten, denn der bekommt tatsächlich alles kaputt. Etwas sanfter gehen Dynamic Tube und Saturator mit dem Material um. Die Drums klingen zu niedlich? Die Vocals klingen nach Schwiegermutter-Liebling? Dann sollte man einfach mal einen der beiden „Dickmacher“ in den Kanalzug droppen. Ein absolutes Schätzchen ist auch der Resonator, der pegelabhängig stimmbare Resonanzfrequenzen zum Material hinzufügt. Oft genutzt, um Drums “singen” zu lassen, kann das Plug-In noch viel mehr. Mit Envelopes automatisiert wird es richtig witzig, aber Listen-to-MIDI-Funktionen oder einen separaten Vocoder gibt es leider nicht. Die Architektur ist jedenfalls vorhanden: Sidechaining und Routing von Einzel-Outs sind absolut problemlos. Lediglich ein in jedem Kanalzug für jeden Send individuell schaltbares Pre-/Post-Routing der Send-Abgriffe wird vermisst (Hey! Wie wäre es mit Routing-Plug-Ins in der Effektkette? Das wäre doch mal was!). Hm, naja, auch das Subgroup-Routing ließe sich etwas eleganter lösen. Wem die mitgelieferten Software-Stückchen nicht genügen: Natürlich ist Live offen für VST(i)- und AU-Plug-Ins.

OUTER SPACE – IS THERE LIFE OUTSIDE LIVE?
Obwohl Live eine vollständige Produktionsumgebung darstellt, gibt es so einiges, das man gerne außerhalb der Applikation machen möchte oder muss. Die Welt außerhalb des Programms existiert also tatsächlich. Softwarebedienung ist zwar schön und gut, doch gerade im Live-Betrieb ist es angenehmer, dicke Hardwaretaster drücken, Fader schieben und an Knöpfen drehen zu können, als mit schwitzigen Fingern eine Computermaus oder – schlimmer noch – ein Trackpad bedienen zu müssen. Kein Problem für Ableton Live. Einerseits ist es möglich, viele Hardware-Controller direkt anzumelden, andererseits gibt es eine einfache Learn-Funktion in der Session (oder auch in einem Template, deutsches Ableton-Speech: Schablone), mit der Softwareparameter und Hardware miteinander “verheiratet” werden können – leider kann der Abholmodus nur global eingestellt werden. Genauso schnell geht es übrigens mit der Computertastatur. Selbstverständlich werden Multi-I/O-Audiointerfaces und MIDI-Interfaces unterstützt. Nützlich ist die Möglichkeit, einen Output als separaten Cue einzusetzen – schließlich möchte das Publikum nicht unbedingt mitbekommen, welche Loops man gerade auf Einsatztauglichkeit im Set abhört. Dass das Programm sich als ReWire-Host oder -Slave anbietet, lässt so manches anderes Programm blass aussehen (oder eher: den Hersteller arrogant wirken). Auch der Umgang mit Latenzzeiten, externen Plug-Ins sowie die Multi-Kern und -Prozessorunterstützung sind vorbildlich. Selbst ein Testtongenerator ist an Bord. Sollte die Rechenkraft dennoch nicht ausreichen – es gibt mittlerweile eine Freeze-Funktion.
Die Synchronisation über MIDI zu weiterem Equipment erfolgt mittels MIDI Beat Clock (MC) oder – nicht zu verwechseln – MIDI-Timecode-Quarter-Frame-Message (MTC). Leider werden MIDI-Machine-Control-Befehle (MMC), mit denen Laufwerksfunktionen übermittelt werden, weder empfangen noch versendet. Eine weiter Möglichkeit ist, Live mit Tap-Tempo zu synchronisieren. Mit der vorhin dargestellten Learn-Funktion lässt sich der Tap-Taster auch auf einen Fußschalter legen – der Begriff “Sequencing Instrument” nimmt Formen an! Ohne Probleme kann man nun Loops zur Platte oder bei ein wenig Übung und einem Schuss Talent sogar zur ohne Click spielenden Band synchronisieren. Grandios ist die Nudge-Funktion, mit der man wie ein DJ kurzfristig das Tempo erhöhen oder verringern kann, um ein Tempo “einzufangen”.

ERWEITERUNGEN
Wer möchte – und entsprechend zusätzliche Zeit (=Geld) investiert – kann Live zusätzlich mit weiteren Softwareoptionen ausstatten. Dies sind sowohl Instrumente, als auch Sample-Libraries. Der Analog ist ein Synthesizer, der dank subtraktiver Klangerzeugung seine Klänge generiert. Der Name suggeriert “analogen Sound”, und tatsächlich klingt das Plug-In ordentlich. Positiv hervorzuheben ist das Filter-Routing samt seiner Shortcuts und das einfache und verständliche Interface. Schade allerdings, dass es nur zwei Oszillatoren gibt: Einige Klänge benötigen eben drei davon. Mit dem Operator kann man nach kurzer Einarbeitung einfache FM-Sounds generieren, die noch überschaubar bleiben. Die Algorithmen lassen sich einfach (aber nicht frei) verschalten, es gelingen erstaunlich gute frequenzmodulierte Sounds. Wirklich: Komplexere Systeme braucht fast niemand. Trotzdem gibt es auch hier eine Wunschliste: Hard-Sync und mehrere LFOs mit einer nicht nur gestaffelten, sondern frei über alle abgedeckten Frequenzen einstellbaren Range. Der auf Physical Modelling basierende Tension ist genau wie das E-Piano Plug-In zwar ganz nett, aber nicht umwerfend. Da hat der Markt momentan klanglich einiges mehr zu bieten. Als mitgelieferte Plug-Ins würde man artig “Danke” sagen, aber kaufen, also so richtig mit Geld…ich weiß nicht. Der Sampler hingegen ist in der Lage, einen Großteil der Kunden zufrieden zu stellen, wenn auch Abletons „Ein-Fenster-Philosophie“ beim Mapping geopfert wurde (Warum eigentlich? Bei den Racks klappt´s doch auch!). Fast alles, was man bei einem Sampler einstellen will, ist auch hier möglich. Eine tiefergehende “Freak”-Editierung stößt allerdings auch hier an ihre Grenzen. Es ist äußerst umständlich, Samples in manchen Parametern unabhängig zu bearbeiten. Komplexe Sample-Instrumente verlangen nach eigenen Filtern pro Sample/Zone, verbessertem Key-Follow und eigenen Streaming-Optionen samt RAM-Buffersizes. Ebenfalls gegen Bakschisch können die EIC (“Essential Instruments Collection”), Session Drums, Drum Machines und diverse “Orchestral”-Libraries erworben werden, die allesamt ordentlich (aber nicht umwerfend) klingen und vor allem preiswert sind. Die Preisgestaltung der Zusätze darf man fair nennen: Weitaus teurere Produkte sind oft tatsächlich um einiges besser. Es ist jedoch immer die Frage des Einsatzzweckes. Kaum jemand wird einen Kinofilm mit der Orchester-Library scoren wollen. Tipp: Die Drum-Machines und der Operator sind das Geld in jedem Fall wert!

Freundlicherweise funktioniert die Einbindung in die Soft- und Hardware-Außenwelt tadellos, so dass man von Ableton nicht (wie so oft) zur Inselarbeit gezwungen wird. Dies lässt das Produkt in einem guten Licht stehen. Wer allerdings mit Live 1.0 angefangen hat, wird sich sicher darüber ärgern, dass Ableton fast jedes Jahr ein kostenpflichtiges Major-Update durchgeführt hat und somit schon bei Version 7 ist, während manches mehr als doppelt so alte Programm bei Nummer 8 angelangt ist. Dennoch ist Live sogar mit einigen Zusatzmodulen preislich noch durchaus akzeptabel.

Ableton_Live_7_18

INSTALLATION
Ob auf Mac-OS- oder Windows-Maschinen installiert wird, stellt keinen riesigen Unterschied da, denn das Programm läuft auf beiden System mit nahezu identischer Oberfläche. Für die aktuellen Versionen ist mindestens OS 10.3.9 vonnöten, 10.4 wird empfohlen. Die Hardware sollte über einen Intel-Prozessor verfügen, zur Not tut´s aber auch noch ein G4. Wer Windows Vista oder XP besitzt, sollte eine Prozessorleistung von mindestens 1,5 GHz nutzen können. ASIO-Soundkarten sind zwar keine Vorschrift, aber “recommended” ist sie schon. Aus gutem Grund: Viele andere Anbindungen im Formatjungel sind für derartige Anwendungen ziemlicher Käse.
Unter einem halben Gigabyte RAM geht bei beiden Plattformen nichts, als Empfehlung geben Ableton ein volles Gigabyte an. Diese werden für flüssiges Arbeiten auch definitiv benötigt, deshalbt gibts noch eine Empfehlung von Bonedo hinterher: Packt die Rechner voll damit! Ok: Keine besonders neue Weisheit.
Die Installation von DVD geht auf dem Mac wie gewohnt flüssig und problemlos vonstatten. Im Applications-Folder findet man nach der Installation ein Paket mit knapp 200 Megabyte Inhalt, das eigentliche Programm darin “wiegt” gut 60 MB. Wie für derart große Programme üblich, findet man nach der Installation im Application Support in der User-Library die Freischaltungsfiles, Presets, Grundschwingungsformen und weiteren Kram. Ebenfalls im Home-Folder befinden sich die Preferences, die auch die Templates und Crashlogs aufbewahren. Die Anbindung der Audio- und Midi-Hardware erfolgt bequem und ist selbsterklärend. Als Haupt-Testrechner wurde ein MacBook 2 GHz Intel Core Duo mit 10.4. in den Konfigurationen mit  1 GB und 2 GB RAM verwendet. Mit letztgenannter Konfiguration hat man es definitiv leichter, was sich in der gesamten Leistungsfähigkeit des Systems bemerkbar macht. Alle angeschlossenen Core-Audio-Systeme (MotU 828 MKI und MKII, internes Audio-I/O über S/PDIF) liefen durchaus problemlos. Auch Kurztests auf einem iMac 24″ und einem Sony Vaio offenbarten keine wirklichen Probleme, die Prozessoren des iMac wurden beide benutzt.
Die Installation auf der PC-Maschine und deren Konfiguration kann unter Umständen eine wirklich komplexe Aufgabe darstellen. Ableton scheinen der Programmiererzunft jedoch alle Ehre zu machen!

Auf der nächsten Seite gibts ordentlich Kirmes: Live-Screenshots!

ROUTING

Fotostrecke: 3 Bilder Die in der Session-View eingeblendeten Routing-Optionen. Zwischen In und Out liegen die Monitoring-Umschaltungen, bei den Audiotracks erkennt man die Crossfader-Zuweisung (A/B).

CLIP-EDITING

Fotostrecke: 3 Bilder Wie in allen Sequencern, nur einfacher: Das MDI-Editing.

SETTINGS UND EINSTIEGSHILFEN

Fotostrecke: 3 Bilder Schön aufgeräumt und verständlich: Die Settings des Programms.

DIE AUDIOSOFTWARE DES NEUEN ZEITALTERS – FAZIT
Gar keine Frage: Es gibt keine Programmentwicklung aus diesem Jahrtausend, die das Musikmachen mit dem Computer so revolutioniert hat, wie Live es getan hat. Die Arbeit mit Abletons Applikation macht einfach riesig viel Spaß, ist dabei äußerst flexibel und man wundert sich, wie schnell und einfach alles geht.
Es ist also möglich, unvorbereitet und ausschließlich mit einem Mikrofon bewaffnet, ein Live-Set zu beginnen, aus aufgenommenem Material verrückte Beats zu bauen, live zu arrangieren und dem Publikum nachher das MP3 des Gigs aufs Mobiltelefon zu schicken. Wahnsinn, oder? Und in welchem Programm erscheint der Parameter “Song Tempo” schon wie selbstverständlich in der Automationsliste?
Einsteigern wird es – bis auf die Anfangshürde – leicht gemacht. Die Bedienphilosophie könnte man mit “einfach machen können” zusammenfassen. Ob das was mit dem Unternehmensnamen Ableton zu tun hat? Eine Frage, die man sich in Berlin sicher auch schon mal gestellt hat, ist diejenige, ob man mit Live nun eine Nische ausfüllen will, oder ob man darüber hinaus eine Alternative zu den alteingesessenen Riesen-Sequencern sein möchte. Offensichtlich hat man sich bei Ableton für Letzteres entschieden, mit dem Bewusstsein, die bislang angenehme Funktionsschlankheit nach und nach anzudicken. Die Integration von Video-Tracks samt Schnitt und DJ-Tools wie Crossfadern lässt Wunschlisten nicht schrumpfen, sondern wirft immer neue Forderungen auf. Schon schreit der VJ: Mehr! Mehr! Und die Zahl der Wünsche ist auch so schon nicht gering. Bugs sind schön selten, das System ist sauber programmiert. Dies merkt man nicht zuletzt an den meist atemberaubend kurzen Reaktionszeiten nach einem Bedienschritt. Aber manchmal geht etwas, was man sich wünscht, leider doch nicht. Einen MIDI-Clip auf den Desktop oder in eine Audiospur ziehen zu können, um sich dadurch umständliches Audio exportieren sparen zu können etwa. Wird auch Live irgendwann ein schwerfälliges System, das mit (vom User natürlich mitbezahlten) Funktionen überhäuft ist und immer mehr von seiner Grundidee abweicht? Wir werden sehen. Wenn allerdings das Manual weiterhin seinen Qualitätsstandard halten kann, ist alles super.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • äusserst flexibles, durchdachtes Konzept
  • qualitativ ordentlich
  • hervorragend programmiert
  • sehr gute Effekte
  • gutes Design
  • intuitiv bedienbar
  • gutes Manual, gute Tutorials
  • geringer Einstiegspreis
Contra
  • Zusatzsoftware teilweise nur mittelmäßig
  • häufige, teure Updates
  • Sends nicht in jedem Kanalzug einzeln pre/post schaltbar
  • Follow Actions nicht für ganze Szenen
  • keine leeren Audio-Clips erstellbar
Artikelbild
Ableton Live 7 Test
Für 399,00€ bei
Ableton_Live_7_16
TECHNISCHE DATEN
  • Sequencer/DAW mit 32-Bit-Fließkomma-Engine
  • Zeitkonzept: kombiniertes Pattern- und Bandmaschinen-Sequencersystem
  • Echtzeit- Timestretching und Pitch-Shifting
  • mitgelieferte Effekte und Instrumente
  • erweiterbar mit Ableton-Instrumenten, VST(i) und AU
  • ReWire-Host oder -Slave
  • Keyboard- und MIDI-Mapping auf fast alle Parameter
  • automatisierbar
  • 192 kHz maximale Samplerate
  • Videosynchronisation
  • Preis Vollversion (Box): € 499,00
  • Preis Vollversion (Download): € 419,00
  • Preis Upgrade von Version 6 (Box): € 129,00
  • Preis LE (Box): € 169,00
  • Preis LE (Download): € 129,00

Special: Unterschied Vollversion – LE

Der wesentliche Unterschied ist die Anzahl an Audio-Inputs und -Outputs. Dies sind bei LE jeweils vier, wohingegen die Vollversion nicht begrenzt ist. Nett, dass man immerhin die Cue-Funktion nutzen kann, denn sonst würde es wirklich schmerzen und die LE wäre für den Livebetrieb nutzlos. Weitere Unterscheidungen zur erwachsenen Version: Maximal 64 Audiospuren, zwei VST/AU-Effekte und -Instrumente pro Projekt, acht Ableton-Instrumente, zwölf Ableton-Effekte, acht Szenen, zwei Send/Returns pro Projekt. Ausserdem im Vergleich zur Hauptversion nicht möglich: Freeze, ReWire (!), Sync, MIDI-Out, Video-Funktionen und einiges mehr. Wie also üblich, bewegt man sich mit eine LE ständig an der Grenze und wird am kreativen Arbeiten behindert. Wie immer ist da also ein schaler Beigeschmack dabei und das Gefühl, dass man irgendwie gepiesackt wird. “Klar darfst du den Jaguar fahren. Aber bitte nur den ersten und zweiten Gang benutzen…”. Fürs Kennenlernen ist die LE sicher nicht falsch, aber das tuts vielleicht auch die Demo-Vollversion. Diese ist nicht speicherbar und verabschiedet sich nach 30 Minuten, hat aber den vollen Funktionsumfang.

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