EastWest Quantum Leap Symphonic Choirs Test

Praxis

PLAY 2 in der Hauptansicht
Die grafische Benutzeroberfläche der PLAY Engine gliedert sich hauptsächlich in die Player- und die Browser-Ansicht. Neben der Möglichkeit, die Sounds zu (ver)stimmen und den Klangverlauf über eine AHDSR-Hüllkurve zu beeinflussen, bietet die Player-Ansicht Kontrolle über die Lautstärken der drei Mikrofonpositionen, in denen die Samples aufgenommen wurden. Auch auf das Menü des internen Faltungshalls und die Performance-Scripts zum Vermenschlichen der MIDI-Darbietung kann hier zugegriffen werden. Um die ersten Sounds zu laden, wechseln wir in die Browser-Ansicht.

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Die Browser-Ansicht und die Struktur der Library
Im oberen Bereich des Fensters kann man sich durch die Sample-Hierarchie der Library klicken. Vor allem alteingesessenen Benutzern von Plug-ins, die mit der PLAY Engine arbeiten, wird in der neuen Browser-Ansicht von PLAY 2 eine besondere Neuerung ins Auge springen: der Delete-Button! Tatsächlich hat East West es geschafft, nach drei Jahren eine Möglichkeit zum Löschen bzw. Entladen eines Patches in die Engine einzubinden. Wer sich nun völlig zu Recht irritiert am Kopf kratzt, dem sei versichert, dass dies bisher wirklich nicht ging. Ein geladenes Instrument konnte bis PLAY 2 nur durch ein anderes ersetzt werden. Gut, dass dem jetzt nicht mehr so ist.

Für eine flächendeckende Live-Anwendung gibt es Kombi-Programme, in denen Stimmen aus allen männlichen und weiblichen Tonlagen auf dem gesamten Masterkeyboard verteilt werden. So liegt also der komplette Chor unter den Fingerspitzen des Maestros. Ein Kompromiss, der natürlich ein wenig auf Kosten der Detailtreue geht, aber eben den Zugriff vereinfacht. Gesungen werden hier je nach Patch die Silben „Aaa“, „Mmm“, „Nnn“ oder „Ooo“. Beim Einlesen der Samples fällt auf, dass sich die Ladezeiten in PLAY 2 tatsächlich drastisch verkürzt haben. Darüber darf man sich natürlich freuen!

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Full Chorus

Wer ein möglichst realistisches Ergebnis anstrebt, der wird die einzelnen Programme der verschiedenen Chor-Sektionen verwenden und jeder einen eigenen MIDI-Kanal zuweisen. Neben den großen Multis, die speziell zur Arbeit mit dem Wordbuilder bestimmt sind und sich ohne ihn gar nicht richtig spielen lassen, gibt es für Sopran, Alt, Tenor, Bass und tatsächlich auch für Knabenchor verschiedene Programme, die jeweils einen Laut aus dem phonetischen Alphabet in den Speicher des Rechners laden. Die Patches für die Vokale beinhalten von vornherein dynamische Crossfades, zwischen denen man mit dem Mod-Wheel überblenden kann. Neben der Lautstärke verändern sich dabei vor allem die Klangfarbe und die Intensität des Vibratos. So lassen sich beim Spiel mit Laut und Leise wunderbar epische Effekte erzeugen. Außerdem gibt es für jedes der Programme Keyswitches, mit denen man bei Bedarf zwischen liegenden Tönen, gebundenen Tönen, Legato und Staccato hin und her schaltet.

Zum Thema „Konsistenz einer Library“: Bei den Konsonanten fehlen diese dynamischen Crossfades. Was bei Lauten wie „P“ oder „R“ verständlich ist, wirkt für „Mmm“ und „Nnn“ etwas enttäuschend, denn auch diese können von einem echten Chor gehalten und auch in ihrer Klangfarbe variiert werden. Im Player hört ihr das obige Beispiel mit einzelnen Patches für jede Sektion und mit zusätzlicher Dynamik-Bearbeitung.

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Sections & Dyn.

Dieser Sound dürfte das Herz des Cineasten höher schlagen lassen. Die EWQLSC klingen wirklich mächtig, und wenn ein Chor dauerhaft nur gehaltene Vokale singen soll, funktioniert alles wunderbar. Wenn häufig zwischen verschiedenen Sounds gewechselt werden soll und man deshalb nicht gleich zum dafür zu komplizierten Wordbuilder greifen will, muss man das aber über verschiedene MIDI-Channels machen. So legt man also für jede Stimme des Chors mehrere MIDI-Spuren an. Die entsprechenden Kanäle lassen sich ebenfalls in der Browser-Ansicht festlegen. Komplexe Keyswitches gibt es nur bei den Solo-Sängern. Custom-Keyswitches, mit denen man die benötigten Sounds in einen Kanal laden kann, oder die Möglichkeit, eigene Crossfades zu erstellen, gibt es leider nicht.

TIPP: In Cubase 5 kann man sich mit VST Expression eigene Keyswitches programmieren, die auch in der Lage sind, innerhalb von einer MIDI-Spur den Kanal zu wechseln.

Abseits der typischen Chorsamples aus den einzelnen Sektionen finden sich in der Library auch drei Solisten aus den Bereichen Sopran, Alt und Knaben. Mit einer Portion Faltungshall wecken diese „menschlichen Instrumente“ ganz eindeutige Assoziationen mit in der Filmwelt weitläufig bekannten Fantasy-Trilogien. Bei den Knaben kommt ein Programm zum Einsatz, das zufällige Silben würfelt und eine Art Elfensprache erzeugt. Außerdem gibt es einen Track, der einige Effekte verwendet, die ebenfalls Teil der Library sind, und mit denen sich wunderbar gruselige Atmosphären erzeugen lassen.

Audio Samples
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Solo Sopran Solo Boy Random Grusel Stimmung

Habe ich vorher etwas von himmlischen Gefilden erwähnt? Das relativiert sich mit dem Gruseltrack wohl ein wenig. Anzumerken ist, dass es sich bei den geflüsterten Bässen um fertige Samples handelt und nicht etwa um ein Ergebnis der Arbeit mit dem Wordbuilder.

Mikrofonpositionen und Hallfahnen
Wechseln wir zurück in die Player-Ansicht. Hier kann man sich zwischen den drei Mikrofonpositionen entscheiden, sie kombinieren, und jeder Einzelnen einen der neun Stereo-Ausgänge des Plug-ins zuweisen. Zur Auswahl stehen Close-Mics, Stage-Mics in mittlerer Entfernung und Surround-Mics. Letztere sind nicht nur für den Einsatz in 5.1- oder 7.1-Produktionen verwendbar, sondern bieten auch im Stereo-Panorama eine raumbetonte Variante der Samples an, die entfernt und groß klingt.

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Die gesamte Library wurde übrigens im gleichen Raum und mit dem gleichen Mikrofon-Setup aufgenommen wie das East West/Quantum Leap Symphonic Orchestra. Im Player hört ihr den bereits bekannten Chorsatz (diesmal mit Wechsel des gesungenen Vokals) jeweils mit Close-, Stage- und Surround-Mics und abschließend mit einer Mischung aus allen Dreien.

Audio Samples
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Close Mic Stage Mic Surround Mic Mix

Wenn für einen voll besetzten Chor arrangiert wird und alle drei Mikrofonpositionen gleichzeitig verwendet werden sollen, können die älteren Semester unter den Studio-Rechnern schon einmal ins Schwitzen kommen. Vor allem eine langsame Festplatte kann zum Flaschenhals des Systems werden. Falls dem so sein sollte, lassen sich die einzelnen Programme von 24 Bit auf 16 Bit reduzieren. Weitere Speichersparmaßnahmen, wie beispielsweise ein automatisches Entladen nicht verwendeter Samples gibt es nicht.

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Als Alternative oder Zusatz zu den echt aufgenommenen Release-Samples bietet sich der integrierte Faltungshall an, und an dieser Stelle dürfen wir uns über eine weitere Neuerung in PLAY 2 freuen. Die Anzahl der Faltungen wurde deutlich erhöht, und inzwischen stehen 83 verschiedene Räume bzw. Raumvariationen im Angebot. Diese können mit einem zusätzlichen Pre-Delay versehen werden, und bei Bedarf lässt sich eine Hall-Einstellung als Master-Reverb innerhalb der aktuellen Instanz des Plug-ins verwenden. Das spart Prozessorpower, und im Regelfall wird ein echter Dirigent kaum auf die Idee kommen, die verschiedenen Stimmgruppen seines Chors in unterschiedliche Räume stellen zu wollen. Eine kleine Auswahl aus den insgesamt sehr ordentlich klingenden Hallfahnen gibt es in weiteren Audios. Hier wurden ausschließlich die Close-Mics verwendet und mit künstlichem Reverb versehen.

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Dark Abbey Sinatra Chamber Hollywood Hall Psychedelic Reverb















TIPP: Wenn mehrere Ausgänge der PLAY Engine beschickt werden und der Faltungshall eines Instruments als Master-Reverb verwendet wird, dann mischt sich die Hallfahne aller abgespielten Sounds in den Ausgangskanal des Instruments, in dem dieser Hall liegt. In einer Zusammenstellung aus Sopran, Alt, Tenor und Bass mit Master-Reverb im Sopran-Patch kommt der Hall aller Instrumente also aus dem gleichen Ausgang wie der Sopran. Um dies zu umgehen, empfiehlt es sich, einen neuen Patch zu laden, alle Samples von Hand wieder zu entladen, diesem Patch seinen eigenen Output zuzuweisen und den Hall als Master zu deklarieren. So erhält man einen separaten Mixer-Channel für die Hallfahne.

Portamento, Repetition, Legato – Die Performance-Scripts
Um die Darbietung der Symphonic Choirs zu vermenschlichen, bietet das Plug-in drei intelligente Performance-Scripts an, die vor allem auf die Pitch-Einstellungen und Hüllkurve der Samples zugreifen. Im Gegensatz zu meinen persönlichen Erfahrungen mit dem Symphonic Orchestra funktionieren vor allem das Portamento- und das Legato-Script mit den Chören sehr gut.

Mit dem Portamento-Script lassen sich fließende Übergänge von einem Ton in den nächsten realisieren. Sehr bereichernd für mittlere bis schnelle Passagen ist das Legato-Script. Die Veränderungen sind subtil, machen im Gesamtbild aber einen deutlichen Unterschied zur technischer klingenden Variante ohne Script. Das Repetition-Script ruft bei der Wiederholung eines Tons alternative Samples auf, um einen Machinegun-Effekt zu vermeiden.

Für die Performance-Scripts gibt es MIDI-Controller, mit denen sie sich aktivieren und auch wieder abschalten lassen. Über Host-Automatisierung ist dies leider nicht möglich. Generell lässt sich auch in PLAY 2 noch kein einziger Parameter auf dieser globalen Kommunikationsebene ansprechen.

Da die Samples selbst durch die Legato- und Portamento-Scripts verfremdet werden, passen sie oftmals nicht mehr mit den echt aufgenommenen Release-Trails zusammen. Dementsprechend schaltet das Plugin bei Aktivierung automatisch die echten Hallfahnen ab und ersetzt diese durch den integrierten Faltungshall. Ein Problem dabei ist, dass sich das Reverb-Modul, wenn es abgeschaltet wird, die alte Hallfahne merkt und auch nicht davor zurückschreckt, diese bei Reaktivierung wieder abzuspielen, obwohl das ursprüngliche Sample längst Geschichte ist. Es empfiehlt sich also, einen Ton vollständig abklingen zu lassen, bevor eines der beiden Scripts abgeschaltet wird. Ganz genau seht und hört ihr all das im folgenden Video.

Votox-Party – Der Wordbuilder und das phonetische Alphabet
Jetzt geht es ans Eingemachte! Wir wollen die Symphonic Choirs dazu bringen, einen eigenen Text zu singen. Da ich selbst Cubase-Nutzer bin, kann ich mich glücklicherweise um die ausgedehnte Konfigurations-Arie drücken und direkt loslegen. Der Wordbuilder befindet sich in der Liste der MIDI-Plug-ins und schaltet sich so automatisch zwischen die MIDI-Daten und die PLAY Engine. Wie ihr im folgenden Video sehen werdet, reicht es meistens nicht, einen Text einfach so einzugeben. Um sich an das gewünschte Ergebnis anzunähern, muss man in der Regel das phonetische Alphabet bzw. die hauseigene Votox-Sprache bemühen.

Full Score – Chor und Orchester
In den seltensten Fällen wird ein kompletter Track aus Chormusik a capella bestehen. Vor allem, da die East West Chöre im gleichen Aufnahmeraum wie das Orchester gesampelt wurden, interessiert es mich an dieser Stelle natürlich, wie gut die beiden sich miteinander vertragen. Dafür habe ich mich für eine Weile ins Komponisten-Bootcamp zurückgezogen, um einen Teil der Filmmusik aus „Der Soldat James Ryan“ nachzuprogrammieren, die aus der Feder des Großmeisters John Williams (Star Wars, Indiana Jones, ET, etc.) stammt. Bezogen auf den Chor hört ihr eine Tutti-Besetzung aus Sopran, Alt, Tenor und Bass, die ohne Wordbuilder ausgeführt wurde. Zum Einsatz kommt in jeder Stimmlage ausschließlich ein Patch mit einem gehaltenen „Ooo“. Die Dynamik wurde über einen Mix aus MIDI-Bearbeitung in PLAY und Mixer-Automation im Host umgesetzt. In dieser großen Orchesterbesetzung klang das Ergebnis nach ein wenig Equalizer-Bearbeitung noch deutlich schöner.

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Hymn To The Fallen
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Profilbild von Burkhard

Burkhard sagt:

#1 - 08.12.2012 um 18:36 Uhr

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Wie immer professional analysiert. Besser geht es eigentlich nicht. Zumal ich das Gefühl habe, hier wird nicht Marketing für ein Produkt gemacht. Ich als Leser bin dankbar, dass ich vor dem Kauf weiß, was mich erwartet.
Wenn in diesem Fall allerdings die Bewertung in der Art lese: Gut, aber da sollten bestimmte Sachen in einem Update besser werden, dann würde ich mir wünschen, dass immer ein Datum und die Version angegeben wird. Das habe ich auf den ersten Blick nicht gefunden.
Burkhard

Profilbild von Marcus Biermann

Marcus Biermann sagt:

#2 - 12.11.2022 um 14:12 Uhr

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Eigentlich ist dieses Produkt genau das, was ich suche. Allerdings arbeite ich mit Ableton Live Suite11, und da möchte ich besonders den Wordbuilder verwenden. Der beschreibende Artikel scheint älter zu sein, gibt es mittlerweile neue Versionen, die meinen Vorstellungen entspächen? MfG

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