DPA d:dicate 4011A Test

Im Testmarathon der Kleinmembran-Kondensatormikrofone wurden im Studio auch zwei DPA d:dicate 4011A vor der Akustikgitarre aufgebaut und einem ausführlichen Review unterzogen. Die Zeiten, in denen die Begriffe “Dogma” und Dänemark sich auf mehr als die Gruppe Filmschaffender um Lars von Trier und Thomas Vinterberg bezogen hat, ist vorbei: Genau wie von Trier hat auch der dänische Mikrofonhersteller sich von seiner selbstauferlegten Regel gelöst, dass eine Mikrofonkapsel einen speziell darauf abgestimmten Mikrofonverstärker benötige. Man darf spekulieren, ob DPA eher neuere technische Entwicklungen dazu bewogen haben oder wirtschaftliche – Fakt ist, dass es beispielsweise mit dem Colette-System der Traditionsfirma Schoeps aus Karlsruhe schon lange ein Modularsystem gibt, an dem es wirklich so gut wie nichts zu kritteln gibt.

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So gibt es mit dem “d:dicate” getauften System eine Auswahl an Kapseln und Preamps, die zwar im Umfang nicht an Schoeps’ Colette-Serie heranreicht, aber wer weiß, was für Kapseln noch vorgestellt werden. Der in der Tradition der Meßinstrumente verwurzelte Mikrofonbauer bietet mit MMP-C, MMP-B und MMP-A immerhin drei verschiedene Bodys an, von denen die große A-Version zusammen mit einer Nierenkapsel (und einem gleich aufgebauten Schwestermikrofon) der kritischen Betrachtung im bonedo-Test standhalten musste. 

Details

MMP-A + MMC4011 = 4011A

Nein, diese Gleichung lässt sich nicht mit binomischen Formeln lösen. Es handelt sich vielmehr um den Aufbau des DPA-4011A-Mikrofons, welches aus der Nieren-Kapsel MMC4011 und dem Body MMP-A besteht. Der MMP-A ist qualitativ hochwertiger als die ebenfalls verfügbaren MMP-C und MMP-B. So führt der phantomgespeiste Body beispielsweise mit einem Dynamikbereich von 138 dB das Feld an und generiert die geringsten Verzerrungen. In Kombination mit der 4011-Kapsel ergeben sich sehr gute Daten: Das Elektret-Mikrofon verfügt über eine Empfindlichkeit von 10 mV/Pa, bei 139 dB(SPL) bestehet ein Prozent des Signals aus Verzerrungsprodukten und Rauschen. Nach Bewertung mit der A-Kurve liegt das Rauschen des Kondensatormikrofons bei 18 dB. Von außen kaum zu erkennen ist die Tatsache, dass der Mikrofonverstärker über ein Pad verfügt: Die 20dB-Vordämpfung liegt innerhalb des XLR-Anschlusses versteckt und muss mit einem Kugelschreiber oder dergleichen gedrückt werden.

Fotostrecke: 4 Bilder DPA d:dicate 4011A mit abgeschraubter Kapsel

Pegel-Frequenzgang

Die gemittelte Pegel-Frequenzgangkurve zeigt einen brettebenen Verlauf bis knapp unter den zweistelligen Kilohertzbereich. Darüber ist eine sanfte Erhöhung auszumachen, der 20kHz-Punkt wird wie der 40Hz-Punkt mit -2 dB Pegelverlust im Vergleich zu 1 kHz durchlaufen. Im Bassbereich gilt diese Angabe für einen Abstand von 30 Zentimetern, aufgrund der Tatsache, dass die 4011-Kapsel ein Druckgradientenempfänger ist, spielt der Nahbesprechungseffekt und die mit ihm einhergehende Bassanhebung eine wesentliche Rolle. 

Polardiagramm und Phasengang

Das Polardiagramm offenbart, dass die Aufzeichnung von Signalen bis zu einem Winkel von gut 120° (bzw. 240°) sehr konstant erfolgt und dem idealen Nierenverlauf gehorcht. Natürlich ist sich die Kapsel bei geringen Wellenlängen zunehmend selbst im Weg, sodass ab etwa 8 kHz eine deutliche Supernierencharakteristik vorhanden ist. Den Off-Axis-Frequenzgang hat man bei DPA nicht dem Zufall überlassen, sondern dafür gesorgt, dass die maximale Rejection in der Mitte des Frequenzbandes liegt und die Neigung zur Kugel (bei den Bässen) und zur Acht (bei den Höhen) nur in den Frequenzrandbereichen zu Tage tritt. Der Phasenfrequenzgang wird löblicherweise von DPA angegeben, und das auch sicher, weil man stolz darauf sein kann, die Phase im Hörbereich annähernd konstant zu halten. Die Elektretkapsel MMC-4011 mit dem charakteristischen Grid und der lange A-Body beerben gemeinsam das alte 4011-Mikrofon, doch scheint das Kapseldesign weitgehend identisch mit dem alten zu sein. Gut zu erkennen ist, dass hinter den umlaufenden Schalleinlässen eine Metallgaze per Reibung für den höheren Zeitbedarf des zur Membranrückseite laufenden Schalls sorgt, um die Nierencharakteristik zu erzielen.

Kondensatormikrofone, Stereo-Set
Fotostrecke: 4 Bilder Flaggschiff unter DPAs modularen Nieren: 4011A

Zum Test: Einzelmikrofone, kein Matched-Pair 

Als DPA ST4011A ist zwar ein auf 1% gematchtes Stereo-Kit aus je zwei Kapseln und Bodys verfügbar, welches im Peli-Case ausgeliefert wird. Vom hiesigen Vertrieb haben wir einzelne Mikrofon geschickt bekommen, welche in einer unspektakulären, schaumstoffgefütterten Pappschachtel den Weg zu uns gefunden haben. Beiden Mikrofonen liegt ein individueller Messausdruck bei. Zum Lieferumfang gehört zudem die hervorragende DPA-Mikrofonhalterung und ein kleiner Windschutz-Püschel.

Praxis

Wie nicht anders von DPA gewohnt, ist die Verarbeitung der beiden Mikrofone ohne jeden Makel. Die Gewinde sind präzise, die Oberfläche hochwertig, delbst jegliches Zubehör von erlesener Qualität. Alles andere hätte mich auch gewundert. 

Fotostrecke: 3 Bilder XY-Verbund der beiden Instrumentenmikrofone

DPA ist bekannt für seinen äußerst transparenten Klang, der von Kritikern ab und an als ein wenig zu eckig, zu kristallin und damit unnatürlich beschrieben wird. Dass DPA-Mikros eine gewisse Härte im Klangbild haben, kann ich unterschreiben, doch finde ich diesen Zusammenhang durchaus praktisch – da macht es umso mehr Freude, den Übertragern im Signalweg etwas zum Verändern zu geben. Trotzdem bleiben die Signale präsent genug. Die 4011A sind diesbezüglich aber eine Überraschung: Sie liefern einen fundamentalen Tiefbass, der durch eine hervorragend klingende und gut steuerbare Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt noch unterstützt wird – das tut der Akustikgitarre im Klangbeispiel beispielsweise richtig gut! Der Grundcharakter des Elektretmikrofons ist eher als voluminös, warm und rund zu beschreiben. Blickt man auf die höher liegenden Frequenzbänder, fällt aber auf, dass man bei manchen Signalen die leichte Präsenzarmut mit dem EQ zu beheben versuchen werden muss. Dies ist umso interessanter, als dass üblicherweise richtende Mikrofone generell etwas konkreter klingen, hier scheint es andersherum. Allerdings muss festgehalten werden, dass sich diese Umstände in geradezu winzigen Bereichen bewegen. Zwar kann man bei der MMC-4011/MMP-A-Kombination eine gewisse Behäbigkeit ausmachen (welche aber, das sei noch mal deutlich gesagt, durchaus ihre Berechtigung im Mix haben kann), doch ist das 4011A beileibe kein zwar warm klingendes und „labberiges“ Mikrofon: Die Höhen verfügen über messerscharfe Auflösung und zeichnen erstaunlich detailliert noch die kleinsten Rückwürfe. Die Geschwindigkeit, mit der Transienten durchgereicht werden, ist typisch für DPA extrem hoch, ein Umstand, der nicht nur in der Kapsel, sondern besonders auch in der Elektronik zu suchen ist. Der kleinere MMP-C-Verstärker klingt etwas präsenter, knackiger, kompakter, ist aber eben in den Frequenzgang-Randbereichen etwas schwächer aufgestellt. Eine der großen Stärken der besten Mikrofone des Planeten – zu denen man auch das 4011A zählen darf – ist, sie mit EQ und Dynamikbearbeitung geradezu malträtieren zu können, ohne dass das Signal löchrig wird oder sonstwie auseinanderbricht. Auch abseits der Hauptaufsprechrichtung werden Signale nicht “zweiter Klasse” behandelt – ja sogar von hinten besprochen klingt dieses Mikrofon noch gut! Ebenfalls erstaunlich ist, dass zum Test kein “Matched Pair” angetreten ist – die beiden hätten aber durchaus als solches verkauft werden können. 

Audio Samples
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DPA 4011A

Ein wenig unverständlich finde ich die Pad-Lösung. Nein, nicht ein wenig, ich sollte nicht beschwichtigen: Ich finde sie sehr unverständlich. Bis auf den einredbaren Vorteil, dass nichts aus Versehen geschaltet werden kann und dass vielleicht nichts die grazile Ästhetik des 4011A trübt, sehe ich nur Nachteile: Ist das Mikrofon im Betrieb und eine Quelle wird lauter oder ist eine Mikrofonierungsnähe (= mehr Bass) gewünscht, die eine Vordämpfung notwendig macht, dann muss das Kabel ab. Und – muten sollte man am Pult bei Pad-Aktivierung sowieso – es muss die Phantomspeisung deaktiviert und ein wenig gewartet werden. Das nervt. Für den Einsatz unter Zeitdruck oder auf einer Bühne (ich denke da an edle Jazz-Konzerte…) ist das eigentlich ein K.O.-Kriterium. Was ich noch viel “bräsiger” finde: Ich bekomme nicht einmal eine Rückmeldung, ob das Pad gesetzt ist oder nicht. Wie oft wird wohl Signalqualität durch ein von der letzten Session aktiviertes Pad vergeudet werden?

Fazit

Die bekannte DPA-Qualität erhält man auch mit dem Kauf des d:dicate 4011A. Das Kleinmembran-Kondensatormikrofon arbeitet schnell und genau, zählt aber nicht zu den hart und direkt klingenden Vertretern. Eher verhalten, springt sein Klang den Hörer nicht direkt an, provoziert keine “Aaaah”s und “Oooh”s. Allerdings erhält man ein hervorragend formbares Audiosignal absolut erster Güte. Die ganz eindeutigen Vorteile eines Modularsystems muss ich hier wohl niemandem erneut erklären. Natürlich: Ein Stückchen feinster Hochtechnologie, entwickelt und gefertigt in einem Hochpreisland wie Dänemark, das will auch bezahlt werden – für den Käufer wie für den Hersteller ist das aber ein fairer Deal. 

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • gutmütiger, gut formbarer Charakter
  • Detailreichtum
  • Klang seitlich einfallenden Schalls
Contra
  • Pad-Aktivierung nur bei abgezogenem XLR-Stecker möglich
Artikelbild
DPA d:dicate 4011A Test
Für 1.749,00€ bei
Klingen nicht nur axial besprochen gut: DPA 4011A
Klingen nicht nur axial besprochen gut: DPA 4011A
Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48 V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 40 kHz (±2 dB)
  • Übertragungsfaktor: 10 mV/Pa
  • THD+N: 18 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 139 dB SPL (1% THD+N)
  • Vordämpfung: 20 dB
  • Preis (Stück): 1606,- € (UVP)
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