Cherry Audio holt einen Kult-Synth aus der Moog-Ära zurück – kostengünstig, modernisiert und bereit fürs digitale Produzieren. Der Cherry Audio Spirit ist die weltweit erste Emulation des Crumar Spirit, einem charismatischen, italienischen Analog-Synth von 1983.

Cherry Audio emuliert den 1983 erschienen Crumar Spirit. Dahinter verbirgt sich ein ziemlich charismatischer, aber bei Studio- oder Live-Gigs bislang kaum anzutreffender Analog-Synthesizer. Für sein Design waren tatsächlich Bob Moog und Co. verantwortlich. Selbst im Zeitalter des Italo Disco, quasi das Dolce Vita für Vintage Synthesizer, fand er wie viele andere italienische Soundmaschinen keinen Platz.
Eigentlich dachte ich immer, dass Crumar selbst die ersten sein würden, die diesen noch unentdeckten Schatz als Plugin entwickeln werden – so wie schon bei Crumar Performer, einer Vintage Synth/Brass-Maschine. Stattdessen ist es, wenig überraschend, Cherry Audio.
Der Hersteller baut schließlich unermüdlich elektronische Vintage-Instrumente digital nach und bringt sie preiswert unters Volk bringt. Ich mochte schon viele solcher Cherry-Audio-Emulationen – vom Cherry Audio Yellowjacket, über den Cherry Audio Atomika bis hin zum Cherry Audio Elka-X. Aber ein virtueller Crumar Spirit für unter 60 Euro? Daran hätte ich nicht einmal im Traum gedacht.
Ein monofoner Vintage-Synthesizer von Bob Moog und Team
Mystisch und spirituell: Der Spirit war ein Projekt der Firma Crumar aus der italienischen Gemeinde Castelfidardo – mit reichlich US-Support durch Bob Moog, Jim Scott und Tom Rhea. Auf italienischer Seite findet man kaum noch Dokumente – Crumar hat den Betrieb 1986 eingestellt. Man kann heute nur spekulieren, wie der Kontakt zwischen der italienischen Firma und den „US Dream Team“ fürs Synthesizer-Design zustande kam. Eine tragende Rolle dürfte Sante Crucianelli, Sohn des Firmengründers, gespielt haben. Er lebte eine Zeit lang in den USA.
Bob Moog begleitete das Projekt und besuchte die Firma bei Ancona persönlich. Tom Rhea entwarf die Keyboard-Scanning-Konfiguration wie auch das Panel-Layout und kümmerte sich um die technische Dokumentation, während Jim Scott überwiegend die Schaltkreise entwickelte. Das Design des Crumar Spirit wirkte zwar innovativ, konnte Ähnlichkeiten mit anderen Projekten von Jim Scott und Bob Moog aus den späten 70er Jahren aber nicht leugnen.
Neuauflage 2023: klanglich stark, kommerziell schwach
Der Crumar Spirit war ein charakterstarker Mono-Synth mit zwei flexibel konfigurierbaren Multimode-Filtern und einigen überraschenden Extras. Im Jahr 1983 kam er offiziell auf den Markt – und floppte. Gerade einmal um die 300 Units wurden damals verkauft. Genau wie das italienische Flaggschiff Elka Synthex kam auch der versierte Crumar Spirit einfach zu spät, um kommerziell Fuß zu fassen. Nach dem Erscheinen des Yamaha DX7, drehte sich in den 80er Jahren alles um Digitaltechnik – und monofone Synthesizer galten schnell als Dinosaurier.

2023 folgte eine Neuauflage des Crumar Spirit durch Andrea Agnoletto, der das Unternehmen Crumar 2008 wiederbelebt hatte. Es blieb hier allerdings bei 100 Exemplaren, deren Erlös teilweise ans Museo Del Synth Marchigiano ging. Mit dem Cherry Audio Spirit bahnt sich das seltene Instrument nun endlich seinen Weg in die Synthesizer-Community.
DETAILS
Cherry Audio Spirit – mehr Features als der Vintage-Synth
Auf den ersten Blick gibt sich der Crumar Spirit wie ein gewöhnlicher Monosynth. Es gibt jeweils zwei Oszillatoren, Filter und Hüllkurven – doch das täuscht. Cherry Audio bildet mit dem Spirit nicht nur jede bizarre Eigenart des Analog-Synthesizers nach, sondern erweitert ihn auch mit zeitgemäßen Features.

Die spannendsten Features des Spirits möchte ich an dieser Stelle gern einmal hervorheben. Besonders fasziniert haben mich nämlich die Voice Modes. Damit meine ich nicht den speziellen Mono-Mode mit Last-Note-Piority oder Unisono und Cycle, sondern insbesondere den inspirierenden Multi Voice Mode. Dieser Mode variiert die Parameter Pitch, Pan, Filter oder Hüllkurve pro Note. Von Stereo-Panning-Texturen über lebhafte tonale Phrasen per Arpeggiator bis zu Single-Finger-Chords reichen die Einsatzmöglichkeiten.
Mod X, Shaper Y und Matrix Z – Modulations-Abenteuer
Die Modulationsoptionen sind beim Cherry Audio Spirit nahezu „waffenscheinpflichtig“. Mit Mod X und Shaper Y verfügt das Plugin gleich über zwei Modulationssektionen. Mod X ist eine LFO/Clock-Quelle mit wählbaren Parametern, die sowohl den Sample-and-Hold-Generator als auch den Arpggiator steuern.

Der Shaper Y fungiert wahlweise als zweiter Modulationsgenerator oder VCA-Controller. Für lebendige musikalische Echtzeit-Performances ist der Cherry Audio Spirit mit drei Handrädern Pitch, Mod X und Shaper Y ausgestattet. Der Shaper Y Path ist ein richtig gutes Extra-Feature, da er die gleichen Oszillatoren und Noises plus Ringmodulation über den Audio-Mixer routet, ohne das Filter passieren zu müssen. So kreiert ihr ungewöhnliche Layerings oder Splits.
Per Matrix Z lassen sich bis zu 25 Quell- und 45 Zielparameter in einer Modulationsmatrix mit vier Slots verbinden.
Cherry Audio Spirit – Arpeggiator und Effekte
Der dynamische Arpeggiator des Cherry Audio Spirit wartet mit drei Modes auf: Ripple, Arp und Leap. Als Parameter kommen Swing, Chance und Feel hinzu – und fertig ist eine musikalische Inspirationsquelle, die ich bei leicht zufälligen Mustern schätze, aber auch gern für ein klassisches Auf und Ab verwende.

Anders als bei der originalen Hardware gibt es beim Plugin zwei verschiedene Effektketten mit einem globalen Effektmodulator. Zu den Filter/ADSR-Effekten gehören Distortion, Flanger und Chorus, Echo und Reverb. Envelope Filter, Dual Phaser, Flanger, Chorus und Echo stehen als Shaper-Y-Effekte zur Auswahl – übrigens reicht aktivieren hier nicht aus. Man muss den Audio-Mixer bemühen, um die Shaper-Y-Effekte hörbar zu machen.