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Beyerdynamic T 70 Test

Praxis

Verwendungszweck

Das kennzeichnende Merkmal geschlossener Kopfhörer ist die hohe Geräuschisolierung in beiden Richtungen. Hierbei erreicht der T 70 nicht ganz den Dämmungsgrad des Audio Technica ATH M50,  isoliert aber effektiv genug, um als Monitorkopfhörer eines Sängers in einer Aufnahmesituation Kopfhörerübersprechungen auf ein professionelles Maß zu reduzieren. Aufgrund seines – soviel vorweg – tendenziell analytischen Wiedergabecharakters eignet er sich auch auf dem Kopf eines Engineers oder Producers zum Mikrofonieren oder Beurteilen der Signalqualität während einer Aufnahme im gleichen Raum. Diese Art des Recordings scheint budgetbedingt und aufnahmephilosophisch immer populärer zu werden. Ein offener Kopfhörer würde aufgrund der kaum vorhandenen Isolierung keine korrekte Beurteilung des Mikrofonsignals zulassen und außerdem für zusätzliche Übersprechungen sorgen.
Laut Hersteller ist der eigentliche Einsatzzweck des T 70 der „Musikgenuss“. Anhand der Modelle T 1 und T 90 haben wir erkannt, dass sich bei der Tesla-Technologie Musikgenuss und Anwendungen in Editing, Mix und Mastering nicht ausschliessen, wobei geschlossene Kopfhörer in derartigen Anwendungen meistens etwas hinterherhinken. In verschiedenen Parametern ist dies auch beim T 70 der Fall, was den gewinnbringenden Einsatz in diesen Bereichen allerdings nicht ausschliesst, doch mehr dazu im speziellen Abschnitt „Klang“. Der Beyerdynamic T 70 ist ein sehr vielfältig einsetzbarer Kopfhörer!

Tragekomfort

In diesem Punkt haben geschlossene Kopfhörer gegenüber ihrer offenen Verwandschaft häufig das Nachsehen. Dies gilt nicht in gleichem Maße für den Beyerdynamic T 70, welcher definitiv zu den komfortabelsten seiner Art zählt, was an seiner baulich engen Verwandschaft zu T 90, T 1 und Co. liegt. Er besitzt die identische, weiche Kopfbandpolsterung wie der T 90 und hat ein insgesamt ungewöhnlich luftiges Gefühl für einen geschlossenen Kopfhörer, was wohl in erster Linie dem dezenten bis moderaten Anpressdruck der Ohrmuscheln zu verdanken ist. Lange Session? Kein Problem! Leichte Abstriche gegenüber den offenen und halboffenen Geschwistern muss man dennoch in Kauf nehmen. Während bei T 1 und T 90 die Ohren von den Ohrpolstern komplett umschlossen sind, ohne irgendwo aufzuliegen, berühren sie beim T 70 die ebenfalls gepolsterte Abdeckung zum Wandler. Dies ist kein Drama, aber im Direktvergleich nicht ganz so komfortabel. Hinzu kommt, dass das Material der Ohrpolster einen etwas geringeren Wellness-Faktor hat als bei den anderen, mir bekannten „Tesla-Modellen“, was mit Sicherheit den Klangeigenschaften und der Dämmfähigkeit geschuldet ist.
Beim Hören mit dem T 70 habe ich hin und wieder das Bedürfniss, den Sitz leicht nachzujustieren, was jedoch nicht komfort- sonder klangbedingt ist. Meines Erachtens hat der vergleichsweise geringe Anpressdruck und das nicht völlige Umschliessen der Ohren die Kehrseite, dass sich manchmal durch leichte Kopf- oder Kieferbewegungen Sound und Stereobild leicht verändern. Ich persönlich würde einen etwas höheren Anpressdruck in Kauf nehmen, um dieses Artefakt zu minimieren. Allerdings geht es hier um klangliche Nuancen, die während einer Aufnahmesession irrelevant sind, für differenzierte Mix- und Masteringanwendungen aber etwas störend sein können.

Die Ohrpolster des T 70 sind dünner als bei den Familienmitgliedern T 90 und T 1.
Die Ohrpolster des T 70 sind dünner als bei den Familienmitgliedern T 90 und T 1.

Klang

Neben diversen akustischen Experimenten (Sinus Sweeps, übliche DAW- und Mix- und Mastering-Tätigkeiten) habe ich einen stilübergreifenden Mix eigener und fremder Produktionen über den Beyerdynamic T 70 angehört und analysiert. Der Beyerdynamic T 70 wurde dabei für diesen Test an folgenden Systemen betrieben:

  • iPad 4
  • Apogee Duet2
  • SPL 2Control
  • Lake People G93
  • Teenage Engineering OP-1

Frequenzgang

In kürzerer Vergangenheit habe ich außerhalb meiner Tätigkeit für bonedo verschiedene Kopfhörer für den Eigenbedarf gecheckt, darunter auch geschlossene Modelle, welche von sich behaupten, linearer als linear und die ultimative Mix- und Mastering-Waffe zu sein. Es lebe das Rückgaberecht! Viele Kopfhörer disqualifizieren sich für derartige Anwendungen durch eine plumpe Basswiedergabe, die alles niederwalzt und eine Beurteilung des unteren Übertragungsbereichs sabotiert. Dieses Phänomen beschränkt sich definitiv nicht auf preisgünstige Modelle, von daher war ich etwas überrascht, den schlanken und analytischen Bass des T 70 zu hören. Meine Erwartungshaltung war definitiv eine andere. Die insgesamt analytische Frequenzabbildung ist für einen geschlossenen Kopfhörer bemerkenswert und erlaubt professionelle Eingriffe in das Klangbild. Der T 70 wird seine Fangemeinde finden, aber es wird auch Anwender geben, dessen Geschmack er nicht trifft. Er hat eine leicht nasale Abbildung der oberen Mitten und wirkt in Verbindung mit dem analytischen Bass ein wenig kühl.
Zurück zumTestobjekt: Als angenehm empfinde ich übrigens die dezentere Höhenabbildung im Vergleich zum offenen T 90. Zusammenfassend gehört der T 70 zu den wenigen mir bekannten geschlossenen Kopfhörern, die professionelle Klangbeurteilungen und Bearbeitungen begünstigen. Den Begriff „Ermöglichen“ habe ich hier gezielt vermieden, weil diverse Engineers mit meines Erachtens völlig ungeeigneten Kopfhörern fantastische Resultate erzielen, weil sie sich seit Jahren auf ihren Kopfhörer „eingeschossen“ haben.

Impulsverhalten

Dank der Tesla-Technologie können Beyerdynamics Modelle in dieser Kategorie allesamt auftrumpfen, denn dem Hersteller ist es gelungen, die herrschenden magnetischen Kräfte zu erhöhen – und die Membrane leichter zu machen. Der Qualitätssprung der Impuls- und Dynamikwiedergabe gegenüber „normalen“ Kopfhörern ist gewaltig und erreicht das Niveau hochwertiger, professioneller Studiomonitore. Kompressionsartefakte in der Wiedergabe, wie man sie teils von anderen Kopfhörern kennt treten bei Beyerdynamics Tesla-Modellen, somit auch beim  T 70, nicht in Erscheinung.

Räumliche Abbildung

Dieser klangliche Aspekt ist nicht unbedingtdie Paradedisziplin geschlossener Kopfhörer. Verglichen mit vielen anderen Modellen geschlossener Bauart ist die räumliche Abbildung und Lokalisation aber auf jeden Fall bemerkenswert. Verglichen mit hochwertigen offenen Kopfhörern, speziell den eigenen Geschwistern T 1 und T 90 fehlt es dann doch an Tiefenstaffelung, Luftigkeit und Wahrnehmung der Räume. Mit einem geschlossenen Kopfhörer wird man in dieser Klangkategorie wahrscheinlich immer einen Kompromiss eingehen, welcher im Falle des T 70 kein schlechter ist, aber dennoch ein Kompromiss. Zum Erreichen einer natürlichen Stereowahrnehmung profitieren nach meinem Empfinden geschlossene Kopfhörer mehr als offene von einer Crossfeed-Funktion, wie sie verschiedene Kopfhörerverstärker (wie der SPL Phonitor2)  an Bord haben.

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Profilbild von anselm

anselm sagt:

#1 - 21.08.2014 um 16:48 Uhr

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Ich habe ihn mit seinen Kollegen der Tesla-Serie (den fuer 950€ habe ich allerdings nicht gehoert) und dem DT 990 Pro ein paar Stunden ausprobiert.
Insbesondere diesen hier fand ich gar nicht gut, weil er fuer mein Empfinden komplett Bass-amputiert ist. Da ist einfach null Druck.
Der offene ist hier besser. Im Vergleich zum DT 990 Pro fehlt es auch dem offenen Modell in dieser Preislage (T-90 ?) noch an Bassdruck. Spass zu hoeren macht auch der nicht. Allerdings ist die Abbildung bei dem offenen Modell im Vergleich zum DT 990 Pro beeindruckend. Ich hatte den Eindruck, dass ich jetzt genau die Wellenform von Baessen greifbar hoere.
Kaufen wuerde ich aber keinen zu den Preisen, denn auch der offene klang fuer mich unausgewogen und die oberen Mitten bzw. Hoehen waren anstrengend-unangenehm (letzteres koennte moeglicherweise am Kopfhoererverstaerker gelegen haben (?) Das war ein Presonus Monitor-Controller).

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