Vestax VCI 300 im Bundle mit Serato Itch Test

Der VCI-300 ist dritter Spross der Vestax MIDI-Controller-Serie und wird mit integriertem Soundinterface und DJ-Software angeboten. Waren die zuvor erschienenen Geräte VCI-100 und VCM-100 noch Universal-Controller, haben Vestax und Softwarepartner Serato mit dem Nachfolger eine dedizierte Steuereinheit für die mitgelieferte Software Serato Itch produziert. Neben den sichtbaren physikalischen Unterschieden gibt es daher auch konzeptionelle zu den softwareliberalen älteren Brüdern. Easy Setup und User-friendly sind zwei Schlagwörter, mit denen das Ergebnis der Zusammenarbeit beworben wird. Ein All-in-One Baby also, das Installationsprobleme nicht zu seinem Sprachschatz zählt, nahezu selbsterklärend ist, beharrlich und stabil läuft und dazu für gute Laune in der DJ-Familie sorgt? Ob damit ein Traum wahr wird oder ob die Plug´n-Play Hochzeit für ein Trauma sorgt, soll unser Trauzeugen-Testbericht aufzeigen.

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Blick über den hochauflösenden Tellerrand

Vestax Erfolgstory begann 1977 in Japan mit der Produktion von E-Gitarren und Pre-Amps. Mitte der 80er Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt auf Recording-Tools und DJ-Equipment. Auch der erste DJ-Controller namens VCI-100 sorgte Mitte 2007 in der Szene für einiges Aufsehen. Adaptionen für die meisten DJ-Applikationen und Geräte-Modifikationen ließen nicht lange auf sich warten. Für den nun vorliegenden VCI-300 wurde eine Kooperation mit der noch jungen Firma Serato Audio Research, kurz Serato, geschlossen. Die neuseeländische Softwareschmiede verbuchte mit Serato Scratch Live, nicht zuletzt durch ein Bundle mit dem Profi-DJ Audiointerface Rane SL, einen ansehnlichen Erfolg und zog namenhafte Vinylisten wie Satoshie Tomiie, Woody, Sasha, Tomekk, Jazzy-Jeff oder Heiko Laux in seinen Bann. Warum Scratch so beliebt ist, bringt DJ Spinna auf den Punkt: “Pack it and roll”. Das sollte auch beim VCI-300 möglich sein und so brach Serato die Scratch Live Software auf ihre essenziellen Bestandteile herunter und Vestax passte die Controlleroberfläche – der Verkaufsschlager VCI-100 stand Pate – auf eben diese Funktionen an.

Dedizierte Geräte, mit Vor- und Nachteilen einer solchen Konzeption, sind im stark umkämpften Controllermarkt aus absatzpolitischen Gründen eher selten anzutreffen. Im Kampf um die vordersten Plätze in des Jockeys Gunst, muss sich der „VC-ITCH“ nicht nur den Mitbewerbern, sondern auch hauseigenen Konkurrenzprodukten stellen. Diese bekommen in Kürze mit dem Traktor-Pro-Controller TR-1 weiteren Zuwachs. Will man unbedingt mit Itch auflegen, so ist der gerade fertiggestellte, von Numark produzierte 16-kg-Koloss NS7 mit einem UVP von 1800 Euro eine recht kostspielige Alternative.

DETAILS

Mit einer UVP von 892 Euro liegt unser Testgerät 298 Euro über dem Vorgänger und ist eines der teuersten Geräte dieser Klasse. Obwohl im Semi- und Profibereich angesiedelt, könnte es aus vielerlei Hinsicht auch für andere Segmente durchaus ein Objekt der Begierde (Itch=engl. Verlangen, Begierde) sein. Durch das integrierte Audio-Interface braucht man schließlich nur noch Kopfhörer und Laptop anzuschließen – und ab geht die Post? Im Vergleich zu den silberfarbenen 100er-Versionen besticht der etwas größere, aus Aluminium gefertigte Vertreter mit einer schwarz glänzenden Kunststoff-Oberfläche und symmetrisch angeordneten, aber wenigeren Bedienelementen. Er wirkt damit nicht so überladen und hat mehr Luft. Die abgerundeten Ecken besitzen jetzt Stoßfänger, um eventuelle bilaterale Beschädigungen zu vermeiden und auch sonst wirkt er sauber verarbeitet und strahlt eine filigrane, bescheidene Robustheit aus. Schicket Ding. Dem Standard-Vestax-Checker Karton liegen außerdem noch das obligatorische Owners Manual, Aufkleber, USB-Kabel und ein Poliertuch bei, sowie die zum Betrieb erforderliche Software Itch von Serato. Mit nur knapp 20 Seiten ist das beigelegte Handbuch schnell gelesen und verinnerlicht. Vergleichsweise wenig, wenn man bedenkt, dass Traktor Pro´s Anleitung über 200 Seiten umfasst und die Deckadance Kurzeinführung es auf immerhin 30 bringt.

Itch liegt mit seinen Hardwareanforderungen im goldenen Mittelfeld. Der Test wurde auf einem Mittelklasse Dual Core AMD Notebook mit 3 GB RAM unter Windows Vista ausgeführt.
Itch liegt mit seinen Hardwareanforderungen im goldenen Mittelfeld. Der Test wurde auf einem Mittelklasse Dual Core AMD Notebook mit 3 GB RAM unter Windows Vista ausgeführt.

Wenn sich ein digitales DJ-System mit den Begriffen Easy Setup und User-friendly schmückt, erwartet man eine problemlose Installation und schlüssige Bedienbarkeit. Die Itch-CD startet selbstständig und sind Lizenzvereinbarung abgenickt und Speicherpfad angegeben, fordert das Programm bereits zum Verbinden der VCI-300 Hardware auf. Der Rest geschieht automatisch und ohne nennenswerte Vorkommnisse. Ich spiele sofort das 1.05 Update auf und nach einem Reboot ist das System “Ready-to-Go“. Die integrierte Updatefunktion liefert die aktuelle Softwareversion kostenlos und ohne Registrierung. Laut Serato soll das auch in Bezug auf Bugfixes und neue Funktionen so bleiben. Nun starte ich das Programm, ziehe einen Track ins virtuelle Deck, welches ihn on-the-fly analysiert und gleichzeitig Vorhören einschaltet. Dann schließe ich meinen Kopfhörer an, drücke PLAY und – jawohl, da ist Musik drin. Der Easy-Setup-Test ist bestanden und Installationsprobleme wird aus dem VCI-300-Vokabular gestrichen.

DIE SOFTWARE

Ein Spartaner fragt nicht wie viele, ein Spartaner fragt wo!
Die Einstellmöglichkeiten in Itch sind vergleichsweise schlicht. Da laut Herstellerangaben ein voneinander unabhängiger Betrieb der Soft- und Hardware nicht vorgesehen ist, gibt es keine individuellen MIDI-Mappings, Soundroutings oder Tastaturbelegungen. Die Preferences erlauben lediglich kleinere funktionale und kosmetische Anpassungen.

Fotostrecke: 2 Bilder Itch bietet fünf Einstellfenster, Traktor ganze neunzehn (click to enlarge).

Im Gegensatz zu Serato Scratch Live, das mit Schmankerln wie Loop-Roll, Live-Feed und Sample-Player aufwarten kann, bietet Itch eher grundlegende Funktionen. Dabei wirkt die Oberfläche der Software genauso aufgeräumt wie ihre Steuerungseinheit. Die Hälfte des Screens nimmt die Trackverwaltung ein. Den linken Teil belegen Ordnerliste, virtuelle Plattenkisten namens „Crates“ und das optionale Itunes-Menü. Importierte Dateien werden anhand ihrer ID3-Tags komfortabel nach Kategorien wie Genre, Artist, Album oder bpm sortiert. Eine temporäre Playlist, deren Titel nach Wiedergabe oder Programmende gelöscht werden, steht ebenso zur Verfügung wie die History bereits abgespielter Songs. Ihr Inhalt kann praktischerweise per Drag and Drop als Crate gespeichert werden. In der rechten oberen Hälfte kann der Benutzer bei Bedarf die 3-Band-EQs mit Trimfader und Pegelanzeige für den Mikrofon- und Aux-Eingang einblenden. Die jeweiligen Signale können vorgehört und dem Hauptmix oder einem der Crossfaderkanäle zugewiesen werden, lassen sich jedoch ausschließlich softwareseitig steuern.

Übersichtliche Trackverwaltung über Hardware-Shortcuts
Übersichtliche Trackverwaltung über Hardware-Shortcuts

Ein Peak sagt mehr als tausend Worte

Der untere Teil des Bildschirms beherbergt zwei Decks, die wesentliche Track-Informationen liefern. Die Linien in der Gesamtübersicht der Wellenform zeigen die Tracklänge an: Dünne graue Linien symbolisieren einen Zeitraum von jeweils einer Minute, dicke fünf. Itch spielt neben AIFF und WAV auch AAC und MP3, sowohl mit konstanter als auch variabler Bitrate ab. DRM-geschützte Titel können jedoch nicht wiedergegeben werden und auch die Dateien des Serato Whitelabel.net, einem kostenlosen Musik-Bemusterungs-Service, laufen nur in 32 kHz Mono. Für eine höhere Qualität ist Rane Hardware und Scratch Live erforderlich.

Hat man einen Track ins virtuelle Deck geladen, werden die Frequenzbereiche in einer durchgehenden Wellenform mit unterschiedlicher Farbgebung dargestellt. Blau signalisiert hochfrequente Signale, rot niederfrequente Töne des Bassbereichs, grün stellt die Mitten dar. In Übergangsbereichen entstehen Mischfarben. Diese Darstellung kann per Shiftklick gegen ein 3-Band-Spektrum ausgetauscht werden, welches den zuvor genannten Frequenzbereichen jeweils eine eigene Welle zuordnet. Zwischen den Decks zeigen zwei Felder die Transienten der laufenden Tracks an. Das Erste liefert eine optische Rückmeldung der Beatsynchronität. Der darunterliegende Bereich gibt durch verschiedenfarbige Signalspitzen Aufschluss über die Tempoübereinstimmung. Erst wenn die blauen und orangenen Peaks in einer vertikalen Linie übereinstimmen, ist das Tempo synchron. Die Idee ist nicht mehr ganz neu und die Felder sind für meinen Geschmack zu klein geraten, um auf größerer Distanz damit zu arbeiten. Die integrierte Recording-Funktion lässt sich leider nicht vom Controller steuern. Ziemlich nervig, gerade wenn man nicht den gesamten Mix, sondern mal eben kleinere Parts wie Scratcheinlagen für die Ewigkeit festhalten möchte. Die Datei landet zudem im Ordner für temporäre Aufnahmen und wird beim nächsten Mal überschrieben, falls nicht vorher manuell gespeichert wurde. Die Audiodaten werden ausschließlich als AIFF-Dateien in 16 Bit /44,1 kHz Stereo abgelegt. Das ist nicht mehr ganz zeitgemäß und nicht besonders komfortabel. Die Implementierung einer Autosave-Funktion mit Systemzeit und -datum sollte doch normalerweise keinen großen Programmieraufwand bedeuten.

Kunterbunte Wellen-Wellness ist Ansichtssache
Kunterbunte Wellen-Wellness ist Ansichtssache

Wie üblich bei DJ-Software-Lösungen ist eine vorherige Analyse der Dateien unerlässlich, wenn es nicht zum Stocken während des Apspielvorgangs kommen soll. Itch berechnet jeden Track auf einem separaten Prozessorkern. Das bedeutet, auf einem Quad-Core werden gleich vier Tracks auf einmal analysiert. Ungewöhnlich ist jedoch die Tatsache, dass vorher die Verbindung mit dem Controller unterbrochen werden muss. Bei laufendem Set wird die Funktion nicht angeboten und so ist selbst bei genügend Rechenpower keine Hintergrundanalyse im laufenden Mix möglich. Der undokumentierte Cuepunkt-Editor erscheint ebenfalls nur im Disconnected-Modus. Um einen Cuepunkt oder Loop zu speichern, wird der Track zunächst in den Editor geworfen. In der kleinen Wellenübersicht navigiert man mit der Maus relativ zügig aber ungenau. Für das Finetuning steht eine vergrößerte Ansicht zur Verfügung. Selbsterklärungstest bestanden? Was die Software angeht, nicht mit Glanz und Gloria, aber passabel.

Der integrierte Cuepunkt Editor liefert bis zu 3 Extra-Leben für Joe Loop
Der integrierte Cuepunkt Editor liefert bis zu 3 Extra-Leben für Joe Loop

DIE HARDWARE

Verbaute man im VCM-100 eine 16-bit-Maya-USB-Karte macht Vestax beim vorliegenden Modell kaum Angaben über die integrierte Hardware. Lediglich 4-Kanal 24 Bit /96 kHz Stereo werden offiziell genannt. Der Customer Service konnte leider auch keine weiteren Auskünfte geben. Das Audio-Interface klingt insgesamt gut, der Ausgangspegel ist allerdings etwas niedrig. Das letzte Softwareupdate 1.0.5 bringt daher eine Übersteuerungsfunktion für Kopfhörer und Mix mit. Für wenig Kabelwirrwarr auf dem Pult sorgt die durchdachte Positionierung von Ein- und Ausgängen. An der Rückseite befinden sich USB- und Netzteilanschluss, ein Switch für Stromspeisung und Einstellschrauben für die Empfindlichkeit des Touch-Sensors. Des Weiteren sind ein Chinch-Master und ein Paar 6,3 mm Master-Out vorhanden. Die separate Ausgabe der einzelnen Decks am externen Mixer ist von den Herstellern nicht vorgesehen. Der Aux-Eingang bekommt mit dem Emergency–Thru-Switch eine besondere Bedeutung. Dieser Notfallschalter soll zusätzliche Sicherheit bei einem Systemabsturz liefern und bietet außerdem die Möglichkeit, einen on-the-fly DJ- oder vielmehr Laptop-Wechsel ohne Musikausfall zu vollziehen. Wie das funktioniert? Zuerst muss der VCI-300 an ein externes Netzteil angeschlossen werden, damit die Stromzufuhr nicht unterbrochen wird. Dann wird eine Signalquelle der Wahl mit dem regelbaren Aux-Eingang verbunden. Obwohl ein Erdungsanschluss vorhanden ist, lässt sich kein Turntable betreiben. Sollte eines der zuvor genannten Szenarios eintreten, wird einfach der Switch betätigt. Mitgedacht liebe Hersteller, den Notfall-IPod darf man also getrost weiterhin mit sich führen.

Das Backpanel zeigt sich von seiner schönsten Seite (Click to enlarge)
Das Backpanel zeigt sich von seiner schönsten Seite (Click to enlarge)

Der vorderseitige Kopfhörerausgang ist für eine druckvolle Umgebung zwar nicht laut genug, liefert aber durchaus ein gutes Signal für leisere Clubs, Party oder Bars. Zudem lässt sich der Pegel des Ausgangssignals mit der Overdrive-Funktion anheben. Kleine Regler an der rechten Seite geben dem DJ die Option, Cross- und Linefader-Curve stufenlos einzustellen. Sollte sich Serato dazu entschließen, die Live-Feed Funktion von SSL 1.9, mit der man ein anliegendes Eingangssignal direkt auf den Teller mappen und somit scratchen könnte, durch ein Software-Update zu implementieren, würde der rechtsseitige Mikrofoneingang dem Gerät ungeahnte Kräfte verleihen.

Einstellbare Cross- und Linefadercurves - immer griffbereit
Einstellbare Cross- und Linefadercurves – immer griffbereit

Reduce to the max –  Profitieren durch Reduzieren?

Bot der VCI-100 mit seinen 48 zuweisbaren Buttons und 19 Potis die Gelegenheit, über 90 Parameter zu steuern, hat der VCI-300 dafür “nur” 40 Buttons und 11 Potis. Da Itch aber weder Effekte noch erweiterte Loop- und Cue-Funktionen besitzt, soll dies ausreichen. Insgesamt wirkt das Modell dadurch aufgeräumter. Die Steuerelemente sind zudem symmetrisch angeordnet. Na endlich, das hatte ich mir bereits beim Vorgänger sehnlichst gewünscht.

Der VCI-300 ist etwas größer, hat aber insgesamt weniger Bedienelemente.
Der VCI-300 ist etwas größer, hat aber insgesamt weniger Bedienelemente.

Es werden die gleichen Regler eingesetzt, die auch schon bei der VCI-100 Black-Edition ihren Dienst verrichteten. Sie sind etwas schwergängiger als die nicht gummierten, silberfarbenen Vorgänger-Modelle, lassen sich aber sehr präzise einstellen und vertiefen das Gefühl, man hätte es mit einem durchdachten, robusten und stabilen System zu tun. Jeder der beiden Kanalzüge besitzt Regler für 3 Band-EQ und Trim. Killswitches hätten dem System meiner Meinung nach gut getan, sind aber leider nicht vorhanden. Master- und Monitor-Level sowie Monitor-Select belegen je einen weiteren Regler. Der EQ ist auf +/-6 dB (Cut/Boost) voreingestellt, alternativ kann softwareseitig auf +/-12 dB umgeschaltet werden. Drei separate Knöpfe geben Direktzugriff auf CRATES, FILES und BROWSE. Ein Clickwheel ersetzt die Maus und ermöglicht eine schnelle Navigation in den Tracklisten. Darunter sind Buttons zum Vorhören und Laden der Tracks arrangiert. Eigentümlich ist die Censor-Taste. Der bezeichnende Name „Zensur“ beschreibt den Wiedergabemodus. Anders als sonst üblich, wird nach Loslassen der Taste nicht vom momentanen Punkt weitergespielt, sondern der Track an der Stelle fortgesetzt, an der er sich ohne Tastendruck befunden hätte. Der Zeitraum dazwischen wird also übersprungen – Verzeihung, zensiert – erst mit zusätzlich aktivierter Shift-Taste steuert man das Standard-Reverse. Mit etwas mehr als der oberen Hälfte ist die Loop-Sektion angenehm großzügig ausgefallen. Serato Itch verfügt über eine Auto-Loop-Funktion, die jedoch mit Vorsicht zu genießen ist, wie wir im Video noch sehen werden. Nur die Auto-Loops können mittels Half-/Double Buttons in einem Wertebereich von 1/8 Beat bis 32 Beats verändert werden. Statt automatisch, kann man pro Track bis zu drei Loops oder Cues auch ganz einfach per Taster manuell anlegen. Die Cuepunkte unterliegen unterschiedlicher Farbgebung und sind daher auch in dunkler Umgebung immer gut zu unterscheiden. Mittels SHIFT sind sie ebenso leicht direkt am Controller löschbar.

Die Loopsektion als kleine Spielwiese für Knöpfchen-Könige
Die Loopsektion als kleine Spielwiese für Knöpfchen-Könige

Ein Markenzeichen des VCI-300 sind die case-sensitiven und hochauflösenden 14-Bit Jog-Dials. Mit ihren 130 mm Durchmesser sind sie nicht nur griffiger, sondern auch noch 10 Prozent größer als beim Vorgänger. Der voreingestellte NUDGE-Modus dient dem Pitchbending. Im SCRATCH-Mode hat man immer noch die Chance, den Track durch seitliches Anschubsen des virtuellen Plattentellers kurzzeitig zu beschleunigen. Zum Scratchen hingegen fasst man oben auf die Scheibe. SHIFT liefert zusätzlich schnelles Scanning im laufenden Track. Ob das jeweilige Manöver erfolgreich war, zeigt ein LED-Farbwechsel an. Die Jog-Dials sind schön leichtgängig und haben ein gutes Bremsverhalten. Ihr Widerstand kann lobenswerterweise durch ein Rädchen stufenlos reguliert werden. So kann man das Dial dem eigenen Scratchverhalten anpassen und bei Bedarf so einstellen, dass es kaum noch nachdreht. Bravo. Fester anziehen macht übrigens auch bei stärkeren Umgebungsvibrationen Sinn. Unter den Jogs-Wheels sind zwei besonders große, gut beleuchtete Cue- und Play-Tasten eingelassen. Leider sind sie etwas wackelig und der Druckpunkt ist etwas schwammig. Mit Ausnahme des 45-mm-Crossfaders haben alle Fader am Gerät 60 mm Länge, zudem unterstützen sie hochauflösende 14 Bit. Wie man es von den Vestax-Mixern bereits gewohnt ist, sind sie zudem angenehm leichtgängig, überhaupt nicht wackelig und sehr präzise. Da können sich einige Hersteller ruhig mal was abgucken. Die Linefader verfügen nun zusätzlich über LED-Ketten, die für Übersicht bei der Pegelangleichung der Kanäle sorgen. Laut Herstellerangaben haben die Wheels und Fader eine viermal höhere Auflösung als beim VCI-100. Im Zusammenspiel mit der Software erreichte der Pitch eine Auflösung von 0,1 % oder 0,03 bpm. Das sollte genügen. Zusätzlich bremsen oder beschleunigen die seitlich angebrachten PITCH-SHIFT Buttons den Track bei Bedarf. Im Hinblick auf Übersichtlichkeit und Handling ist unser Testkandidat einer der besten Controller am Markt. Die Verarbeitung hat Champions-League-Niveau. Beim VCI-300-Konzept spielt allerdings auch das mitgelieferte Itch eine große Rolle – in guten wie in schlechten Zeiten. Itch dürfen natürlich auch Keylock, Quartzlock, eine automatische Tempoanpassung und Beatsync nicht fehlen. Bei einer Software mit Profi-Ambitionen Grund genug, diesen im folgenden Praxisteil genauer auf den Zahn zu fühlen.

Blick über den hochauflösenden Tellerrand
Blick über den hochauflösenden Tellerrand

PRAXIS

Itchy-Pitchy oder Teenie-Weenie? Kann das Bundle im Praxistest überzeugen?

Der regelbare Mikrofoneingang des VCI-300 kommt unter Traktor Pro zu weit größeren Ehren als unter Itch. Ein angeschlossenes Audio-Technika ATM33a Kondensatormikrofon wurde per Audio-Through Deck C zugewiesen und dieses dann mit der Mixer-Sektion und den beiden Effektbänken bearbeitet. Ein zusätzlich angeschlossener Nano-Kontroller von KORG übernahm hier die FX-Steuerung, und siehe da: Plötzlich kamen ungeahnte Jam-Master-Qualitäten beim Autor durch. Sie sind allerdings noch nicht ausreichend trainiert, um einem größeren Publikum vorgestellt zu werden. Mit zusätzlichen Streaming-Plugins wie edcast ist es außerdem möglich, das Mixsignal abzugreifen und es entsteht eine On-air-in-a-box-Lösung für Webradios. Schöner wäre aber sicherlich die Integration einer Broadcast-Lösung in Itch. Das Audiointerface des VCI-300 klingt gut, der Ausgangspegel ist allerdings ein wenig niedrig augefallen. Die Hersteller haben darauf reagiert und liefern mit dem Softwareupdate die Overdrive-Option. Das so im Pegel angehobene Signal wurde zu Testzwecken in vier Schritten angehoben und aufgezeichnet, mit dem Ergebnis, dass die Overdrive-Funktion den Ausgangspegel um maximal um 10dB anhebt.

Audio Samples
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Overdrive

Wenn Mickey Mouse auf Barry White trifft

Beim Pitchen eines Tracks kommt es zu Tonhöhenverschiebungen. Beschleunigt man einen Song sehr stark, tritt bekanntermaßen der Mickey Mouse Effekt auf. Serato offeriert mit  Pitch’n Time eines der hochwertigsten Timestretch- und Pitchshifting-Plugins. Das macht natürlich neugierig auf die in Itch eingebettete Lösung. Der Pitch-Shifter ist in der Lage, den Track maximal um 100 Prozent zu beschleunigen, oder ihn um 50 Prozent zu verlangsamen. Im Audiobeispiel wird der Track in zwölf Schritten, um jeweils weitere 6 Prozent verändert.

Audio Samples
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Pitchshifter Up Pitchshifter Down

Der nächste Abschnitt nimmt die Keylock-Funktion etwas genauer unter die Lupe. In beide Richtungen hört man bei etwa 10,0 % bereits deutliche, ab 20,0 % erhebliche Artefakte. Bei einem Wert von circa 50 % steigt der Keylock aus.

Audio Samples
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Keylock Tempo Down Keylock Tempo Up

Riverdance zu Zweit -Temposync und Beatmatch

Die Automatische Synchronisation des Tempos läßt schon mal heftige Diskussionen im DJ-Lager aufkommen. Von Segen bis Pest reicht die Spannweite der Meinungen. Unabhängig davon, richtet sich die Feinheit der Synchronisation nach der Qualität der internen Analyse. Nur in Ausnahmefällen ist man besser beraten, den Wert von Hand einzugeben. Die interne Tempoanalyse von Itch ist zuverlässig und hat im Test nicht daneben gelegen. Die Temposynchronisation geschieht auf Knopfdruck und lässt sich ebenfalls wieder abschalten, um zum Originaltempo zurückzukehren. Auch beim Beatmatching wartet das Programm mit einer akzeptablen Leistung auf. Leider ist kein Sync-Lock vorhanden und somit ist in Ausnahmefällen manuelles Nachsynchronisieren von Nöten. Grundsätzlich bleiben die Beats selbst bei extremen Wertveränderungen von 50 % bis 100 % im Takt.

Obwohl Itch AUTO-LOOP besitzt und die meiste Zeit korrekte Loops platziert, sind auch hier seltene Patzer nicht ausgeschlossen. Etwas schwieriger gestaltet sich der Umgang mit manuellen Loops oder Cue Points. Quantisierungs-Einstellungen sind nicht vorhanden und so geht hier selbst bei eingeschaltetem Temposync und Beatmatch häufiger was schief. Meiner Meinung nach, spielt man hier neuseeländisches Roulette. Manuelle Loops im Set – gerade Beats – sind absolut mit Vorsicht zu genießen. Sinnvoller ist es, sie vorher im integrierten Editor anzulegen. Einmal angelegt, kann man sie dann bequem mit den Tasten am Gerät antriggern. Für eine sehr gute Übersicht und wider gelegentlichen Verdrückens sind die Cuepunkte einer Sektion in unterschiedlichen Farben beleuchtet. Das ist praktisch und sieht gut aus.

Scratch me up – but make it funky

Ist die technoide Seite meines Herzens nahezu resistent gegen Scratch-Attacken jeglicher Art, so kann sich die House-Hälfte gegen vereinzelte Versuche mit Schallplatte oder Timecode nie richtig wehren. Durch den Einzug der ersten Controller-Generation und ihrer anfangs noch hakeligen, kleinen Jogs kam allerdings beim Scratchen nie richtig Freude auf. Beim Itch gab es plötzlich wieder ein lang vermisstes Zucken in der rechten Hand, dem ich instinktiv nachgehen musste. Den Berliner Breakbeat-Kollegen Arson hat dies naturgemäß noch heftiger befallen. Hier ist sein Statement, dem ich mich 1:1 anschließen kann:

„Wenn man wie ich von den Turntables kommt und zudem das erste Mal einen MIDI-Controller einsetzt, ist es am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig. Dennoch muss ich sagen, dass mich der VCI-300 begeistert hat. Einige Techniken lassen sich zwar nicht so leicht umsetzen und man hat einfach weniger Spielraum für Moves, doch von der Dynamik und vom Grip ist das Gerät klasse und nahe am Turntable. Richtig gut gefallen hat mir die Option, die Jog-Dials genau nach meinen Wünschen zu justieren. Weil alles näher zusammenliegt, bietet sich mir nun auch eher die Chance, ein wenig Klangmanipultion mit ins Set zu packen. Wenn man eine gewisse Affinität für Knöpfchen mitbringt, ist das Teil definitiv einen Versuch Wert. Und ja, mann kann damit Scratchen.“

 Der VCI-300 als Fremdsprachenkorrespondent?

Dass Itch nicht vorgesehen ist, um mit anderer Hardware zusammenzuarbeiten, schränkt den Käuferkreis und die Verwendung unnötig ein. Mir persönlich gefällt das aufgeräumte Layout des VCI-300 sehr gut, doch aufgrund der limitierten Anzahl an Buttons und gerade Potis, tut sich der Controller mit effektlastigen Programmen wie Traktor, Deckadance oder VDJ schwerer. Mehrfachbelegungen sind hier an der Tagesordnung und man kann schnell den Überblick verlieren. Wer sich dennoch dazu entschließt, der muß oftmals auf die hochauflösenden Jogs und Fader verzichten. Für Nutzer von TS-Pro gibt es einen Patch, der die HD-Daten zwar konvertiert, aber trotzdem präzise wiedergibt. Weder Vestax noch Serato liefern ASIO-Treiber mit, sondern verwenden nach eigenen Angaben generische System-Treiber. Also muss Asio4All wieder mal in die Bresche springen. Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss, inwieweit Fremdsoftware unterstützt wird.

 

ITCH

TS-Pro

Deckadance

VDJ

Cue5

Buttons

ja

ja

ja

ja

ja

Potis

ja

ja

ja

ja

ja

Jogs

ja

ja

ja

nein

nein

Fader

ja

ja

ja

nein

nein

Midimapping

Nativ

Learn

Learn

Bomes

Bomes

Out1

1/2

1/2

1/2

1/2

1/2

Out2

1/2

1/2

1/2

1/2

1/2

Headphone

3/4

3/4

3/4

3/4

3/4

Aux-In

ja

ja

ja

nein

nein

Mic-In

ja

ja

ja

nein

nein

Mithilfe des Asio4All Treibers kann man die MIDI-LEARN fähigen Programme zumeist gut steuern. Bei VDJ und Cue5 ist zusätzlich Bomes-Midi-Translator einzusetzen. Wenn man mit einem externen Mischpult arbeiten will, muss man wohl oder übel den Kopfhörausgang als zweiten Kanal verwenden, da die rückseitigen Ausgänge geklont und somit nicht in der Lage sind, zwei unterschiedliche Streams abzuspielen. Dann wäre aber immerhin die Klangregelung am Gerät zur Steuerung anderer Parameter frei. Für effektlastige Programme ist der VCI-300 für mich daher nur zweite Wahl.

FAZIT

Kiwi-Sushi-Traumfabrik?

Der VCI-300 ist als spezieller Controller für Serato Itch konzipiert. Unter diesem Gesichtspunkt kann man nur sagen, dass er eine solide und ergonomische Grundlage zur Volksbespaßung bietet. Installation und Bedienung sind ausgezeichnet, die Verarbeitung ist hochwertig, da kommt Freude im DJ-Team auf. Lediglich der Funktionsumfang der Software ist etwas schlicht. Effekte, Filter, erweiterte Recording- oder gar Broadcasting-Funktionen fehlen dem Programm gänzlich. Gerade das macht ihn aber interessant für jene Nutzer, die sich nicht erst durch Dutzende von Einstellungen hangeln und nächtelang Handbücher studieren wollen. Die Ähnlichkeit zum Namensvetter VCI-100 ist nicht zu übersehen, jedoch wurden Jogs und Fader verbessert, die Anzahl der Bedienelemente reduziert und alles übersichtlich arrangiert. Erstkäufer und Verkabelungsfeinde dürfte die Kombination aus Midi- und Soundinterface ansprechen. Der Ausgangspegel hätte ruhig etwas höher ausfallen dürfen, klanglich gibt es jedoch nichts zu beanstanden. Mobile Virtuosen schätzen die robuste Konstruktion. Wer auf reichhaltigen Softwareumfang verzichten kann, bekommt mit dem VCI-Itch ein stabiles System. Für Serato Scratch Live User ist das alternative Set vor allem interessant, weil gespeicherte Cuepunkte und Loops beim Austausch erhalten bleiben, auch wenn leider keine Quantisierungsoptionen angeboten werden. Scratcher werden den Grip der vinylnahen, hochauflösenden Dials mögen. Moderatoren und MCs steht außerdem ein Mic-Eingang zur Verfügung. Zudem arbeiten Vestax und Serato gerade an einer Effektsektion, nebst separater Steuereinheit. Stichwort „Vestax VFX1“. Der VCI-300 ist zwar kein Schnäppchen, zu einem Straßenpreis von knapp unter 700 Euro bekommt man jedoch eine leistungsfähige All-in-one-Lösung in edlem, zeitlosen Design. Was die Unterstützung alternativer Software angeht, sicherlich wäre da auch mehr rauszuholen, jedoch: Meine Senseo Kaffeemaschine besitze ich aus einem bestimmten Grund: Einschalten, Pad einlegen, Knöpfchen drücken – fertig. Sahnehäubchen mit Schokosplitter mag ich persönlich nicht – und Kaffeekapseln wollte ich da auch noch nie Einlegen.

In diesem Sinne ist die DJ-Tätigkeit mit Itch ein fast vollendeter Genuss.
UVP: 892 EUR

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Plug-and-Play Konzept
  • Verarbeitung
  • Robustes Gehäuse
  • Design und Handling
  • Justierbare Jog-Dials
  • Leichtgängige Fader
  • Sehr genaue Potis
  • Hot-Cue und Auto-Loop Buttons
  • Direktzugriff auf Crates
  • Integriertes Sound-Interface
  • Clickwheel Navigation
  • Multi-Core Analyse
Contra
  • Keine Quantisierungsoption
  • Kein Sync-Lock
  • Fehlerhafter Auto-Loop
  • Keine Effekte
  • Unvollständige Dokumentation
Artikelbild
Vestax VCI 300 im Bundle mit Serato Itch Test
Für 399,00€ bei
Technische Daten Hardware
  • 4-Kanal Soundinterface
  • 2 x hochauflösende Jogdials
  • 4 x 60mm Linefader
  • 1 x 45 mm Crossfader
  • 40 Buttons
  • 11 Potis
  • 90 einstellbare Parameter
  • einstellbare Crossfadercurve
  • einstellbare Linefadercurve
  • Justierbarer Jogwheelwiderstand
  • Kanal LED-Ketten
  • Emergency Thru Switch
  • Anschlüsse: USB Port (Bus powered), 1 x Mikrofon-Eingang, 2 x AUX-Eingang, 1 x Kopfhörerausgang, 2 x Master Out (Cinch), Netzteilanschluß: DC 9V – 500mA (optional)
  • Maße: B410 x H51 x T275 mm
  • Gewicht: 3,2 Kg
Features Serato Itch
  • 2 Decks mit Wellenform und virtuellen Plattentellern
  • Kompatibel zur Scratch Live Library, Loops und Cue-Punkte
  • Unterstützt Itunes
  • Auto BPM
  • Cue-Punktspeicher
  • Manuelle und Autoloop Funktion
  • Musik Library mit Backup Funktionen
  • Aufnahme-Funktion
  • Unterstützte Formate: AIFF, WAV, MP3 und AAC
  • Integriertes Update Programm

Minimale Systemvoraussetzungen der Software:

Mac
– G4 1.5 GHz processor or better.
– 1 GB RAM.
– OSX 10.4.11 oder höher.
– USB Port

Windows XP
– Pentium 4, 2 GHz oder besser
– 1 GB RAM.
– Service Pack 2 oder höher
– USB Port

Windows Vista

– Intel Core Duo 1.6 GHz Processor oder besser
– 1 GB RAM.
– Service Pack 1 oder höher

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