Die Zeiten, in denen DJs lediglich zwei Tracks in- bzw. hintereinander mixten, sind bekanntlich lange vorbei. Bereits Ende der 70er Jahre etablierte die “Wild Pitch”-Fraktion durch umfangreichen EQ-Einsatz das “Verbiegen” des benutzten Audiomaterials. Dieser Trend ging weiter. Einige DJ-Mixer verfügen bereits seit über 10 Jahren über eine eingebaute Multieffekt-Sektion… CD-Player bieten die Möglichkeit, zu loopen und beliebig „On-the-fly“ durch Audiofiles zu steppen. Spätestens seit der Etablierung von DJ-Software und der damit einhergehenden Laptop-Flut an den Arbeitsplätzen der DJs sind die Protagonisten hinter den “Decks” einen großen Schritt in Richtung Live-Remix gegangen. Die Möglichkeiten der digitalen Welt sind mannigfaltig.
Auch das mir vorliegende Gerät, der Restyler, ermöglicht die Live-Modulation von Audio-Material – geht dabei jedoch einen ganz anderen… einen alten Weg. Zusammen gestellt aus Bauteilen, die auch einem klassischen Synthesizer gut zu Gesicht stünden, verpackt in ein Stahlgehäuse und komplettiert mit Fadern, Tastern und Reglern, die mich vermuten lassen, hier könnte auch schweres medizinisches, wenn nicht gar militärisches Gerät vorliegen. Anders gesagt: Der Restyler ist hammermäßig verarbeitet und verdient das Label „Heavy Duty“.
Alle Bedienelemente fassen sich gut an, sowohl Fader als auch Drehregler haben eine stark definierte Mittelrasterung. Es gibt keine Untermenüs oder Shift-Tasten. Die Funktionen der einzelnen Regler sind klar definiert. Dennoch – ohne einen Blick in das Manual erschließen sich nicht gleich alle Funktionen des Restyler auf den ersten Blick… was kann er denn nun? In einem Satz : Der Restyler ist ein Multimode-Filter mit Envelope-Follower und ermöglicht die dynamische Modulation der einzelnen Filter-Amplituden und der Frequenz.
Hier ein erstes Klangbeispiel. Grundlage ist ein eintaktiger Loop der zuerst trocken zu hören ist. Dann wird das Filter manuell- und im Anschluss die Filterfrequenz in Abhängikeit des Eingangs-Signals moduliert.
Der hohe Verarbeitungs-Standard empfiehlt den Einsatz des Restylers sowohl im Studio als auch mobil – inwiefern spielen die Masse und die Bauart des Teils eine Rolle?
Mit 22 x 17 cm Stellfläche und einer Höhe von 11,5 cm ist der Restyler für ein Studio-Gerät als handlich zu bezeichnen. Zwei Restyler lassen sich durch mitgelieferte Rackmounts nebeneinander in ein 19“ Rack schrauben. Sogar das Netzteil wurde mit Bohrungen für ein fixes Verschrauben versehen. Hier stehen die Zeichen auf „Festeinbau“.
Etwas anders sieht es beim mobilen Einsatz aus, denn durch die Bauhöhe nimmt das massive und knapp 2 kg schwere Gerät beispielsweise in einer Plattentasche viel Platz weg. Zwar läßt er sich neben CD-Spielern, Turntables und Laptop auf einem Bühnentisch gut unterbringen und vor allem durch die perfekt zum Anwender hin gerichtete Oberfläche gut bedienen, Transport-seitig nimmt er durch sein Format allerdings vergleichsweise viel Platz weg.
Die Oberfläche lässt sich grob in drei Sektionen unterteilen:
In & Out Im oberen Bereich liegen die Eingangsverstärkung (lässt sich bis in die angenehme Verzerrung fahren), ein Output Gain, ein Dry/ Wet-Regler und ein Latch-Schalter. Letzterer ist genau genommen eine Kombination aus Schalter und Taster. In Mittelstellung steht der Restyler komplett auf „Bypass“, kippt man den Schalter nach oben wird das Filter aktiviert. Bewegt man den Schalter nach unten, rastet er nicht ein, sondern lässt sich ähnlich einem Morsegerät (o.k., die wenigsten von uns haben bislang gemorst, aber alle wissen was gemeint ist 🙂 ) bedienen. Dies erlaubt es, das gefilterte Signal kurzfristig zu aktivieren – lässt man den Schalter los, schnellt er sofort wieder in die Bypass-Funktion zurück. Vor allem im Live-Betrieb ist dies ein nützliches Feature, welches ich seit der Pioneer EFX-Reihe nicht mehr gesehen habe.
Dynamische Modulation Im mittleren Bereich des Restyler befinden sich primär die Regler, die den Envelope-Follower- und dessen Effekt auf das Filter beeinflussen. Ein Envelope-Follower analysiert das anliegende Audiosignal und leitet daraus ein Steuersignal ab, welches hier zur positiven oder negativen Modulation des Filters oder des Amplifiers genutzt wird. Kurz gesagt: Hier wird die Auswirkung des eingehenden Signals auf die Cutoff-Frequenz und die Lautstärke geregelt. Je ein Poti ermöglicht die Einstellung für die Empfindlichkeit und die Geschwindigkeit, mit der der Follower reagiert. Ein dritter bietet zusätzlich eine Wellenform-manipulierte Arbeitsweise die das Filter von „smooth“ (Sinus) bis „abgehackt“ (Rechteck) beeinflusst.
Die drei mittig plazierten Drehregler geben vor, wie stark die Modulationen auf die Lautstärke der drei Frequenzbänder (LOW / MID / HIGH) einwirken. Jedes Band kann wahlweise positiv oder negativ moduliert werden.
Beispiel: Liegt ein Drumloop an, generiert der Envelope Follower hieraus ein Signal – sagen wir bei der Kickdrum – nun könnte ich bei jedem Kick das Filter im unteren Frequenzbereich aufgehen, im mittleren komplett dichtmachen und im oberen leicht modulieren lassen.
Händische Modulation Neben der dynamischen Modulation darf sich der glückliche Besitzer eines Restyler natürlich auch an den großen Frequenz-Drehreglern austoben. Der rechte der beiden gibt immer die Kennfrequenz an, mit der das Filter (wahlweise im Lowpass-, Bandpass- oder Highpass-Mode) arbeitet und ist somit wohl der meist genutzte Regler am Gerät. Der linke große Regler bietet je nach Modus zwei Einstellmöglichkeiten. In den meisten Fällen selektiert er den Frequenzbereich, in dem der Envelope-Follower sein Signal abgreift, das heißt: hier wählt man aus, ob die dynamische Modulation eher von der anliegenden Kickdrum, den Snares oder lieber den HiHats gesteuert wird. Im zweiten Modus nimmt dieses Poti die Funktion eines Cutoff-Frequenzreglers ein, nämlich dann, wenn der Restyler im 24 dB LP-Modus läuft. Ein Filter mit zwei Cutoff-Frequenzen kannte ich so noch nicht, bietet aber interessante Möglichkeiten und klingt so:
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24 dB LP-Modus
Hier läuft der Restyler im 24 dB LP-Modus. Alle Modulationen sind händisch, der Envelope-Follower ist deaktivert. Es werden nur die beiden großen Filterfrequenz-Regler benutzt. Das Beispiel zeigt den schönen Klang des Filters und belegt, dass zwei gleichzeitig aktivierte Lowpassfilter gut zusammen passen.
Der Restyler arbeitet wahlweise in zwei verschiedenen Filter-Modi: 24 dB oder 12 dB. Umgestellt werden diese Flankensteilheiten der Filterbereiche mit den beleuchteten quadratischen Buttons über den Fadern. Im gedrückten Zustand leuchtet der Schalter gelb und signalisiert so den 24 dB-Modus.
Apropos Beleuchtung: Nicht nur aufgrund der klar gegliederten und haptisch perfekten Bedienelemente lässt sich mit dem Live-Filter gut arbeiten. Farbige LEDs geben zudem sehr klar Auskunft darüber, was gerade im Inneren des Gerätes vorgeht. Angefangen bei der roten Eingangs-LED, die anzeigt, ab wann das Signal übersteuert und somit angezerrt wird, über die gelbe Ausgangs-LED, die für die Sättigung des Signals steht, bis zu den grünen Envelope-Follower-LEDs, die die rhythmische Modulation optisch vorwegnehmen. Ebenfalls sehr beeindruckend sind die Leuchtringe, welche die beiden Frequenz-Regler umgeben. Alles was grün leuchtet, steht für die Modulations-Frequenzen, die Masterfrequenz wird blau illuminiert – selbstverständlich ebenfalls im entsprechenden Rhythmus. Akustik und Optik finden hier mit relativ einfachen Mitteln gut zusammen.
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Loop 1Loop 2
Loop 1: Ein eintaktiger Loop. Erst werden die drei Frequenzbänder (mit den Fadern) manuell ein- und ausgefahren danach wird der Hochpassfilter per Amplitudenmodulation gesteuert und die LP- & BP-Frequenzen „herausgedreht“. Gegen Ende Zuführung des Originalsignals durch den Dry/Wet Regler.
Loop 2: Zweitaktiger Loop mit Streichern, läuft zweimal trocken durch. Die oberen Mitten des Loops werden benutzt, um den HP-Filter des Restylers zu modulieren. Die Veränderungen werden durch die FM-Tiefe und manuelle Filterbewegungen erzielt. Auch wenn wir die Bässe manuell komplett „wegfiltern“, kommt die dynamische Modulation des HP-Filters noch schön durch.
Vieles was Spaß macht, birgt auch Gefahren… Die beiliegende Bedienungsanleitung weist mehrmals darauf hin, dass der Restyler mit Vorsicht zu handhaben ist, da die Resonanz bis zur Selbst-Oszillation sehr schnell den Ausgangspegel und die Frequenzen in Bereiche bringt, die sowohl für die angeschlossene Anlage also auch für den Benutzer und andere Hörer kritisch werden. Das kann ich voll und ganz bestätigen. Ich verziehe jetzt schon schmerzhaft das Gesicht bei der Vorstellung daran, dass irgendwo auf der Welt ein Restyler hinter den Master-Ausgang eines DJ- Mixers im Club gehangen wird.
Wenn ich darüber nachdenke bin ich fast sicher, dass nicht nur Rodec, Sherman und die Händler ihre Geschäfte mit dem Restyler machen.. auch diverse HNO-Ärzte und Hörgeräte-Akustiker werden Zulauf bekommen. Der Frequenzbereich des Gerätes wird von Sherman übrigens mit 15 Hz bis 39 kHz angegeben. VORSICHT! Das Teil ist wirklich heftig.
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Eigenresonanz
Ebenfalls ein eintaktiger Loop. Hier wird die Eigenresonanz demonstriert. Nach drei „trockenen“ Durchläufen erhöhen wir die Resonanz und verändern dann die Trigger-Sensitivität und -Geschwindigkeit. Später noch die FM-Tiefe und die Trigger-Frequenz.
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Wer moduliert was?
Grundlage ist ein eintaktiger Loop. Zuerst wird er trocken abgespielt, nach zwei Durchläufen langsam auf „Wet“ gedreht. Das Eingangsignal moduliert die Lautstärke des Bandpass-Filters. Dieser läuft erst alleine, dann wird das LP-Signal zugegeben, bleibt aber unmoduliert, die Resonanz wird erhöht. Schön zu hören, wie der untere Frequenzbereich stabil bleibt, während die oberen Mitten so moduliert werden, daß man fast vergessen könnte, daß es sich hier um einen kurzen Loop handelt. Die FM Modulation wird verändert und man hört gegen Ende deutlich, wie schnell man in Verbindung mit hohen Resonanzen den Pegel unschön anhebt.
DJ-Effektgerät? Der Restyler wird als Live-DJ-Effektgerät beworben, dem kann ich nur bedingt zustimmen. Mit nur einem Stereo-Line Eingang ist er für geschätzte 80% aller DJs nur schwer live einzusetzen. Schwer vorstellbar, dass man mit dem Restyler unter`m Arm im Club aufläuft und diesen während des laufenden Betriebes an den Main-Out des DJ-Mixers anschließen darf. Für DJs die mit Serato, Traktor Scratch oder ähnlichem auflegen, lässt er sich natürlich an einem der beiden Kanäle betreiben, richtig rund wäre das also nur, wenn man sich zwei Restyler leisten kann. Für Vinyl-DJs bietet der Restyler keinen direkten Phono-Anschluss. Im Grunde genommen können ohne Weiteres nur Digital-DJs, die in der Software Mixen und mit nur einem Stereo-Out an den Hauptmixer gehen den Restyler live sinnvoll in Szene setzen.
Hier also die Bitte an den Hersteller: um das Gerät im Club wirklich sorgenfrei einsetzen zu können, brauchen wir zwei Stereo-Ins mit einem Crossfader – und das am besten auch mit eingebauten Phono-Verstärker. 🙂 Danke!
Aber: im Studio / beim Produzieren ist der Restyler wirklich eine Macht die durch einen eigenen Sound und weitreichende Modulationen den eigenen Sound überraschend erweitert. Wohl dem, der ihn sich leisten will und kann.
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Acid-Loop
Ein eintaktiger Acid-Loop. Das Original-Signal läuft (über Dry/Wet) immer mit. Mit der Trigger-Frequenz suche ich erst die Kick des Signales und moduliere damit die Filterfrequenz welche ich per Bandpassfilter ausspiele. Die Trigger-Frequenz geht dann langsam von unten nach oben, FM-Mod wird hochgedreht. Bei 0:55 drehe ich das Originalsignal kurz weg. Der Restyler zeigt hier, dass er einem eher langweiligen Loop neues Leben einhaucht.
Ein abschließendes Urteil führt unweigerlich zu einem Punkt, der neben dem Klang und der grundsätzlichen Verarbeitung, ein wichtiges Kaufkriterium bildet… dem Preis. Man ahnt es schon: Günstig ist der Restyler nicht. Im Gegenteil – mit einer UVP von 649,- und einem Strassenpreis, der sich knapp unter 600 EUR einpendeln wird, geht die erste Rodec/Sherman-Kooperation sicher nicht als Schnäppchen durch. Zumal die ausgangsseitige Erweiterung auf zwei XLR-Buchsen zusätzlich mit 75 EUR zu Buche schlägt.
Das Preis/ Leistungs-Verhältnis geht meiner Meinung nach dennoch in Ordnung, denn der Restyler hat Charakter. Was er kann, kann er richtig gut und aufgrund seiner Technik und Haptik dürfte er für viele Käufer die oft zitierte „Anschaffung für`s Leben“ werden. Die volle Punktewertung verspielt er nur durch die für Oldschool-DJs fehlenden zusätzlichen Anschlussmöglichkeiten.
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
Spitzenverarbeitung
Dedizierte Regler für alle Funktionen
Sehr gute Audioqualität
Contra
Preis/ Leistungs-Verhältnis spricht wohl nur Liebhaber an
Für den DJ-Live-Betrieb aufgrund der Anschlüsse nur bedingt zu gebrauchen
Erzeugt schnell hohe Pegelsprünge (Vorsicht im Live-Betrieb)
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