Manche Alben sind zu groß, zu gewagt oder schlicht zu kompliziert, um jemals das Licht der Welt zu erblicken. Andere konnten durch Streit, kreativen Differenzen oder Labelpolitik nie veröffentlicht werden. Was bleibt sind Erzählungen und Spekulationen über diese “verlorenen Alben”, die vielleicht die Musikgeschichte verändert hätten. Gerade der mythische Status dieser Werke macht sie so faszinierend für Fans und Musiker. Von Jimi Hendrix, über Nirvana bis hin zu Green Day: Hier sind zehn der berühmtesten verlorenen Alben.

Jimi Hendrix – Black Gold (1970)
Jimi Hendrix’ sagenumwobenes Album Black Gold ist bis heute eines der bekanntesten “verlorenen Werke” der Rockgeschichte. Anfang der 1970er-Jahre arbeitete Hendrix an einer Reihe von Songs, die weit über die Grenzen herkömmlicher Rockmusik hinausgehen sollten. Er selbst bezeichnete diese Lieder als “Movements”. Mit einer akustischen Gitarre nahm er ein 16-teiliges Stück auf Kassette auf und betitelte sie als Black Gold. Anschließend übergab er die Aufnahmen an seinen Schlagzeuger Mitch Mitchell, um sie später im Studio weiterzuentwickeln.
Doch dazu kam es nie, da Hendrix noch im selben Jahr starb. Die Tapes galten jahrzehntelang als verschollen und wurden erst 1992 in Mitchells Haus wiederentdeckt. Während einige der Songs später auf posthumen Alben erschienen, ist der Großteil des Materials bis heute unveröffentlicht und verloren.
Green Day – Cigarettes and Valentines (2003)
Cigarettes and Valentines war ein fast vollständig aufgenommenes Album von Green Day, welches auf mysteriöse Weise verschwand. Nach dem Album Warning, welches eher gemäßigt empfangen wurde, wollte die Band zu ihren musikalischen Wurzeln zurückkehren. Ihr nächstes Projekt sollte schneller, lauter und wieder “mehr Punk” sein. Doch kurz vor der Fertigstellung wurden die Master-Tapes aus dem Studio gestohlen und sind bis heute nie wieder aufgetaucht.
Anstatt zu versuchen, das Material zu rekonstruieren, entschied sich Green Day, erneut komplett neu anzufangen. Aus diesem zweiten Anlauf resultierte schließlich American Idiot, ein absoluter Rock-Klassiker, mit dem sie später ganze Stadien füllten. 2011 veröffentlichte die Band eine Live-Version vom Titelsong Cigarettes and Valentines, und einige Ideen fanden ihren Weg in spätere Werke wie Revolution Radio (2016). Das originale Album bleibt aber im wahrsten Sinne verloren.
Pink Floyd – Household Objects (1974)
Nach dem überwältigenden Erfolg von The Dark Side of the Moon im Jahr 1973 stand Pink Floyd vor einer schwierigen Frage. Wie sollte man dieses psychedelische Meisterwerk übertreffen? Die Band entschied sich dafür, zu ihren experimentellen Ursprüngen zurückzukehren und auf ihrem nächsten Album kein einziges Instrument zu benutzen. Stattdessen sollte es ausschließlich aus Geräuschen von Haushaltsgegenständen, wie Glühbirnen, Gummibändern, Hämmern oder Besen bestehen.
Nach wochenlangen Experimenten erwies sich das Album jedoch als kaum umsetzbar. “Wir haben Tage damit verbracht, einen Bleistift mit einem Gummiband so klingen zu lassen wie einen Bass“, erinnerte sich Keyboarder Rick Wright später. Das Projekt wurde schließlich aufgegeben und stattdessen begannen die Arbeiten am legendären Album Wish You Were Here. Nur zwei unfertige Stücke, “The Hard Way” und “Wine Glasses”, überlebten die Sessions. Letzteres fand später als Intro von „Shine On You Crazy Diamond“ ein neues Zuhause.
Nirvana – Sheep (1990)
Bevor Nirvana mit Nevermind weltberühmt wurden, arbeitete die Band an einem ganz anderen Album. Nach dem Erfolg ihres Debüts Bleach begannen Kurt Cobain, Krist Novoselic und Drummer Chad Channing im Frühjahr 1990, neues Material für ein zweites Sub-Pop-Album aufzunehmen. Cobain wollte das Album Sheep nennen, eine sarkastische Anspielung auf das Mainstream-Publikum, das er gleichzeitig anziehen und provozieren wollte.
Doch die Aufnahmen verliefen anders als geplant. Channing wurde kurzerhand wegen seines “zu soften” Schlagzeugstils gefeuert und durch Dave Grohl ersetzt. Die Band experimentierte außerdem mit einem neuen, rohen Sound. Die Sheep-Aufnahmen nutzte die Band zunächst als Demo, um bei Geffen Records zu unterschreiben. Ihr nächstes Album sollte aber ein anderes sein, weshalb Sheep aufgegeben wurde. Manche Songs des Albums, wie Lithium, Polly und In Bloom, wurden jedoch für Nevermind neu aufgenommen und wurden dadurch zu Welthits.
David Bowie – The Gouster (1974)
The Gouster ist eines der Alben, die einen Einblick in das facettenreiche Genie von David Bowie geben. 1974, auf der Suche nach einem musikalischen Neuanfang, wandte sich Bowie vom Glamrock ab und befasste sich stattdessen mit Funk und Soul. Gemeinsam mit Produzent Tony Visconti und einer Reihe herausragender Musiker wie Carlos Alomar, Luther Vandross und David Sanborn nahm Bowie ein Album auf, das seine “amerikanische Phase” einleiten sollte. Der Sound war entsprechend eine Mischung aus Rock, RnB und Soul, geprägt von Grooves und Bläserarrangements.
Einige Wochen nach der Fertigstellung verlor Bowie jedoch das Interesse und legte die Master-Tapes in sein Archiv, wo sie für einige Jahrzehnte bleiben sollten. Warum genau er das Projekt aufgab, obwohl es bereits fertig aufgenommen war, bleibt bis heute unklar. Erst über 40 Jahre später, kurz nach dem Tod Bowies, erschienen die Aufnahmen von The Gouster als Teil des Boxsets Who Can I Be Now.
The Doors – The Celebration of the Lizard (1968)
Die Doors standen 1968, während den Studioarbeiten für ihr Album Waiting for the Sun, vor einem großen Problem. Nach zwei erfolgreichen Alben, The Doors und Strange Days, stand die Band plötzlich ganz ohne neues Material da. Deshalb schlug Jim Morrison vor, ein episches und langes Gedicht von ihm zu vertonen, welches als Herzstück des neuen Albums fungieren sollte. Das Stück Celebration of the Lizard, eine psychedelische Erzählung in sieben Teilen, sollte eine komplette Albumseite füllen.
Produzent Paul Rothchild sprach sich jedoch gegen das Projekt aus. Er forderte stattdessen einen Hit, einen kurzen Song, der gut im Radio gespielt werden kann. Gleichzeitig scheiterte die Band selbst daran, Morrisons ambitionierte Dichtung musikalisch umzusetzen. Dieser Misserfolg bedrückte Morrison so sehr, dass er sich vermehrt zurückzog und oft betrunken zu Aufnahmen kam. Am Ende retteten die Doors lediglich einen Teil der geplanten Suite, nämlich das Stück Not to Touch the Earth, das auf Waiting for the Sun erschien. Der Rest von Celebration of the Lizard wurde erst Jahrzehnte später in vereinzelten Liveaufnahmen veröffentlicht.
Bruce Springsteen – Electric Nebraska (1982)
Bruce Springsteen gehört zu den wenigen Künstlern, dessen unveröffentlichte Werke fast ebenso legendär sind wie seine veröffentlichten. Rund um Alben wie Darkness on the Edge of Town, The River und Born in the U.S.A. entstanden Dutzende Songs, die erst Jahrzehnte später ans Licht kamen. Viele dieser Songs kamen bei Fans mindestens genau so gut an, wie die Klassiker. Eines dieser Springsteen-Projekte genießt jedoch einen besonders legendären Status: Die voll instrumentierten Versionen von Nebraska.
Das 1982 veröffentlichte Album, welches Springsteen alleine in seinem Haus aufnahm, war ursprünglich nur als Demo gedacht. Zuvor arbeitete er mit der E Street Band daran, die Lieder in einem kompletten Rock-Arrangement aufzunehmen. Schlagzeuger Max Weinberg beschrieb die Sessions später als „hart“ und „brutal intensiv“. Springsteen entschied sich schließlich, die Bandfassungen zu verwerfen und blieb bei den minimalistischen Demos. Einige dieser Bandaufnahmen veröffentlichte er erstmals im Herbst 2025.
The Beach Boys – Smile (1967)
Kaum ein unveröffentlichtes Album ist so sagenumwoben und mythisch wie Smile von den Beach Boys. Ursprünglich war das Projekt als Nachfolger für das bahnbrechende Album Pet Sounds gedacht. Alles war bereits für den Release vorbereitet und es lief sogar schon Radiowerbung für das Album. Doch Hinter den Kulissen waren die Studioaufnahmen von absolutem Chaos geprägt.
Brian Wilson, oft unter Drogeneinfluss, vollführte okkulte Rituale im Studio, um die Band in Einklang mit der Musik zu bringen. Um Naturgeräusche aufnehmen zu können wurde unter anderem ein Pferd mit ins Studio gebracht. Während einer berühmten Aufnahme für das Lied Fire, bei dem alle Streicher in Feuerwehruniformen spielen mussten, brach in der Nähe tatsächlich ein Feuer aus, was Wilson als schlechtes Omen deutete und die Tapes anschließend vernichtete. Vereinzelte Songs, wie Good Vibrations, wurden auf späteren Alben verwendet. 2011 veröffentlichte die Band The Smile Sessions, die einen Einblick geben, wie das Album hätte sein können.
The Rolling Stones – Could You Walk on the Water? (1966)
Could You Walk on the Water? bleibt eines der spannendsten Was-wäre-wenn-Momente der Rockgeschichte. Anfang 1966 hatten die Rolling Stones zum ersten Mal genug eigenes Material, um ein Album ausschließlich mit eigenen Songs zu füllen. Ihr nächstes Album sollte keine Cover mehr enthalten. Unter diesen Songs waren viele Klassiker wie Mother’s Little Helper, 19th Nervous Breakdown und das experimentelle Goin’ Home, das mit über elf Minuten damals alle Konventionen sprengte.
Doch der geplante Titel Could You Walk on the Water? war der Plattenfirma Decca zu provokant und sie wollten nicht riskieren, dass sich Christen dadurch angegriffen fühlen. Somit wurde das fertige Album vorerst zurückgelassen. Die Stones nahmen weitere Songs auf, darunter Paint It Black und Under My Thumb, und veröffentlichten stattdessen Aftermath, welches viele überarbeitete Aufnahmen des verlorenen Albums beinhalten.
Prince – Dream Factory (1986)
Dream Factory war eines von zahlreichen verlorenen Projekten von Prince. Es entstand auf dem kreativen Höhepunkt des Popstars und war als direkter Nachfolger von Purple Rain vorgesehen. Seine Band The Revolution, insbesondere Wendy Melvoin und Lisa Coleman, trugen zu einem frischen und experimentellen Sound bei. Aus frühen Sessions entstand das geplante Album Dream Factory, das sich zu einem ambitionierten Doppelalbum entwickelte, auf dem Prince mit komplexen Arrangements, orchestralen Elementen und einem neuen Funk-Sound experimentierte.
Doch als innere Spannungen wuchsen und Prince seine Band kurz darauf auflöste, fiel auch Dream Factory dem kreativen Chaos zum Opfer. Anschließend integrierte er Teile des Materials in das geplante Solo-Dreifachalbum Crystal Ball, das schließlich auf Druck von Warner Bros. zu dem Doppelalbum Sign o’ the Times gekürzt wurde. Dream Factory bleibt ein faszinierender Blick in das, was hätte sein können, wenn Prince und The Revolution noch ein Album veröffentlicht hätten.



















