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Produce-Alike #9 – Jennifer Lopez feat. Lil Wayne

Um Jennifer Lopez war es in letzter Zeit ja etwas still geworden. Die 43-jährige Schauspielerin und Sängerin, die den Spagat zwischen diesen beiden Betätigungsfeldern wie kaum eine andere gemeistert hat, hatte sich in die Babypause zurückgezogen und war einige Jahre von der Bildfläche verschwunden. Nun ist sie wieder da und der aktuelle Hit “I’m Into You” lässt vermuten, dass Frau Lopez noch lange nicht genug hat. Der Track wird mit seinen positiven Vibes in keiner Aufzählung der Sommerhits 2011 unerwähnt bleiben. Wir sehen uns die Nummer einmal an und versuchen, das Erfolgsgeheimnis zu lüften.

Bild: © Von Universal zur Verfügung gestellt.
Bild: © Von Universal zur Verfügung gestellt.


„I’m Into You“ wirkt zunächst wie ein eher langsamer Titel. Das wäre er auch, wenn man ein Tempo von 84 bpm zugrunde legte. Trotzdem kommt er leicht und luftig daher. Das liegt – neben dem sparsamen und nicht zugekleisterten Arrangement – vor allen Dingen am Groove, den man als eine Art „Urban Rumba“ bezeichnen könnte. Statt die 84 bpm zu betonen, federt der Beat fast in einem Double-Time-Feeling. Geht man von einem gefühlten Metrum von 168 bpm aus, liegen die Akzente auf der 1, 2+ und 4. Das erinnert an Dancehall-Rhythmen (oder eben Rumba) und passt damit ganz nebenbei auch gut zu Lopez’ lateinamerikanischen Wurzeln. So kann man – wie bei einer Reggae-Nummer – entweder ganz entspannt den 84-bpm-Kopfnicker machen, oder aber im doppelten Tempo federn. Schauen wir uns den sommerlichen Groove einmal etwas genauer an.

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GROOVE

Der zugrunde liegende Grundrhythmus verändert sich im gesamten Stück überhaupt nicht. Er wird maßgeblich von einer kleinen, synthetischen Snaredrum getragen, die fast so etwas wie die Funktion einer Clave übernimmt. Ich habe dafür eines der Millionen von Roland-TR808-Snare-Samples verwendet. Außer einer leichten Höhenabsenkung erfährt die Trommel keinerlei weitere Bearbeitung – sie schafft es sogar völlig trocken (also ohne zusätzlichen Hall) in den Mix.

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Snare

Später kommt eine Hi-Hat dazu, die genau dieses Pattern mitspielt und deshalb kaum auffällt:

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Hi-Hat

Die relativ harte Bassdrum spielt immer auf der „1“ und auf der „2+“ (wenn man das Doubletime-Feeling zugrunde legt). Wir setzen sie einmal mehr aus zwei Elementen zusammen. Eine prägnante, aggressive Kickdrum ist für den Druck zuständig. Sie wird von einer zweiten Bass noch etwas abgerundet. Dazu werden die beiden Bassdrums mittels EQs aufeinander abgestimmt. Wie das im einzelnen funktioniert, habe ich bisher in fast jeder Folge dieses Workshops gezeigt, und erspare euch deshalb diesmal die Details. Im Soundbeispiel hört ihr zunächst die beiden Bassdrums einzeln und dann in Kombination.

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Bassdrum

Der jeweils letzte Akzent („4“) des Patterns wird von einem Clap bedient. Auch hier benutzen wir zwei Samples. Ein relativ langer, räumlicher Clap bekommt durch die Verwendung des zweiten, dünneren Samples noch etwas „Sparkle“ verliehen. Dabei wird der zweite Clap nur leise dazugemischt und außerdem im Timing leicht nach hinten geschoben. Hier ist Ausprobieren der Schlüssel zum Erfolg. Der Clap ist das einzige Element des Grooves, das einen nennenswerten Raumklang bekommt. Dazu werden beide Einzelteile durch den gleichen Hall geschickt, was sie zusätzlich noch etwas „zusammenklebt“. Im Beispiel sind wieder zuerst die beiden Einzelteile, dann der Gesamtsound zu hören.

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Claps

Das war’s, mehr brauchen wir nicht, um den Beat von „I’m Into You“ zusammen zu bauen! Ich glaube, weniger Drumsounds habe ich noch in keiner Folge dieses Workshops verwendet. Und der Minimalismus setzt sich auch im Arrangement fort, denn alle Fills und Variationen des Grooves entstehen in bester Hip-Hop-Manier ausschließlich durch Weglassen. So findet die zweite Strophe zum Beispiel komplett ohne die Kick und den Clap statt. Die vier Takte aus dem folgenden Soundbeispiel kann man theoretisch über den ganzen Song hinweg kopieren und nach Bedarf ausdünnen. Zusätzliche Noten einfügen verboten!

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Drums
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STROPHE

Der Minimalismus der Drums setzt sich bei den übrigen Instrumenten fort. Beginnen wir beim Bass: Er macht die Betonungen der Bassdrum mit, um anschließend mit einer kleinen Achtel-Linie für den richtigen Flow zu sorgen. Verwendet habe ich mal wieder den an den Roland Juno 60 angelehnten Software-Synth TAL U-NO-62, weil er in fast allen Plug-In-Formaten erhältlich ist – und umsonst. Im Intro spielt der Bass zunächst eine Oktave höher, um dann beim Einsetzen der Drums in seine angestammte Lage zu wechseln.

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Bass
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Bass

Für den Bass-Groove (und auch für die gleich folgenden Synths) sind die Notenlängen von entscheidender Bedeutung. Eine Bearbeitung jeder einzelnen eingespielten Note ist jedoch zeitraubend und vor allem langweilig. Deshalb bieten viele Sequenzer Werkzeuge an, mit denen sich der Prozess beschleunigen lässt. In Logic kann man hierfür gut den „Transformer“ verwenden, der einiges kann und oft übersehen wird. Auch manche andere Sequenzer haben entsprechende Tools, mit denen man MIDI-Noten anhand bestimmter Kriterien schnell auswählen und bearbeiten kann.
Der Bass wird von einem Synth gedoppelt, der den Sound in die Breite zieht und im Frequenzspektrum nach oben hin abrundet. Zum Einsatz kommt ebenfalls der U-NO-62 mit seinem eingebauten Chorus. Obwohl der Synth schon ein Hochpassfilter mitbringt, habe ich zusätzlich noch mit einem EQ dafür gesorgt, dass er sich aus den unteren Frequenzbereichen heraus hält. Zusätzlich kommt noch ein Chorus zum Einsatz. Zum Abschluss durchläuft das Signal ein Plug-In, das einen künstlichen Stereo-Effekt erzeugt. Hiermit muss man vorsichtig umgehen, denn ein übermäßiger Einsatz klingt meistens eher merkwürdig. Ein Delay verleiht dem Sound Tiefe und unterstützt den Groove, ohne wie ein Hall zu matschen.

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Bass Doubler
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Bass Doubler

Ein weiterer, perkussiverer Synth orientiert sich ebenfalls an der Bassline. Er spielt in einer höheren Lage und macht nicht alle Bassnoten mit. Trotzdem hält er sich strikt an das rhythmische Pattern. Zur Abwechslung habe ich ein anderes Instrument von Togu Audio Line (TAL) verwendet: den „Noize Maker“, der recht rabiate Synth-Sounds liefern kann. Hier ist er jedoch recht zahm. Er bleibt weitestgehend unbearbeitet, bekommt aber ein bisschen von dem gleichen Delay spendiert.

Short Synth
Short Synth
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Short Synth

Und als hätten wir nicht schon genug Instrumente, die sich mit der gleichen Line beschäftigen, kommt zur Hälfte der Strophe ein letzter Synth hinzu. Er liefert einen typischen Trance-Leadsound, wie er in den letzten Jahren wieder schwer in Mode gekommen ist. Dafür habe ich den Massive von Native Instruments verwendet. Mit einem EQ wird er auf die anderen Synths abgestimmt. Auch er bekommt das Delay, zusätzlich jedoch auch ein wenig Hall.

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Trance-Synth
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Trance-Synth

Damit haben wir die Strophen schon fertig. Ein denkbar simpler Groove und vier Synths, die eigentlich alle das gleiche spielen. Produzieren kann so einfach sein…

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REFRAIN

Ihr habt es geahnt: Auch im Refrain passiert nicht mehr viel. Die Akkordfolge ändert sich geringfügig, durch die häufigeren Akkordwechsel gibt es eine gefühlte Beschleunigung, doch die aus der Strophe bekannten Sounds bleiben uns alle erhalten. Bass und dazugehöriger Synth-Doppelgänger bleiben ihrem Pattern treu, der kurze, perkussive Synth und der Trance-Leadsound wechseln hingegen zu einem etwas anderen Rhythmus, der sich aber nicht minder stark am zugrunde liegenden Grundgroove orientiert. Der Trance-Synth wird zusätzlich nach oben oktaviert. Und das war es auch schon fast. Das einzige neue Element ist eine subtile Fläche, die das Arrangement füllt, ohne zu stören. Dafür darf der U-NO-62 nochmal ran:

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Pad
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Pad

Und das ist tatsächlich alles. So ein Arrangement lässt sich im Grunde in einer halben Stunde zusammen bauen. Eines darf man dabei jedoch nicht außer acht lassen:
Das Arrangement von „I’m Into You“ ist, wie wir gesehen haben, fast schon unverschämt simpel. Im Gegenzug wartet der Song aber mit einer extrem catchigen Hookline auf, die man nicht mehr los wird. Um eine solche Hook in Szene zu setzen, ist der Verzicht auf jeglichen Arrangement-Schnickschnack oft das beste Mittel. Dieses Zusammenspiel von Song und Arrangement ist das berühmte „Auf-den-Punkt-bringen“, das ein guter Produzent beherrschen muss. Einem Song mehr hinzuzufügen ist keine Kunst. Die Beschränkung auf das Wesentliche ist in aller Regel der Schlüssel zum Erfolg und nebenbei eine der größten Schwierigkeiten. In diesem Fall wurde der Nagel jedenfalls ganz offensichtlich auf den Kopf getroffen, denn der Song mit seinem „Halbe-Stunde-Arrangement“ läuft in aller Welt auf Heavy Rotation.
Zeit für uns, das Endergebnis dieser Folge anzuhören. Viel Spaß und bis zur nächsten Folge!

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kompletter Song
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