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Universal Audio Fender ’55 Tweed Deluxe Test

Nachdem Universal Audio schon Amp-Klassiker von Marshall, Engl, Friedman und diversen anderen Herstellern in Bits und Bytes gepresst hat, ist nun ein Modell von Fender an der Reihe: Der kleine Tweed Deluxe Combo, der wegen seiner sehr universellen Sounds zwischen clean und crunch seit sehr langer Zeit vor allem für die Arbeit im Studio geschätzt wird.

(Bild: © Universal Audio)


Bisher ließ Universal Audio die Ampsimulationen von Firmen wie Brainworx oder Softube erstellen, aber diesmal legte der Hersteller aus Kalifornien selbst Hand an. Die bisherigen Produkte der beiden Firmen haben die Messlatte bereits sehr hoch gelegt und es stellt sich die Frage, ob der Fender ’55 Tweed Deluxe diesen Erwartungen entsprechen kann.

Details

Leo Fender produzierte die ersten Modelle des Deluxe Amps bereits 1948 (5A3). Nach einigen Schaltungs-Optimierungen und optischen Veränderungen entwickelte sich der Tweed Deluxe zu einem Amp-Klassiker der 50er Jahre und darüber hinaus. Mit seinen 15 Watt, den 6V6 Endstufenröhren und einem 12″ Lautsprecher eignete er sich besonders gut für kleine Clubgigs und lieferte im Studio einen satten Sound bei moderater Lautstärke. Weit aufgerissen generiert er einen dreckigen Zerrsound: Neil Youngs fuzziger Zerrton zum Beispiel wird mit einem Tweed Deluxe Amp erzeugt. Weitere bekannte Gitarristen, die auf den Sound des Tweed Deluxe schwören, sind Billy Gibbons (ZZ Top), Larry Carlton, Daniel Lanois oder The Edge, dem Fender gerade einen “richtigen” Tweed Deluxe Amp auf den Leib geschneidert hat. Für ein Original aus den 50er Jahren muss man ca. 3000 Dollar (aufwärts) bezahlen, aber damit ist noch nicht garantiert, dass der Amp in gutem Zustand ist. Dieses Problem hatten auch die Entwickler von Universal Audio, denn sie suchten lange nach einem guten Original-Amp, der als Vorlage dienen konnte. Zwei Modelle aus dem Jahr 1955 (5E3) machten schließlich das Rennen und konnten im hauseigenen Studio/Labor vermessen und auf Herz und Nieren analysiert werden.

Das Plug-In

Der Tweed Deluxe Amp hat im Original zwei Kanäle (Instrument, Microphone), die auch parallel betrieben werden können. Die Anwahl des Kanals geschieht über die entsprechenden Eingangsbuchsen, von denen jeweils zwei zur Verfügung stehen, die auch im Klang variieren. Mit Regelmöglichkeiten ist der Amp dünn, aber ausreichend bestückt. Jeder Kanal verfügt über einen Volume-Regler, die Klangfarbe wird mit dem Tone-Regler für beide Kanäle gemeinsam eingestellt – kein Schnickschnack, alles übersichtlich und leicht zu bedienen. So sieht es auch bei unserem Plug-In aus, das mit demselben Amp-Panel daherkommt, allerdings hat man einen zusätzlichen Regler auf das Bedienfeld gesetzt, mit dem der Lautsprecher ausgewählt werden kann. Drei verschiedene standen zur Wahl, mit denen die Entwickler experimentierten, und die auch Eingang in das Plug-In gefunden haben. Dabei handelt es sich um den original Jensen P12R, einen 25 Watt Celestion Greenback für die rockigeren Sounds und einen JBL D120F, der für Cleansounds sehr gut geeignet ist. Die vier Eingänge stehen mit ihren unterschiedlichen Grundsounds ebenfalls zur Verfügung und es ist auch möglich, beide Kanäle gleichzeitig mit einer Gitarre anzusteuern. Das macht auf jeden Fall viele Ampsounds mit feinen Klangunterschieden möglich.

Fotostrecke: 3 Bilder Mikrofonierungsbeispiel: Dyn 57 (Shure SM57) + Con 67 (Neumann U67)

Wie bei den anderen Amp Plug-Ins ist auch beim Fender Tweed Deluxe eine aufwendige Mikrofonierung am Start. Der Speaker wird mit zwei Mikrofonen abgenommen und geboten wird die Auswahl aus fünf Mikrofontypen:

  • Dyn 57 – Shure SM57
  • Dyn 421 – Beyerdynamic MD 421
  • Rib 121 – Royer R-121
  • Rib 160 – Beyerdynamic M 160
  • Con 67 – Neumann U67

Jedes Mikrofonsignal kann in Lautstärke und Panorama geregelt werden, es gibt eine Bassabsenkung und die Wahl zwischen gerader und angewinkelter Mikrofonposition (off Axis). Das Gesamtsignal wird mit dem Level-Regler eingestellt.

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Praxis

Der Deluxe Amp ist ein Verstärker, der extrem auf das ankommende Signal reagiert und damit eindeutig zur Kategorie “Mitspieler” gehört, also ein Amp, mit dem man spielt und nicht, über den man spielt. So ein Verstärker reagiert auf feinste Nuancen im Spiel und es entsteht eine klare Interaktion zwischen Gitarrist und Amp. Daher ist der Sound die eine Sache, die Ansprache und das Umsetzen des Spielgefühls in die virtuelle Welt aber das andere und weitaus schwierigere Unterfangen. Wer das Plug-In quasi dreidimensional nutzen möchte, sollte im Besitz eines Apollo Audio Interfaces sein, denn dort wird es direkt auf dem Prozessor geparkt, was das Spielen mit minimaler Latenz (wie bei einem digitalen Effektgerät) gewährleistet. Außerdem sind die Eingänge des Apollo und die Input-Sektion des Plug-Ins genau auf das Gitarrensignal abgestimmt, womit Aktionen mit dem Volume-Poti wie im richtigen Leben durchgeführt werden können. Und das wollen wir jetzt genauer untersuchen, bevor ich auf die unterschiedlichen Sounds und Möglichkeiten zu sprechen komme. Ich habe meine mit P90 gepimpte Jaguar direkt an das Apollo Twin angeschlossen und mit einigen Klangbeispielen versucht herauszufinden, inwieweit das Plug-In auf die Signale der Gitarre reagiert.

Authentischer Fender Tweed Sound in Bits und Bytes gepackt – da hat Universal Audio ganze Arbeit geleistet.

Wir starten mit den verschiedenen Eingängen und deren klanglichen Auswirkungen. Hier tut sich schon einiges, die Eingänge sind unterschiedlich ausgelegt, denn der Inst-Input war beim Original für Gitarre gedacht und am Mic-Input fand häufig das Mikrofon für die Blues Harp seinen Anschluss. Der Instrumenteneingang hat mehr Höhen und kommt im Bassbereich knackiger, während der Mikrofonanschluss etwas muffiger klingt. Die oberen Eingänge (2) sind im Pegel reduziert und bieten so eine bessere Anpassung an Humbuckergitarren. Bei der Kombination der beiden Kanäle erhält man ein wenig mehr Gain.

Audio Samples
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Instrument Input 1 (Jaguar P90) Instrument Input 2 (Jaguar P90) Microphone Input 1 (Jaguar P90) Microphone Input 2 (Jaguar P90) Mic 1 und Inst 1 Input gleichzeitig (Jaguar P90) Mic 2 und Inst 2 Input gleichzeitig (Jaguar P90)
SpeakerToneInstMicInput
Instrument Input 1 (Jaguar P90)JP12633Inst 1
Instrument Input 2 (Jaguar P90)JP12633Inst 2
Microphone Input 1 (Jaguar P90)JP12633Mic 1
Microphone Input 2 (Jaguar P90)JP12633Mic 2
Mic 1 und Inst 1 Input gleichzeitig (Jaguar P90)JP12633Comb 1
Mic 2 und Inst 2 Input gleichzeitig (Jaguar P90)JP12633Comb 2

Jetzt kommt der Test mit der Anschlagsdynamik (Beispiel 1), das Ganze in fünf Stufen:

  1. Hals-Pickup mit leichtem Fingeranschlag
  2. Steg-Pickup mit leichtem Fingeranschlag
  3. Steg-Pickup mit leichtem Pick-Anschlag
  4. Steg-Pickup mit hartem Pick-Anschlag
  5. Steg-Pickup mit Crescendo auf A Powerchord

Beim zweiten Beispiel wird die Interaktion des Plug-Ins mit dem Volume-Regler der Gitarre getestet. Der virtuelle Amp ist weit aufgedreht und zuerst das Volume-Poti sehr weit zurückgenommen, das dann pro Durchgang etwas weiter aufgedreht wird. Die Reglerpositionen an der Gitarre können mit 3, 5, 7 und 10 (Vollgas) umschrieben werden. Beim ausklingenden Akkord habe ich dann wieder auf Stufe 3 zurückgedreht und ich muss sagen: Alle Achtung, das funktioniert erstaunlich gut!

Audio Samples
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Anschlagsdynamik Check Gitarre Volume-Poti Check
SpeakerToneInstMicInput
Anschlagsdynamik CheckJP120588Inst 1
Gitarre Volume-Poti CheckJP1205118Comb 1

Das Spielgefühl ist erstklassig und man beginnt tatsächlich, direkt mit dem Plug-In zu spielen. Auch das Kompressionsverhalten bei weit aufgedrehtem Volume fühlt sich sehr natürlich an, wenn der Amp bei hartem Anschlag in die Knie geht. Wer auf diesen speziellen Fender-Zerrsound steht, wird seine helle Freude am Plug-In haben. Auf jeden Fall kann hier viel Klanggestaltung mit den Möglichkeiten des Instrumentes passieren, das Plug-In reagiert ausgezeichnet.

Audio Samples
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Maximaler Zerrgrad (Les Paul) Blues Style, zuerst hart, dann soft mit den Fingern angeschlagen (Les Paul) Funk Groove mit Cleansound (Strat)
SpeakerToneInstMicInput
Maximaler Zerrgrad (Les Paul)JB120121212Inst 1
Blues Style, erst hart, dann soft mit Fingern angeschlagen (Les Paul)JB120763Inst 1
Funk Groove mit Cleansound (Strat)GB25920Inst 2

Bisher habt ihr nur den nackten und sehr direkten Ampsound gehört. Im Gegensatz zu den Marshall Amp Plug-Ins gibt es hier kein Raummikrofon, das ich persönlich aber auch nicht vermisse. Mit einem guten Hall-Plug-In kann der virtuelle Gitarrenamp problemlos in einen Raum gestellt werden. UAD-User profitieren von der akustischen Nachbildung des Aufnahmeraums des Ocean Way Studios, womit der Gitarrensound bereits etwas mehr Tiefe und Raum erhält. Ihr hört das im folgenden Beispiel. Danach gibt es noch einmal das volle Programm, nämlich mit dem Amp Plug-In im kompletten Bandkontext. Auch dort sind Bestnoten zu verteilen, denn der Gitarrensound hat auch in einem größeren Arrangement eine sehr gute Durchsetzungsfähigkeit und kann mit sehr vielseitigen Klängen überzeugen. Alle Gitarrenspuren wurden mit dem Fender Tweed aufgenommen und fast der komplette Zoo war im Einsatz mit Jaguar, Strat, Les Paul, Tele und Gretsch.

Audio Samples
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Funk Groove mit Hall Fender Deluxe im Bandkontext
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Fazit

Die Entwickler von Universal Audio haben tatsächlich ganze Arbeit geleistet und den sehr vielschichtigen Sound eines Fender Tweed Deluxe in ein Software Plug-In gepackt. Der Klang ist aber nur die eine Seite, aber die dynamische Ansprache und das Reaktionsverhalten werden ebenfalls sehr authentisch umgesetzt. Das habe ich tatsächlich mit einem Plug-In in diesem Umfang noch nicht erlebt. Um dies nutzen zu können, sollte man allerdings im Besitz eines Apollo Audio-Interface sein, in dem das Plug-In geparkt ist und über den Unison Preamp Slot und den internen Prozessor mit sehr geringer Latenz (1,8 ms) angesteuert werden kann. Klangmäßig ist vom knackigen Cleansound bis zum Zerrsound mit fuzzigem Beigeschmack alles möglich. Und mit den drei unterschiedlichen Speaker-Varianten und den fünf zur Verfügung stehenden Mikrofonen warten jede Menge Werkzeuge auf das individuelle Finetuning.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • authentische Interaktion, Ansprache, Dynamikverhalten (über Apollo Audio Interface)
  • variabler originalgetreuer Sound
  • große Klangvielfalt
  • sehr gutes Durchsetzungsvermögen im Mix
Contra
  • keins
Artikelbild
Universal Audio Fender ’55 Tweed Deluxe Test
(Bild: © Universal Audio)
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Universal Audio
  • Modell: Fender ’55 Tweed Deluxe
  • Typ: Software Plug-In
  • Preis: 199,00 Euro (im UAD Online Store)
Hot or Not
?
(Bild: © Universal Audio)

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