Lang ist’s her, aber wer vor dreißig Jahren auf der Höhe der Zeit war und im heimischen Kämmerlein den ultimativen Hit kreierte, der hatte hoffentlich das erste Portastudio 144 vor sich: ein revolutionärer Mehrspur-Kassettenrekorder mit integriertem Mischpult. Seit dieser Zeit genießt der japanische Hersteller den Ruf, Erfinder des Homerecordings zu sein. Und bis heute folgten eine Menge Entwicklungen, die ganzen Musikergenerationen zu erfolgreichen Aufnahmen verholfen haben und ihnen seit Jahren das Leben erleichtern. Aus diesem Grund ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass ein Hersteller wie Tascam mit seiner jahrzehntelanger Erfahrung und Kompetenz auf diesem Gebiet auch seinen Anteil am boomenden Markt der kleinen portablen Digitalrekorder beansprucht – und das mit Erfolg.
Vor mir liegt nun das gute Stück aus Fernost. Der DR-100 erinnert auf den ersten Blick ein wenig an eine Fernbedienung für irgendein Modellspielzeug oder einen Geigerzähler. Aber für den gemeinen Musiker kann er seine Daseinsberechtigung als portabler Digitalrekorder nicht verleugnen. Und dass er nicht gerade am unteren Rand der Preisskala beheimatet ist, das zeigen schon einige äußerliche Features wie XLR-Buchsen oder sein Metallgehäuse. Und genau das macht uns natürlich neugierig darauf, wie er im Vergleich zu seinen Geschwistern und Kollegen aus der umfangreichen Familie der Taschenspieler abschneidet. Zeit, den “Großen” ins bonedo-Untersuchungszimmer zu bitten …
Die Oberseite seines Gehäuses zieren zahlreiche Taster und Schalter. Besonderer Blickfang des DR-100 allerdings sind das üppige, orange beleuchtete Display und ein riesiges, sehr stabiles Menü-Drehrad. Auch die Seitenteile, die Geräteunterseite und nicht zuletzt die beiden Stirnseiten weisen viele Anschlussmöglichkeiten und Bedienelemente auf. Alleine an Anschlüssen stehen drei Miniklinken-Buchsen für Line In, Line Out und Kopfhörer sowie eine USB-Schnittstelle und zwei XLR-Eingänge bereit. Ein eingebauter Abhörlautsprecher wird automatisch aktiv, sobald kein Kopfhörer mehr am Gerät angeschlossen ist. Mit 0,4 Watt Leistung ähnelt die Klangqualität allerdings der eines Anrufbeantworters; zum Vorhören des Materials ohne Kopfhörer reicht es aber aus. Neben den üblichen Bedienelementen und einige weiteren Tastern, die beispielsweise zur Menünavigation dienen, befindet sich seitlich ein großer Input-Regler, der den Eingangspegel getrennt für zwei Kanäle anpassen kann. So viele verschiedene Bauteile fordern Ihren Platz – und damit zählt der DR-100 mit seinen Abmessungen von 80 x 153 x 35 mm zu den etwas größer geratenen Vertretern der Spezies “Mobiler Digitalrekorder”. Die Fülle an Tastern und Schaltern bietet dafür aber auch direkten Zugriff auf viele Funktionen und erspart langes Suchen in mehrstöckigen Untermenüs. Überhaupt erwies sich die Bedienung des Gerätes als erstaunlich intuitiv. Zwar drückt er ohne Akkus und Batterien 290 Gramm auf die Waage, aber das sollte auch der schwächste Unterarm noch verkraften können.
Für unterwegs hat Tascam eine Transporttasche aus Stoff beigelegt, die frontseitig zwar dünn verstärkt ist, aber bei einem Sturz von der Tischkante kaum eine Schutzwirkung haben dürfte. Abgesehen davon traut man dem Gehäuse aufgrund seiner massiven Ausführung aber ein deutlich verlängertes Haltbarkeitsdatum zu, als einigen der im “Kunststoff-Mantel” angebotenen Arbeitskollegen. Das Stereomikrofonpaar auf der Stirnseite ist durch eine Art “doppelter Stoßstange” gegen Gewalteinwirkungen geschützt. Der mitgelieferte Schaumstoffwindschutz fällt zwar recht breit aus, ist, dafür aber nicht sehr dick. Beim Außeneisatz machen größere Windstöße dem DR-100 daher hörbar zu schaffen.
Als echtes Highlight packt Tascam eine Fernbedienung ins Komplettpaket, mit der sich die wichtigsten Transportfunktionen anwählen lassen. So kann der Rekorder auch an schwer zugänglichen Stellen installiert werden und man vermeidet Gehäusekörperschall, der durch “Rumfummeln” am Gerät während der Aufnahme entsteht. Der Clou ist, dass das Ganze sowohl kabelgebunden als auch kabellos funktioniert. Ein Sensor am DR-100 kann die Signale der Fernbedienung noch aus bis zu sieben Meter Sichtentfernung empfangen – die passende Knopfzelle liegt ebenfalls bei. Zum kabelgebundenen Betrieb setzt man die Fernbedienung vorher einfach in die mitgelieferte Adapterschale ein, die per Miniklinkenbuchse und dem vorgesehenen Kabel mit dem DR-100 verbunden wird.
So groß die Freude über diese tolle Beigabe ist, so bitter war auch die Feststellung, dass Tascam dafür ein passendes Netzteil eingespart hat. Zumindest hat man die Möglichkeit, den mitgelieferten Akku über eine USB-Schnittstelle aufzutanken. Wer doch einmal vergessen haben sollte, den Akkus aufzuladen, der kann schnell auf den Betrieb mit zwei handelsüblichen AA-Batterien ausweichen und das sogar bei laufender Aufnahme! Diese Aktion ist wegen der hohen Körperschall-Geräusche, die beim Öffnen des Batteriefachs entsehen, sicherlich nur als absolute Notlösung zu verstehen, aber bravo Tascam! Auf der Gehäuserückseite ist ein Gewinde zur Montage des DR-100 auf ein Fotostativ eingelassen. Immerhin – dennoch: Wieso eigentlich ein Fotostativ? Zumal die Zielgruppe für ein solches Gerät doch weniger aus Fotografen als aus Musikern bestehen dürfte. Und die besitzen eher ein Mikrofonstativ, und auf ein solches wollen sie logischerweise auch ihren Digitalrekorder packen! Wenn’s schon nicht anders geht, könnte ein kleines Adaptergewinde Abhilfe schaffen, aber das hat man bei Tascam leider nicht bedacht. So wird es wahrscheinlich doch wieder Gaffa-Tape werden, oder?
Dank der beiliegenden 2 GB SD-Karte steht der ersten Aufnahme nichts mehr im Wege. Audiodateien werden im WAV- oder im MP3-Format aufgezeichnet, wobei Samplingraten bis zu 48 kHz und Auflösungen bis 24 Bit im WAV-Format möglich sind. MP3s können mit maximal 48 kHz aufgenommen und die Kompression im Bereich von 32 Kbit bis 320 Kbit pro Sekunde gewählt werden. Im HS-Mode sind sogar WAV-Aufnahmen mit 96 kHz möglich, allerdings lassen sich in diesem Modus verschiedene Funktionen nur eingeschränkt wahrnehmen. Die Eingangsquelle muss vor der Aufnahme mit dem Input-Wahlschalter festgelegt werden, dazu stellt der DR-100 mehrere Optionen zur Auswahl:
Ein gerichtetes Stereomikrofonpaar (Uni Mic), das in A/B Anordnung auf der Stirnseite des Rekorders angebracht ist und aus Elektret-Kondensatormikros mit Nierencharakteristik besteht.
Ein ungerichtetes Stereomikrofonpaar (Omni Mic) auf der Vorderseite des Gehäuses mit Kugelcharakteristik.
Zwei XLR-Eingänge mit zuschaltbarer 48-Volt-Phantomspeisung zum Anschluss externer Mikrofone.
Eine Line-Input Miniklinkenbuchse.
Die Eingänge können leider nicht gleichzeitig miteinander kombiniert werden. Der Pegel der beiden Stereomikrofone und der XLR-Eingänge wird zunächst mit dem Mic Gain-Schalter in drei Empfindlichkeitsstufen eingestellt: niedrig, mittel oder hoch. Zum feineren Anpassen dienen dann die beiden Input-Drehregler auf der rechten Gehäuseseite, die in einem Bereich von 0 – 10 auflösen. Zum besseren Vergleich mit den anderen Testgeräten wurden unsere Klangbeispiele ausschließlich mit den gerichteten Uni-Mikrofonen auf der Stirnseite erstellt. Die Omnimikrofone der Gehäuseoberseite mit ihrer Kugelcharakteristik empfiehlt der Hersteller beispielsweise für Aufzeichnungen von Konferenzen oder ähnlichen Szenarien. Um die tieffrequenten Anteile im Aufnahmesignal zu unterdrücken, lässt sich ein Trittschallfilter mit einer Grenzfrequenz von wahlweise 40, 80 oder 120 Hz einschleifen. Pegelspitzen im Signal können mit einem zuschaltbaren analogen Limiter abgefangen werden. Sollte der “Aufnahmedaumen” des Anwenders etwas träger ansprechen, lohnt sich die Aktivierung der Funktion “vorgezogene Aufnahme”. Dieses Feature hängt der Datei die letzten beiden Sekunden vor dem Betätigen des Record-Buttons an. Genau umgekehrt arbeitetet die “verzögerte Aufnahme”: Wie der Name schon erahnen lässt, wird die Aufzeichnung um 300 ms verzögert, um den Geräuschanteil zu unterdrücken, der durch das Drücken des Aufnahmeknopfs entsteht.
Bis zu 99 Marker pro Audiodatei lassen sich automatisch oder manuell setzten, um so besonders wichtige Stellen zu kennzeichnen. Wer beispielsweise ein Konzert mitschneidet, kann zwischen den Stücken neue Dateien erzeugen, ohne dabei die Aufnahme stoppen zu müssen. Es ist auch möglich, im Vorfeld eine maximale Dateigröße festzulegen. Ist diese erreicht, erzeugt der DR-100 automatisch eine neue Datei. Eine andere Automatisierungsvariante ist die pegelgesteuerte Aufnahme: Ab einem einstellbaren Lautstärkeschwellenwert startet hier die Aufnahme. Wird der Wert unterschritten, hält die Aufnahme an. Natürlich lassen sich Audiodateien auch im Nachhinein manuell teilen.
Nachdem die Aufnahme abgeschlossen ist, hat man die Möglichkeit, einen Overdub zu erstellen, das heißt, eine weitere Stereospur zur vorherigen Aufnahme einzuspielen. Dabei kann natürlich auch eine andere Eingangsquelle zum Zuge kommen. Mit Mix -Balance wird das Lautstärkeverhältnis zwischen der neuen und der alten Spur angepasst. Sehr schön ist, dass beim Overdubben eine neue Datei erzeugt wird; die Wiedergabedatei bleibt verschont und wird nicht überschrieben. So lassen sich mithilfe des guten alten Sound-on-Sound Verfahrens vielschichtige Aufnahmen erstellen. Mehrstimmigen Gesängen oder vielfach gedoppelten Akustikgitarren steht somit nichts mehr im Wege.
Folgende Files sind mit dem DR-100 aufgezeichnet worden:
Audio
Samples
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/
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DrumsVocals u0026 GuitarOutdoor
Extras
Der DR-100 bietet mehrere Funktionen, die beim Transkribieren von Sprache oder Musik sehr hilfreich sind. Zum einen kann die Wiedergabegeschwindigkeit von Dateien um bis zu 50 % reduziert oder 16 % beschleunigt werden, wahlweise bei gleicher oder der Geschwindigkeit angepasster Tonhöhe. Zum anderen lässt sich innerhalb des Loop-Wiedergabemodus sehr einfach ein Abschnitt des Audiomaterials markieren, der dann beliebig oft wiederholt wird. Die Abspielreihenfolge der Aufnahmen kann über eine Wiedergabeliste definiert werden. Via USB-Verbindung wird nicht nur der Akku aufgeladen, sondern es können selbstverständlich auch die aufgenommenen Dateien auf einen Computer übertragen werden.
Der Tascam DR-100 macht das, wofür er geschaffen wurde: solide Aufnahmen in einer hervorragender Qualität. Die Klangbeispiele wirken sehr direkt, für meinen Geschmack hätte es eine Prise weniger Härte im Mittenbereich sein dürfen. Die Option, neben den verschiedenen Anschlussmöglichkeiten auch zwei separate Stereomikrofone mit unterschiedlichen Richtcharakteristiken zur Auswahl zu haben, macht das Gerät fit für nahezu jeden denkbaren Einsatzzweck. Trotz der vielen Taster, Schalter und Regler ist die Bedienung des DR-100 überraschend intuitiv und man findet sich erstaunlich schnell zurecht. Besonders hervorzuheben ist, dass die Fernbedienung schon im Lieferumfang enthalten ist. Allerdings hätte ich mir in dieser Preisregion etwas mehr Flexibilität gewünscht, beispielsweise Multitrackrecording mehrerer Eingangsquellen. Auch einige nachträgliche Bearbeitungsfunktionen wie Normalisierung oder eine MP3-Konvertierung wären schön gewesen. Dafür liegt den Geräten anderer Hersteller für solche Spezialaufgaben wenigstens noch eine Bearbeitungssoftware für den Computer bei.
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