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Soyuz SU-023 Bomblet Test

Das Soyuz SU-023 Bomblet ist ein Studiomikrofon, welches einem Land mit einer langen Mikrofonbautradition entspringt.

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Nein, es handelt sich nicht um Deutschland, die USA oder Österreich, auch nicht England, Frankreich, Schweden oder Japan. In ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten waren Mikrofone aus Deutschland sehr beliebt (wichtigste Nachfolgefirma: Microtech Gefell, also „Ost-Neumann“) und auch in den Sowjetrepubliken wurden teils sehr gute Mikros gebaut. Das Baltikum wird heute mit JZ Microphones, Violet und Blue assoziiert. Und es gibt natürlich das große Russland. Neben Oktava, bekannt vor allem für das Workhorse-Modularsystem MK-012, ist seit kurzer Zeit besonders Soyuz zu nennen. Dieses Unternehmen hat mit den Großmembranmikrofonen SU-017 und SU-019 sowie dem Kleinmembran-Röhrenmikrofon SU-011 gepunktet.
Jetzt ist ein weiteres FET-Großmembranmikros mit fixer Richtcharakteristik und ohne Pad oder Hochpassfilter auf dem Markt. Dieses Mikro, das Soyuz SU-023 Bomblet, ist optisch etwas zurückhaltender (Danke! Danke, danke, danke!) und preiswerter (Erneut: Danke!) als SU-017 und SU-019. 

Details

Einmal aufregen

So, ich rege mich jetzt einmal richtig auf, dafür mache ich dann aber auch einen Schlussstrich unter das Thema: Der Beiname des SU-023 ist „The Bomblet“, ganz offiziell auf der Website. Mal ganz im Ernst: Was soll der Blödsinn? Ich habe mich schon über Bezeichnungen wie AK-47 echauffiert, aber ein Mikrofon unmissverständlich mit Streubomben (!) in Verbindung zu bringen, ist für mich persönlich ein Grund, das Ding nicht zu kaufen. 

So sehen also Streubombenteile aus? Zum Glück ist das hier nur der Korpus des Soyuz, auch wenn das Mikro "Bomblet" heißt.
So sehen also Streubombenteile aus? Zum Glück ist das hier nur der Korpus des Soyuz, auch wenn das Mikro “Bomblet” heißt.

Historisches Vorbild

Das Soyuz SU-023 Bomblet hat laut Unterlagen das LOMO 19A19 zum Vorbild. Dieses russische Nieren-Kondensatormikrofon scheint die Geister zu spalten. Es ist aber durchaus selten und wird gerne mit dem sagenumwobenen AKG C12 in Verbindung gebracht – aber ich habe das russische Mikro noch nirgendwo in echt gesehen, geschweige denn gehört. 

Das Lomo 19A19 soll Pate für das Soyuz SU-023 gestanden haben.
Das Lomo 19A19 soll Pate für das Soyuz SU-023 gestanden haben.

Geradliniger Aufbau, dem Soyuz-Design treu

Das Soyuz-023 ist einfach gestrickt: Im Lollipop-Design der Großmembrangeschwister SU-017 und SU-019 thront eine 33-mm-Nierenkapsel auf dem Body. Diese ist, anders als die randkontaktierten Kapseln des Lomo 19A19 und der im C12 und frühen C414 EB verbauten CK12, mit Mittenkontaktierung ausgestattet. Eine zweite, komplett unbeschichtete Membran auf der Rückseite verzögert das von dort eintreffende Signal, damit die Nierencharakteristik erreicht werden kann. Die gesamte Kapsel kann vom Korpus abgeschraubt werden, sodass ein mitgeliefertes Pad zwischengesetzt werden kann – wie man es unter anderem von den beliebten Oktava-Kleinmembranern kennt. Das ist lustig, nervt bisweilen aber im Betrieb (Mute, Phantom ausschalten, warten, schrauben, Phantom an, Mute wieder aus …).

Fotostrecke: 4 Bilder In der Lollipop-Kapselkonstruktion ist eine mittenkontaktierte Membran verbaut.

Toroid-Übertrager

Ein wichtiges, soundgebendes Element ist sicher der Übertrager in Ringtrafo-Bauweise aus eigener Produktion. Diese Toroide sind generell zwar keine Seltenheit, es werden jedoch im Regelfall andere Bauformen als Mikrofon-Trannys eingesetzt. Am Ausgang des phantomgespeisten Studiomikrofons liegt am XLR ein Signal mit 190 Ohm Impedanz an.
Das Soyuz SU-023 besitzt einen Feldleerlauf-Übertragungsfaktor von nur 10 mV/Pa und ein Eigenrauschen von 18 dB(A), dafür aber einen maximalen Schalldruckpegel von 140 dB SPL. 30 Hz bis 18 kHz lautet der Frequenzgang. Das ein halbes Kilogramm schwere Mikro wird ausgeliefert in einer kleinen Holzbox und mit einem einfachen Halter.

Fotostrecke: 4 Bilder Der mechanische Aufbau ist klassisch: Fußteil abschrauben, Tubus entfernen.
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Praxis

Halt(er)ungssache

Direkt beim Aufbauen des Soyuz SU-023 „Bomblet“ staune ich etwas: Die Halterung hat nicht genug Gewindeweg und könnte bei Unachtsamkeit abfallen, wenn man das Mikro gegen den Ständer verdreht. Vielleicht will man aber sowieso eine externe Spinne (wie etwa eine Rycote USM) verwenden, denn besonders trittschallunempfindlich ist die Konstruktion ebenfalls nicht. 

Die Mutter oberhalb des XLR-Steckers sollte stark angezogen werden – und so bleiben.
Die Mutter oberhalb des XLR-Steckers sollte stark angezogen werden – und so bleiben.

Karakterkoff…

oder zumindest „Charakterkopf“ beschreibt das Soyuz klanglich recht gut. Und tatsächlich, es ist ein reich klingendes Mikrofon. Vor allem Stimmen klingen dadurch nah und „groß“, aber gleichzeitig ist die Detailtreue immer außerordentlich hoch. Das SU-023 hat wenig „Holz“ im Klang, ist als fokussiert und höhenreich gut beschrieben. Ganz toll ist der deutlich vorhandene Bassbereich, der bei vielen männlichen Sängern die Brustraumresonanzen hervorhebt – gleichzeitig bleibt aber selbst ein nahes „P“ erstaunlich flott und schlank. Auch bei kurzen Abständen zur Schallquelle gerät nichts ins Schwimmen oder Wummern. Überhaupt Vocals: Das Mikrofon scheint für die menschliche Stimme optimiert und gefällt wirklich, wirklich gut. Im Mix werden vielleicht die knusprigen Höhen etwas zu viel des Guten sein, rufen damit aber geradezu nach einem Spulen-Shelf à la Neve 1073 oder der Attenuation mit einem Pultec-EQ. Im Vergleich erkennt man, wie viel „einfacher“ das Mojave MA-201FET klingt, ein Mikrofon, das vor zehn Jahren als eines der besten FET-Großmembran-Nieren unter 1000 Euro gelten durfte. 

Audio Samples
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Soyuz SU-023, 10 cm Soyuz SU-023, 30 cm Soyuz SU-023, 30 cm, 45 Grad Soyuz SU-023, 70 cm Mojave MA-201FET, 30 cm Audio-Technica AT5045, 30 cm

Mikrofondisziplin wird verlangt

Recht extrem ist, wieviel Mikrofondisziplin das Soyuz SU-023 von Sänger oder Sängerin verlangt. Mit dem Sänger, der auf den Soundbeispielen zu hören ist, habe ich enorm Glück, denn er kann sich auf dem festgelegten Abstandspunkt geradezu festtackern. Hampelt jemand aufgeregt vor dem Mikro hin und her oder wiegt sich mit der Musik zur Seite, dreht den Kopf zu Mitmusikern, guckt durch die Regieraumscheibe oder gar zum Textblatt (Pfui!), straft das 023 direkt ab: Abseits des kleinen Sweet-Spots gibt es durchaus markante und das Klangbild ändernde Einbrüche im oberen Spektrum. Jenseits der 30 Grad kommen teilweise enorme Phasenlöcher und -überhöhungen hinzu. Zudem wird das Soyuz dann auch schnell sehr poppempfindlich. Also: Eine möglichst konstant positionierte Schallquelle und ein nicht zu reflektives Außenrum sind sehr ratsam, wenn man das Soyuz SU-023 einsetzen will. Aber diese Bemühungen werden schließlich auch belohnt!

Soyuz-Schriftzug in klassischer Raute
Soyuz-Schriftzug in klassischer Raute

Besonderheit Pad

Dynamisch gibt es nichts auszusetzen: Das Eigenrauschen ist völlig in Ordnung, die Klangcharakteristik ändert sich nur unwesentlich mit dem Pegel. Mit der Trompete getestet zeigt sich, dass bei höheren Schalldruckpegeln die Harmonischen angenehm kontrolliert und sanft in den Vordergrund treten. Eine kleine Besonderheit: Üblicherweise liefere ich die Soundbeispiele für das Pad nicht mit. Hier aber schon, denn das Schraub-Dämpfungsglied ändert den Klangcharakter doch in nicht unerheblicher Weise. Schon das unpassende Äußere rät dem User ja schon eigentlich dazu, es wegzulassen, wenn es die Positionierung und die Schallquelle hergeben. Auf die Contra-Liste des Tests schafft es dieser Umstand auch nicht, ich verbuche es unter “Dreingabe, auf die man getrost hätte verzichten können”.

Audio Samples
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Soyuz SU-023 ohne Pad Soyuz SU-023 mit Pad
Fotostrecke: 2 Bilder Sieht nicht aus (und klingt auch nicht so toll): Soyuz mit zwischengestecktem Pad-Element.
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Fazit

Mit dem Soyuz SU-023 ist das mittlerweile wohl empfehlenswerteste Mikrofon des jungen Unternehmens erhältlich. Drei Gründe sprechen für einen Kauf: Der wohl wichtigste ist der Klang, der sich qualitativ wie charakterlich sehr weit vorne in die Riege der hervorragenden Studiomikrofone einreiht. Grund zwei: Es ist nicht so teuer wie seine Geschwister in Gold-Weiß. Grund drei: Man kann es auf einen Mikrofonständer setzen, ohne sich wie beim SU-017 und SU-019 für das eigene Stilbewusstsein schämen zu müssen. Wie gemacht ist es für Vocals, wenngleich man ein paar vermeintlich niederrangige Dinge in die Kaufüberlegung mit einbeziehen sollte: Der Sweet-Spot ist gering, die Halterung nicht die beste.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • charaktervoll
  • hohe Auflösung
  • gutes Preis-Leistungsverhältnis
  • optisch angenehmer als andere Soyuz-Mikrofone
Contra
  • Bauhöhe des Stativgewindes
  • kleiner Sweet-Spot
Artikelbild
Soyuz SU-023 Bomblet Test
Für 1.249,00€ bei
Soyuz_SU_023_Test_5
Features und Spezifikationen
  • Membrangröße: groß
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Frequenzgang: 30 Hz – 18 kHz
  • Eigenrauschen: 18 dB(A)
  • maximaler Schalldruckpegel: 140 dB
  • Ausgang: XLR
  • Lieferumfang: Mikrofon, Holzschatulle, Pad, Halterung
  • Preis: € 1299,– (Straßenpreis am 24.07.2018)
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