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Solid State Logic VHD Pre Test

Als SSL ankündigten, künftig auch Module für APIs 500er-Format anzubieten, grinsten nicht wenige Engineers in sich hinein. Sicher war es zu einem Teil die Bestätigung, dass sich langfristig ein System durchsetzen wird und Tube-Tech, SPL und eben auch Solid State Logic mit ihren Eigengebräuen nicht aus der Nische herauskommen können.

Solid_State_Logic_SSL_VHD_Pre_500_8 Bild

Zwar haben die genannten Kassettensysteme durchaus ihre Vorteile, was uneingeschränkt auch für SSLs X-Rack gilt, doch selbst das kleinere API-200-Format findet keine wirkliche Verbreitung – und ist sogar vielen Usern absolut unbekannt.
Das aktuelle Testgerät ist ein 500er-Modul – und zwar, nachdem es schon Channel-EQ und -Kompressor gibt, ein weiterer Bestandteil eines Kanalzugs: der Preamp. Der Begriff „SSL-Vorverstärker“ zwingt in diesem Fall dazu, etwas weiter ausholen zu müssen: Analogmischpulte des englischen Herstellers SSL sind weltweit beliebt und waren Grundlage für Grundsatzdiskussionen à la „Neve gegen SSL“. Wo Neve ein wenig mehr Farbe, Wärme und Gemütlichkeit ins Spiel bringt, zählt SSL traditionell als klarer, feiner und „schnittiger“, wenn mir diese malerischen Umschreibungen erlaubt sind. Das gilt nicht unbedingt für alle Produkte, denn besonders die älteren hatten noch mit Artefakten zu kämpfen, die aus heutiger Sicht gerne wieder gezielt eingesetzt werden. Und so ist es nicht verwunderlich, dass für den jetzigen Markt, der das oft pultlose Studio bedient, einzelne Preamps mit genau diesen Möglichkeiten verfügbar sind. Wer mag, kann also den modernen SSL-Charakter haben, der bei Bedarf angereichert wird. Klingt cool. Ich darf verratend hinzufügen: Das ist es auch. 

Details

Irgendwie absurd – aber voll durchdacht

Erst arbeiten die Ingenieure in Oxford Jahrzehnte daran, Verzerrungen aus den Schaltungen zu entfernen, dann fügen sie sie wieder hinzu. Was absurd klingt, ist doch sinnvoll und nachvollziehbar, denn schließlich geschieht dieses Hinzufügen nur dann, wenn es der Tontechniker bewusst entscheidet. Nicht ganz eindeutig erkennbar ist die Funktionsweise dieser Schaltung, daher möchte ich direkt zu Beginn damit um die Ecke kommen: Die Anreicherung mit Harmonischen bleibt deaktiviert, wenn der Schalter „VHD In“ nicht gedrückt ist. In diesem Fall agiert der Preamp so clean, wie er eben kann. Wird die Funktion aktiviert, ist es nicht so, dass man die Sättigung schrittweise hinzumischen kann. Die Beschriftung verrät, dass man zwischen zweiten und dritten Harmonischen stufenlos überblenden kann (also erstem und zweitem Oberton). Wie bei einer echten Schaltung folgt das Maß der Anreicherung der Kennlinie, je höher der Pegel, desto umfangreicher ist der anteilige Klirr. Übrigens: Harmonische zweiter Ordnung („2nd“) sind typisch für Röhren-, solche dritter Ordnung („3rd“) für Transistorschaltungen. Theoretisch hätten SSL auch „Tube“ an den linken und „Solid State“ an den rechten Poti-Anschlag schreiben können. In diesem Fall hätten sie sich aber von Besserwissern wie mir den blöden Kommentar gefallen lassen müssen, dass der Preamp dann ja von „TSSL“ sein müsste, also „Tube-/Solid State Logic“. Insofern haben die Briten also alles richtig gemacht und ich muss mir ein anderes Feld für meine blöden Witze suchen…

Namensgebende Zugabe beim SSL-Preamp: VHD-Schaltung
Namensgebende Zugabe beim SSL-Preamp: VHD-Schaltung

Sonst: Preamp-Standards. Bis auf einen.

Die Vorverstärkung wird am Solid State Logic von 20 bis 75 dB mit dem Gain eingestellt, dem ein Trim von +/-20 dB zur Seite steht. Mit einem Pad lässt sich das Eingangssignal zudem um 20 dB absenken, sodass Signale auch ohne Verstärkung durch die Kassette hindurchtransportiert werden können. Die Eingangsimpedanz kann dabei gewählt werden, zur Verfügung stehen 1,2 und 10 kOhm, was für umschaltbare Preamps beides einigermaßen hoch angesetzt ist. Selbstverständlich kann über das Mikrofonkabel eine Phantomspeisung von 48 Volt bereitgestellt werden, um bedürftige Kondensator- und aktive Bändchenmikrofone mit Saft zu versorgen. Einfach zu integrieren und deswegen an fast jedem Preamp zu finden ist die Phaseninvertierung, da macht der SSL VHD Pre 500 keine Ausnahme. Eher selten ist jedoch, dass der kleine Preamp auf einen Instrumenteneingang verzichtet. Schade, denn für viele User wird der SSL der einzige Preamp im Rack sein: Kombiniert mit 500er-EQ und -Kompressor ergibt sich im verbreiteten Dreislot-Rack ein netter Channelstrip, den man sich Schritt für Schritt aufbauen kann. Dass dann Bass, Gitarre und Synths nicht direkt vorne eingestöpselt werden und von der Anreicherungsfunktion Gebrauch machen können, wird nicht wenige vom Kauf abhalten. 

Fotostrecke: 6 Bilder Die Vorverstärkung wird grob mit Gain und fein mit Trim eingestellt.

Hoch reichendes Hochpassfilter

SSL macht den Verlust für manche verschmerzbar und durch ein anderes Feature wieder wett. Wo viele andere Hersteller einen simplen Drucktaster einsetzen und „Lowcut 75 Hz“ oder etwas vergleichbares daneben auf die Frontplatte pinseln, kommt der kleine, preiswerte Preamp mit einem stufenlos einstellbaren Hochpassfilter, das bis weit in den Grundtonbereich vieler Signale hineinreicht – bis 500 Hz. Unwichtig? Bestimmt nicht! Ein stimmiges Lowcut-Management ist in vielen Fällen die Basis für einen funktionierenden Mix. Die Möglichkeit zum hohen Ansetzen verhilft Snaresignalen zur besseren Kanaltrennung, Vocals und Gitarren profitieren von gesteigertem Durchsetzungsvermögen, wenn sie ohne Bassballast „schnittiger“ werden. 

DAS ist mal ein Hochpassfilter: stufenlos von 15 bis 500 Hz einstellbar.
DAS ist mal ein Hochpassfilter: stufenlos von 15 bis 500 Hz einstellbar.

Signalampel

Am Ende der Signalkette, also auch hinter dem, den beiden Gainstages nachgelagerten Filter, liegt der Abgriff für das Metering. „Welches Metering?“ denkt man vielleicht beim Betrachten der Frontplatte. Die LED ist eine mehrfarbige LED und zeigt mit den Ampelfarben Grün, Gelb und Rot den anliegenden Pegel an. Grün leuchtet bei -24 dBu, das Gelb bei +4, Rot bei +21 dBu. Mit einem Jumper, der ja bei dem offenen Gehäuse schnell erreicht ist, kann man die letzten Farben der Signalampel schon bei 0 und +16 dBu erscheinen lassen. 

Die Signal-LED kann mehr als vermutet.
Die Signal-LED kann mehr als vermutet.
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Praxis

SSL ist SSL – auch beim VHD Pre

Wenn ein Preamp verspricht, eine weite Range von clean bis gefärbt anzubieten, dann ist es nur verständlich, wenn man mit dem Betrachten des Cleansounds beginnt, um die diesbezüglichen Möglichkeiten auszuloten. Daher mache ich es auch beim SSL VHD Pre für das API-Modulformat so. Die Kassette stecke ich in einen leeren Slot meiner Bento-Box und fahre das System hoch. Egal, welches Mikrofon ich aus der Grabbelkiste ziehe und an den Solid State Logic stöpsle, der Vorverstärker geht pflichtbewusst seiner Arbeit nach. Das Preamp-Modul zeigt klanglich genau, was die VHD-Schaltung darstellt, nämlich einen wirklich guten Pult-Preamp, der mit allen Anforderungen gut zurechtzukommen hat. Und das stimmt: Bändchen, Tauchspulen, Kondensatormikrofone, sie alle funktionieren hervorragend, auch dank der hohen Maximalverstärkung und der gleichzeitigen Rauscharmut. Und noch etwas stimmt: Der VHD ist der Duality-Konsole entliehen, und zwar zu einem höheren Grad, als es das „Marketing-Minimum“ notwendig machen würde: Die VHD-Schaltung in der Duality ist mit der aller Outboard-/Modulsysteme identisch. Es werden auch identische Komponenten benutzt, ja sogar der Herstellungsort ist der gleiche.

Im Betrieb zeigt sich: SSL hat seine Qualitäten nicht dem kleinen Format und dem recht günstigen Preis geopfert.
Im Betrieb zeigt sich: SSL hat seine Qualitäten nicht dem kleinen Format und dem recht günstigen Preis geopfert.

Klanglich ist der Preamp linear und transparent. Ohne aktivierte VHD-Schaltung wirkt er etwas charakterarm und unaufgeregt, aber nicht allzu blass und langweilig. Schließlich glaubt man, eine etwas verstärkte Griffigkeit in den Mitten ausmachen zu können. Bei der Umschaltbarkeit der Eingangsimpedanz hätte ich mir eher noch eine etwas geringere Stufe gewünscht, um eine Unteranpassung mit Bändchen und manchen Tauchspulen bewerkstelligen zu können. Bezüglich der Transientengeschwindigkeit konnte ihm mein True Systems P-Solo Ribbon aber den Rang ablaufen, weshalb dynamische Mikrofone insgesamt etwas feingliedriger wirkten. 

Audio Samples
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SSL VHD, Shure SM7B SSL VHD, MG UM 92.1S SSL VHD, Coles 4038, High-Z True P-Solo Ribbon, Shure SM7B True P-Solo Ribbon, MG UM 92.1S True P-Solo Ribbon, Coles 4038 DPA HMA5000, Shure SM7B Heritage ’73 JR, Shure SM7B

Das Handling mit getrenntem Gain und Trim liebe ich zwar, doch finde ich es angenehmer, wenn Gain dafür auch gerastert ist. Zwei Kanäle auf identisches Gain zu stellen, ist dabei eher fummelig. Aber sind wir mal ehrlich: Damit muss man bei einem durchaus preiswerten Preamp schlicht und einfach leben können. Und das kann man auch.

Variable Harmonic Drive

VHD steht für „Variable Harmonic Drive“. Genau diese Funktion hatte ich beim ersten Ausprobieren eines derartigen Preamps nicht ohne Ehrfurcht gedrückt, denn schließlich ist sie der Namenspate für eine komplettes Preamp-Schaltungsdesign. Erst, wenn man mit der Verstärkung in den höheren Pegelbereich kommt, werden die eingestellten Obertöne generiert. 

Audio Samples
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SSL VHD, Shure SM7B, 3rd SSL VHD, MG UM 92.1S, 2nd SSL VHD, Coles 4038, Low-Z, 2nd/3rd Heritage ’73 JR & EQ ’73, Shure SM7B, hot

Die Anreicherung mit dritten Harmonischen, also Transistor-Zerrprodukten, gibt allen Signalen deutlich mehr Präsenz im Mix, schnell fühlt man sich an die späten 70er und die 80er erinnert. Die Signale werden durchsetzungsfähiger und schnittiger, ohne dabei direkt etwas von ihrer Hochwertigkeit einzubüßen. Oft ist es ja so, dass leicht angereicherte Signale dynamisch zusammenbrechen und ihre Feinheiten verlieren, das ist beim SSL definitiv nicht so. Nutzt man die röhrenähnlichen dritten Harmonischen, erhält man wie zu erwarten ein verbreitertes, voluminöses Signal, das natürlich Platz im Mix für sich beansprucht.

Klasse Standard-Amp – auch im Mixdown

Für Standardsignale, also am Drumkit, für viele Gitarren, besonders auch Keyboards ist die VHD-Möglichkeit absolut genial, besonders, wenn zweite und dritte Harmonische kombiniert werden. Sicher, wer mehrere dieser Preamps nutzen will, greift vielleicht lieber zur Rackversion Alpha VHD-Pre. Das ist nämlich preiswerter, aber selbst für ein oder zwei Klangquellen hat man mit dem 500er alle Anpassungsmöglichkeiten, die man gemeinhin benötigt. 

Der Mic Pre macht sich auch im Mixdown gut.
Der Mic Pre macht sich auch im Mixdown gut.

Natürlich kann der Preamp bei aller Flexibilität nicht alle Klangnuancen bedienen, und so gibt es verständlicherweise Unterschiede. Allerdings bewegt sich dennoch alles auf hohem Niveau. Röhrensättigung erhält man auch weiterhin in höchster Qualität von Röhrengeräten, so ist ein 610er-Preamp immer noch ein Stück bauchiger und wohliger, sodass ich für Hauptsignale wie Vocals im Zweifel eher auf diesen Typ zurückgreifen würde – sofern verfügbar. Dennoch kann man auch mit dem VHD als einzigem Preamp durchaus glücklich werden! Insofern ist der kleine Preamp aus Oxford eine gute Alternative zu anderen „anreicherbaren“ Amps wie den RNDs mit ihrer Silk-Schaltung, aber auch zu „echten“ Solid-State-/Röhrengeräten wie dem Twin-Finity von UA. 

Ach, und hatte ich das Hochpassfilter schon angesprochen? Hatte ich, aber bislang noch nicht in der Praxis: Es ist absolut hervorragend! Und es ist ein weiteres Argument dafür, den Preamp nicht als einzelnen Mikrofon-Preamp für die besondere Aufgabe zu sehen, sondern als perfekten Standard-Amp, der auch im Mixdown mit Line-Signalen seine vollen Stärken ausspielen kann. 

Audio Samples
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SSL VHD, MG UM 92.1S, HPF 500 Hz
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Fazit

Solid State Logic hat mit der Portierung des VHD-Preamps auf das API-500-Format eine hervorragende Leistung vollbracht. Für einen Preis, der es möglich macht, sich nach und nach ein komplettes, mehrkanaliges Frontend aufzubauen, bekommt man das, was SSL heute ausmacht: einen cleanen, aber dennoch griffigen Preamp, der bei Bedarf aber auch charaktervolle Signale bereitstellt.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • transparent und detailliert – typischer SSL-Sound
  • hohe Maximalverstärkung
  • klanglich äußerst vielfältig
  • gelungene Sättigungsmöglichkeiten
  • gutes Hochpassfilter mit weitem Regelbereich
  • vernünftiger Preis
Contra
  • kein DI-Input
Artikelbild
Solid State Logic VHD Pre Test
Für 599,00€ bei
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Features und Spezifikationen
  • Mikrofon-Vorverstärker für API 500 Modulsystem
  • Gain: 20 – 75 dB
  • Trim: +/- 20 dB
  • Pad: 20 dB
  • 48V Phantomseisung
  • Phaseninvertierung
  • umschaltbare Impedanz
  • Hochpassfilter 15 – 500 Hz
  • Dreifach-Metering
  • Preis: € 599,– (UVP)
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