Shure Beta 181 Test

Es gibt Mikrofone, die keinen hohen Wiedererkennungswert haben. Wenn ein Testbericht schon mit einem derartigen Satz beginnt, ist eigentlich klar, was auf dem Fuße folgen wird. Hier ist es: Für ein Beta 181 von Shure gilt das nicht, denn dieses ist äußerst auffällig. Zwar ist ein schmaler, zylindriger Korpus mit einer kreisrunden Kapsel für seitliche Besprechung nicht ungewöhnlich, doch findet man diese Bauform eher bei Großmembran-Kondensern. Ein Shure Beta 181 gehört jedoch zur seltenen Gattung der Kleinmembraner mit seitlicher Besprechung. Die meisten mir bekannten Mikros dieser Art behalten aber dennoch ihre zylindrische Form vom Keller bis zum Dach bei.     

Shure_Beta_181_neu

 
Vielleicht hat man bei Shure mit der Form bewusst auf die Trennbarkeit von Korpus und Kapsel hinweisen wollen – das Shure Beta 181 ist nämlich ein modulares System, bei welchem auf den eigentlichen Mikrofonverstärker eine kleinmembranige Druckgradienten-Kapsel mit Nieren-, Supernieren- oder Achterkapsel „gepfropft“ werden kann. Sogar ein Druckempfänger ist erhältlich, welcher natürlich das Polardiagramm einer Kugel zeigt.

DETAILS

Der geriffelte Ring am “Hals” des Shure Beta 181 löst die Fixierung der Kapseleinheit vom Body, welche daraufhin mit leichtem Zug voneinander getrennt werden können. Beim erneuten Zusammensetzen ist es jedoch notwendig, die beiden Einheiten wieder korrekt auszurichten, denn anders als bei manchen anderen Modularsystemen genügt es nicht, diese gegeneinander zu schrauben, sondern der sechspolige Rechteck-Anschluss muss korrekt getroffen werden. Dafür sorgt eine kleine Nut, die ein verkantetes oder seitenverkehrtes Aufsetzen verhindert.

Die erhältlichen Kapseln hören auf die schmucklosen Namen 181/C, 181/S, 181/O und 181/BI, was für Cardioid, Super-Cardioid, Omni und Bi-Directional steht. Die Kapselspannung wird nicht aus der Mikrofon-Speisung bezogen, sondern besteht durch die Elektret-Backplate in diesen Kapseln. Ein Blick in die technischen Daten zeigt direkt, womit man es bei den Einsachteinsern zu tun hat, denn mit fast ausschließlich über 150 dB(SPL) maximalem Schalldruckpegel (1% Klirr bei 1 kHz) an einem Kilo-Ohm ist das System äußerst übersteuerungsfest. Auch Shure können aber nicht zaubern, daher muss man auf der Gegenseite mit nur 2,4-2,6 mV/Pa Übertragungsfaktor und A-bewertetem Eigenrauschen von mindestens 20,5 dB leben (bei der Kugel prinzipbedingt sogar 23,5 dB). Das ist nicht unbedingt wenig. Bis zu einem üblichen Signal von 94 dB(SPL) bleibt also ein Rauschspannungs-Abstand von gut 70 dB, doch Shure müssen und wollen diese Werte gar nicht verstecken: Es darf eben vor den Membranen so richtig krachen! Es ist also kein Zufall, dass die 181er ihren Weg in meinen Testkoffer gefunden haben. Soll die äußerst sanft gezupfte Akustikgitarre aufgenommen oder gar ein Ambient-Miking leiser Instrumente vorgenommen werden, würde ich diese Shures links liegen lassen. Das sind nun mal die Vor- und Nachteile der Spezialisierung.
Man konnte also bislang erkennen, dass es deutliche Unterschiede in den Spezifikationen zu den bekannteren Kleinmembran-Modularsystemen gibt, besonders zu denen aus Deutschland. Doch die Verschiedenheit findet sich noch auf ganz anderen Feldern: Alle vier Kapseln haben eine äußerst ausgeprägte Höhenwiedergabe! Bis auf die Acht, deren Peak bei etwa 6 kHz liegt, sind es bei den Kapseln deutliche Bells um die 10 kHz herum, die natürlich klanglich starke Auswirklungen haben werden. Zur oberen Wahrnehmungsgrenze des Menschen geht es mit einer an einen Kammfilter erinnernden Kurve bei allen vier Charakteristiken nach unten. Die Kugelkapsel verspricht mit einem unterhalb von 1 kHz an einen nach “rechts” gekippten Neigungsfilter erinnernden Kurve, nicht mit der Bassübertragung zu geizen, was bei einem Druckempfänger ja schon einmal durchaus interessant zu werden verspricht. Die Acht ist charakterisiert durch einen breiten, schwachen Dip zwischen 100 und 200 Hz und einen schon bei etwa 1 kHz sanft einsetzenden Boost.

Shure_Beta_1819

Um wieder zurück zur Bauform zu gelangen: Diese ist äußerst kompakt, denn das 181 misst nur 12,5 cm samt seiner Kapsel, der Korpus ist etwas mehr als 2 cm breit, die Kapsel 3,5 cm. Mit 145 Gramm ist es außerdem trotz Metallgehäuse nun wirklich kein Schwergewicht. Dass die Richtcharakteristiken aufgrund der immer seitlichen Hauptaufsprechrichtung nicht rotationssymmetrisch sind, sollte für die meisten Einsätze ziemlich schnuppe sein.

PRAXIS

Dafür, dass das Beta 181 derart klein ist, stürzt es sich ziemlich selbstsicher ins Getümmel. Und siehe da: Auch wirklich heftige Pegel vermögen ihm nichts anzuhaben. Selbst wenn ihm Resonanzfell und Teppich bei einem Dampfhammer-Snareschlag entgegengeschleudert werden, überträgt der kleine Lolli das Signal mit geradezu stoischer Gelassenheit. Das muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Auf der anderen Seite wird aber deutlich, dass das nur mit entsprechend hohem Eigenrauschen geht. Wirklich: Für sanfte Signale ist das System nicht sonderlich gut geeignet. Klanglich kann ich mir nicht sicher sein, ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Es ist natürlich angenehm, durch die Höhenanhebung bei allen Kapseln direkt ein klares Signale zu erhalten, doch fühle ich mich dadurch immer etwas bevormundet. Schön ist jedoch, dass das Beta 181 die Klangbildung auch wirklich kann, denn der Versuch von Mikrofonherstellern, eine soundformende Schablone über den Frequenzgang zu legen, kann auch ordentlich nach hinten losgehen. Bei Shure scheint man es sich aber nicht zu einfach gemacht zu haben, der Frequenzgang legt die Vermutung nahe, dass er mit Membran-Spannung und -Dämpfung durch das Luftvolumen absolut bewusst so eingestellt wurde. Es ist also eher eine Geschmacksfrage und eine der generellen Arbeitsweise, ob man den etwas vorgefertigten Grundsound nun als positiv oder negativ einschätzt. Eines sollte man sich aber vor Augen führen: Anders als mit linearen Kleinmembranern erhält man mit einem Beta 181 unbearbeitet in den meisten Fällen einen besser zu gebrauchenden Sound – wenn man sich von den angedachten Einsatzzwecken des Lollipops nicht zu weit entfernt. Es gilt also häufig: Hinstellen, verkabeln, passt. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt für Shure ist sicherlich auch, dass viele Interessenten oder User es zunächst in einem Direktvergleich mit einem braveren Mikro als “besser” einstufen werden. Die leicht unterschiedlich gearteten Boosts der verschiedenen DGE-Kapseln fallen in der Praxis am Drumkit so gut wie nicht auf, was ich besonders positiv finde. Mit dem Wechsel einer Kapsel kann schlicht und einfach die Richtwirkung und Lage der Off-Axis zum Ausblenden anderer Signale geändert werden, ohne dass sich der Sound wesentlich ändert – so ist es richtig! 

Audio Samples
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Beta 181/C Overheads stereo Beta 181/C Overhead mono Oktava MC012_N Overhead mono Beta 181/C Hi-Hat Neumann KM 184 Hi-Hat

Ich komme mir manchmal etwas dämlich vor, wenn ich in Testberichten so tue, als würde ich euch im Praxisteil bei einem wesentlichen Kritikpunkt oder einer lobenswerten Eigenschaft zum ersten Mal davon erzählen. Dabei wissen wir schließlich alle, dass die Pro- und Contra-Liste mit als erstes gelesen wird – und danach häufig erst einmal das Fazit. Nun, vielleicht erinnert ihr euch, dass unter Pro zu lesen war “für Drums hervorragend geeignete Druckempfängerkapsel erhältlich”. Und wisst ihr was? Für Drums sind hervorragend geeignete Druckempfängerkapseln erhältlich! Ja, tatsächlich! Ok, Scherz lass nach… die 181/O-Kapsel liefert genau die bauchige Basswiedergabe, die man bei Trommeln häufig haben will, mit einer perfekten Abstimmung zwischen für den Mix und die Nachbearbeitung notwendiger Trockenheit und dem wohligen und einfach großen Sound einer Druckempfängerkugel. Auch im Höhenbereich macht diese Kapsel eine gute Figur, denn trotz deftiger Höhenanhebung nimmt das Empfängerprinzip den Becken die Schärfe und zeichnet sie sehr fein. Besonders meine Crashes sind recht hauchig, die Kugel schafft es gut, das zu unterstützen. Scharfen, kurzen Metal-Crashes würde die Kugel auch guttun, denn Niere, Superniere und Acht würden aufgrund ihres Frequenzgangs eher für Zahnschmerzen sorgen. Ein bisschen schade finde ich, das ich nur eine Kugel zum Test habe, denn eine AB-Anordnung – besonders eine tief und leicht distanziert hängende – hätte mich schon interessiert. Da es aber kein Gesetz der Welt gibt, das es verbietet, das Mittenmikrofon eines MS-Systems mit einer nicht (oder genauer: kaum) richtenden Charakteristik aufzubauen, greife ich zum Druckempfänger und lege die Achterkapsel 181/Bi quer. Nach der Matrizierung bin ich baff! Da sind die Tiefe und das Volumen, die ich will – die Ortungsschärfe (für manche aus mir eher unerklärlichen Gründen auch beim Drumkit seeehr wichtig) ist dank der Acht immer noch ausreichend hoch. Wirklich: Das ist eine hervorragende Kombination für das Recording! Im Live-Betrieb sollte man jedoch immer genau überlegen, ob man sich die Verwendung ungerichteter Mikrofone wirklich antun möchte.

Audio Samples
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Beta 181/O Overhead mono Oktava MC012_O Overhead mono Beta 181/O und 181/Bi M/S Beta 181/O und 181/Bi M/S, S-Kanal automatisiert

FAZIT

Das Shure Beta 181-Mikrofonsystem kann mit seiner wie immer bei Shure für den Live-Einsatz vorgesehenen Wandlern hervorragenden stabilen Bauweise punkten. Die wechselbaren Kapseln ermöglichen es, schnell und einfach für verschiedene Situationen ausgerüstet zu sein. Klanglich ist besonders der Druckempfänger hervorzuheben, welcher besonders für die Anforderungen eines Drumsets geeignet ist. Allen Kapseln ist gemein, dass sie recht stark den Klang vorbestimmen. Das ist natürlich gewollt und funktioniert auch, doch muss man sich eben überlegen, ob man das auch wirklich möchte. Die Spezialisierung der 181er zeigt sich nicht zuletzt in den technischen Werten, denn die Übersteuerungsfestigkeit ist wirklich enorm. Die beiden letztgenannten Eigenschaften schränken die Nutzbarkeit klassischer Aufgabenbereiche von Kleinmembranern zwar etwas ein, erschließen aber dafür auch neue – ich denke da etwa an Blechbläser. Preislich geht das System übrigens auch absolut in Ordnung, wenn man nicht noch zusätzlich hochempfindliche Kleinmembraner für andere Quellen benötigt.

Pro
  • Modularität
  • sehr übersteuerungsfest
  • klar und höhenreich
  • für Drums hervorragend geeignete Druckempfängerkapsel erhältlich
Contra
  • Eignung für sehr pegelarmen Einsatz
  • Boostbereiche stark ausgeprägt
Shure_Beta_1811
Technische Spezifikationen
  • Membrangrößen: klein
  • mit verschiedenen Kapseln erhältlich, alle Kapseln auch einzeln verfügbar
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger oder Druckempfänger
  • erhältliche Richtcharakteristiken: Niere (/C), Superniere (/S), Acht (/Bi), Kugel (/O)
  • Wandlerprinzip: Kondensator (Elektret)
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgänge: 20 Hz – 20 kHz (ohne Angabe des Toleranzbereichs)
  • Übertragungsfaktor: 2,4 – 2,6 mV/PA
  • THD+N: 20,5 – 23,5 dB (A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 149 – 153,5 dB SPL (1% THD)
  • Ausgang: XLR male
  • Preise:
  • 181 mit Kapsel nach Wahl: € 534,31 (UVP)
  • Kapsel nach Wahl: € 296,31 (UVP)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Modularität
  • sehr übersteuerungsfest
  • klar und höhenreich
  • für Drums hervorragend geeignete Druckempfängerkapsel erhältlich
Contra
  • Eignung für sehr pegelarmen Einsatz
  • Boostbereiche stark ausgeprägt
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Shure Beta 181 Test
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