Rupert Neve Designs Portico 517 Pre/DI/Comp Test

Rupert Neve Designs Portico 517 ist nicht einfach nur ein Preamp: Die meisten 500-Tools fallen in eine sehr genau definierte Kategorie –  Mic Pre, EQ oder Kompressor. Der Portico 517 jedoch sprengt diese Grenzen, ist von allem ein bisschen – und gerade deswegen ein besonders nützliches Werkzeug.

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Man sollte eigentlich denken, dass die prinzipbedingten Restriktionen des 500-Formats wenig Raum für spielerische Innovationen ließen. Zu eng bemessen ist der Platz im Gehäuse und auf der Frontplatte, als dass es viel Spielraum für unkonventionelle Ansätze jenseits der ausgetretenen Gerätegattungs-Pfade gäbe. Aber dann kommt so ein Modul von Rupert Neve Designs daher und beweist das Gegenteil. Das Teil nennt sich mit zweitem Vornamen „Mic Pre / DI / Compressor“ und erzählt damit noch nicht einmal die ganze Geschichte. An Bord ist nämlich obendrein noch ein Phase-Alignment-Tool, das in einer Reihe von Recording-Situationen äußerst hilfreich ist. Aber der Reihe nach!

Details

Geschichtsträchtig

Für Details, Hintergründe und Wissenswertes zum Mic Pre von Rupert Neve Designs sei auf unseren Test des Portico 511 verwiesen. Dass Rupert Neve zu den ganz Großen seines Faches zählt, muss man eigentlich nicht mehr gesondert erwähnen. Wir tun es aber trotzdem, den man kann kaum müde werden, die Vorzüge von Neves klassischen Mic-Preamps zu loben. Mit seinen Channelstrips 1066/1073/1084 sowie dem etwas anders aufgebauten 1081 ist Rupert Neve ein Platz auf dem Preamp-Olymp sicher. Generationen von Musikern und Engineers schwören auf den kernigen Klang seiner Vorverstärker. Nicht zuletzt beweist der unglaublich unübersichtliche Markt an Drittanbieter-Clones, wie sehr Rupert Neves Schaltungen geschätzt werden: Kaum ein anderes Gerätekonzept wird häufiger kopiert, zitiert und adaptiert…

Rupert Neve Designs Portico 517: Weitaus umfangreichere Ausstattung als der Portico 511
Rupert Neve Designs Portico 517: Weitaus umfangreichere Ausstattung als der Portico 511

Kein zusätzlicher Trim wie beim 511

Doch zurück zum 517: Wie auch der 511 setzt der Mikrofonvorverstärker auf eine transistorisierte Class-A-Schaltung mit insgesamt 66 dB Gain. Der 511 bietet insgesamt noch 6 dB mehr Vorverstärkung Dank eines Output-Trims, der beim 517 aus Platzgründen anderen Funktionen geopfert wurde. Das bedeutet: Insgesamt eben 66 dB Gain, die sich 6-dB-Schritten schalten lassen. Wie jeder gute Preamp bietet auch der 517 Phantomspeisung und  Phaseninvertierung, über ein schaltbares Pad (Pegeldämpfung) verfügt der Preamp aus gutem Grunde nicht: Der Vorverstärker, dessen Eingangsstufe auf Rupert Neves übertragerlosem „Transformer-like Amplifier“ (T.L.A.) beruht, ist am Input so pegelfest, dass solch ein Feature schlicht nicht benötigt wird.

Fotostrecke: 3 Bilder Herzstück des Moduls ist ein Mikrofonvorverstärker mit 66 dB Gain

Mit Einknopfkompressor und Silk-Button

Neben dem Mikrofonvorverstärker verfügt der 517 noch über einen zweiten Input: Ein Instrumenten-/Line-Preamp mit insgesamt bis zu 30 dB Gain ist über die frontseitige Klinkenbuchse zugänglich. Beide Preampsignale können über den Blend-Regler stufenlos gemischt werden. Dieses Mix-Signal durchläuft anschließend noch zwei klangformende Funktionen: Zum einen bietet der 517 einen Optokompressor, der per Schalter aktiviert und deaktiviert werden kann. Einstellen lässt sich lediglich der Threshold (-20 bis +10 dB), alle anderen Parameter sind fest vorgegeben, wobei die Kompressionsrate von 2:1 auf eher sanftes Verdichten ausgelegt ist. Per Knopfdruck lässt sich zudem Rupert Neves „Silk“-Schaltung aktivieren. Dahinter verbirgt sich eine reduzierte Gegenkopplung am Ausgangsübertrager und damit eine stärkere Klangfärbung, die den Sound der sehr offenen und transparenten RND-Geräte in Richtung von Rupert Neves stärker färbenden Vintage-Designs pusht.

Der 517 wird durch Vari-Phase zum Supertool

Um zu verstehen, was den RND 517 so besonders und so praktisch macht, müssen wir das Augenmerk noch einmal auf den Instrumenten-/Line-Input des Modules richten. Dieser verfügt nämlich nicht nur über eine Thru-Buchse, über die ein Signal an einen Verstärker durchgeschleift werden kann, sondern auch über eine sogenannte „Vari-Phase“-Schaltung, die zusätzlich aktiviert werden kann. Mittels des ensprechenden Potis kann die Phase des Instrumentensignals relativ zum Mic-Input stufenlos von 0-180° gedreht werden. In anderen, weniger technischen Worten: Hier lässt sich eine minimale, variable Signalverzögerung aktivieren. Und die ist in bestimmen Anwendungssituationen Gold wert!
Wir stellen uns einmal folgenden Aufbau vor: Eine Gitarre wird in den Instrument-Input des 517 gestöpstelt, das Signal dann via Thru-Buchse zum Gitarrenverstärker weitergeschleift. Vor dem Amp steht ein Mikrofon, das nun seinerseits in den Mic-Input des 517 geführt wird. Dreht man das Blend-Poti ganz zum Linksanschlag, hört man ausschließlich das D.I.-Signal der Gitarre, am Rechtsanschlag erklingt nur das Mikrofonsignal, auf den Zwischenpositionen ein beliebiges Mischungsverhältnis beider Quellen. Das Problem nur: Beide Signale liegen nicht exakt übereinander. Während das D.I.-Signal ohne Verzögerung die Mischungsstufe erreicht, muss das Mic-Signal ja einen erheblich längeren Weg zurücklegen. Der längere Kabelweg zum und im Amp spielt keine Rolle, da sich Elektronen im Kabel praktisch mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Auf dem Weg vom Lautsprecher zum Mikro muss der Schall aber etwas Luft passieren, und dieser Weg sorgt für eine Verzögerung, die im ungünstigsten Fall für kammfilterartige Frequenzauslöschungen sorgt. Verzögert man nun aber das D.I.-Signal künstlich um den selben Betrag, ist alles wieder im Lot – und genau dafür ist die „Vari-Phase“-Schaltung da.

Audio Samples
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Gitarre Mic und DI, Variphase min. Gitarre Mic und DI, Variphase max.

Weniger LEDs als der 511, aber ebenfalls hochwertige Bauteile

Anders als beim 511 kommen beim 517 nur an zwei Stellen LEDs zur visuellen Unterstützung zum Einsatz. Eine LED leuchtet immer dann auf, wenn der Kompressor-Threshold überschritten wurde, das Dynamikmodul also arbeitet, und eine Clip-LED überwacht den bereits gemischten Ausgang des Moduls. In dieser Hinsicht ist der 511 wesentlich komfortabler, aber dieser bietet eben auch weniger Funktionen und damit mehr Raum für Anzeigeinstrumente jeglicher Art.

Fotostrecke: 5 Bilder Auf der Frontplatte ist nicht mehr ausreichend Platz für umfangreiches optisches Feedback.

Fertigungstechnisch macht der 517 einen ebenso guten Eindruck wie der „reine“ Preamp 511. Der reine Mic-Pre ist beim 511 etwas luxuriöser ausgestattet, aber beide Module basieren grundsätzlich auf den gleichen, hochwertigen Audioschaltungen inklusive des von Rupert Neve designten Ausgangsübertragers. Im Modul befinden sich zwei Jumper, mit denen man zusätzliche Funktiuonen einstellen kann: Der eine Jumper aktiviert ein Hochpassfilter, das bei 80 Hz mit 12 dB Flankensteilheit greift, der andere schaltet die Zeitkonstanten des Kompressors zwischen „schnell“ und „langsam“ um.

Praxis

Auch der 517 liefert das satte, ausgewogene, dichte und doch offene Signal, das wir schon vom 511 kennen. Abgesehen von dem zusätzlichen Trimmpoti am Ausgang des 511 unterscheiden sich beide Vorverstärker nicht, weswegen wir an dieser Stelle das Hauptaugenmerk auf die speziellen Funktionen des 517 richten.
Der D.I.-Eingang an sich steht dem Mic Pre in nichts nach. Auch dieses Eingangsmodul liefert einen schönen, dichten körperlichen Klang, der weit vom flachen Geklingel eines weniger hochwertigen Instrumenteninputs entfernt ist. Bei den Klangbeispielen kam meine 1962er Vintage-Jazzmaster zum Einsatz, ebenso ein Vox AC 30 und ein Sennheiser MD 421, und im Zusammenklang mit diesen hochwertigen Instrumenten hat sich der RND 517 bestens bewährt.

Audio Samples
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Gitarre DI Gitarre DI und Kompressor Gitarre Mic Gitarre Mic und Kompressor Vocals Vocals Kompressor

In vielen Situationen liefert der Einknopf-Kompressor gute bis sehr gute Ergebnisse. Der Schwerpunkt liegt hier auf angenehmer, eher (im positiven Sinne) unauffälliger Signalverdichtung. Dabei ist die Einheit so abgestimmt, dass man praktisch nichts „kaputt“ machen kann. Wer ansatzweise mit der Funktion, den Einsatzgebieten und dem Klangverhalten eines Kompressor vertraut ist, wird sich diese Einheit auf Anhieb zunutze machen können. Allerdings fällt der Kompressor auch in der auf „schnell“ gejumperten Betriebsweise eher in die Kategorie der „Transientenbetoner“ und nicht ins Fach der brickwallmäßigen „Transientenfänger“. In anderen Worten: Man kann den Kompressor gut zur Verdichtung und zum Leveling einsetzen, für manche Vocals dürfte er aber gerne noch ein bisschen schneller sein. Auch die Silk-Schaltung kommt hier weniger flexibel daher als beispielsweise beim 511. Das tut aber ihrem reinen Klang keinen Abbruch. Auch beim 517 präsentiert diese Funktion genau den angenehmen mittig-reibeligen Touch, der sich auf vielen Signalen sehr vorteilhaft macht.

Fazit

Der Portico 517 bietet viele Funktionen unter einem Dach. Und das geht im Einzelnen etwas auf Kosten der üppigen Ausstattung, die Rupert Neve seinen separaten Mic-Preamps, Kompressoren etc. angedeihen lässt. Dennoch ist der 517 sozusagen mehr als  die Summe seiner Teile, weil sein ganz spezielles Feature-Set Dinge ermöglicht, die zwar nicht einzigartig sind, aber doch gut konzipiert und zusammengestellt. Im Zusammenspiel mit den anderen Modulen des Herstellers macht der Funktionsumfang des 517 durchaus Sinn, und auch wenn das Teil kein „Must-have“ für Jedermann ist, so kann es doch seine überaus nützlichen und gut klingenden Vorzüge in vielen Situationen voll ausspielen. Der Preis ist in jedem Fall angemessen, und die volle Punkzahl gibt es nur aufgrund des etwas spezielleren Charakters des 517 nicht.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Klangeigenschaften
  • Ausstattung
  • spezielles Konzept
Contra
  • sparsames Metering
Artikelbild
Rupert Neve Designs Portico 517 Pre/DI/Comp Test
Für 939,00€ bei
Der 517 vereint Mic-Preamp, Kompressor und DI-Input in einem Gehäuse.
Der 517 vereint Mic-Preamp, Kompressor und DI-Input in einem Gehäuse.
Technische Spezifikationen
  • vielseitiges Eingangsmodul mit parallelen Mic- und Instrumenten-Inputs
  • Mic-Preamp mit 66 dB Gain, Instrument-Input mit 30 dB Verstärkung
  • beide Eingänge können stufenlos gemischt werden
  • Optokompressor mit Ein-Knopf-Bedienung
  • Silk-Schaltung beeinflusst den Klang der Ausgangsstufe
  • Vari-Phase Schaltung am Instrumenteneingang erlaubt die Anpassung von Mic- und Instrumentensignalen
  • frontseitige Thru-Buchse schleift das Instrumentensignal zum Verstärker weiter
  • Preis: € 1004,- (UVP)
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Der 517 vereint Mic-Preamp, Kompressor und DI-Input in einem Gehäuse.

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