Radial Engineering J33 Test

Radial Engineering bietet mit dem J33 einen „hochpreisigen“ Phono-Vorverstärker an, der mit symmetrischen XLR-Ausgängen, die unter anderem Mikrofonpegel an 600 Ohm bereitstellen können, einem massiven Gehäuse und einer komfortablen unsymmetrischen Ausgangssektion professionelle Anwender von sich überzeugen möchte.


Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich weiß ich, dass nach oben offenes „High-End“ bereits zahlreiche erheblich kostspieligere Phono-Vorverstärker zu Tage gebracht hat, als meinen heutigen Testkandidaten, der für 243 Euro UVP zu haben ist. Ich nenne nur als ein Beispiel den deutschen Hersteller EMT mit dem Jubilee JPA 66 für etwa 12.000 Euro, Link hier. „Hochpreisig“ meint hier zum einen die Einordnung in unser Testfeld und natürlich in den MI-Markt, sprich das aktuelle Angebot von Preamps, die in relativ großer Stückzahl für die DJ-Szene, den Studio- bzw. Broadcast-Sektor sowie für den PA-Bereich hergestellt werden. Auf letzteren scheint es Radial Engineering schwerpunktmäßig mit dem J33 abgesehen zu haben, wenn man mal nur den Formfaktor und die Massivität des Chassis für diese Zuordnung heranzieht. Doch kann er auch hinsichtlich seines Sounds alle professionellen Anwender überzeugen? Ich bin ziemlich gespannt, ob seine „inneren Werte“ das implizierte Versprechen seines tief beeindruckenden Äußeren einlösen können.

Details

Mannometer, dass ich heute noch körperliche Arbeit leisten sollte, hatte vorher aber niemand gesagt. Radials J33 bringt bald 1,3 kg (!) auf die Waage, was so ziemlich alles an Gewicht im DI-Box-Formfaktor übertrifft, was ich bis dato in Händen hielt. Eine derartig konzentrierte Masse beeindruckte doch immer schon jedweden Hi-Fi-Enthusiasten, implizierte zudem eine sehr hohe Wertigkeit hinsichtlich verwendeter Bauteile und verlieh so einem Gerät hierdurch bereits schon die Lizenz für ganz eindeutig kompromisslose Ohrenbetäubung, so auch hier, wow!
Ganz im Ernst: Die Marketingabteilung von Radial Engineering spricht in ihren technischen Spezifikationen, die es im Übrigen in absoluter Vollständigkeit hinsichtlich der branchenüblichen Messparameter auf der Homepage zum Download gibt, von „14 Gauge Steel“ und meint damit die Dickwandigkeit des verwendeten Chassis-Stahls. Und der ist somit 2,1 mm stark, also ganz schön feist! Der Hersteller garantiert, dass die innen fest montierte Platine keinen Schaden nehmen soll, egal was passiert. Gut, überrollen mit einem Millitärkettenfahrzeug steht freilich außen vor, aber so alles andere, was im Tour-Betrieb passieren könnte, sollen die „Innereien“ wohl schadlos überstehen.
By the way: Die Unterseite ist nicht wie sonst üblich mit vier Gummipads oder Gerätefüßen bespickt, sondern vollflächig mit etwa 3mm dickem Moosgummi überzogen. Da verrutscht aber auch nix, nicht mal auf ’ner Eisscholle.

Fotostrecke: 4 Bilder Der J33 kommt in einem länglichen und unspektakulären Karton daher.

Anschlüsse

Radial Engineering lässt sich hinsichtlich der integrierten Schnittstellen nicht lumpen und bringt so ziemlich alles in dem 127 x 159 x 51 mm kleinen Panzer unter, was einem so einfallen könnte. Außer DIN-Buchsen, die hier leider nicht vertreten sind, was schade ist, aber lassen wir das.
Zur Verwendung mit einem Mischpult (oder gar einer professionellen Mischkonsole in Kombination mit Insert-Effekten) verfügt J33 über zwei symmetrische XLR-Ausgänge, die ein Stereosignal mit Mikrofonpegel an 600 Ohm bereitstellen. Über die XLR-Schnittstelle kann der Radial-Vertreter zudem mit Phantomspeisung (+48 Volt) versorgt werden, was bei Vorhandensein einer Studiokonsole die mitgelieferte „Wandwarze“ obsolet macht und unbedingt vorzuziehen wäre, da die Versorgungsspannung einer Konsole (selbst schon im mittleren Preissegment – bis etwa 3000 Euro bei 24 Kanälen) gewiss ungleich viel stabiler ist. Zudem ermöglicht diese Art der Anwendung auch die Option, per Insert verschiedenste Mikrofonvorverstärker auszuprobieren. Na, mal Pink Floyds „Time“ über zwei 1173 Neve Preamps hören? Das wäre hiermit locker machbar.
Neben den symmetrischen Ausgängen hält J33 eine unsymmetrische Angebotspalette bereit, um jedwede Anschlusskette mit Line-Signalen zu versorgen. Neben dem Stereo-Cinch-Standard spendiert Radial Engineering dem Preamp zwei Stereoklinkenbuchsen (3,5 und 6,35 mm), um Verbindung mit unsymmetrischen Anschlüssen aufzunehmen. Eingangsseitig bleibt’s bei Cinch-Buchsen. Für den Massebezug ragt eine massive Eisenschraube aus dem Gehäuse, die händisch über den geriffelten Rand oder mit Hilfe eines konventionellen Schlitzschraubendrehers arretiert werden kann. Zwei Power-LEDs visualisieren eine anliegende Versorgungsspannung an den zwei Ausgängen. Die LEDs leuchten ebenfalls beide, wenn das mitgelieferte Netzteil angeschlossen wird.

Fotostrecke: 3 Bilder DAS nennt man eine komfortable unsymmetrische Ausgangssektion!

Ein paar technische Angaben …

Die Eingangsimpedanz des J33 beträgt – wie für MM-Tonabnehmer üblich – 47 kOhm. Ausgangsseitig gibt der Hersteller für die unsymmetrische Line-Sektion 470 Ohm an. Den Signalrauschabstand beziffert Radial Engineering mit 82 dB bei maximal -1 dBu Ausgangspegel und den möglichen Dynamikumfang mit maximal 91 dB. Das ist weit mehr als ein Wiedergabesystem aus Plattenspieler und Vinyl hergibt. Als maximaler Eingangspegel gelten -30 dBu bei 1kHz.
Den nominalen Eingangspegel, sprich den Arbeitsbereich des Preamps, setzen die Entwickler von Radial bei -50 bis -40 dBu @ 1 kHz. Der Klirrfaktor soll höchstens 0,002% bei 1 kHz und -33 dBu Eingangspegel betragen. Die reine Verstärkung, die der J33 leistet, liegt laut Radial bei +37,8 dB. Alle genannten Werte sind durchweg Herstellerangaben.
Das schaltbare Low-Cut-Filter setzt bereits bei 200 Hz mit einer Flankensteilheit von -3 dB pro Oktave ein und erreicht seinen -3 dB Punkt bei 100 Hz! Das „Rumpelfilter“ setzt für mein Dafürhalten empfindlich früh ein. Die kanadische Company sieht das Filter beim Einsatz auf großen Partys, sprich lauten Beschallungen, um Bassfeedbacks frühzeitig aus dem Weg zu gehen. Das ist zwar gut gemeint, aber das wäre im Prinzip ja eher eine Sache für einen grafischen Klark-EQ, auf den man sowieso standardmäßig setzt, um eine Frontbeschallung zu entzerren und abzurunden.
Standard Grenzfrequenzen bei Subsonic-Filtern liegen in der Regel bei 20, 25, 30 und meinetwegen 40 Hz bei 6 oder 12 dB pro Oktave. Der hier vorliegende Low-Cut entfernt viel des tiefen Spaßes, den Musik für die Tanzfläche aber benötigt. Ich hätte das gerne anders gesehen.

Praxis

Handling

Der J33 ist wirklich ein praktisches, wenn auch nicht ganz leichtes Tool, mit dem es Spaß macht zu arbeiten. Mit Sicherheit zudem auf Tour ein zuverlässiger Vertreter seiner Zunft. Die gummierte Unterseite sorgt für enorme Bodenhaftung, so dass der J33 auch auf glattem Untergrund nicht wegwandert, wenn man die XLR-Stecker in die dazugehörigen Buchsen befördern möchte. Hinsichtlich der Pegel gibt es keine visuelle Kontrolle, was aber der Praktikabilität keineswegs im Wege steht, schließlich ist die Vorverstärkung ja fest eingestellt und nicht manipulierbar. Nähern wir uns also der klanglichen Beurteilung.

Sound

Als Vergleichsobjekte bringe ich mal wieder meine persönliche Referenz, einen Dynavox TPR-2 Röhrenvorverstärker sowie eine Redbox von Sonifex ins Spiel. Beim TPR-2 handelt es sich um eine audiophile Hi-Fi-Lösung für etwa 150 Euro Ladenpreis, während der RB-PA2 für den Broadcast-Sektor konzipiert ist, zwei Phonosignale verarbeiten kann und mit 380 Euro zu Buche schlägt, pro Stereokanal also 190 Euro kostet. Beide Modelle kommen zwar preislich mit unserem Testprobanden nicht ganz mit, soll aber für eine Einordnung reichen.

Fotostrecke: 3 Bilder In direkte Konkurrenz mit dem J33 tritt bei unserem Vergleich die Redbox PA2 von Sonifex.

Hörtest

Unser erster Vergleich führt uns zu Sades Smooth Operator aus den 80er Jahren und hier legt der J33 bereits gut los. Das erste Mal habe ich das Gefühl, mit meiner Signalkette Sades Gesangsstimme einigermaßen gerecht zu werden. Der Testproband von Radial Engineering komplettiert die Kette wirklich famos. Das Klangbild ist ruhig, das Spektrum ausgewogen, der Bass knurrt ordentlich, ohne sich unten herum aufzudrängen, das Schlagzeug ist in der Phantommitte festgenagelt und klingt total tight und präzise.
Zum ersten Mal hör ich Sades Stimme ein wenig perlen. Der Sound ist transparent und dennoch ist kein hoher Ton zu laut, kein Becken zu harsch. Der Sonifex klingt ebenfalls recht homogen, verliert aber an Boden, weil er die Durchsicht des J33 nicht bieten kann. Die Redbox wirkt im direkten A/B-Vergleich ein wenig verhangen und zurückhaltender, aber dennoch ganz ordentlich. Und das erste Mal finde ich den Dynavox bei Sades Stimme ein wenig billig, aber nur an einer Stelle, das war mir bislang noch nicht aufgefallen.

Audio Samples
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A1 Sade – Smooth Operator über den J33 A1 Sade – Smooth Operator über die Redbox A1 Sade – Smooth Operator über den TPR-2

An der nächsten Teststation wartet Lemmy bereits auf uns und auch er ächzt bei seinem Whorehouseblues von Motörhead sehr authentisch aus meinem AKG-Kopfhörer. Auch dieses Blues-Stück klingt über den J33 sehr ausgewogen, nichts dran über! Die Präzision, mit der der Radial zu Werke geht, ist beeindruckend. Bei diesem Stück und auch bei den folgenden wird mir klar, dass wir hier sehr wahrscheinlich die Grenzen meines Ortofon-Tonabnehmers ausgelotet haben.

Audio Samples
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A2 Motörhead – Whorehouseblues über den J33 A2 Motörhead – Whorehouseblues über die Redbox A2 Motörhead – Whorehouseblues über den TPR-2

Im Prinzip verhält es sich bei Deodatos Interpretation von Wagner hinsichtlich der klanglichen Ausprägungen ähnlich wie bei Sade. Der Sonifex wirkt solide, aber auch ein wenig bedeckt, der Röhren-Preamp von Dynavox klingt alles andere als bedeckt, vielmehr quicklebendig und sehr agil, wenn auch etwas die Präzision fehlt, zieht man für den Vergleich zum J33 die perkussiven Instrumente heran. Der TPR-2 entwickelt aber im Gegensatz zu den anderen beiden Genossen eine unglaubliche Strahlkraft bei den Bläsern und zum ersten Mal fällt mir beim Vergleichshören auf, dass die Bläser an ein, zwei Stellen zu spitz werden, was dem J33 nicht passiert. Dennoch arbeitet keiner der beiden „Profis“ den Schellenkranz so gut heraus wie die Röhre. Ich würde mal sagen, hier sollte der persönliche Geschmack entscheiden. Der eine mag es gerne etwas lebendiger und nimmt vereinzelte Spitzen in Kauf, ein anderer legt großen Wert auf die völlige Kontrolle und Homogenität eines Wiedergabesystems und kann überspitze Bläser und Stimmen gar nicht leiden. Wie im echten Leben…

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A3 Deodato – Also sprach Zarathustra über den J33 A3 Deodato – Also sprach Zarathustra über die Redbox A3 Deodato – Also sprach Zarathustra über den TPR-2

Auch DeLaSoul zusammen mit Chaka Khan „kommen gut rüber“. Die Gesangstimme ist fetzig, die Drums präzise wie ein Uhrwerk und der Bass erklingt bestimmt, aber mit Kontur. Die Redbox ist mir hier ein bisschen fade, während der TPR-2 sich als Dancefloor-Preamp entpuppt. Die Hi-Hats schmatzen, die Snare peitscht, Chaka presst sich vorwiegend aus dem Hochtöner, dennoch klingt’s nie übertrieben. Auch hier entscheidet der Geschmack, wer es etwas zurückhaltender möchte und dafür präzise, ist nach wie vor bei Radial Engineering goldrichtig.

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A4 DeLaSoul feat. Chaka Khan – All Good? über den J33 A4 DeLaSoul feat. Chaka Khan – All Good? über die Redbox A4 DeLaSoul feat. Chaka Khan – All Good? über den TPR-2

„Ein jeder klingt anders, aber keiner klingt schlecht“ könnte das Fazit beim fünften Hörbeispiel lauten, so sehe ich das bei Grauzones „Film2“.

Audio Samples
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A5 Grauzone – Film 2 über den J33 A5 Grauzone – Film 2 über die Redbox A5 Grauzone – Film 2 über den TPR-2

DJ Kozes „XTC“ bereitet beim Hören über alle drei Vorverstärker Spaß. Die Redbox klingt mal wieder okay, mir aber nicht durchsichtig genug. Der Dynavox klingt nach mehr Drive im Bass und die Synthieflächen setzen sich besser durch als bei den beiden anderen Kollegen. Dafür legt der J33 wieder eine 1-A-Präzision an den Tag, gepaart mit einem sehr homogenen Klangbild.

Audio Samples
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A6 DJ Koze – XTC über den J33 A6 DJ Koze – XTC über die Redbox A6 DJ Koze – XTC über den TPR-2

Test-Setup

Playback & Verstärkung
Plattenspieler: Vestax PDX 2300 Pro MKII Tonabnehmer: Ortofon OM Serato S-120
Mixer & Preamp: Denon DN-X1600
Externer Phono-Preamp: Dynavox TPR-2
Aufzeichnung AD-Wandlung: RME HDSPe AIO
Aufzeichnung: SONY SoundForge 11, PCM-Audio, WAV mit 176,4 kHz und 32 Bit
Abhörkette
DA-Wandlung: Denon 300-USB/Benchmark
Kopfhörerverstärker: Dynavox CSM12/ SPL Phonitor
Kopfhörer: AKG K702

Fazit

Radial Engineering bietet mit dem J33 einen professionellen Phono-Preamp an, der in einem massiven, 21 mm starken Stahlchassis eine Menge Features unterbringt. Neben einer umfangreichen unsymmetrischen Ausgangssektion stellt der J33 auch XLR-Ausgänge mit Mic Level an 600 Ohm bereit, über die der Vorverstärker auch mit Phantomspeisung betrieben werden kann. Neben diesen Features bietet der J33 vor allem aber eines: einen grundsoliden und homogenen Sound, der mit Transparenz und guter Tiefenstaffelung einen überzeugenden Raumeindruck vermittelt. Eine hohe Schnelligkeit bei der Transienten-Wiedergabe und eine verblüffende Präzision bei perkussiven Sounds möchte ich unserem Testkandidaten ebenfalls attestieren. Den guten Gesamteindruck kann auch das zu früh einsetzende Rumpelfilter nicht schmälern, das aber dafür sorgt, dass sich der J33 nicht alle 5 Sterne einheimst. Die gäbe es dann in Revision 2 bei einer tieferen Grenzfrequenz beim Low-Cut. Der Preis geht in Ordnung, 244 Euro scheinen mir nicht zu viel zu sein bei soviel Sound und Stahl.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • auf MM-Tonabnehmer spezialisiert
  • symmetrische XLR-Ausgänge mit Mic-Level an 600 Ohm
  • je zwei Cinch- und Stereoklinkenausgänge
  • massives, starkes Stahlgehäuse
  • +48 Volt Phantomspeisung möglich
  • guter Ausgangspegel
  • präziser Klang
  • homogenes Klangbild
  • gute Stereoabbildung
  • gute Räumlichkeit
Contra
  • Rumpelfilter greift zu früh (bei 200 Hz mit 3 dB/Oktave)
Artikelbild
Radial Engineering J33 Test
Für 279,00€ bei
Radial Engineering J33
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