Die Herausforderung mit dem Millenium DP2000 Multipad: Der verantwortungsvolle Umgang mit fast unbegrenzten Soundmöglichkeiten gehört zu den größten Problemen, die die Erfindung der elektronischen Klangerzeugung mit sich brachte. Bei all dem lustigen Geräuschemachen kann man schnell mal aus den Augen verlieren, dass man ja eigentlich Musik machen wollte.
Natürlich ist ein Gerät, mit dem man durch einfaches Anschlagen einer Klangfläche, authentische Geräusche aus der Tierwelt erzeugen kann, ein gefundenes Fressen für Menschen, die jahrelang mit ihrem geliebten Furzkissen für Angst und Schrecken gesorgt haben, aber vorab sei schon mal verraten, dass auf der Soundbank des DP-2000 weder eine Klospülung noch der Brunftschrei des gemeinen Tasmanischen Teufels enthalten sind. Da sollte es doch mit eben jenem Teufel zugehen, wenn man dieses Multipad nicht auch sinnvoll zur Verfeinerung musikalischer Kontexte nutzen kann oder um Soundlibrarys am Computer anzusteuern. Wie es derlei Aufgaben bewältigt und ob der Kasten noch mehr auf dem Kasten hat, untersuchen wir für euch in diesem Test.
Details
Auf den ersten Blick verströmt der Testling doch eher einen gewissen Kinderspielzeugcharme, was vornehmlich am in das Gehäuse eingefügten Griff liegt. Auch das hochglanzpolierte Weiß und die starken Abrundungen der Kunststoffabdeckung passen zu diesem Eindruck. Ein wenig eingelassen in diese Abdeckung befinden sich die acht rechteckigen Schlagflächen aus einem schwarzen, gummiartigen Material. Sie überragen das Chassis um etwa einen Zentimeter und haben ein Maß von zirka neun mal elf Zentimetern. Jeweils vier Pads liegen nebeneinander mit einem Abstand von einem halben Zentimeter, die Ecken der äußeren Pads in der unteren Reihe sind abgerundet. Das Bedienfeld befindet sich auf der linken Seite und besteht aus zwei Volumenreglern (Phone und Master), einem siebeneinhalb mal fünf Zentimeter großen Display, neun Funktionstasten (Kit, Start/Stop, Record, G.Box, Click, Phrase, Enter, Setup, Exit) sowie einem großen Drehregler an der Unterseite. Des Weiteren befinden sich noch schmale LED-Leuchtstreifen im Gehäuse, und zwar jeweils über den oberen Schlagflächen und unter den unteren Schlagflächen. Alle Anschlüsse befinden sich unterhalb des Griffes an der Rückseite des Gerätes. Von links nach rechts gesehen sind das: MIDI Out, MIDI in, USB, Foot SW, Kick, Ride, Snare, Hi-Hat, Hi-Hat CTRL, Headphone, Line Out L/Mono, Line Out R, Line In, DC 9V IN, On/Off Kippschalter. Alle Ein- und Ausgänge haben das Standardklinkenmaß 6,3 mm.
Die Unterseite des Gerätes ist so geformt, dass im Betrieb auf einer planen Unterlage eine Neigung nach vorne entsteht. Vier kleine Füße aus weichem Kunststoff sorgen für einen sicheren und schreibtischschonenden Stand. Will man das Multipad auf einem Stativ befestigen, muss die mitgelieferte Metallrosette mit vier Schrauben an der dafür vorgesehen Stelle befestigt werden. Die Schrauben und ein passender Schraubenzieher sind ebenfalls dabei. Als weiteres (eher unfreiwillig komisches) Gimmick befinden sich in der rechten Seite des Gehäuses zwei Trommelstöcke, die mit einer Federmechanik einrasten und mittels leichtem Druck freigegeben werden. Da fehlt eigentlich nur noch die Halterung für den Zahnputzbecher. Komplettiert wird der Lieferumfang durch das Netzteil und einen Stimmschlüssel, mit dem die Feststellschraube an der Rosette bedient werden kann. Ach ja, eine umfangreiche Bedienungsanleitung gibt es natürlich auch, allerdings nur auf Englisch. Dann will ich mal hoffen, dass meine Sprachkenntnisse ausreichen, um allen Funktionen auf die Schliche zu kommen.
Ein entscheidendes Kriterium zur Bewertung eines multifunktionalen Instrumentes ist die Möglichkeit der intuitiven Bedienbarkeit. Darum lege ich die Anleitung schnell wieder weg und bediene sofort den Anschalter. Das Gerät startet mit dem ersten von 80 vorprogrammierten Sets. Mit dem Drehrad am unteren Rand des Bedienfeldes kämpfe ich mich erst einmal durch all diese Sets, deren Namen nicht immer erahnen lassen, welche Klänge einen erwarten. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Special-Effects und fast alle klassischen Percussionsounds sind mit großen Hallräumen versehen. Da ich heute nicht in der Stimmung bin, einen alten Godzilla-Film neu zu vertonen, wähle ich erst mal das Preset mit dem wenig angsteinflößenden Titel “Hi Perc” und versuche weiterhin ohne die Anleitung, den Hall loszuwerden. Nach dem Drücken der Setup-Taste ist das Prinzip der Menüführung schnell klar, denn der durch den Drehknopf auszuwählende Parameter blinkt im Display und kann durch Enter aktiviert werden. In diesem Fall wähle ich die Option Global und finde sehr schnell das Delay. Die Learning-By-Doing-Vorgehensweise erweist sich hier als gute Wahl und so braucht man das Bedienheft eigentlich nur, um kurz zu schauen, was die eine oder andere Abkürzung im Display wohl bedeuten könnte.
Folgende Möglichkeiten stehen nach der Betätigung der Setup-Taste zur Verfügung: Kit Edit, Advanced, System und Reset. Im Kit Edit kann man unter dem Menüpunkt Global Effekteinstellungen vornehmen, die sich gleichermaßen auf alle Pads des gewählten Sets auswirken. Die verfügbaren Effekte sind Chorus, Reverb und Delay. Im Pad-Kit-Modus lassen sich die einzelnen Schlagflächen konfigurieren. Jedes Pad ist wahlweise mit einem oder zwei Sounds zu belegen. Im Falle einer Doppelbelegung gibt es mehrere Optionen, welcher Sound bei welcher Schlagstärke erklingt. Hierfür legt man den dynamischen Anschlagpunkt fest und kann sich entscheiden, ob der zweite Sound ab diesem Punkt den ersten ersetzt oder ob und wie die Klänge ineinander übergehen sollen (Switch/Crossfade/Fade).
Fürderhin bearbeitet man hier Lautstärke, Panorama, Tonhöhe und Effektlautstärke der ausgewählten Klänge. Diese Parameter sind für jeden einzelnen Sound konfigurierbar. Sofern weitere Pads (Bassdrum, Snaredrum etc.) an die dafür vorgesehenen Eingänge angeschlossen sind, kann man diese auf dieselbe Weise über das Menu External bearbeiten. Unter der Rubrik Advanced gibt es die Möglichkeit, das grundsätzliche Anschlagsverhalten der einzelnen Pads den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Sowohl die Sensibilität der Ansprache als auch der Dynamikbereich werden hier festgelegt. Außerdem kann durch das Einstellen eines Gates bei möglichem, vibrationsbedingtem Auslösen nicht angeschlagener Pads Abhilfe geschaffen werden. Für die externen Triggerpads gibt es diese Einstellungen unter External.
Das alles sind generelle Einstellungen, die unabhängig von der Soundbelegung greifen. Ebenso generell sind die Parameter im Bereich System. Zum einen bietet sich hier die Möglichkeit, maximal zehn favorisierte Sets in eine Kette einzufügen, um sich einen schnellen Zugang zu schaffen und zum anderen wählt man die Funktionsweise des Fußschalters aus. Außerdem stößt man hier auf neun vorgefertigte Equalizereinstellungen, Festlegung der Masterlautstärke und des Master Tune, die Möglichkeit jeweils ein Pad einem MIDI-Kanal zuzuweisen und die Option auf die Erstellung benutzerdefinierter Effekteinstellungen. Insgesamt ist der funktionale Aufbau des DP-2000 sehr gut strukturiert und überschaubar. Das hintergrundbeleuchtete LC-Display ist zwar ausreichend groß, wird aber nicht optimal genutzt, weil dauerhaft sowohl die acht Pads als auch die fünf Symbole für die externen Pads abgebildet sind.
Die Schlagflächen haben einen angenehmen Rebound und spielen sich in etwa wie ein hochwertiges Practice-Pad. Zur völligen Kontrolle des Sounds muss man allerdings sehr genau mittig anschlagen. Obwohl die Bedienung und die Konfigurationsmöglichkeiten gut durchdacht sind, gibt es doch fragwürdige Einschränkungen. So kann man zwar innerhalb der vorformatierten Sets die Soundbelegung nach seinen Wünschen ändern, aber es ist nicht möglich, das neue Setup unter einem eigenen Namen abzuspeichern. Auch was die Auswahl der Sounds angeht, ist es wenig verständlich, dass unter den 914 verfügbaren Klängen nicht ein einziger Bass zu finden ist. Dafür gibt es unverhältnismäßig viele blubbernde Effektsounds, die sich eventuell zur Untermalung einer pantomimischen Slapstick-Performance betrunkener Schimpansen eignen könnten.
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Multipad EffektsoundsSnare SoundsKick Sounds
Auch akustische Drumsounds sind eher Mangelware, allerdings gibt es eine ausreichende Auswahl an größtenteils gut klingenden Perkussionsinstrumenten. Leider muss man lange am Rad drehen, wenn man etwas Bestimmtes sucht, denn sowohl im Display als auch in der Bedienungsanleitung sind diese als Perc001 bis Perc163 durchnummeriert. Einige wenige Samples sind unsauber geschnitten und enden mit einem Knacken.
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Diverse Percussion SoundsMultipad knackende Problemsounds
Im Bereich der klanglichen Effekte sieht es ähnlich aus. Es stehen durchaus ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, 26 Reverbs, 22 Chorus Presets (inklusive Phaser, Flanger und Tremolo) und vier Delays. Es gibt die Möglichkeit, jeweils einen eigenen Effekt zu konfigurieren, aber es ist zum Beispiel nicht möglich, Echo und Delay auf ein bestimmtes Tempo einzustellen. Immerhin bewegen sich die Effekte klanglich im erträglichen Bereich und sind einfach zu handhaben. Für viele Menschen ist die interne Klangerzeugung allerdings eher unwichtig. So bieten die meisten modernen Pads die Möglichkeit, Triggersignale und die Padsignale in MIDI-Befehle umzuwandeln und diese über die integrierte MIDI-Schnittstelle an eine externe Soundquelle zu senden. Das Millenium DP 2000 bildet hier glücklicherweise keine Ausnahme mit der kleinen Einschränkung, dass kein Midi-Clock-Sync möglich ist. Eine gängige Alternative zu den Preset-Sounds des Geräts bilden Programme wie EZ-Drummer oder Addictive-Drums, aber natürlich auch die verschiedensten Hardware-Klangerzeuger und Sampler.
Für den Test rüste ich das Pad mit Triggerpads für Hihat, Bassdrum, Snare und einem Ridebecken auf, für welche je ein gesonderter symmetrischer Klinkeneingang auf der Rückseite des DP 2000 vorhanden ist. Ganz selbstverständlich gibt es auch einen Hi-Hat-Control-Eingang, über den das Gerät per Klinke vom Hi-Hat-Trigger die Information erhält, ob die Becken geöffnet oder geschlossen sind. Mit einem Mal versteht sich das DP 2000 nicht mehr nur als Sample-Pad, sondern als E-Drum-Modul mit integriertet MIDI-Übersetzung. Für diesen Preis ist das ganz ordentlich, denn es lässt sich keine Latenz wahrnehmen und mit dem Standard von 127 Velocity-Stufen lässt sich ohne Einschränkung dynamisch trommeln – mit dem Unterschied, dass man nicht mehr auf die durchwachsene interne Soundlibrary angewiesen ist. Ein kleiner Tipp für ideales Spielgefühl: Wenn man in der Pad-Einstellung die Sensivität hochschraubt, nutzt man ganz entspannt den kompletten Dynamik-Umfang. Wenn man gerade kein Interface zur Hand hat, um das MIDI-Kabel einzudocken, genügt auch der USB-Slot am Gerät, der ausschließlich den Job hat, eine alternative MIDI-Übermittlung zu ermöglichen. Als letztes noch ein paar Takte zum Line-In: Wer zu Musik spielen möchte, schließe hier seinen MP3-Player an.
Abschließend gilt es noch herauszufinden, was es mit den Funktionen Phrase und G.Box auf sich hat. Eine Phrase bezeichnet hier das Ergebnis einer Aufnahme. Durch Drücken des Aufnahmeknopfes, kann man direkt mit dem aktuell eingestellten Set ein viertaktiges Pattern aufnehmen. Diese vier Takte laufen immer im Kreis und es lassen sich mehrere Sounds nacheinander einspielen. Aktiviert man im Phrase-Modus die Setup-Taste, kann man einige Parameter für die Aufnahme bearbeiten: mögliche Aufnahmelängen sind 4, 8, 16, 32 oder 999 Takte, die Taktart lässt sich über die Einstellung der Schläge pro Takt bestimmen, das Tempo kann genauso festgelegt werden wie die Metronomlautstärke – doch leider nicht der Metronomsound.
Des Weiteren werden zwei Aufnahmeverfahren angeboten: Overwrite und Overdub. Letzteres erlaubt das Hinzufügen von Parts, während der Overwrite-Modus innerhalb eines Taktes die vorhandene Aufnahme überschreibt. Neben eigens für das Recording zu bestimmenden Effekteinstellungen bietet das Gerät auch mehrere Begleitplaybacks verschiedener Stilistiken, die aber wenig Inspiration verbreiten. Bis zu 30 dieser Aufnahmen kann man speichern und entweder einmal oder als Loop abspielen. Soweit eigentlich alles wunderbar, aber wäre es nicht toll, wenn sich das Eingespielte irgendwie quantisieren ließe? Leider Fehlanzeige, die wohl wichtigste Funktion in Sachen Aufnahme und Looperzeugung wurde leider ausgespart.
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Phrase 1Phrase 2Phrase 3
Bei der Funktion G.Box handelt es sich um eine eher niedlich zu bezeichnende Performance-Möglichkeit. Es werden 20 vorgefertigte musikalische Strukturen angeboten, mit denen man sich spielerisch die Zeit vertreiben kann. Auf den oberen Pads liegen jeweils vier Variationen von vorgegebenen rhythmischen und begleitenden Patterns an, die sich durch leichtes Anschlagen wechseln oder durch hartes Anschlagen an- oder ausschalten lassen. Die unteren Schlagflächen sind mit scheinbar wahllos ausgesuchten Klängen belegt und dienen der Begleitung. Das Ergebnis dieser ja grundsätzlich kreativen Beschäftigung klingt dann aber aufgrund der Art der vorgegeben Musikteile in etwa so, als würde Gurki am Sonntagnachmittag im Seniorenheim Walsrode das Tortenbuffet musikalisch untermalen.
Dabei könnte das Prinzip durchaus interessant sein, wenn man die Parts selber erstellen könnte und auch die Sounds zur freien Wahl stünden. So aber ist dieses Feature nicht mehr als eine beschäftigungstherapeutische Spielwiese für… ja für wen? Man weiß es nicht.
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Fazit
Optisch deutlich an das Roland SPD 30 angelehnt, kann das DP-2000 in keiner Weise an die Qualität seines Vorbildes heranreichen. Es ist zu vermuten, dass das auch nicht die Intention des Herstellers war. Vielmehr ging es wohl darum, ein günstiges Einstiegsinstrument in die Welt der elektronischen Rhythmuserzeugung anzubieten. Genau das ist es dann auch geworden. Die Verarbeitung ist ordentlich, Funktionalität und Bedienbarkeit sind übersichtlich und gut strukturiert und die Schlagflächen sind angenehm bespielbar. In den entscheidenden Punkten, die für eine professionelle Nutzung interessant wären, stößt dieses Multipad schnell an seine Grenzen. Angefangen bei der Auswahl und Qualität der Sounds bis hin zur nicht vorhandenen Quantisierungsmöglichkeit im Aufnahmemodus gibt es einfach zu viele Einschränkungen. Trotzdem bekommt man hier für schmales Geld ein brauchbares Gerät, das sich vornehmlich im Hausgebrauch zur Erstellung von Groove-Layouts oder einfach nur zum lustigen Geräuschemachen eignet. Während ich mich schnell noch ein letztes Mal durch die Soundpalette schraube, frage ich mich ein ums andere Mal, ob das eben nicht doch der Brunftschrei des Tasmanischen Teufels war…aber lassen wir das.
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