Marleaux MBass 12 String Test

Bässe mit mehr als vier Saiten sind heutzutage keine Besonderheit mehr – nahezu jeder ambitionierte Tieftöner hat zumindest einen Fünfsaiter oder vielleicht sogar einen Sechssaiter in seiner Basssammlung. Zwölfsaitige Exemplare trifft man in der freien Wildbahn allerdings eher selten an, obwohl selbst Serienhersteller wie Hamer oder Dean bereits seit Jahrzehnten solche Modelle im Programm haben. Den wohl ersten Zwölfsaiter stellte Hamer Guitars bereits in den 1970er-Jahren her. Der Hamer Quad wurde von Jol Dantzig, einem der Mitgründer von Hamer Guitars, für Tom Petersson von der Band Cheap Trick gebaut, und erblickte nach etwa vierjähriger Entwicklungszeit im Jahre 1977 das Licht der Welt. Aufgebaut und gestimmt war der Quad wie ein normaler E-Bass mit vier Saiten in der jeweiligen Standard-Stimmung. Jede der vier Saiten wurde aber durch zwei weitere Saiten ergänzt (man spricht hier von sogenannten “Chören”), die beide eine Oktave höher gestimmt waren. Man kann sich leicht vorstellen, wie monströs ein derart besaitetes Instrument klingen muss! In diesem Test knöpfen wir uns einen Zwölfaiter von Marleaux vor – der edle Exot besitzt ebenfalls vier Saitenstränge mit jeweils drei Saiten und wird genauso gestimmt wie der Hamer Quad. Grundsätzlich basiert er auf dem modernen Singlecut-Modell MBass der Harzer Edelbass-Schmiede und bietet deshalb alle Komfortmerkmale sowie die Klangqualität eines handgefertigten Boutique-Basses.

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Details

Das aktuelle MBass-Modell ist seit 2012 in der “gefacelifteten” Version im Handel und begeistert die Edelbass-Fans rund um den Globus. Der kompakte Body ist sehr elegant und bietet sämtliche Vorteile einer Singlecut-Konstruktion. Die liegen in erster Linie in einem besseren Schwingungsverhalten, weil die obere Korpushälfte mit dem Hals verbunden ist, was die ganze Konstruktion enorm versteift.
Das uns vorliegende Testinstrument ist die Nummer 2 von derzeit nur zwei zwölfsaitigen Marleaux-Bässen weltweit. Nummer 1 wurde auf Kundenwunsch gefertigt, und Gerald Marleaux dachte sich damals: “Ach, wenn ich schon dabei bin, kann ich auch gleich noch einen zweiten Zwölfsaiter bauen!” Inzwischen ist dieses exklusive Teilchen beim Musikhaus Thomann zu beziehen. Dass wir ein derartiges Sparteninstrument einem Test unterziehen, hat den Grund, dass wir aufzeigen möchten, zu welchen bassbaulichen Höchstleistungen die Harzer in der Lage sind – frei nach dem Motto: “Sonderwünsche? Gerne!”
Für den Korpus des Zwölfsaiters hat Gerald Marleaux Ahorn gewählt – auch die Decke besteht aus dem harten Holz, allerdings kommt dafür ein besonders dekoratives Exemplar mit einer wunderschönen Flammung zum Einsatz. Genauso geht es weiter, denn auch der graphitstreifenverstärkte eingeleimte Hals des Singlecut-Basses besteht zum größten Teil aus Ahorn – drei breite Ahornprofile wurden mit zwei schmalen Furnieren eines dunklen Holzes (vermutlich Ebenholz) verleimt.

Fotostrecke: 5 Bilder Gigbag auf – Wooooow, was ist das denn bitte?

Das schwarze Griffbrett des exotischen MBass-Modells besteht ohne Zweifel aus einem pechschwarzen Stück Ebenholz – es wurde nach der Verleimung mit 24 Bünden, einem Nullbund und runden Lagenmarkierungen bestückt. Geschützt wird die Holzkonstruktion durch ein super elegantes Satin-Finish in “Blackburst”, das den Korpus, den Halsrücken und die Kopfplatte überzieht und die attraktive Maserung der Hölzer durchschimmern lässt – wahnsinnig schick!
Die Kopfplatte fällt bei der 12-String-Version des Mbass logischerweise ziemlich groß aus – oder genauer gesagt: ziemlich lang, denn sie muss ja schließlich auch zwölf Stimmmechaniken beherbergen. Auf jeder Seite des Headstock sitzen zwei normale Bass-Mechaniken, gefolgt von jeweils zwei Gitarren-Mechaniken für die Oktavsaiten. Geliefert werden die gekapselten Tuner allesamt von Schaller.

Fotostrecke: 5 Bilder Der imposante Headstock krönt das Instrument.

Richtig speziell wird es bei der Brücke, denn herkömmliche Modelle sind natürlich nicht in der Lage, zwölf Saiten aufzunehmen. Marleaux hat deshalb von ETS eine zweiteilige Stegkonstruktion anfertigen lassen, die mit den nötigen Modifikationen für die Verwendung mit zwölf Saiten versehen wurde. Das Segment für die Saitenaufhängung bietet pro Saitenstrang drei Ausfräsungen für die Ballends, und die vier Saitenreiterelemente wurden logischerweise mit jeweils drei Kerben versehen.
Anders als bei vintagemäßigen Stegkonstruktionen für Multistring-Bässe kann man bei der ETS-Brücke die Saitenlage und die Intonation der Standard-E-Saite getrennt von den jeweiligen Oktavsaiten einstellen. Jeder der vier Saitenreiter besteht nämlich aus zwei Teilen – auf dem oberen liegen die beiden hohen Oktavsaiten und auf dem unteren die dicke Basssaite. Diese Custom-Bridge ist schon wirklich sehr luxuriös! Ohne getrennte Einstellmöglichkeit für die verschiedenen Saiten bekommt man die Intonation bei einem Multistring-Bass allerdings auch niemals in allen Lagen in den Griff. Das ist zumindest meine Erfahrung mit Achtsaitern, die nur einen simplen Steg besaßen.
Saiten für zwölfsaitige Bässe gibt es übrigens bei einigen der großen Hersteller, wie beispielsweise D’Addario, standardmäßig zu kaufen. Der Mbass wurde allerdings mit etwas dünneren Custom-Saiten vom deutschen Saitenspezialisten Pyramid bespannt. In Sachen Tonabnehmer setzt Gerald Marleaux bei seinem modernen Zwölfsaiter auf zwei Quadcoil-Soapbars von Delano, die mit zwei kleinen Schaltern jeweils parallel, seriell oder in den Singlecoil-Modus geschaltet werden können.

Fotostrecke: 4 Bilder Oktavsaiten oben, herkömmliche Saiten unten – diese Anordnung …

Im Cockpit meines Testkandidaten gibt es außerdem einen Lautstärkregler, einen Balance-Regler, eine passive Tonblende und einen Doppelpoti, mit dem der Zweiband-Equalizer (Bässe und Höhen) der Marleaux-eigenen V2-Elektronik geregelt wird. Der Equalizer wird, wie bei Marleaux-Bässen üblich, mit einem Zug am Push/Pull-Lautstärkeregler aktiviert; im passiven Betrieb kann man den Höhenbereich immer noch mit der Tonblende absenken.
Die 9-Volt-Batterie für die Marleaux-Elektronik sitzt im großen, tiptop isolierten und aufgeräumten Elektronikfach auf der Rückseite des MBass. Beim Wechsel des Stromspenders muss also leider der Holzdeckel abgeschraubt werden, die Schrauben laufen aber in Gewinde, sodass hier selbst über viele Jahre nichts ausleiern wird.

Fotostrecke: 5 Bilder Ein Blick auf die Schaltzentrale des exquisiten Basses.

Praxis

Gewichtsmäßig liegt der Marleaux mit seinen 4,5 kg völlig im grünen Bereich, denn schließlich handelt es sich um einen Multistring-Bass mit 34-Zoll-Mensur und einer opulenten Tonabnehmer- und Elektronikausstattung. Durch die verlängerte und mit zwölf Stimmmechaniken bestückte Kopfplatte hängt der Zwölfsaiter natürlich nicht so perfekt ausbalanciert am Gurt wie ein “normaler” MBass. Von Kopflastigkeit kann aber dennoch keine Rede sein – der Multistring-Bass lässt sich insgesamt komfortabler spielen als so mancher Fünfsaiter und verursacht auch nach längerer Zeit keine Schulterbeschwerden.
Auch der Hals fühlt sich nicht so ungewöhnlich an, wie man es bei einem Exoten mit zwölf Saiten vielleicht vermuten würde. Klar, am Sattel ist er mit 5 mm etwas breiter, weil es sonst für die zwölf Saiten doch etwas zu eng würde. In den höheren Lagen fühlt man sich aber relativ schnell zu Hause, wenn man von einem ausgewachsenen Fünfsaiter kommt – das Profil ist nicht zu klobig und der Hals hat durch das Satin-Finish eine angenehm seidige Haptik.

Fotostrecke: 4 Bilder Der ungewöhnliche Marleaux MBass …

Trotz der guten Ergonomie des Basses waren meine ersten Gehversuche auf den zwölf Saiten allerdings anfangs etwas holprig, denn ich hatte zuvor noch nie mit einem solchen Monster zu tun. Es erfordert schon eine gute Portion Geduld und Übung, bis man die breiten Saitenchöre wirklich im Griff hat und sich rein auf musikalische Dinge konzentrieren kann. Besonders die Greifhand ist hier gefordert, denn wenn man die drei Saiten mit den Fingern nicht exakt erwischt, hört man eben Leersaiten schwingen oder es entstehen seltsame Nebengeräusche – hier ist also wirklich Präzision angesagt!
Einfachere Grooves gehen einem anfangs deshalb deutlich leichter von der Hand als virtuose Läufe, und auch komplexere Akkorde werden auf dem Zwölfsaiter zu einer Herausforderung. Schade eigentlich, denn gerade opulente Akkorde haben mit dem “orchestralen” Zwölfsaiter-Sound ihren ganz besonderen Reiz. Klar ist aber auch: Hier macht definitiv Übung den Meister, und wer viel auf einem Zwölfsaiter spielt und/oder speziell darauf komponiert, wird natürlich auch ganz anders mit dem Instrument verwachsen!
Die Anschlagshand justiert sich meiner Erfahrung nach hingegen etwas schneller an die speziellen Zwölfsaiter-Verhältnisse, sodass man prinzipiell nach relativ kurzer Eingewöhnungsphase alle herkömmlichen Spieltechniken, wie Fingerstyle, Plektrum-Style oder Slapping, umsetzen kann. Je nach Anschlagrichtung stehen eben entweder die hohen Oktavsaiten oder die tiefe, normale Basssaite etwas mehr im Vordergrund – hier muss man einfach experimentieren und herausfinden, auf welchen Sound man steht oder was besser zur Musik passt.

Fotostrecke: 3 Bilder Trotz der grundsätzlich guten Bespielbarkeit …

Damit sind wir schon mitten beim Thema “Sound”, und der ist beim Marleaux Zwölfsaiter wirklich alles andere als gewöhnlich und wirklich beeindruckend. Wer jetzt glaubt, dass man einen ähnlichen Octaver-Sound mithilfe eines Pedals doch viel einfacher umsetzten könnte, ist völlig auf dem Holzweg. Dadurch, dass die Oktave beim Marleaux mit richtigen Saiten erzeugt wird, wirkt der Sound ungeheuer lebendig, natürlich und viel facettenreicher als ein künstlich erzeugter Octaver-Sound. Außerdem entsteht durch die Verdoppelung der Oktavsaiten eine subtile Schwebung, die dem Sound ihren ganz eigenen Charakter gibt.
Funkige Riffs wirken mit dem MBass 12 String ultrafett, wie ihr im ersten Audiobeispiel hören könnt. Für die Aufnahme habe ich die beiden Delano-Quadcoils parallel geschaltet und die Tonblende voll aufgedreht. Flageoletts kommen mit dem Zwölfsaiter übrigens wirklich bombastisch – die Quarten am Ende des Clips stehen im Raum “wie in Stein gemeißelt”!

Audio Samples
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Passiv, beide Pickups parallel

Wir bleiben im passiven Betrieb, mit dem Balanceregler habe ich jetzt allerdings auf den Stegtonabnehmer geblendet. Seriell geschaltete Spulen sorgen für einen fetteren, mittenstärkeren Sound:

Audio Samples
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Passiv, Steg-Pickup seriell

Im Singlecoil-Betrieb klingt der Zwölfsaiter erwartungsgemäß knochiger, offener und transparenter. Im Clip hört ihr den Halstonabnehmer mit leicht absenkten Höhen via Tonblende:

Audio Samples
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Passiv, Neck-Pickup als Singlecoil

Natürlich eignet sich der schwebende und reiche Sound des MBass 12 String hervorragend für soloartige Improvisationen. Für das kleine Solostück habe ich die Marleaux-Elektronik aktiviert und mit dem EQ die Bässe und Höhen angehoben. Der MBass klingt mit der Anpassung abermals breiter und klarer, der Sound wirkt aber nicht künstlich oder aufgeblasen. Mir gefällt der hochwertige Marleaux-Preamp gerade im Zusammenspiel mit den transparent klingenden Delano-Tonabnehmer wirklich ausgesprochen gut!

Audio Samples
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Aktiv, beide Pickups seriell, Bass- und Treble-Boost
Ein echter Traumbass für Individualisten und Solokünstler!
Ein echter Traumbass für Individualisten und Solokünstler!

Fazit

Der komplexe, schwebende Oktavsound des edlen Multistring-Basses aus dem Hause Marleaux lässt einfache Grooves irre fett klingen und ist für experimentierfreudige Tieftöner sicher sehr inspirierend. Wer das Besondere sucht, wird mit dem Marleaux MBass 12 String deshalb sicherlich viel Spaß haben. Als zwölfsaitiger Bruder vom Marleaux Singlecut-Modell MBass bietet der Exot zudem einen erstaunlich hohen Spielkomfort. Darüber hinaus sorgen clevere Details, wie beispielsweise die separaten Saitenreiter (optimale Intonation), für eine problemlose Handhabung im Studio und auf der Bühne. Soundmäßig liefert der edle Zwölfsaiter die von Marleaux gewohnte Qualität und Flexibilität, und die Verarbeitung des Basses befindet sich erwartungsgemäß auf allerhöchstem Niveau. Ob man für einen derart speziellen Bass, den die meisten Tieftöner vermutlich nur sehr punktuell einsetzen werden, fast 5000,- Euro auf die Theke blättern möchte, mag jeder für sich selbst entscheiden – wert ist der Marleaux MBass 12 String seinen Preis allemal! Aber dieser Test zeigt noch mehr, nämlich dass die Harzer Bassschmiede in der Lage ist, selbst höchst ungewöhnliche Kundenwünsche auf dem gewohnten handwerklichen Niveau und der Detailverliebtheit umzusetzen, für die sie bekannt ist! Da kann man nur sagen: “Hut ab” für Gerald Marleaux und sein kleines Team!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • breiter, transparenter Oktavsound in bester Qualität
  • Bridge für separat einstellbare Intonation
  • hochwertige Elektronik-Ausstattung
  • guter Spielkomfort
  • erstklassige Verarbeitung
Contra
  • Anpassung der Spieltechnik an die zwölf Saiten erforderlich
Artikelbild
Marleaux MBass 12 String Test
Für 4.499,00€ bei
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Technische Spezifikationen:
  • Hersteller: Marleaux
  • Modell: MBass 12 String
  • Mensur: 34 Zoll
  • Korpus: Ahorn, flamed Ahorn-Decke, Satin Blackburst Finish
  • Hals: eingeleimt, drei Streifen Ahorn, Ebenholz-Griffbrett, 24 Bünde + Nullbund, Satin Blackburst Finish, matched Headstock, runde Lagenmarkierungen
  • Hardware: Schaller Tuner, 2-teilige Brücke (ETS/Marleaux), Schaller Strap Locks, schwarz
  • Tonabnehmer: 2 x Delano SBC4 HE S4 Quadcoils
  • Elektronik: Marleaux V2 mit Zweiband-Equalizer
  • Regler/Schalter: Volume, Balance, Tone, Bässe/Höhen, 2 x parallel/seriell/single-Switch
  • Gewicht: ca. 4,5 kg
  • Zubehör: Canto Gigbag, Werkzeug, Dokumente
  • Preis: 4.990,- Euro (Ladenpreis im September 2018)
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