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JoMoX XBase 888 Test

Jürgen Michaelis ist ein echtes Urgestein in der Welt elektronischer Klangerzeugung. Anfang der 90-iger Jahre mit Reparaturen, Modifikationen und MIDI-fizierungen alter analoger Kisten, vorzugsweise Drummachines, beschäftigt, entwickelte er sehr schnell eigene Ideen, die fortan unter dem Firmennamen JoMoX vertrieben wurden. Und in den letzten 15 Jahren hat er in seiner Berliner Dependance mehr als einen Neo-Klassiker erschaffen: Man denke da nur an XBase09, SunSyn, XBase 999 oder die coolen Resonatoren. Nicht zu vergessen die XBase 888, um die es hier heute gehen soll.

JoMox-XBase888_001_Aufmacher
Doch JoMoX ist nicht für jedermann etwas, beschert einem die teilweise recht hohe Komplexität der Kisten doch einen nicht zu unterschätzenden Bedien- und Einarbeitungsaufwand. Parameterkurbeln ohne Veränderungen zu hören und anschließendes, ausführliches Handbuch-Studium gehören also eindeutig zum Paket dazu! Warum sich das jedoch wirklich lohnt, und was einen erwartet, wenn das Biest erst einmal gezähmt ist, das erfahrt ihr hier!
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DETAILS

Die JoMoX XBase 888 ist ein Drumsynthesizer mit eingebautem MIDI-Sequenzer und vier voll-analogen Instrumenten (Kick, Snare, Low & High Tom), sowie sechs 8-Bit-Sample-basierten Instrumenten mit analoger VCA-Hüllkurve (Closed Hi-Hat, Open Hi-Hat, Clap, Rimshot, Crash, Ride). Als erste Besonderheit ist der analoge und resonanzfähige 2-Pol Filter der Hi-Hat zu nennen, welcher sich anstatt mit Samples auch mit analogem Noise füttern lässt. Man kann also auch von fünf voll-analogen Instrumenten sprechen. Der Import von eigenen Samples ist nun auch möglich. Aufgrund des begrenzten Speichers von bis zu 6*31 = 186 Samplespeicherplätzen sollte die JoMoX dennoch nicht mit einer MPC verglichen werden.

Das Gehäuse besteht aus grau-lackiertem, rot-weiß-beschriftetem und gefalztem Blech, ist fast 19“ breit und ca. 4 HE hoch. Die Seiten wurden mit schönen Holzseitenteilen verziert. 

Bei Bedarf können diese auch abgeschraubt und durch praktische, optional erhältliche, Rack-Ohren ersetzt werden. In der Tiefe oder Höhe – je nachdem, wie man das nun sieht – misst das 5 kg schwere Gerät mit Gummifüßen und Potis ca. 9 cm. Das ist schon recht imposant.
Doch reichlich Platz ist gut, denn so ist für genügend Freiraum um die 16 in einer 4*4 Matrix angeordneten Push-Encoder gesorgt. Je nach Auswahl steuern sie entweder die verschiedenen Parameter eines Instruments (entsprechend der Beschriftung auf dem rot-lackierten Hintergrund) oder dienen der Steuerung der Volume-Pegel. Alles ohne Sprünge dank Endlos-Regler. Mit Druck auf die Encoder wird das korrespondierende Instrument bzw. die entsprechende Midi-Spur stumm geschalten („Mute“).

Da nicht jedes Instrument über gleich viele Parameter verfügt, muss auch nicht zwingend jeder der 16 Regler mit einer Funktion belegt sein. Auskunft darüber geben die jeweils benachbarten LEDs, die das Vorhandensein eines entsprechend beschrifteten Parameters (Tune, Pitch, Snappy, usw.) mit einem grünen Leuchten visualisieren. Blinken sie orange, zeigt dies den Mute-Status an.
Weiter unten finden sich die 16 Step-Taster mit weiteren 16 zugeordneten LEDs, die wiederum der Lauflicht-Programmierung und der Pattern-Anwahl dienen, sowie den Zugang zu weiteren Features ermöglichen. Die kleinen, runden Taster stehen nicht zu eng und sind auch mit Wurstfingern gut bedienbar. Die Beschriftungen und Abkürzungen mögen einen auf den ersten Blick erschlagen, aber das wird schon mit der Zeit!

Noch weiter unten finden sich die gewölbten, an eine alte Computer-Tastatur erinnernden Instrumenten-Taster, mit denen natürlich auch Noten gespielt werden können. Normalerweise dienen sie aber der Triggerung einzelner Instrumente bzw. im Write-Modus der Auswahl des zu editierenden Instruments und seiner entsprechenden Sequenzer-Spur. Die weiße Beschriftung auf dem roten Streifen ist mehr als eindeutig: Hier gibts auch noch eine LFO-Sektion zur Modulation sämtlicher Parameter sowie vier MIDI-Tracks zur Steuerung weiteren Equipments.
JoMox-XBase888_008_LFO

Etwas weniger übersichtlich bzw. für meinen Geschmack etwas zu kryptisch, ist die Display-Anzeige: Auch hier braucht man anfangs hin und wieder die Hilfe des im allgemeinen sehr gut geschriebenen, deutschsprachigen Handbuchs. Kleine Extras, die sich dem User vielleicht auf den ersten Blick nicht erschließen, werden hier schnell und präzise vorgestellt. Nur ein kleines Beispiel im Bild: die zwei Parameter zur Modifikation des global-benutzten Noise. Wer errät´s?

JoMox-XBase888_009_MetalNoise

Richtig! Metal Noise B und Metal Noise A. Wie, ihr habt das nicht erraten? Handbuch nicht gelesen, oder was? Nein, Spaß beiseite, man muss sich schon mit der Materie beschäftigen, um die Möglichkeiten der 888 optimal ausschöpfen zu können. Im Endeffekt kann hiermit der Klang des analogen Rauschens durch entstehende Kammfiltereffekte mehr zu metallischem Näseln hin modifiziert werden, so wie man Noise von 808 und CR78 her kennt.

Nicht jeder Parameter ist über die 16 Encoder direkt zu erreichen. Das ist aber auch nicht unbedingt nötig: Für solche Edits ist der Data/Tempo Encoder sowie die Cursor-Tasten Left/Right und Down/Up zuständig. So eine Steuerung verlangt natürlich auch nach „Enter“ und „Cancel“, welche sich beide rechts, unter dem 2-Zeilen mal 24-Segment Display befinden.

Direkt unter dem Display wartet die Modus-Wahl Taste ( Perform, Pattern, Song, Write), die wir uns im Praxisteil noch genauer anschauen werden. Mit den vier Bank-Schaltern kann zwischen den vier mal 16 Pattern navigiert werden.

JoMox-XBase888_007_StartStop

Der Scale-Taster relativiert die Abspielgeschwindigkeit. Diese Schalter sollten 808-Jüngern bestens bekannt sein; genau wie der A/B-Pattern Switch, der einen Wechsel zwischen 2*16tel Pattern und 1*32 Pattern zulässt – und zwar direkt und ohne Abwarten des vollständigen Ablaufs einer Patternsequenz.

Bei vier Banks á 16 Pattern und A/B-Verkettung sind so also theoretisch 128 16tel = 64 32tel Pattern speicherbar. Die Sound-Lock-Aufzeichnung des Pattern Modes kann jedoch nur 16tel handeln, sodass man unterm Strich “nur” 64 “Sound”-Pattern speichern kann – diese jedoch mit bis zu 2*16tel = 1*32tel Triggern. Alles klar ?!
Wohlgemerkt: Pro Pattern sind also bis zu 16 unterschiedliche Soundsets speicherbar. Das entspricht je einem unterschiedlichen Parametersatz pro Step, also auch z.B. jeweils einem unterschiedlichen Sample pro Step.
Hinzu kommen die abspeicherbaren Soundsets, Kits genannt, welche 256 Speichervariationen zulassen. Nicht zu vergessen die per kostenlosem MIDI-Tool überschreibaren Samplespeicherplätze: Vier Samples pro Instrument sind fix, die restlichen 31-4 = 27 Speicherplätze pro Instrument (sechs an der Zahl) frei belegbar.
Die fixen Samplespeicher der JoMoX XBase 888 und weiterer Handbuchtext.
Die fixen Samplespeicher der JoMoX XBase 888 und weiterer Handbuchtext.

Begeben wir uns auf die Rückseite zu den Anschlüssen: Los geht’s links mit dem Stereo-Ausgang, gefolgt von den zehn Einzelausgängen, die bei Verwendung das entsprechende Instrument vom Stereo-Out entkoppeln. Alles unsymmetrisch und auf ca. +4dBu gepegelt versteht sich – obwohl die Kick teilweise auch bis zu +22 dBu Headroom in Anspruch nimmt. Billige Wandler überfährt man damit schneller, als man denkt. Um die Kraft der 15V zu bändigen ist es also keine dumme Idee hochwertiges Outboard nach zuschalten!

Neben den Einzelausgängen sitzt das MIDI-Thru/Out/In- Trio, welches nachfolgendes Equipment gerne mit Steuersignalen und MIDI-Clock versorgt. Der Empfang von Clock-Signalen ist natürlich genauso möglich, wie die Steuerung sämtlicher Parameter per MIDI. Denn obwohl die 888 komplett analog aufgebaut ist, ist die Steuerung sämtlicher Parameter digital, was ihren relativ hohen Einstandspreis auch mehr als rechtfertigt.

Beim Netzteilanschluss nebst zugehörigem Power-Schalter endet unsere Detailbetrachtung auf der Rückseite fürs Erste. Die JoMoX operiert übrigens mit Wechselspannung. Also aufgepasst beim Anschluss anderer Netzteile. Sie könnten den Todesstoß bedeuten. Entsprechend ihrer üppigen Energieaufnahme heizt sich die 888 übrigens auch auf, was sich für ein analoges Gerät aber irgendwie auch gehört.

Der Kopfhörerausgang darf natürlich nicht unerwähnt bleiben: Er befindet auf der Vorderseite der JoMoX und besitzt einen, dem digitalen Master-Volume-Regler nachgeschalteten analogen Kopfhörervorverstärker. Nachteil beim 19“ Einbau ist allerdings, dass man nochmals zusätzlich „Luft“ nach unten braucht, um sich diesen Anschluss im Rack nicht zu versperren. Ich persönlich brauche im Studio keinen Kopfhörerausgang.

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PRAXIS

Die Bedienung der 888 ist zu 100% auf Performance ausgelegt, deswegen schauen wir uns zuerst die grundlegende Funktion des Step-Sequenzers im Perform-Mode an:
Hier können bereits alle Parameter nach Herzenslust “verschraubt” werden. Dazu ein paar Aufnahmen von “handgemachten” Parameter-Fahrten der einzelnen Instrumente. Ich konzentriere mich dabei auf die analogen Instrumente, da die Verfahrensweise im Prinzip für alle Sample-Instrumente identisch ist – mit Ausnahme des HiHat-exklusiven Filters.
Audio Samples
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XBase888 – Kick-Parameter XBase888 – Snare-Parameter XBase888 – Tom-Parameter XBase888 – HiHat-Parameter XBase888 – Sample-Parameter XBase888 – Pattern1 XBase888 – Pattern2 XBase888 – Pattern3 XBase888 – Pattern4 XBase888 – Pattern5 XBase888 – Pattern6 XBase888 – Scale-Variation

Im Live-Write Modus können Pattern natürlich auch live eingespielt und anschließend quantisiert wiedergegeben werden.

Im Pattern-Mode lässt sich pro Step ein unterschiedlicher Parametersatz speichern bzw. hinterlegen, was auch komplexeste Sounds möglich macht.

Noch mehr Modulationen erlauben die LFOs!

Im Song Mode können Pattern miteinander auf die unterschiedlichste Weise sehr musikalisch zu Songs verknüpft werden: Entweder in Form einer Liste, die systematisch abgearbeitet wird, um Befehle wie Tempoänderungen, Wiederholungen und Patternwechseln auszuführen – oder aber in Form einer “Liveaufzeichnung”, wobei die Drummachine anfängt “mitzuzählen”, wie oft ein Pattern wiederholt wurde, und welches als Nächstes folgen soll.
Alles in allem zeigt sich die JoMoX als sehr vielseitiges, flexibles und durch und durch analoges Instrument, das sich vor allem in deftigeren, elektronischen Produktionen zu Hause fühlen wird. Der integrierte MIDI-Stepsequenzer für andere Geräte ist ein weiteres Plus.

Um auch wirklich aus dem Vollem schöpfen zu können, sollte man allerdings ein wenig Extra-Outboard sein Eigen nennen. Gerade der potente Ausgangslevel könnte es billigeren Soundkarten bei “Direkt-Injektion” schwer machen, Herr der Aufnahme zu werden. Vor allem die Kick verfügt über soviel “Cojones”, das es schwer wird, sie ohne Hardware-Compressor anständig zu bändigen. Pegel runter fahren kommt ja nicht infrage, denn auf halber Lautstärke drückt es ja nicht mehr so schön. 😉

Audio Samples
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XBase888 – Pattern7 – erst ohne, dann mit DBX160SL XBase888 – Pattern8 – erst ohne, dann mit DBX160SL XBase888 – Pattern9 – erst ohne, dann mit DBX160SL
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FAZIT

Die JoMoX XBase 888 ist der Punk unter den Drummachines: Laut, aggressiv, rotzig – mit viel Druck und Schmutz. Hier bringen JoMoX 15 Jahre Erfahrung als Entwickler auf den Punk(t).
Die Möglichkeit eigene Samples in den 8Bit Speicher zu schubsen, ist sicherlich ein von 09-Hardcore-Usern lang ersehntes Feature. Aber auch 888-exklusive Merkmale, wie die zusätzlichen Pitch-Hüllkurven der analogen Instrumente (wie Bassdrum und Toms) oder der analoge Filter der Hi-Hats machen die vorerst letzte Inkarnation der JoMoX´schen XBase-Wunderkisten zu einer extrem guten Partie. 
Sicherlich sind diese komplexen Maschine nicht mal eben von heute auf morgen komplett verstanden. Aber wie heißt es doch so schön: Gut Ding will Weile haben. Und es lohnt sich!
Pro:
  • Analoge Kick, Snare und Toms
  • Analoger HiHat- Filter
  • 8-Bit Sample Import
  • rougher, druckvoller Sound
Contra:
  • keine Zugentlastung am Netzteil
JoMox-XBase888_021_XBase888
Features:
  • 9 Instrumente: Bass Drum, Snare Drum, Hi Tom, Low Tom, Hi Hat, Clap, Rim Shot, Crash, Ride
  • Analoge Kick, Toms, Snare
  • 5 samplebasierte Instrumente mit analoger VCA-Hüllkurve
  • 31 Samples (HH hat 2 Samples) pro Instrument 186 Gesamt
  • HH Filter: In das HiHat kann ein extra analoges Filter eingeschliffen werden. Wahlweise kann Sample oder Noise als Signalquelle benutzt werden; 2polig, HP/LP je einzelne Parameter, resonanzfähig
  • LFO’s: 2, auf einzelne Parameter zuweisbar
  • Eigene Samples können mit dem Jomox Editor hochgeladen werden
  • Midi: Midi In, Midi Out, Midi Thru
  • Outputs: 10 Einzelausgänge, Stereo Mix, Headphone
  • Output Level: etwa +4dBu bei Level Maximum an allen Ausgängen
  • 18 Encoder
  • Phones Volume
  • LCD Display 2x 24 Characters
  • 10.5V 2A ~AC externes Netzteil
  • Stabiles Stahlblechgehäuse
  • Holzseitenteile
  • Gewicht ca. 5kg
Preis:
  • EUR 1099,- (UVP)
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