Ibanez AFR4WAP Test

Anfang der 1990er-Jahre stieß Ibanez erstmals in die Boutique-Bass-Klasse vor und überraschte die Szene mit einem ganz besonderen Modell. Die Rede ist natürlich vom Affirma, für dessen außergewöhnliches Design der leider viel zu früh verstorbene Schweizer Instrumentenbauer Rolf Spuler (1958-2014) verantwortlich zeichnet. Wer damals ein Exemplar ergattern konnte, darf sich glücklich schätzen, denn es wurden von 1990 bis 1994 nur 877 Stück gebaut – es handelt sich also durchaus um ein sehr exklusives Bassmodel

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Für alle leer ausgegangenen Affirma-Fans gab es im Jahre 2018 allerdings eine gute Nachricht: Ibanez kündigte auf der Winter-Namm-Show nämlich die Wiedergeburt des legendären Modells an, seit Anfang 2019 sind die neuen Affirmas nun auch endlich in den Geschäften erhältlich. Ibanez liefert den neuen Affirma als Vier- und Fünfsaiter, wahlweise mit einem Korpus aus Walnuss oder aus Ahorn (Ahorn-Modell mit geflammter Ahorndecke). Für diesen Test haben wir uns einen eleganten Affirma-Viersaiter in der Walnuss-Version in unser Testlabor schicken lassen.

Details

Der Affirma hebt ich schon rein optisch stark von anderen Ibanez-Modellen ab und wirkt mit seinem außergewöhnlichen und edlen Design durchaus wie ein kostspieliger Boutique-Bass. Der asymmetrische Korpus des Affirma ist für Bassverhältnisse ungewöhnlich kompakt und die schmale, tropfenartige Form wird durch die beiden langen und grazilen Korpushörner noch zusätzlich verstärkt – ein einzigartiges Design, das sicherlich polarisiert!
Als Eyecatcher hat Ibanez hinter dem Tonabnehmer ein elegantes „AFR“-Logo und ein Ibanez-Emblem mit dem Schriftzug „designed by Rolf Spuler“ eingelassen. Die Hommage an den Affirma-Designer und Instrumentenbauer Rolf Spuler verleiht dem Bass einen exklusiven Touch und wirkt sehr edel!

Fotostrecke: 5 Bilder Der Ibanez Affirma AFR4WAP ist mit seinem Design nicht nur ein optischer Leckerbissen.

Beim Design des Affirma wurde aber nicht nur an die Optik, sondern natürlich auch an den Spielkomfort gedacht. Ein Feature, welches man auch bei Boutique-Bässen eher selten sieht, ist beispielsweise die praktische Stütze für den Daumen der rechten Hand: Vom Ende des Griffbrettes bis zum Tonabnehmer zieht sich eine etwa 1,5 breite Vertiefung, die dem Daumen in jeder Spielposition – egal, ob man die Saiten in der Nähe des Griffbretts oder über dem Pickup anschlägt – Halt bietet. Zweifellos ein sinnvolles Features, das dem Spielkomfort des Basses zugute kommt!
Für die Verbindung des Bodies mit den Hals hat Ibanez beim Affirma eine sogenannte Half-Through-Neck-Konstruktionsweise gewählt. Das heißt in der Praxis, dass der Hals etwa bis zur Mitte des Korpus fest verleimt in einer Ausfräsung sitzt. Der Hals selbst besteht aus drei Ahornstreifen, die gesamte Konstruktion wurde zudem mit zwei Graphitstäben verstärkt – für ausreichend Stabilität des grazilen Halses sollte also gesorgt sein.
Als Griffbettmaterial kommt hartes Ebenholz zum Einsatz. Griffbretteinlagen gibt es beim Affirma lediglich am 12. Bund, in der Griffbrettflanke befinden sich allerdings kleine Dots zur Lagenorientierung. Im Ebenholzgriffbrett sitzen 24 Bünde im Medium-Format, die an den Enden sehr sorgfältig abgerundet wurden und so für ein angenehmes Spielgefühl sorgen. Der schlanke Hals des Affirma endet in einer super kompakten Kopfplatte, die gerade genug Platz für die vier gekapselten Stimmmechaniken bietet.

Fotostrecke: 5 Bilder Für die Verbindung des Bodies mit den Hals hat Ibanez beim Affirma eine sogenannte Half-Through-Neck-Konstruktionsweise gewählt.

Damit sind wir auch schon beim Thema Hardware und einem weiteren, speziellen Feature, das der Affirma zu bieten hat: Gemeint ist die Brückenkonstruktion, die beim Affirma aus einzelnen, komfortablen zu justierenden Mono-Rail-Stegen besteht. Das ist soweit nichts Besonders, denn die Mono-Rail-Stege kennen wir ja bereits von vielen anderen Ibanez-Bässen. Die Stege des Affirma wurden allerdings mit dem sogenannten AeroSilk-Piezo-Tonabnehmer-System ausgestattet, was die Klangpalette des Basses in Richtung akustischer Sounds erweitern soll. Das Signal des Piezo-Systems kann stufenlos mit dem Signal des magnetischen Tonabnehmers gemischt werden, der mit einem Abstand von etwa 10 cm von den Mono-Rail-Stegen installiert wurde. 

Fotostrecke: 3 Bilder Ibanez verwendet beim Affirma einen Aero Silk MR5 Steg,…

Beim magnetischen Pickup handelt es sich übrigens um das Split-Coil-Modell X44JX aus dem Hause Bartolini – hier setzt Ibanez also auf ein bewährtes Candy-Bar-Modell des amerikanischen Traditionsherstellers. Zur weiteren Klangformung bietet der Affirma eine Ibanez-Elektronik, die für den Bartolini-Tonabnehmer einen Zweiband-EQ mit Bässen und Höhen und für den Piezo-Tonabnehmer eine aktive Tonblende zum Absenken der Höhen bereitstellt. Zum Betrieb benötigt die Ibanez-Elektronik Strom von einer 9V-Batterie, welche in einem Klappfach auf der Rückseite des Basses untergebracht ist. 

Fotostrecke: 5 Bilder Ein Bartolini Split-Coil-Modell X44JX Tonabnehmer übernimmt die klassische Klangübertragung.

Auf der Rückseite hat man darüber hinaus Zugang zu vier kleinen Trimpotis, die für die Signalstärken der vier Piezo-Elemente zuständig sind. Falls der Piezo-Sound also nicht bei allen Saiten gleich laut sein sollte, kann das Problem mit einem kleinen Schraubenzieher blitzschnell behoben werden. 

Fotostrecke: 2 Bilder Über vier Trimmpotis lassen sich die Piezoelemente regulieren und Lautstärkeunterschiede anpassen.

Praxis

Hinter der zierlichen Erscheinung des Affirma vermuten viele Tieftöner wahrscheinlich auch ein moderates Gewicht, und in der Tat bringt der Bass nur etwas mehr als 3 kg auf die Waage. Das ist selbst für einen Viersaiter extrem wenig! Am Gurt pendelt sich der Affirma in der Waagerechten ein und lässt sich aufgrund des geringen Gewichts über viele Stunden absolut mühelos spielen. Fast noch komfortabler ist sogar die Handhabung des Instrumentes im Sitzen. Durch das lange und leicht ausgestellte untere Korpushorn steht der Affirma super stabil in einer perfekten Spielposition auf dem Unterschenkel.
Etwas gewöhnungsbedürftig war für mich lediglich der durch den kleinen Korpus bedingte relativ tiefe Auflagepunkt für den rechten Unterarm. Nach einiger Zeit mit dem Affirma hat sich meine Technik aber darauf eingestellt und ich empfand den Umstand nicht mehr als störend. Ähnlich verhält es sich mit der integrierten Daumenführung. Wenn man den Daumen zur Stabilisierung der rechten Hand in die Vertiefung legt, liegt die Position der Hand etwas tiefer als bei einem Bass mit zwei Tonabnehmern, bei dem viele Bassisten ja den Halstonabnehmer als Stütze verwenden. Aber auch darauf kann man sich schnell einstellen, und prinzipiell ist eine solche Daumenführung bei einem Bass ohne Halstonabnehmer zweifellos ein nützliches Feature.

Den stärksten Sound liefert der Affirma, wenn man beide Tonabnehmer mischt, aber auch die Einzelsounds funktionieren in der Praxis gut.
Den stärksten Sound liefert der Affirma, wenn man beide Tonabnehmer mischt, aber auch die Einzelsounds funktionieren in der Praxis gut.

Der schlanke Affirma-Hals fühlt sich wie der Hals eines Jazz-Basses an und lässt sich dementsprechend sehr leicht spielen – egal, ob man eher im tieferen Bereich groovt oder solistisch in den hohen Lagen unterwegs ist. Grundsätzlich hat Ibanez beim Affirma aus ergonomischer Sicht also vieles richtig gemacht und beim Design viel Wert auf einen hohen Spielkomfort gelegt. Aufgrund der ungewöhnlichen Konstruktion bringt der Bass aber durchaus auch ein paar Eigenheiten in der Handhabung mit sich, an die man sich unter Umständen erst gewöhnen muss.
Der neu aufgelegte Affirma erweist sich schon beim ersten Trockentest als überaus schwingungsfreudig und sustainstark. Hier macht sich ohne Frage der mit Graphitstäben versteifte Hals in Verbindung mit der stabilen Hals-Korpus-Verbindung bemerkbar. Die Töne sind sofort da, der Klang entwickelt sich in allen Lagen gleichmäßig stark, und der Bass verfügt über ein sattes Sustain. Deadspots sucht man beim Affirma wirklich vergebens! Wie sich die zweifellos positiven Tugenden am Verstärker auswirken, hören wir uns in den nun folgenden Audiobeispielen an.

Wir beginnen mit dem magnetischen Tonabnehmer, den ich mit neutralem Equalizer aufgenommen habe – die beiden EQ-Regler (Bässe und Höhen) der Ibanez-Elektronik waren also in Mittelstellung. Der Bartolini X44JX sitzt beim Affirma etwa 10 cm vor dem Steg, in einer sogenannten Mittelposition. Er klingt deshalb logischerweise nicht ganz so voll und punchy wie beispielsweise der Halstonabnehmer eines Jazz-Basses und auch nicht so mitten- und durchsetzungsstark wie dessen Stegtonabnehmer. Der Affirma-Sound zeichnet sich stattdessen eher durch ein kompaktes Fundament und ebenmäßige Mitten aus, den oberen Bereich bildet der Bartolini Split-Coil zurückhaltender ab, als ich es vermutet hätte. Dieser Sound ist vielleicht nicht so spektakulär, wie man es von einem derart eigenwilligen Bass erwarten würde, er besitzt aber zweifellos einen speziellen Charakter und eignet sich sehr gut für verschiedenste Musikstile.

Audio Samples
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Magnetic PU, EQ flat

Für mehr Variationsmöglichkeiten mit dem Bartolini-Pickup hat der Affirma einen Zweiband-EQ an Bord. In den nächsten Audios habe ich die Bässe mit dem Ibanez-EQ leicht geboostet, beim Slap-Beispiel hört ihr zusätzlich eine dezente Höhenanhebung. 

Audio Samples
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Magnetic PU, Bass-Boost Magnetic PU, Bass-Boost, Treble-Boost, Slap

Der Bassregler greift relativ weit unten im Frequenzspektrum und liefert bei Bedarf sehr viel Tiefbass, was über große Boxen natürlich sehr mächtig klingt. Eine etwas höhere Einsatzfrequenz würde zum Affirma-Bass meiner Meinung nach aber besser passen, denn das Resultat wäre vermutlich ein wärmerer Sound mit mehr Punch. Ähnlich sehe ich es auch beim Höhenband: Stark aufgedreht werden hier leider etwas harsche Frequenzen in den Vordergrund geschoben. Mit einer höheren Einsatzfrequenz würde der Affirma sicherlich offener und luftiger klingen.
Aber vielleicht ist beim Affirma ja auch ausschließlich der Piezo-Tonabnehmer für die luftigen Sounds zuständig? Um das herauszufinden, hören wir uns einmal das AeroSilk-Piezosystem im Solobetrieb an:

Audio Samples
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Piezo-PU, Tone: full Piezo-PU, Tone: closed

Aha, hier befinden wir uns wirklich in einer komplett anderen Soundwelt, denn der Affirma klingt mit dem Piezo-Pickup fast wie eine akustische Bassgitarre! Mit aufgedrehtem Tone-Regler sind die Höhen zwar sehr präsent, aber durch die akustische luftigen Wiedergabe des Piezosystems nicht wirklich aufdringlich, wie ich finde. Mir gefallen die Einstellungen mit leicht abgesenkten Höhen trotzdem besser – der Affirma klingt dann etwas ausgewogener und wärmer!
Sein volles Potenzial entfaltet der Affirma allerdings erst, wenn man beide Tonabnehmer zusammenblendet. Der Bartolini X44JX füllt den Mittenbereich, und der Piezo-Tonabnehmer erweitert das Klangbild nach unten mit voluminösen Bässen und nach oben mit offen-seidigen Höhen. Die stufenlose Mischung beider Tonabnehmer ermöglicht sehr viele schöne Schattierungen, die mit den jeweiligen EQ-Tools noch an den Musikstil oder die Spieltechnik angepasst werden können!

Audio Samples
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Beide PU, Bass-Boost, Mute Style Beide PU, EQ flat, Tone: full

Fazit

Ich finde es toll, dass Ibanez den Affirma wieder aufleben lässt, denn er hebt sich mit seinem eigenwilligen Design wohltuend von der Masse ab und hat auch klanglich eine Menge zu bieten. Den stärksten Sound liefert er zweifellos, wenn man beide Tonabnehmer mischt, aber auch die Einzelsounds funktionieren in der Praxis gut und zeichnen sich durch einen eigenständigen Charakter aus. In Sachen Spielkomfort hat mich der Affirma auf Anhieb überzeugt. Wenn man sich erst einmal an den super kompakten Korpus und die Daumenstütze gewöhnt hat, lässt sich der wendige und leichte Bass wirklich kinderleicht spielen. Als Teil der in Indonesien gefertigten Ibanez Premium-Serie darf man auch in Sachen Verarbeitungs- und Materialqualität einiges vom Affirma erwarten – in der Tat konnte ich bei meinem Testexemplar keinerlei Makel ausmachen! Wirklich günstig ist der Affirma aus der Premium-Serie natürlich nicht, ich finde den Preis für die gebotenen Qualität aber durchaus in Ordnung, zumal der Bass in einem sehr hochwertigen Soft-Case ausgeliefert wird.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • edle und eigenwillige Optik
  • hoher Spielkomfort, leichtes Gewicht
  • zwei verschiedene Tonabnehmersysteme
  • getrennte EQs
  • hochwertiges Case
Contra
  • Zweiband-EQ-Abstimmung nicht überzeugend
Artikelbild
Ibanez AFR4WAP Test
Für 1.349,00€ bei
Der Ibanez Affirma AFR4WAP E-Bass hebt sich durch hohen Spielkomfort, leichtes Gewicht und seine edle und eigenwillige Optik aus der Masse heraus.
Der Ibanez Affirma AFR4WAP E-Bass hebt sich durch hohen Spielkomfort, leichtes Gewicht und seine edle und eigenwillige Optik aus der Masse heraus.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: Ibanez
  • Modell: Ibanez AFR4WAP
  • Herstellungsand: Indonesien
  • Mensur: 34 Zoll
  • Korpus: Walnuss, mattes Finish
  • Hals: Half Through Neck, dreiteilig Ahorn, graphitverstärkt, 24 Bünde, Ebenholz-Griffbrett, mattes Finish
  • Hardware: gekapselte Tuner, Ibanez Mono-Rail Bridge AeroSilk MR5, Plastik-Sattel
  • Elektronik: Ibanez, Zweiband-EQ, Piezo, aktive Höhenblende, Stromversorgung mit 9V-Batterie
  • Tonabnehmer: 1 x Bartolini® X44JX Split-Coil, AeroSilk Piezo-System
  • Gewicht: ca. 3,15 kg
  • Zubehör: hochwertiges Softcase, Multitool
  • Preis: 1349,- Euro (Ladenpreis im Oktober 2019)
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Der asymmetrische Korpus des Affirma ist für Bassverhältnisse ungewöhnlich kompakt…

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