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Ibanez AF75 & AFJ95 Test

Die Ibanez AF75 & AFJ95 im bonedo-Test  –  Dass der im Gitarrenbau sehr breit aufgestellte japanische Hersteller Ibanez auch hochwertige Jazzgitarren baut, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Berühmte Jazzgitarristen wie George Benson, Pat Metheny oder auch John Scofield, die eigentlich mit den traditionellen Instrumenten von Gibson aufwuchsen, schwören seit Jahrzehnten auf ihre Signature-Gitarren von Ibanez. 

Die Ibanez Artcore-Schwestern: AF75 (oben) und AFJ95 (unten)
Die Ibanez Artcore-Schwestern: AF75 (oben) und AFJ95 (unten)


Aber es sind nicht nur diese Gitarren aus den höheren Preisregionen, mit denen sich die Marke im Jazzbereich einen Namen gemacht hat, auch im preiswerteren Sektor bietet Ibanez seit geraumer Zeit Archtops an. Im Rahmen unseres großen Jazzgitarren-Marathons auf bonedo.de habe ich mit der Ibanez AF75 und der AFJ95 zwei Gitarren aus der Artcore Serie genauer unter die Lupe genommen.   

Details

Auf den ersten Blick sehen sich die beiden in China hergestellten Gitarren sehr ähnlich. Erst bei genauerem Hinsehen fallen mir einige Unterschiede ins Auge. Die AF75 aus der preisgünstigeren Artcore-Serie präsentiert sich schlichter als ihre Schwester aus der Artcore Expressionist Serie. Die dunkler gehaltene und weniger ins Rot gehende Vintage-Sunburst-Lackierung der rund 120 Euro teureren AFJ95 mutet edler an als die ihrer Schwester. Auch ihre goldfarbene Hardware sowie der großzügigere Umgang mit cremefarbenen Bindings an den Übergängen unterstreicht diesen Eindruck. Beide Archtops sind mit zwei eingelassenen Humbuckern sowie den jeweils dazugehörigen Volume- und Tonereglern im Design sehr klar an die klassischen Vorbilder wie beispielsweise die ES 175 oder die L-4 aus dem Hause Gibson angelehnt. Allerdings ist der Dreiwegschalter bei den Ibanez-Modellen im Bereich der Potis angebracht. Die Wahl des Holzes für den Korpus fiel bei der AF75 komplett auf Ahorn, die AFJ 95 dagegen besitzt eine Fichtendecke, der sonstige Korpus ist aus geflammtem Ahorn. Auch bei der Brücke ging man unterschiedliche Wege: Der Steg der AFJ95 ist komplett aus Ebenholz, die Saitenauflagepunkte sind hier schon oktavkompensiert und lassen sich deshalb im Falle einer anderen Saitenstärke nicht mehr ändern. Bei der AF75 besteht hingegen ein Großteil der Brücke aus Chrom. Dies hat den Vorteil, dass man im Nachhinein mithilfe von Schrauben nachjustieren kann, allerdings ist die Wahl des Materials für die Akustik des Instrumentes eher kontraproduktiv. Der AFJ95 wurden Ibanez Super 58 Custom Humbucker spendiert, die man übrigens auch in den Signature-Instrumenten von Pat Metheny und George Benson findet. Die preisgünstigere Variante kommt mit zwei „AC“-Humbuckern, zu denen der Hersteller keine weiteren Angaben macht. Beide Gitarren haben Griffbretter aus Palisander mit klassischen Perlmutteinlagen, der Hals der AFJ95 ist aus Ahorn und Mahagoni zusammengesetzt und dreiteilig. Bei der AF75 kommt lediglich Mahagoni zum Einsatz. Beide Hälse haben die gleichen Maße (628mm/24.75″) und sind, für Archtops typisch, eingeleimt.

Fotostrecke AFJ95 (click to enlarge):

Fotostrecke: 19 Bilder Body der AFJ95 mit Fichten-Decke

Fotostrecke AF75 (click to enlarge):

Fotostrecke: 20 Bilder Ahorn-Korpus und Ahorn-Decke
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Praxis

Im Gewicht unterscheiden sich die beiden Instrumente nicht voneinander und bringen, wie bei dieser Gattung normal, jedes etwa drei Kilo auf die Waage. Die akustischen Unterschiede sind aber schon bei den ersten Tönen sehr deutlich wahrnehmbar, und das aus mehreren Gründen: Bei der AF75 hat man sich, eher untypisch, für dünne Roundwound-Saiten (010-046) entschieden. Schon durch diese Wahl wird dem Instrument ein ganzes Stück seines Volume-Vermögens genommen. Auch der verchromte Steg des günstigeren Modells erweist sich, wie schon in der Detailbeschreibung vermutet, als ungünstig. Die Gitarre klingt akustisch blechern und lärmend. Hinzu kommt, dass sich die Schwingungen sehr stark sowohl auf die Saiten-Enden hinter dem Steg als auch hinter dem Sattel übertragen und dadurch das eben beschriebene Klangbild noch begünstigen. Die AJF95 wird dagegen schon ab Werk mit dickeren Flatwound-Saiten ausgeliefert, die für den Klang einer Jazzgitarre natürlich förderlicher sind. Leider lassen aber hier die Werkseinstellungen des Instrumentes etwas zu wünschen übrig: Die Saiten klirren auf einigen Bünden sehr merklich. Davon abgesehen lässt sich die AFJ95 jedoch gut bespielen und bringt ein deutlich weicheres und wärmeres Klangbild als ihre Schwester mit. Die Übertragung der Schwingungen auf die Saiten-Enden ist auch hier etwas abgeschwächt vorhanden. Abhilfe schafft ein dämpfendes Stück Schaumstoff oder ein Tuch unter den Saiten. Diesen Trick habe ich übrigens auch bei den Aufnahmen angewandt. 

Zum akustischen Schwingungsverhalten sollte noch gesagt werden, dass man bei Archtops mit eingelassener Elektronik und Pickups natürlich nicht dasselbe akustische Klangbild erwarten darf wie bei Gitarren dieser Art mit beispielsweise einem Floating-Pickup.
Für die Aufnahmen verwende ich mit meinem Polytone Minibrute Amp einen absoluten Klassiker für Jazzgitarrenaufnahmen. Mikrofoniert habe ich den Verstärker mit einem Sennheiser E 606. Der Amp ist völlig neutral eingestellt. Dazu kommt ein Neumann TLM 103 vor der Gitarre zum Einsatz, das ich bei den meisten Aufnahmen hinzumischen werde, um den akustischen Klang des Instrumentes ebenfalls einzufangen und ein typisches Klangbild zu erreichen, wie man es beim Spielen einer Archtop in moderater Lautstärke gewöhnt ist.

Ich beginne den Test auf der AFJ95 mit einer Sequenz aus Akkorden und Melodielinien, die ich, beginnend mit dem Steg-PU, in allen drei PU-Einstellungen wiederhole. In diesem Fall lasse ich das TLM 103 weg, da ich nur den Sound der Pickups demonstrieren möchte. Der Hals-PU gibt den typischen basslastigen, etwas muffigen und weichen Sound von sich, der sich hervorragend für das traditionelle Spiel auf einer Jazzgitarre anbietet. In der Mittelstellung mischt sich schon deutlich der kehlige Sound des Steg-PUs hinzu, der Sound wird in dieser Einstellung etwas transparenter. Der Steg-PU allein betont, wie erwartet, deutlich mehr die Höhen, ist bassärmer und lädt mit seinem sehr markanten Sound zu bluesigeren Tönen ein. 
Ich tausche die AFJ95 gegen die AF75 und wiederhole die Aufnahme nach demselben Muster. Erstaunlicherweise macht sich das zuvor besprochene problematische akustische Schwingungsverhalten nicht so stark bemerkbar, wie ich erwartet hätte. Die Gitarre präsentiert sich elektrisch verstärkt insgesamt etwas dünner als ihre große Schwester und lässt auch ein wenig den weichen Touch im Gesamtsound vermissen, der eben noch im Raum stand. Dies sind aber eher Nuancen. Vom Spielgefühl her liegen zwischen den Instrumenten in dieser Stilistik dennoch Welten.

Audio Samples
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Pickup Sounds AFJ95 Pickup Sounds AF75

Für das folgende Hörbeispiel nutze ich bei beiden Instrumenten den Hals-PU und mische zum Signal des Amps auch das TLM 103 vor der Gitarre hinzu. Ich spiele eine typische Strumm-Begleitung in Vierteln über einen Blues. Hier hat die AFJ95 deutlich die Nase vorn. Der Sound klingt gegenüber der AF75 ausgewogener, besonders in den Mitten schöner aufgelöst und zeigt mehr Charakter. Durch das Mikrofonsignal vor dem Instrument macht sich nun auch der lärmende Charakter der AF75 etwas unschön bemerkbar. Natürlich kommt die AFJ95 auch in dieser Spielweise durch die Saitenwahl deutlich besser weg.

Audio Samples
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Strumming AFJ95 Strumming AF75

Auch für die nächsten drei Beispiele bleibe ich bei beiden Modellen weiter auf dem Hals-PU und mische das TLM 103 am Korpus hinzu. Ich spiele sowohl mit dem Plektrum (Flatpicking-Beispiel) als auch Jazzgitarren-typisch mit den Fingern. Egal, ob es um breite Akkordvoicings, Walking Bass Lines oder Melodielinien mit Plektrum oder Fingern geht – die AFJ95 weiß den Sound immer deutlich weicher aufzulösen. Das liegt, wie schon erwähnt, zum einen an den Flatwound-Saiten. Generell passt aber auch die Wahl des Holzes deutlich besser zum traditionellen Sound. 

Audio Samples
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Blues Solo AFJ95 Blues Solo AF75 Comping AFJ95 Comping AF75 Flat Picking AFJ95 Flat Picking AF75

Abschließend will ich natürlich auch hören, wie sich beide Gitarren rein durch die Pickups verstärkt mit anderen Instrumenten mischen. Ich spiele dafür zusammen mit Bass und Schlagzeug. Hier wiederum machen beide Instrumente eine gute Figur und präsentieren sich vielseitig durch ihre drei PU-Möglichkeiten. Die AF75 wirkt dabei durch ihre im Laufe des Tests genannten Klangeigenschaften etwas bissiger als ihre große Schwester, was in diesem Falle jedoch nicht problematisch ist. 

Audio Samples
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Bandkontext AFJ95 Bandkontext AF75
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Fazit

Mit AFJ95 und AF75 hat Ibanez zwei sehr klassisch designte Archtops für den schmalen Geldbeutel im Programm. Auch wenn die günstigere AF75 schlichter daherkommt, wird mit dem Erscheinungsbild dieses Modells dennoch der typische Jazzgitarren-Vibe bedient.  Beim Anspielen kann die AF75 jedoch in den meisten Disziplinen leider nicht wirklich überzeugen. Dies beginnt mit der Saitenwahl, die wirklich ungünstig ist und setzt sich auch in den Schwingungseigenschaften des Holzes fort. Der Pickup-Sound der Gitarre kompensiert auf einer Aufnahme zwar einiges davon, für mich als Spieler trat während des Tests aber kein Wohlfühl-Effekt ein. Die AFJ95 hingegen überzeugt als Jazzgitarre mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis. Die bewährten Pickups machen eine gute Figur und auch der akustische Sound der Gitarre geht in Ordnung. Wer also eine preiswerte Gitarre sucht, die nicht nur im Aussehen, sondern auch im Spielgefühl einer Archtop entsprechen soll, wird mit der ein wenig teureren Variante deutlich besser bedient. Ein bisschen Finetuning ist bei diesem Modell aber auch vonnöten. 
Sternchenbewertung
Ibanez AF75 = 3,5 Sterne
Ibanez AFJ95 = 4,5 Sterne

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • stimmiges Design
  • Preis-Leistungsverhältnis (AFJ 95)
  • Schwingungseigenschaften (AFJ95)
  • Pickup-Sounds beider Gitarren
Contra
  • Einstellung der Instrumente ab Werk
  • Ungünstige Saitenwahl (AF75)
  • Akustische Eigenschaften (AF75)
Artikelbild
Ibanez AF75 & AFJ95 Test
Für 492,00€ bei
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Spezifikationen Ibanez AF75
  • Korpus: 70 mm Ahorn, Vollakustik mit Ahorndecke, Binding
  • Hals: eingeleimt, Mahagoni
  • Griffbrett: Palisander mit 22 Medium-Bünden, Binding
  • Brücke: ART1
  • Mensur: 628 mm, Sattelbreite 43 mm
  • Tonabnehmer: 2 Ibanez ACH Humbucker-Pickups, Lautstärke- und Tonregler je PU
  • Hardware: chrom
Preis: € 454,– (UVP)
    Spezifikationen Ibanez AFJ95
    • Korpus: geflammtes Ahorn, Vollakustik mit Fichtendecke, Binding
    • Hals: eingeleimt, Mahagoni/Ahorn dreiteilig
    • Griffbrett: Palisander mit 20 Medium-Bünden, Binding
    • Brücke: ART-W Bridge mit VT06S Tailpiece
    • Mensur: 628 mm, Sattelbreite 43 mm
    • Tonabnehmer: 2 Super 58 Custom Humbucker-Pickups, Lautstärke- und Tonregler je PU
    • Hardware: gold
    Preis: € 589,– (UVP)
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      Body der AFJ95 mit Fichten-Decke

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