Audio Technica AT3035 Test

Gesang, Sprache und Instrumente in ordentlicher Qualität aufzunehmen war noch nie mit so einem kleinen Budget möglich wie heute. Vor allem Kondensatormikrofone sind inzwischen für einen Preis zu haben, der von dem für ein richtig gutes Kabel überschritten wird. Der Markt ist größer geworden, und zwar in zweierlei Hinsicht: Der Absatz an Kondensern hat sich vervielfacht und die Anzahl der Modelle ebenfalls. Nun steht man da mit seinem Gesparten und damit vor einer wichtigen Frage: Welches nehme ich denn? Das japanische Unternehmen Audio Technica bietet mit dem 3035 einen der vielen “Hier!”-Schreier, den wir uns auf den Seziertisch gelegt haben.

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Die Serie der AT-Großmembranen, deren Produktbezeichnung mit 30 beginnt, wird preislich und qualitativ von der 20er-Serie nach unten und der 40er-Serie nach oben flankiert.
Das Anwendungsfeld derartiger Kondensatormikrofone ist zwar nicht fest umrissen, beschränkt sich aber in erster Linie auf Gesang im Studio. Dabei lässt der Preis erahnen, dass solche Geräte vor allem von Einsteigern verwendet werden oder von Leuten, die für ihr Hobby nicht allzu viel Geld auf die Ladentheke blättern möchten. Allerdings bedeutet billig nicht gleich schlecht, weswegen man derartige tontechnische Geräte auch in professioneller Umgebung findet; hier jedoch selten als Hauptmikrofon. Selbstverständlich eignet sich ein derartiges Kondensatormikrofon auch zur Abnahme von Instrumenten. Ich beispielsweise ziehe Großmembrane ihren kleineren Brüdern bei der Abnahme von HiHats oder als Overheadmikrofone im Regelfall vor.

Details

Gefällige Optik und gängige Ausstattung

Nun, Mikrofone sollte man selbstverständlich nicht (nur) nach optischen Gesichtspunkten auswählen, aber dennoch: Gut schaut´s aus, das 3035. Mit seinem silbermatten Metallkorpus ist der Schallwandler ein eher unauffälliger Vertreter seiner Gattung. Dies ist nicht unangenehm, bedenkt man, dass manche Hersteller versuchen, ihren Produkten mit goldenen Körben und allerlei sonstigem Schnickschnack einen hochwertigen Anstrich zu verpassen – was bisweilen ordentlich in die Hose geht. Zwei Schaltfunktionen ermöglichen es, das Mikrofon dem Einsatzzweck anzugleichen: Das zweipolige Hochpassfilter sperrt Frequenzen unterhalb von 80 Hz und die Vordämpfung senkt das Signal um 10 dB ab. Wer durch das Gitter hindurchblickt, der sieht die goldbedampfte Großmembran blitzen. Da nur die Vorderseite der Kapsel eine Membran aufweist, ist die Richtcharakteristik des Druckgradienten-Empfänger festgelegt und nicht umschaltbar. Wie bei fast allen Mikrofonen dieser Bauart sorgt ein Laufzeitglied dafür, dass es sich dabei um ein Nieren-Pattern handelt. Das Audio-Technica 3035 benötigt wie alle Kondensatormikrofone zum Betrieb eine Versorgungsspannung. Netterweise akzeptiert das japanische Gerät jegliche Spannungen zwischen elf und 52 Volt. Zur Vorpolarisation der Kapsel wird die Energie jedoch nicht verwendet, sondern nur für den Mikrofonverstärker. Die Backplate-Elektret-Kapsel des 3035 ist permanent vorpolarisiert.

Sollte die Spinne mal nicht zur Hand sein, lässt sich das AT3035 auch aufrecht in eine Standard-Mikrofonklemme einsetzen.
Sollte die Spinne mal nicht zur Hand sein, lässt sich das AT3035 auch aufrecht in eine Standard-Mikrofonklemme einsetzen.

Fast linearer Frequenzgang und moderates Eigenrauschen

Im wichtigen Frequenzband zwischen 100 Hz und 2 kHz ist der Frequenzverlauf des Grossmembran-Mikrofons laut beigefügtem Diagramm annähernd linear. In den Winkeln des hörbaren Spektrums (also hinunter bis etwa 20 Hz und hinauf bis etwa 20000 Hz) überträgt der Wandler den Angaben nach etwas welliger und mit etwas abfallendem Ausgangspegel. Bei eingeschaltetem Pad überträgt das Mikrofon einen Schalldruckpegel von 158 dB SPL. Ein höherer Schalldruck bedeutet nicht, dass sich das Objekt auf der Stelle in seine subatomaren Bestandteile zerlegt, sondern nur, dass die Verzerrungen mit über einem Prozent am Gesamtpegel derart überhand nehmen, dass nicht mehr von einem nutzbaren Signal gesprochen werden kann. Soll das Mikrofon Signale im anderen Pegelextrem (also sehr leise) aufzeichnen, wird ein anderer Wert wichtig: Das Eigenrauschen. Dieses kann mit 12 dB SPL (A-gewichtet) guten Gewissens als durchaus moderat bezeichnet werden.

Elastische Halterung inclusive

Wer ein 3035 ersteht, bekommt nicht einen schnöden Karton mit dem nackten Mikrofon darin, sondern mit der passenden Mikrofonspinne zusätzlich noch ein weiteres wichtiges Utensil. In diese Plastikspinne wird der leicht konische Korpus eingesetzt. Der XLR-Anschluss des Audio-Technika hat jedoch einen Durchmesser, der es erlaubt, das Mikrofon zur Not (etwa bei beschädigter oder verlorener Spinne) aufrecht in einer Standard-Mikrofonklemme zu beheimaten. Der beiliegende Informationszettel ist zwar mehrsprachig, doch Deutsch ist leider nicht darunter. Ein kleines, gepolstertes Etui für das Mikrofon macht das allerdings fast wieder wett. Und mal ehrlich: “158 dB SPL” zum Beispiel werden sowieso in fast jeder Sprache gleich geschrieben.

Praxis

Präzise Verarbeitung

Die Verarbeitung des Mikrofons zeigt keine offensichtlichen Mängel. Alles scheint passgenau gefertigt, der Korb wackelt kein Stückchen, das Gitter ist absolut perfekt angebracht: Das Gittermuster ist exakt parallel zu den Einfassungen – dies ist ein Hinweis auf ein hochwertiges Fertigungssystem. Insgesamt scheint es das AT hinsichtlich der Qualität also dicke mit dem AT-AT aufnehmen zu können. Ihr wisst schon: Diese riesigen, wandelnden und schießenden Metall-Vierbeiner aus dieser fernen Galaxis.

Je nach Position in der Spinne sind LowCut und Pad-Schalter nur schwer zugänglich.
Je nach Position in der Spinne sind LowCut und Pad-Schalter nur schwer zugänglich.

Fingerspitzengefühl erforderlich

Um den Lo-Cut und das Pad zu schalten, benötigt man zwar stabile Fingernägel, aber dafür passiert das bestimmt nicht versehentlich. Je nach dem, wie das Mikrofon innerhalb der Spinne ausgerichtet ist, lassen sich die Schalter nur mit einer schwierig zu bewerkstelligenden Kombination von Kraft und Fingerspitzengefühl umschalten: nicht so cool! Außerdem kann es schnell passieren, dass man versucht, das 3035 in die verkehrt herum angebrachte Shock-Mount zu setzen, denn es ist bis auf ein kleines Audio-Technika-Zeichen nicht sofort ersichtlich, wo bei dieser Spinne oben und unten ist. Und aus dem Nest zu fallen ist weder für kleine Vögelchen noch für Kondensator-Mikrofone sonderlich gesundheitsfördernd…

Dynamikverhalten und Frequenzgang unzulänglich

Nun denn, bislang macht also fast alles am 3035 einen guten Eindruck. Aber da war doch noch etwas, über das sich auch noch berichten ließe – ach ja: Der Sound! Ich bin mir sicher, dass mal im fernen Land der aufgehenden Sonne nicht sonderlich traurig wäre, wenn ich dieses Kapitel tatsächlich vergessen hätte. Gaaanz so schlimm ist es natürlich nicht, aber es gibt doch zwei große Mankos.
Nummer eins: Das Dynamikverhalten des Mikrofons lässt etwas zu wünschen übrig. Das Signal klingt eng und zusammengepresst, lässt im Vergleich zu vielen anderen Mikrofonen die Luftigkeit vermissen. Das muss nicht bedeuten, dass das Signal unbrauchbar würde, aber Kompression möchte man doch gerne selbst in der Hand haben und sich nicht vom Mikrofon vorgeben lassen. Vor allem bei hohen Pegel hört man deutlich, wie schnell die Leistungsreserven aufgebraucht sind: Ab einer gewissen Signalstärke steigt der Output des Mikrofons nicht mehr simultan mit dem Input. Für Power-Vocals oder sonstige hochpegelige Signale ist das AT daher eher ungeeignet.
Nummer zwei: Der Frequenzgang ist ab den oberen Mitten deutlich wellig. Es ist kein gutes Zeichen, wenn man den EQ schon einsetzen muss, um Fehler des Mikrofons zu beheben. Tut man das nicht, ist der Gesamtsound unstimmig und wirkt bearbeitet.
Die beiden Unzulänglichkeiten des Mikrofons werden bei allen Vocal-Files deutlich, vor allem im Vergleich zu einem (deutlich teureren) Referenz-Mikrofon.

Mikrofontest im Studio: weibliche Stimme
Mikrofontest im Studio: weibliche Stimme
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AT3035 – männlich AT3035 – weiblich Referenz – weiblich

Hinweis zu den Audiofiles:
Die Aufnahmen wurden im Tonstudio unter professionellen Bedingungen durchgeführt. Um die Eigenschaften genau erkennen zu können, solltest du mit hochwertigen Kopfhörern oder über ein gutes Lautsprechersystem abhören. Das Referenzmikrofon ist ein Neumann TLM 127, welches für seine hohe Qualität und seinen unaufdringlichen Charakter bekannt ist.

Offener und natürlicher mit Hochpassfilter

Natürlich ist nicht alles schlecht. Das Impulsverhalten ist bis zu einem gewissen Pegel wirklich ordentlich., wodurch das AT3035 im Vergleich zu vielen anderen Kondensern dieser Preisklasse vor allem bei kurzen Konsonanten viel offener und spritziger klingt. Äußerst sauber arbeitet übrigens das Hochpassfilter. Mehr noch: Das Mikrofon klingt mit eingeschaltetem Filter generell deutlich besser, vor allem die Dynamikschwächen scheinen ein wenig zurückzutreten. Ob die Probleme im Tiefbass- oder Infraschallbereich begründet sind? Das Signal klingt definitiv offener und natürlicher:

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AT3035 – männlich, mit Filter AT3035 – weiblich, mit Filter

Verringert man den Nahbesprechungseffekt und die damit verbundene Bassanhebung durch einen größeren Abstand zur Schallquelle, werden die Probleme ebenfalls deutlich geringer. So klingt das Mikrofon nicht mit zehn, sondern 30 Zentimetern Abstand:

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AT3035 – männlich, 30 cm

Fazit

Das Audio-Technica 3035 Großmembran-Kondensatormikrofon ist mit den wichtigsten Features ausgestattet und daher als Einsteigermikrofon grundsätzlich geeignet: Eine feste, vorpolarisierte Nierenkapsel im stabilen Metallgehäuse, Filter, Vordämpfung, sowie mitgelieferte Spinne und Etui machen einen guten Eindruck. Keinen guten Eindruck hingegen machen die Audiosignale, die das Mikrofon über das Kabel verlassen: Eng und komprimiert klingen sie, vor allem bei hohen Pegeln. Ein zugeschalteter Hochpass verbessert die Qualität jedoch deutlich. Nicht signifikant verbessern kann dieses Filter allerdings die starke Welligkeit im Frequenzgang, die den Spaß im Umgang mit diesem Gerät zusätzlich trübt. Da die Klangeigenschaften das mit Abstand Wichtigste bei einem Mikrofon sind, vermögen auch die eingangs genannten positiven Aspekte nicht, ein auch nur mittelmäßiges Gesamtbild zu bewirken.

Unser Fazit:
2,5 / 5
Pro
  • Preis
  • Lieferumfang
  • Verarbeitung
  • unaufdringliche Optik
  • Rauschlevel
  • Impulstreue
  • guter HPF
  • hoher Grenzschalldruckpegel
Contra
  • Welligkeit in den oberen Mitten und den Höhen
  • schlechtes Dynamikverhalten
  • bei Spinnenmontage Schalter schwer zu bedienen
Artikelbild
Audio Technica AT3035 Test
Für 189,00€ bei
Audio_Technica_3035_KorbMitKapsel
TECHNISCHE DATEN
  • Großmembran-Kondensator-Mikrofon
  • Backplate-Elektret-Kapsel
  • Richtcharakteristik: Niere
  • schaltbares Hochpass-Filter bei 80 Hz
  • schaltbares 10 dB Pad
  • Grenzschalldruck-Pegel 158 dB SPL (mit Pad)
  • Feldübertragungs-Faktor 25,1 mV/Pa
  • Eigenrauschen 22 dB(A)
  • Frequenzgang 20 Hz – 20 kHz
  • Preis € 226,10
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Schuljunge sagt:

#1 - 01.06.2012 um 15:14 Uhr

1

Das 3035 ist in Deutschland leider nicht mehr erhältlich. Trotzdem muss ich sagen das ich dieses Mikro, entgegen der Empfehlung im Test, sehr gerne bei lauten Männerstimmen im Pop / Rock-Bereich einsetzte. Ein Sänger, dem ich das Ding beim obligatorischen Mikro-Check (idealerweise vor der finalen Aufnahme) vorsetzte wollte anschließend das gesamte Album damit aufnehmen, was wir dann auch entsprechend durchgezogen haben. Gerade dieser leicht komprimierte, mittig anmutende Klang war hier das Salz in der Suppe. Ansonsten kann ich das im Test gesagte bestätigen: Bei leisen Passagen / Instrumenten eines der rauschärmsten Mikros in meiner Sammlung. Besonders dann zu empfehlen, wenn mal nicht ein "Größer als die Realität - Sound" benötigt wird.

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