Vor nicht allzu langer Zeit erblickte eine Version der legendären Les Paul das Licht der Welt, die als ursprünglichstes aller Modelle bezeichnet wurde. Doch kaum vorgestellt, verabschiedete sich die Neue auch schon wieder aus den Musikhauskatalogen und Ausstellungsräumen.
Welche Gründe hinter dem kurzen Leben dieser Gitarre stecken, erschließt sich uns nicht, aber sie sind mit Sicherheit nicht in der Qualität der RAW zu finden. Denn eines kann man vorwegnehmen, ohne zu viel zu verraten: Dieses äußerst liebenswürdige Modell trumpft mit schmackhaften Features auf und lässt dabei Bekanntes und Bewährtes nicht außen vor – sonst wäre es ja keine Paula. Wer gespannt ist, wie eine Les Paul auch klingen kann, sollte sich dieses Instrument unbedingt zu Gemüte führen, solange es noch erhältlich ist. Auch wir haben uns beeilt, die Gitarre auf den bonedo Prüfstand zu schicken und ihren inneren und äußeren Werten auf den Grund zu gehen.
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KONSTRUKTION
Die charakteristischste aller Besonderheiten der RAW Power liegt ganz eindeutig im Holz. An und für sich ist eine schön gewölbte Ahorndecke nichts Neues für eine Gibson und ohnehin Standard bei einer Les Paul. Aber unter dieser Decke zeigt sich mit einem Body aus dem gleichen Holz die Einzigartigkeit dieses Modells. Ahorn statt Mahagoni lautet die Devise. Soundmäßig soll diese Kombination einen deutlicher artikulierten, klaren Ton mit ordentlich Attack liefern, und genau das ist, berücksichtigt man die Eigenschaften dieses Holzes, auch zu erwarten. Ahorn steht in erster Linie für die Übertragung fein ausgebildeter Bässe und Höhen und sorgt – als Folge daraus- für einen transparenten und klaren Klang, mit ordentlich Durchsetzungskraft.
“Bei der Lese des Holzes wurde ein zu 100 Prozent vom „Forest Stewardship Council“ zertifizierter Ahorn verwendet. Was das bedeutet? Der FSC ist ein nicht staatlicher Verein, der sich für eine umweltverträgliche, sozialverträgliche und ökonomische Nutzung der Wälder dieser Erde einsetzt. Gibson schließt sich mit dieser ersten zu 100% FSC zertifizierten Serie den Waldbewirtschaftungsstandards des FSC an und wählt die verarbeiteten Hölzer nicht mehr nur nach dem Klangverhalten aus, sondern zeigt ein gesteigertes Interesse an Mensch und Umwelt. Respekt für diese gute Sache!“
Eine Hohlkammer im Korpus beschert weiteres Potential für die Entfaltung des Tons und wirkt sich positiv auf Sustain, Klangverhalten und Resonanz aus. Doch das ist noch nicht alles, was die Kammer für uns tun kann. Wer seine Gigs mit Les Paul Gitarren bestreitet, kennt mit Sicherheit die physischen Nachteile der Familie. Sie sind nicht gerade leicht. Und genau hier kommt die Hohlkammer ins Spiel. Das Chambering hat bereits viele Les Paul Modelle davor bewahrt, sich ob ihres Gewichts als „Showbremse“ zu erweisen. Aber auch nach der “Fettabsaugung” bringt die RAW Power immer noch zünftige 3,9 Kilo auf die Waage.
Die in der RAW-Serie angebotene Farbpalette ist umfangreich und bedient sich eines Satin Finishs in den verschiedensten Farbtönen. Diese Lackierung ist eher matt und gibt der Gitarre den passenden „RAW“-Look. Veredelt wird das Ganze mit einem feinen Nitrolack, der im Gegensatz zum Polyurethan-Lack bekanntlich dünner aushärtet. So wird das natürliche Schwingungsverhalten der Gitarre nicht zu stark beeinflusst. Auch kann das Holz durch diesen weicheren Lack besser atmen, ganz zu schweigen vom, im Vergleich zum Poly-Finish, erheblich einfacheren Ausbessern von Lackschäden.
In den Korpus eingelassen ist die typische Tune-o-Matic Bridge mit Stoptailpiece. Genau wie die restliche Hardware kommt auch das bewährte Duo im edlen Gold-Look. Die beiden Classic57er Tonabnehmer sind ebenfalls klassische Ausstattungsmerkmale der verschiedensten Les Paul Serien und mit einer Goldkappe über den Alnico II Magneten in zwei schwarze Einbaurähmchen eingefasst. Klangverhalten und Lautstärke werden über jeweils einen leichtgängigen Black Speed Tone- und einen Black Speed Volume-Poti pro Pickup justiert, die unterhalb des Tailpieces platziert sind.
Auch den Dreiwege-Toggle-Switch findet man an seiner altbekannten Position oberhalb des Griffbrett-Endes, in Gold gehalten und mit einer schwarzen Plastikkappe. Den Abschluss bildet das schwarze Kunststoff-Schlagbrett, das an einem goldenen Winkel mit der Korpusunterseite verschraubt ist.
DER HALS
Der Hals ist dreiteilig aufgebaut und in Höhe des 16.Bundes mit dem Korpus verleimt. Die Halsneigung beträgt fünf Grad. Durch den typischen Cutaway ist das Griffbrett bis in den 22.Bund leicht zu bespielen. Die Oberfläche ist mit einer Schicht Nitrolack überzogen, die dank der extrem dichten und wenig porösen Eigenschaften des Ahorns, ebenfalls recht dünn ausfällt und dem Hals so nichts von seinem natürlichen Schwingungsvermögen nimmt. Gleichzeitig sorgt diese Beschichtung für komfortables und weiches Gleiten. Beim 50´s Rounded Profil wurde auf die bewährten Kurven der 58´er und 59´er Paulas gesetzt. Nicht zu viel und nicht zu wenig Rundung ermöglicht einen satten und kernigen Griff für sportliches Navigieren. Für die perfekte und individuelle Einstellung des Halses sorgt die Truss Rod Schraube unter der Vinyl-Glocke mit dem geprägten „Studio“-Print direkt hinterm Sattel.
Das helle Griffbrett ist ebenfalls aus Ahorn gefertigt und zeigt seinen Palisander-Brüdern eine wirklich interessante Alternative. Es führt nicht nur optisch und konzeptionell die Linie dieser Gitarre fort, sondern verfügt über erstklassige Eigenschaften in puncto Artikulation, Attack und natürlich Bespielbarkeit. Ausgestattet mit 22 fein und sauber abgerichteten und polierten Jumbobünden zieren Acryl-Dots und ein Trapezinlay im 12.Bund die Zwischenräume. Ein Sattel aus beständigem Acrylpolymer sorgt zudem für eine präzise Saitenführung.
Mit ihrem Neigungswinkel von 17 Grad erzeugt die Kopfplatte genügend Saitendruck, sodass der Sattel die Saitenschwingungen mit ausreichend Power übertragen kann. An der Kopfplatte finden sich recht schwergängige, dafür aber umso präziser laufende goldene Grover-Kluson Mechaniken mit Green-Button Tunern, die wirklich edel aussehen und an vielen Les Paul Standard-Modellen zu finden sind. Auch das Gibson-Logo ist das alte geblieben und findet sich in Gold an der Spitze der Kopfplatte.
Grundsätzlich gibt es an der Verarbeitung der RAW Power absolut nichts zu mäkeln. Das Instrument kommt zusammen mit einem kleinen Infoheftchen über Les Paul Gitarren in einem Gigbag und präsentiert sich ohne Fehl und Tadel und mit den Autogrammen aller am Abnahmeprozess beteiligten Techniker. Genau wie ihre Schwestern ist sie, rein optisch betrachtet, ein echter Hingucker. Dennoch geben das verbaute Holz und das Satin-Finish ihr innerhalb der großen Les Paul Familie etwas absolut Einzigartiges.
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PRAXIS
Wie bereits auf der letzten Seite erwähnt, sorgt die Hohlkammer im Korpus der Gitarre schon beim rein akustischen Anspielen für eine deutlich gesteigerte Schwingungsfreudigkeit. Auch die unverstärkte Lautstärke gewinnt dazu. Ansprache und Tonentfaltung zeigen sich extrem zügig, was nicht zuletzt am festen und dichten Tonholz liegt.
Die grundsätzliche Bedienung der Raw unterscheidet sich in keiner Weise von der herkömmlicher Les Paul Studio Gitarren, weshalb ich in erster Linie auf das Spielgefühl am Griffbrett und die Auswirkungen des Ahorn-Bodys auf den Sound der Dame neugierig bin. Im cleanen Betrieb liefert der Neck-Humbucker einen ausgewogen satten, warmen und extrem klaren Sound, der mit dezenten Bässen und fein gezeichneten Höhen aufwarten kann. Das Bild ist wirklich – ohne Gibson nach dem Mund reden zu wollen – glasklar und druckvoll. Cleanes oder angecrunchtes Akkordpicking tönt unverschwommen und kräftig aus den Boxen. Selbst über den bassigen Neck-Pickup bleibt die Wiedergabe beim Strumming deutlich und definiert.
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Neck- CleanNeck – Crunch
Selbiges kann ich auch von der Mittelstellung behaupten, die dank des geringeren Bassanteils nicht zum „Matschen“ neigt und sich besonders für unaufdringliche Picking- und Rhythmuseinlagen eignet. Die Unterscheidung zwischen Bässen und Höhen ist klar und deutlich, wobei diese Position mit einem wesentlich höheren Mittenanteil ausgestattet ist, den die Verquickung von Bridge- und Neck-PU mit sich bringt.
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Middle – CleanMiddle – Crunch
Der Bridge-PU ist nämlich wesentlich kratzbürstiger als sein Nachbar. Scharf im Attack, mit beißenden Höhen und gerade genug Bass, um nicht nölig zu wirken, ist auch hier die Klangübertragung astrein und sahnemäßig. Was außerdem überzeugt, ist ein wunderbar langes, klares und gleichmäßig ausklingendes Sustain.
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Bridge – Clean
Aber als klassische Rockgitarre macht die Paula erst verzerrt so richtig Dampf und Spaß.
Der Neck-PU eignet sich wie immer fantastisch für cremige Blues-Einlagen mit ordentlich Fundament. Die Arbeit am Ton kann durch die erfreulich dynamische Ansprache äußerst facettenreich und ausgiebig erfolgen, und das gilt für alle Pickup-Positionen. Der Ton startet mit Punch, wird durch leichtes Vibrato richtig schön rund und mit der Zeit zutraulich und zart.Es lohnt sich wirklich, anstelle vieler Töne lieber ein paar dynamische Highlights zu setzen. Diese Gitarre ist dazu auf jeden Fall ausgezeichnet in der Lage.
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Neck – Overdrive-Solo
Die Mittelposition bedient sämtliche Rhythmus-Soundwünsche von klassisch bis zornig und bleibt dabei immer unaufdringlich und universell einsetzbar.
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Middle – Overdrive
Für das perfekte Rockbrett gibt’s am meisten Futter in der Treble-Stellung. Der Bridge-PU überzeugt mit fettem Punch und knisternden Höhen. Das Schöne ist, dass der Ton dabei sauber bleibt und nicht im Overdrive untergeht oder gar verschwimmt. So verhält sich die Gitarre auch bei HiGain-Wänden immer noch druckvoll und artikuliert.
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Bridge – Overdrive SoloBridge – Overdrive Chords
Also, das Konzept geht definitiv auf und die guten Eigenschaften des Tonholzes schöpfen ihren ungemein großen Einfluss auf die Klangcharakteristik der Gitarre komplett aus. Dass der Einfluss überhaupt so groß und hörbar ist, spricht für eine durchdachte und saubere Konstruktion ohne Fehler oder Mängel.
An Beanstandungen bleibt nur der Regelbereich der Potis. Die größte Veränderung geschieht hier tatsächlich zwischen null und eins; von eins bis zehn passiert beim Betätigen des Lautstärkereglers erstaunlich wenig. So sind leider fast mikroskopische Bewegungen angesagt, will man das Volumen gleichmäßig anheben oder absenken. Die Tone-Potis verhalten sich da genau andersrum und erleben den Höhepunkt ihres Daseins zwischen acht und zehn.
Nun aber zur Bespielbarkeit: Wer seine Finger schon einmal auf ein Ahorn-Griffbrett gesetzt hat, weiß die Geschmeidigkeit und das gute Gefühl in den Fingerspitzen mit Sicherheit zu schätzen. So ist es auch hier. Die Lackierung ist dünn und absolut gleichmäßig aufgetragen. Durch die sauber gearbeiteten Jumbo-Frets sitzen die Finger sicher im Bund und Bendings lassen sich sanft und ohne tote Punkte ausführen. Die Reise durch die Lagen ist in meinen Augen wesentlich komfortabler als bei einem Palisandergriffbrett und man stößt auf extrem wenig Widerstand. Wer wünscht sich das nicht?
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FAZIT Nun wurde ja fast ausschließlich gelobt, und das nicht ohne Grund. Bei mir als jemand, der vermehrt Tele und Strat spielt, hat sich die RAW Power direkt beliebt gemacht. Die Ahornkonstruktion verleiht dem Sound eine herausragende Klarheit. Ohne der Wärme und Fülle einer Les Paul Studio etwas wegzunehmen, wird das Klangbild wesentlich offener und transparenter und so auch zum Hochgenuss für Vertreter meiner Gattung – und das nicht zuletzt auch wegen der sagenhaft weichen Fingerautobahn mit 22 Bünden. Die kräftigen und differenzierten Pickups bedürfen eigentlich keiner weiteren Lobeshymnen, kennt man sie doch als Verantwortliche für die Charakteristik zahlreicher Les Paul Modelle. Lediglich die zugehörige Potentiometer-Abteilung darf sich wegen mangelnder Genauigkeit einen kleinen Rüffel abholen. Die RAW ist durchweg sauber, liebevoll und grundsolide gefertigt und wird mit dem ansprechenden Design schließlich zu einer runden Sache. Ach ja, und erschwinglich ist sie für die gebotene Qualität auch noch. Also, Mütze auf und los, denn lange wartet sie nicht mehr.
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