Sie hat auch heute, nach fast sechzig Jahren, nichts von ihrer Aktualität verloren und ihr Dasein beschränkt sich schon lange nicht mehr nur auf ein Exemplar. Im Gegenteil: Aus der Mutter aller Humbuckergitarren entstanden im Laufe der Jahrzehnte diverse Serien, die den Grundgedanken weiterentwickelten und sich in Ausstattung, Ausführung und auch im Preis unterscheiden. Eine der Abkömmlinge im Les Paul Stammbaum ist die Studio, eine Variante, die Gibson seit 1984 anbietet. Wie bei anderen Serien gab es auch hier seither so manche Modifikation, angefangen bei der Pickup-Bestückung bis hin zur Halsform. Was sich nicht änderte, war ihre Beliebtheit bei Gitarristen, was unter anderem auch auf ihren Preis zurückzuführen ist. Denn der ist, gemessen an dem der “großen“ Paulas aus der Standard- oder Custom-Reihe, recht attraktiv.
Der augenfälligste Unterschied der Studio-Modelle zu den teuren Schwestern ist das fehlende Binding um den Korpus. Und dass für diese Instrumente nicht unbedingt Holz der allerhöchsten Premiumkategorie verwendet wird, liegt auch auf der Hand – ein Grund für die meist deckende Lackierung.
Aber die Erfahrung sagt, dass man sich von solchen Details nicht täuschen lassen sollte. Ich hatte schon etliche Studios in der Hand, die locker um ein Mehrfaches teurere Les Pauls in den Schatten stellten.
DETAILS
Optik/ Verarbeitung
Und auch unsere Testkandidatin bringt alle typischen Merkmale einer Studio mit: Das Binding fehlt, sie ist deckend lackiert und trägt ein etwas helleres Palisandergriffbrett.
Die Lackierung nennt sich Satin Finish und fühlt auch genau so an, und obwohl sie außer dem Griffbrett die gesamte Gitarre bedeckt, verliert das Instrument nie seinen Holzcharakter. Die Lackschicht ist hauchdünn aufgetragen, wobei es einen Unterschied zwischen Vorder- und Rückseite gibt. Der Boden zeigt Maserung, die Decke nicht – offensichtlich ein Resultat der Fräsarbeiten an der gewölbten Form. Allerdings wurde diese Arbeit tadellos verrichtet und gibt keinen Grund zur Beanstandung.
Bis auf die Hardware kommt die Gitarre komplett in Schwarz, was auch für die Pickup-Rahmen des hauseigenen 490R am Hals und des 498T am Steg gilt. Konsequenterweise hat man den Tonabnehmer-Wahlschalter und das kleine Schlagbrett in die Farbwahl mit einbezogen.
Tune-O-Matic Bridge und Gurtpins glänzen in Chrom, und die Lautstärke- und Klangregler, von denen jeder Tonabnehmer ein Pärchen sein Eigen nennt, sind transparent.
Auch halsseitig gibt es nur Gutes zu berichten. Dieser ist perfekt mit dem Korpus verleimt, es finden sich absolut keine Leimreste und auch der Übergang zeigt sich makellos. Durch die einheitliche Lackierung wirken Korpus und Hals wie aus einem Guss.
Mit einer Mensur von 628 mm besitzt sie exakt dieselbe Spanne wie die großen Paulas und auch das ’60s Shaping kennt man von den wesentlich teureren Modellen.Die 22 Medium-Bünde sind vorbildlich eingelassen und abgerichtet, ebenso die Trapez-Inlays auf dem Palisandergriffbrett. An den beiden Seiten der Kopfplatte sitzen sechs Deluxe Tulip-Mechaniken mit bernsteinfarbenen Flügeln, die ihre Arbeit solide und gleichmäßig verrichten. Die Plastikglocke, die den Zugang zum Halsstab verschließt, trägt eine weiße “Studio“-Gravierung.
So viel zum Äußeren, jetzt wollen wir natürlich auch hören, was sie in ihrem eigentlichen Metier zu bieten hat.
PRAXIS
Sound/ Bespielbarkeit
Die Gitarre liegt gut in der Hand und bietet durch das ’60s Shaping des Halses eine hervorragende Bespielbarkeit. Trotzdem handelt es sich nicht um einen “Rennhals“ – hier ist immer noch Vintage angesagt, und das ist auch gut so, denn bekanntermaßen sind Gitarrenhälse nicht unwesentlich an einem amtlichen Sustain beteiligt. Das Satin-Finish des Halses fühlt sich sehr gut an. Ich bin kein großer Freund lackierter Hälse, weil ich gerne das Holz spüre und Natur-Hälse meiner Meinung nach auch besser schwingen. Dieses Finish jedoch ist ein guter Kompromiss.
Trocken angespielt erzeugt die Gitarre einen soliden Grundsound, der allerdings ein wenig verhangen wirkt, will sagen, sie klingt verhältnismäßig unspektakulär. Trotzdem zeigt sie sich recht laut, das Schwingungsverhalten ist in Ordnung und die Töne sterben nicht abrupt ab, sondern bleiben recht lange stehen. Das macht natürlich neugierig, ob sich der Sound verstärkt ebenso darstellt.
Grundsätzlich ist es immer etwas schwierig, nagelneue Instrumente zu beurteilen, denn oft wandelt sich ihr Klangverhalten nach einiger Zeit, wenn auf ihnen regelmäßig gespielt wird. Kein Wunder, Holz arbeitet bekanntlich.
Für das erste Beispiel habe ich einen Fender Deluxe Amp verwendet und schalte durch alle drei Pickup-Kombinationen, beginnend mit dem Hals-Tonabnehmer.
Als Erstes fällt die identische Lautstärke aller drei Positionen auf. Sehr gut!
Auch sonst gefällt mir die Paula am Amp, denn sie generiert ein gesundes Sustain, alle drei Schalterstellungen sind vollwertig zu gebrauchen und erzeugen jeweils einen eigenen Charakter. Selbstverständlich klingt der Hals-Pickup bassiger, der mittlere etwas ausgedünnter und am Steg wird’s dann mittiger, was die Frequenzen angeht.
Wie schon weiter oben erwähnt, klingt sie relativ unspektakulär, was meiner Meinung nach kein Kritikpunkt ist, sondern von einem guten Arbeitsinstrument zeugt.
Jetzt kommt ein Fender Tweed an die Reihe. Auch hier sind alle Positionen an der Reihe.
Der kleine Amp erzeugt einen rotzigen Crunchsound und man hört recht gut heraus, wie die Les Paul damit umgeht. Der Hals-Pickup tönt warm und reich an Bässen, ohne jedoch den Anschlag vermissen zu lassen. Die Mittelposition klingt erstaunlicherweise recht ähnlich, nur etwas “glasiger“ und mit weniger Zerranteilen.
Erwartungsgemäß drückt der Kollege am Steg ordentlich und liefert einen recht angeschmutzten Crunch.
Ich stöpsele die Studio jetzt in einen AC30 und erhöhe den Zerranteil.
Auch hier zeigt sich im Grunde dasselbe Klangbild wie im vorigen Beispiel.
Hals und Mittelstellung liegen recht nahe beieinander, auch hier wird’s in der Mitte etwas dünner und glasiger. Am Steg wird gerockt, was das Zeug hält. Mit geballter Mittenpower drückt der Pickup los und spielt sich in den Vordergrund.
Und weiter geht’s mit der legendären Kombination Les Paul – Marshall Plexi.
Da freut sich das Gitarristenherz, denn das nenne ich ein solides Brett. Die Mittenanteile sind hoch und sorgen für einen druckvollen Rocksound, der im Allgemeinen als britisch bezeichnet wird. Es dürfte kein Problem sein, sich mit dieser Kombination überall durchzusetzen. Durch die Ausgewogenheit zwischen Bass und Mittenfrequenzen matscht auch nichts. Sehr gut!
Jetzt wollen wir wissen, was die Les Paul Studio mit einer auf D gestimmten E-Saite und einem modernen High-Gain-Amp anstellt.
Hier wird es natürlich etwas böser. Diese Verbindung haut mich nicht unbedingt vom Hocker, ist aber mit etwas Feintuning durchaus brauchbar. Das Mahagoni sorgt hier für zu viel Bass und macht das Riff undurchsichtig.
Abschließend noch ein kleines Solo. Im ersten Teil spiele ich den Steg-, im zweiten dann den Hals-Tonabnehmer.
Das gefällt mir gut, angenehm holzig und fett singt der Ton am Marshall JCM 800. Auch hier habe ich den Gainregler nicht voll aufgedreht, trotzdem erzeugt die Gitarre ein dichtes Klangbild mit einer guten Portion Obertöne.
FAZIT
Die Gibson Les Paul Studio ’60s Mahogany ist eine gute Gitarre für verhältnismäßig wenig Geld. Die Verarbeitung ist sehr gut und auch die Werkseinstellungen geben keine Anlass zur Kritik. Wer auf der Suche nach einer grundsoliden, gut klingenden Les Paul ist, sollte die Studio ’60s Mahogany auf jeden Fall anchecken.
Pro- Verarbeitung
- Optik
- Bespielbarkeit, vor allem Halsshaping
- Sound (bedingt, siehe Contra)
- Preis
- High Gain Rhythm Sounds nicht überzeugend

- Hersteller: Gibson
- Bezeichnung: Les Paul Studio ’60s Mahogany
- Herstellungsland: USA
- Korpus: Mahagoni
- Farbe: Satin Ebony
- Hals: Mahagoni
- Inlays: Trapez
- Profil: ’60s Neck
- Griffbrett: Palisander
- Bünde: 22
- Hardware: Chrom
- Tonabnehmer: 490R (Hals) 498T (Steg)
- Besonderheiten: Koffer
- Preis: 777,00 Euro
- Verarbeitung
- Optik
- Bespielbarkeit, vor allem Halsshaping
- Sound (bedingt, siehe Contra)
- Preis
- High Gain Rhythm Sounds nicht überzeugend

RocknRolf sagt:
#1 - 19.06.2011 um 21:51 Uhr
Stimme den Ergebnissen weitgehenst zu - ergänze aber: Das "warme" Sustain ist Gibson-typisch und fast unschlagbar - und mit nur sehr wenigen, wesentlich teureren Gitarren zu erreichen.