Focusrite Scarlett OctoPre & OctoPre Dynamic Test

Auf der NAMM 2017 hat Focusrite die neue Generation des OctoPre vorgestellt. Eine wesentliche Neuerung ist, dass die Achtfach-Preamps nun in unterschiedlichen Konfigurationen erhältlich sind, die sich in die Scarlett- und Clarett-Produktlinien einpassen.

Focusrite_Scarlett_OctoPre01Titel Bild

Der Scarlett OctoPre ist zudem in zwei Varianten erhältlich, die es auch in der letzten Generation schon gab: Der „normale“ Scarlett OctoPre konzentriert sich auf das bloße Bereitstellen seiner acht Preamps, der Scarlett OctoPre Dynamic ist dagegen pro Kanal mit einem zusätzlichen Kompressor ausgestattet.
Im Test sehen wir uns die beiden Scarletts genauer an. Wer seine Studio-Peripherie um acht Kanäle erweitern und dabei in einem vergleichsweise günstigen Preisbereich bleiben will, der wird hier möglicherweise fündig.

Details

Gehobene Bedienkultur

In Hinblick auf Optik und Verarbeitung ist das Geschwisterpärchen der beiden Scarletts wirklich hervorragend geraten. Beide Ausbaustufen sitzen in einem knapp 29 cm tiefen 19“-Gehäuse, dessen Abdeckung im für die Produktlinie typischen Scharlachrot gehalten ist. Alle Buchsen sind mit dem Gehäuse verschraubt und sitzen somit fest an ihrem Platz. Vor allem die gummierten Potis auf der Frontseite, über die das Gain bzw. im Fall des OctoPre Dynamic auch die Kompression geregelt wird, fassen sich mit ihrem glücklich gewählten Drehwiderstand äußerst hochwertig an. Man hat ganz das Gefühl, mit edlem Equipment zu arbeiten, und das ist in dieser Preisklasse alles andere als gewöhnlich.

Der Scarlett OctoPre (oben) und der Scarlett OctoPre Dynamic (unten) sitzen beide in einem 19“-Gehäuse mit 1HE.
Der Scarlett OctoPre (oben) und der Scarlett OctoPre Dynamic (unten) sitzen beide in einem 19“-Gehäuse mit 1HE.

Mikrofon-, Line- und Instrumenteneingänge

Für beide Focusrite Scarletts gilt, dass die ersten beiden Kanäle als hochohmige Instrumenteneingänge genutzt werden können. Durch das Betätigen eines kleinen Tasters auf der Vorderseite lässt sich die Impedanz pro Kanal von den standardmäßigen 3 kOhm auf 1 Megaohm erhöhen, um Gitarren, Bässe oder vergleichbare Instrumente artgerecht aufzunehmen. Beim „normalen“ OctoPre sind diese ersten zwei Eingänge auf der Vorderseite untergebracht, beim OctoPre Dynamic finden sie sich zusammen mit den sechs verbleibenden Inputs auf der Rückseite. Gerade für Instrumenteneingänge wären frontseitige Eingänge natürlich generell wünschenswert, im Fall des OctoPre Dynamic war wegen der erhöhten Anzahl der Bedienelemente aber offenbar ein Kompromiss nötig.

Fotostrecke: 2 Bilder Beim „normalen“ OctoPre finden sich die ersten zwei Eingänge auf der Vorderseite.

Die verbleibenden sechs Eingänge sind ebenfalls in Form von XLR/Klinke-Combobuchsen vorhanden und können entweder als Mic- oder Line-Ins eingesetzt werden. Durch die Verwendung eines Klinkensteckers geht der OctoPre davon aus, dass es sich um eine Line-Quelle handelt und passt wiederum die Eingangsimpedanz an – in diesem Fall wird auf 49 kOhm erhöht.

Mit 50 dB Gain nicht der Stärkste

Die Preamps der beiden Scarlett OctoPres entsprechen denen der Audio Interfaces aus der gleichnamigen Produktlinie und bieten bis zu 50 dB Gain. Auch wenn dieser Wert nicht besonders hoch ist, entsprechen die Vorverstärker in dieser Hinsicht der Preisklasse. Bei der Aufnahme leiser Schallquellen mit Mikrofonen, die nur geringen Output bieten (z.B. Bändchenmikrofone), wird man aller Voraussicht nach aber an eine Grenze stoßen. Wenn im Gegenzug zu kräftige Signale anliegen, dann kann man diese beim kleinen OctoPre über eine Pad-Schaltung um verhältnismäßig sanfte 8 dB absenken. Der OctoPre Dynamic vertraut dagegen vollständig auf den Einsatz der Kompressoren, um Signalspitzen abzufangen. In der Praxis wird man aber auch bei der Aufnahme lauter Schallquellen nicht „in die Kompression gezwungen“, denn der OctoPre Dynamic bietet mit seinem Regelbereich grundsätzlich genügend Spielraum nach unten.

Die Metering-Sektion ist bei beiden Scarlett OctoPres identisch.
Die Metering-Sektion ist bei beiden Scarlett OctoPres identisch.

Etwas schade finde ich, dass die Phantomspeisung nicht pro Kanal, sondern nur in Gruppen von je vier Kanälen schaltbar ist. Dynamische Mikrofone, die keine Versorgungsspannung benötigen, nehmen in der Regel zwar keinen Schaden, wenn sie sozusagen mit Strom überversorgt werden, bei Bändchenmikrofonen sollte man aber definitiv vorsichtig sein, und generell wirkt dieser Punkt einfach etwas unelegant gelöst. Was mir dagegen wiederum sehr gut gefällt, ist die Metering-Sektion auf der Frontseite. Mit fünf LEDs für jeden Kanal bekommt man ein klares optisches Feedback über die anliegenden Pegel an den einzelnen Kanälen.

Klinke oder ADAT?

Die Varianten des OctoPre arbeiten natürlich nicht nur mit der Hardware von Focusrite, sondern auch mit allen anderen Audio-Interfaces zusammen, die über entsprechende Eingänge verfügen. Die Preamp-Module lassen sich entweder über analoge Kabelverbindungen (Klinke) oder aber über die digitale ADAT-Schnittstelle anbinden. Entsprechende optische Ausgänge sind bei allen Modellen des OctoPre in zweifacher Form vorhanden, und bei Samplerates oberhalb von 48 kHz kommt Sample-Multiplexing (S/MUX) zum Einsatz. Bei 82,2 kHz und 96 kHz werden die insgesamt acht Kanäle also über beide ADAT-Ports verteilt, bei hohen Auflösungen bis 192 kHz können noch insgesamt vier Kanäle gestreamt werden.

Verbindungen mit einem Audio-Interface werden entweder über die analogen Line-Outs oder die ADAT-Ausgänge hergestellt.
Verbindungen mit einem Audio-Interface werden entweder über die analogen Line-Outs oder die ADAT-Ausgänge hergestellt.

ADAT-Line-Funktion beim OctoPre Dynamic

Neben den One-Knob-Kompressoren der Dynamic-Version gibt es noch einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Scarlett-Geschwistern: Im Gegensatz zum „normalen“ OctoPre hat der OctoPre Dynamic nicht nur ADAT-Ausgänge sondern auch ADAT-Eingänge an Bord! Wozu ADAT-Eingänge an einem Preamp-Modul, dessen Aufgabe in der Regel doch das Aufnehmen und nicht das Ausspielen von Signalen ist? Die Antwort ist einfach: Der OctoPre Dynamic bietet mit seiner schaltbaren ADAT-Line-Funktion eine Möglichkeit, die Line-Outs auf der Rückseite des Geräts als zusätzliche Ausgänge einer DAW zu verwenden. Damit erhält man also nicht nur acht zusätzliche analoge Eingänge, sondern auch acht zusätzliche analoge Ausgänge. Ein sehr schönes Zusatzfeature, das eine durchaus wertsteigernde Wirkung hat! Bei der kleinen Version des Focusrite Scarlett OctoPre können die Line-Outs dagegen nur die Eingangssignale der Preamps durchreichen.

Fotostrecke: 2 Bilder Der OctoPre Dynamic bietet neben den analogen Anschlüssen und einem zweifachen ADAT-Ausgang auch einen entsprechenden ADAT-Eingang.

Praxis

Neutraler und hochwertiger Grundklang

Abgesehen davon, dass die Vorverstärker der beiden Focusrite Scarlett OctoPres in Hinblick auf das Gain nicht die kräftigsten sind, können sie durchaus überzeugen. Anliegende Signale werden sauber eingefangen und in hochwertiger Form über die internen Wandler an die DAW weitergereicht. Der Grundklang ist dabei recht nüchtern und weitgehend neutral – ganz so, wie man es von Preamps, die auch in Audio-Interfaces verbaut werden, erwarten würde.

Das Scarlett-Pärchen im Praxistest
Das Scarlett-Pärchen im Praxistest

Bei einer Gesangsaufnahme mit dem Neumann TLM 103 werden die OctoPres dem Mikrofon vollauf gerecht. Die samtigen Höhen werden ohne übertriebenen Hype abgebildet, und auch im Grundtonbereich wirkt der Klang rund. Die Preamp/Wandler-Kombination aus dem teureren RME Fireface bildet die Stimme vor allem in Sachen Dynamik noch ein Quäntchen definierter ab und wirkt in den Höhen minimal offener. Ob der Unterschied im Klang auch den Unterschied im Preis rechtfertigt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Meiner Meinung nach kommt Focusrite dem Vergleichskandidaten aus dem Hause RME wirklich sehr nahe – und auch beim Klang der Instrumenteneingänge kann man von keinem eindeutigen Qualitätsunterschied sprechen.

Audio Samples
0:00
Vocals (TLM 103, OctoPre) Vocals (TLM 103, RME Fireface) Rhodes (OctoPre, Instr.-In) Rhodes (RME Fireface, Instr.-In) Drums (8 Kanäle, OctoPre) Drums (8 Kanäle, OctoPre Dynamic)

Davon, dass sich die beiden Versionen des OctoPre untereinander klanglich weitgehend identisch verhalten, kann man sich beim Anhören der Schlagzeugaufnahmen überzeugen. Hier wurden die jeweils acht Kanäle genutzt, um Kick und Snare doppelt zu mikrofonieren und jeweils ein Paar Overheads und Raum-Mikros anzuschließen. Für den Vergleich mit dem RME Fireface musste dagegen auf vier Kanäle reduziert werden: Kick-In, Snare-Top und Overheads. Im folgenden Video wird noch einmal klar, dass die beiden nicht sehr weit voneinander entfernt sind. Die etwas belegteren Höhen des Testkandidaten sind aber durchaus wahrzunehmen, wobei hier eine gute Abhöre zu empfehlen ist. Kleine Anmerkung: Es handelt sich bei den beiden Aufnahmen im Video um zwei unterschiedliche Takes, die im Loop abgespielt werden.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Kompressoren des OctoPre Dynamic: Das können Plug-ins auch.

Hardware-Kompressoren haben gegenüber ihren Pendants aus der Welt der Plug-ins zwei mögliche Vorteile: Einerseits können sie möglicherweise einen klanglichen Vibe erzeugen, der von noch so komplexem Code nicht befriedigend emuliert werden kann, andererseits punkten sie natürlich mit echten und anfassbaren Bedienelementen. 

Hier der OctoPre Dynamic. Neben den Potis für das Gain gibt es pro Kanal einen One-Knob-Kompressor. Die Ratio kann über den More-Taster von 2:1 auf 4:1 erhöht werden.
Hier der OctoPre Dynamic. Neben den Potis für das Gain gibt es pro Kanal einen One-Knob-Kompressor. Die Ratio kann über den More-Taster von 2:1 auf 4:1 erhöht werden.

Um es kurz zu machen: Die One-Knob-Kompressoren im Scarlett OctoPre Dynamic erfüllen meiner meiner Meinung nach keinen dieser beiden Punkte. Eine Sängerin freut sich beim Monitoring zwar möglicherweise über einen leicht verdichteten Klang, solche Aufgaben lassen sich über DSP-gestützte Audio-Interfaces aber befriedigender lösen – vor allem wenn es möglich ist, das prozessierte Signal nur an den Kopfhörer zu schicken und nicht mit aufzunehmen.

Audio Samples
0:00
Vocals (leichte Kompression) Vocals (mittlere Kompression) Vocals (starke Kompression)

Mit den feststehenden Attack- und Release-Zeiten (1,2 ms und 28 ms) und dem More-Button als einzigem zusätzlichem Parameter verhalten sich die Kompressoren im Focusrite OctoPre Dynamic etwas unflexibel. Klar, einem LA-2A verzeiht man einen solchen Umstand dank seines hochgradig musikalischen Verhaltens. Im Falle der OctoPre-Kompressoren würde ich persönlich der Hardware aber jederzeit ein flexibleres Plug-in vorziehen und die Bearbeitung auf den Mixing-Prozess verschieben.

Fazit

Dass die Preamps des Focusrite Scarlett OctoPre sowohl in der Standardvariante als auch in der Dynamic-Version nur 50 dB Gain bieten und dass die Phantomspeisung nicht pro Kanal schaltbar ist, lässt sich wohl verkraften. Vor allem die kleinere Ausbaustufe punktet dafür mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis. Bei einem Straßenpreis von etwas mehr als 50 Euro pro Kanal macht sich die Kombination aus Vorverstärkern und Wandlern wirklich hervorragend, und Vergleiche mit der höheren Preisklasse muss die Scarlett-Linie sowohl im Klang als auch in der Verarbeitung nicht scheuen. Schade ist, dass es die ADAT-Line-Funktion nur beim OctoPre Dynamic gibt, denn die acht zusätzlichen Ausgänge, die man damit erhält, sind eine feine Sache. Die Kompressoren können mich persönlich dagegen nicht wirklich überzeugen, und gerade weil sich der Scarlett OctoPre Dynamic und der Clarett OctoPre preislich sehr nahe sind, empfiehlt es sich, bei entsprechendem Budget auch einen Blick auf die etwas teurere Variante zu werfen.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • gute Verarbeitung und edles Bediengefühl
  • schöne Metering-Sektion mit fünf LEDs pro Kanal
  • ADAT-Line-Funktion beim OctoPre Dynamic
  • Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • Phantomspeisung nicht pro Kanal schaltbar
  • Kompressoren beim OctoPre Dynamic unflexibel
Artikelbild
Focusrite Scarlett OctoPre & OctoPre Dynamic Test
Für 444,00€ bei
Der Scarlett OctoPre (oben) und der Scarlett OctoPre Dynamic (unten) sitzen beide in einem 19“-Gehäuse mit 1HE.
Der Scarlett OctoPre (oben) und der Scarlett OctoPre Dynamic (unten) sitzen beide in einem 19“-Gehäuse mit 1HE.
Features und Spezifikationen
  • Mikrofonvorverstärker mit acht Kanälen
  • 50 dB Gain
  • 48 V Versorgungsspannung für je vier Kanäle schaltbar
  • Bauform: Gehäuse im 19“-Rackformat (1HE)
  • Analoge Eingänge: XLR/Klinke-Combobuchsen
  • Analoge Ausgänge: Klinke
  • Digitale Ausgänge: 2 x ADAT
  • Digitale Eingänge: 2 x ADAT (nur OctoPre Dynamic)
  • ADAT-Line-Funktion (nur OctoPre Dynamic)
  • Kompressor pro Kanal (nur OctoPre Dynamic)
  • Preis Scarlett OctoPre: € 439,99 € (UVP)
  • Preis Scarlett OctoPre Dynamic: € 669,99 € (UVP)
Hot or Not
?
Der Scarlett OctoPre (oben) und der Scarlett OctoPre Dynamic (unten) sitzen beide in einem 19“-Gehäuse mit 1HE.

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von AK

AK sagt:

#1 - 26.03.2017 um 21:08 Uhr

0

Mit welchem RME Fireface / Preamp wurde eigentlich verglichen ?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1