Empirical Labs Mike-e Test

Beim Namen Empirical Labs denkt man natürlich sofort an den Distressor – jenes legendäre Effektgerät, das den Vocals in unzähligen Produktionen zu Glanz und Durchsetzungsfähigkeit verholfen hat. Mit dem Mike-e hat der Hersteller aus New Jersey einen Mic-Preamp im Programm, der das Mikrofonsignal direkt an der Quelle in dieser Sound-Tradition aufpoliert.

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Der Mic-Preamp ist das Bindeglied zwischen Mikrofon und DAW: Das zarte Mikrofonsignal muss mit einem Faktor von 500 bis 1000 verstärkt werden, damit es im Mischpult oder im Audio-Interface weiterbearbeitet werden kann. Der Mikrofonvorverstärker gibt dem Signal den charakteristischen Klangstempel mit auf den Weg, der hinterher den entscheidenden Kick bedeuten kann. Ob Vocals, Gitarre oder Drums – in Zeiten digitaler Aufnahmetechnik ist eine individuelle Klangcharakteristik wichtig, um den Song aus der Masse hervorzuheben. Für die Fähigkeit, das Signal effektvoll zu veredeln, ist der amerikanische Hersteller Empirical Labs weltbekannt. Ob es dem Mike-e auch gelingt das Mikrofonsignal zu verzaubern, werden wir in diesem Testbericht klären.

Details

Bedienung

Was mir direkt nach dem Auspacken auffällt, ist die üppige Gestaltung der Frontplatte mitsamt ihrer Bedienelemente. Hier hat sich wirklich jemand Gedanken gemacht, wie Kompressor, Gain und andere Parameter sinnvoll und ergonomisch bedient werden können. Kein fummeliger Gainregler, der irgendwann knackt und knarzt, sondern ein Taster, der die Eingangsverstärkung in definierten Schritten rauf- und runterschaltet. Die Vorverstärkung wird durch eine farbig abgestufte, schräg nach oben verlaufende LED-Kette angezeigt. Auch die Kompressor-Parameter Ratio, Attack und Release werden mit solchen Tastern eingestellt und die eingestellten Werte durch farbige LEDs angezeigt. Der große Vorteil der digital gesteuerten Parametereinstellung gegenüber den allgemein üblichen Drehpotis ist, dass die eingestellten Werte exakt reproduzierbar sind. Eine rote LED mit der Bezeichnung “BAD!” warnt, wenn der Preamp die Clipping-Grenze um 0,5 dB überschreitet und erlaubt so die entsprechende Gain-Einstellung.
In der Sektion rechts daneben finden wir den Phasendreher, einen 80Hz-Trittschallfilter sowie die Zuschaltung der Phantomspeisung.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Mike-e von Empirical Labs ist eine Kombination aus Mic-Preamp, Kompressor und Saturator.

Daran schließt sich das Herzstück des Mike-e, der kombinierte Kompressor und Saturator. Der große Drive-Regler, in der Mitte der Frontplatte angeordnet, bestimmt den Pegel, mit dem die Comp/Sat-Schaltung angesteuert wird. Die Comp/Sat-Schaltung ist ein kombiniertes Kompressor-Sättigungs-Modul, welches das Signal verdichtet, ihm aber auch Obertöne hinzufügt. Je heißer das Modul angesteuert wird, desto mehr harmonische Obertöne werden produziert. Um den Grad der Obertonanreicherung ablesen zu können, gibt es links neben dem großen Drive-Regler zwei LEDs. Die gelbe LED mit der Beschriftung “Warm” signalisiert eine angenehme Auffrischung des Signals mit etwas Obertonanteil. Leuchtet die rote “Toasty” LED, geht es richtig zur Sache: Dann arbeitet der Mike-e als ultimativer Soundverbieger und es werden Obertöne erzeugt, die an die gute alte Bandsättigung analoger Tape-Recorder erinnern.

Fotostrecke: 5 Bilder In der Mitte des Bedienfeldes befindet sich die kombinierte Kompressor/Saturator-Abteilung mit dem großen Drive-Regler.

Kompressor

In der Kompressor-Sektion können neben der Kompressionsrate die Zeitparameter Attack und Release eingestellt werden. Die Compression Ratio lässt sich von leichter Kompression mit einer Ratio von 2:1 bis hin zur Limiter-Einstellung variieren. Die Attacktime kann per Taster in vier Schritten von 0,9 bis 100 ms verändert werden und die Releasetime bietet einen Wertebereich von 50 bis 500 ms an. Wird die maximale Kompressionsrate, durch “Nuke” markiert, gewählt, arbeitet der Mike-e als Brickwall-Limiter – die Signalspitzen werden gekappt und die Dynamik des Ausgangssignals wird auf ein Minimum reduziert. Ursprünglich für die Kompression von Raumklangsignalen gedacht, lässt sich die Nuke-Einstellung auch für viele andere Zwecke nutzen. So erzeugt Nuke zusammen mit hohen Drive-Werten einen wunderbar verzerrten Sound, wobei das Signal nicht die Härte eines digitalen Distortion-Effekts aufweist – sehr schön zum Beispiel für verzerrte Basslinien einzusetzen.

Der Kompressor bietet zwei Arbeitsmodi (HF Emphasis und Link-Modus) an, die mithilfe des Tasters Comp Mode angewählt werden. Im Modus “HF Emphasis” wird der Höhenanteil des Eingangssignals angehoben, um dem Höhenverlust entgegenzuwirken, den der Kompressionsvorgang mit sich bringt. Im komprimierten Signal werden die Höhen dann wieder etwas abgesenkt. Auf diese Weise behält das Signal seine Frische, auch wenn der Kompressor etwas härter zupackt.
Im Link-Modus können zwei Mike-e zu einem Stereoverbund zusammengeschaltet werden. Durch die Synchronisierung der Kompressionsvorgänge in beiden Geräten wird sichergestellt, dass das Stereosignal auf der linken und rechten Seite gleichermaßen komprimiert wird, um Panoramaverschiebungen im Stereobild zu vermeiden. Dazu gibt es auf der Rückseite eine Link-Buchse, die das Steuersignal für den zweiten Mike-e ausgibt. Die Link-Buchse wird mit dem Sidechain-Eingang des zweiten Geräts verbunden und steuert nun bei Anwahl des Link-Modus die Kompressionsvorgänge des zweiten Mike-e. Mit dem Mix-Regler kann der Anteil des komprimierten Signals mit dem unkomprimierten Anteil gemischt werden. So ist es möglich, die Transienten des Originalsignals durch Parallelkompression zu erhalten.

Ein- und Ausgänge Das Eingangssignal kann dem Mike-e auf drei Arten zugeführt werden: Über die XLR-Buchse auf der Rückseite kann es als symmetrisches Mikrofonsignal zugeführt werden. Das ist die übliche Beschaltung, wenn der Mike-e als Mikrofonvorverstärker genutzt wird. Das Mikrofonsignal wird durch einen Lundahl-Übertrager galvanisch entkoppelt und bekommt dadurch den warmen Klangstempel, für den die Trafoschaltung bekannt ist. Neben der XLR-Buchse gibt es einen Klinkeneingang, der sowohl symmetrische als auch unsymmetrische Signale verarbeitet.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Rückseite bietet neben der Kaltgerätebuchse symmetrische Ein- und Ausgänge in XLR- und TRS-Ausführung.

Auf der Frontplatte befindet sich darüber hinaus noch ein Instrumenteneingang mit einer sehr hohen Eingangs-Impedanz. Dadurch können Instrumentensignale wie der Direktausgang von einem Synthesizer, einem Gitarren-Pickup oder einem E-Bass ohne Klangverluste direkt in den Preamp eingespielt werden. Durch den symmetrischen Ausgang bietet der Mike-e gleichzeitig die Funktion einer üppig ausgestatteten DI-Box.

Praxis

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Soundgestaltung mit dem Mike-e hat definitiv Suchtpotenzial! Deshalb stürzen wir uns ohne Umwege sofort rein ins Sound-Getümmel und probieren den Mike-e an der Westerngitarre aus. Dazu nehme ich ein Großmembran-Kondensatormikro und schließe es an die Kombibuchse auf der Rückseite des Mike-e an. Den Ausgang des Mike-e route ich direkt in die Soundkarte meines Rechners. Dann schalte ich die Phantomspeisung am Mike-e zu und fahre die Vorverstärkung soweit hoch, dass die “BAD!”-LED bei lauten Gitarrenpassagen aufleuchten. Anschließend nehme ich den Gain-Wert um 10 dB zurück, sodass der Preamp auch bei Signalspitzen nicht ins Clipping gerät. Das Mikro richte ich mit einem Abstand von etwa 15 cm auf den Übergang zwischen Hals und Korpus – also ungefähr zwischen dem zwölften und vierzehnten Bund. Auf diese Weise kommen die Obertöne schön zur Geltung und die Gitarre setzt sich im Mix gut durch. Und der Mike-e hilft dabei ordentlich mit: Durch die Saturation-Schaltung wird das High-End der Gitarre noch einmal wunderbar aufpoliert und die Obertöne erhalten einen schönen Glanz.

Fotostrecke: 10 Bilder Innenansicht des ELI-Geräts

Akustikgitarre

Im ersten Hörbeispiel hört ihr die unbearbeitete, nur mit dem Preamp des Mike-e aufgenommene Gitarre. Dazu wurde die CompSat-Schaltung des Mike-e auf BYPASS gestellt und der Saturation-Regler ganz zurückgedreht, sodass keine Obertöne generiert wurden. Die Gitarre klingt so, wie sie vom Mikrofon wiedergegeben wurde, mit einer ausgewogenen Mischung aus Körper und Obertönen. Für das zweite Beispiel wurde der Drive-Regler langsam hochgedreht, die Kompressor-Abteilung aber durch Einstellung einer Ratio von 1:1 im Bypass-Modus gelassen. So sind die seidigen Obertöne, die der Mike-e der Gitarre verleiht, deutlich zu hören. Die Obertöne werden dezent, aber wirkungsvoll angehoben und die Gitarre bekommt mehr Glanz und Durchsetzungsfähigkeit. Im dritten Audiofile habe ich der Gitarre etwas Kompression gegeben, um die Dynamikspitzen etwas abzufangen. Dabei wurde am Mike-e eine mittlere Kompressionsrate sowie relativ kurze Attack- und Release-Zeiten gewählt, um so ein wenig rhythmisches Pumpen in den Gitarren-Groove zu bekommen.

Audio Samples
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Hörbeispiel 1: Akustikgitarre mit Mike-e ohne Saturation und Kompression
GainDriveComp ModeRatioMix
350Aus1:10%
Audio Samples
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Hörbeispiel 2: Akustikgitarre mit Mike-e im Drive-Modus
GainDriveComp ModeRatioMix
359Aus1:1100%
Audio Samples
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Hörbeispiel 3: Akustikgitarre mit Drive und Kompression
GainDriveComp ModeRatioAttackReleaseMix
359HF Emphasis4:18 ms150 ms100%

Bass

Da ich den Mike-e mit dem E-Bass ausprobieren möchte, schließe ich das Klinkenkabel des Bassisten an den Instrumenteneingang auf der Frontplatte an. Ist die Instrument-In-Buchse belegt, erkennt die Schaltung diese Belegung und schaltet automatisch die Eingänge auf der Rückseite vom Signalweg ab. So kann der Mike-e im Rack fest verbaut werden, ohne irgendwelche Kabel auf der Rückseite herausziehen zu müssen, wenn der Instrument-In vorn belegt wird. Mit einem symmetrischen Mikrofonkabel geht es dann ab ins Audio-Interface und auf den Rechner. Im Unterschied zu vielen günstigen DI-Boxen gibt der Mike-e das Bass-Signal mit vollem Druck wieder, wodurch man sich die Mikrofonabnahme des Bass-Amps sparen kann. Bei vielen Band-Aufnahmesituationen, aber auch bei der Bass-Abnahme auf der Bühne wird dadurch das Übersprechen deutlich reduziert. Durch Aufdrehen des Drive-Reglers kann man das Bass-Signal wunderbar in die Sättigung fahren. Wenn dann noch eine hohe Kompressionsrate gewählt wird, fängt der Bass schön an zu knurren und bekommt eine Menge Druck.

Vocals

Auch die Vocals bekommen durch den Mike-e einen richtigen Schub. Die Saturation-Schaltung sorgt für eine angenehme, warme Obertonstruktur ohne aufdringlich zu wirken. Die Stimme wird dadurch im Mix schön weit nach vorn geholt und setzt sich sehr gut durch.
In Hörbeispiel 4 ist eine Sängerin zu hören, deren Stimme mit einem hochwertigen Kondensatormikrofon aufgenommen wurde. Die Stimme ist in diesem Beispiel ohne Kompression und Saturation-Effekt zu hören – der Preamp des Mike-e ist das einzige klangformende Element im Signalfluss. Der Ausgang des Mike-e wurde für dieses Beispiel direkt mit der Soundkarte des Rechners verbunden.
Im nächsten Beispiel wurde eine mittelstarke Kompression auf die Stimme gelegt und der Saturation-Effekt ordentlich hineingefahren. Die Stimme bekommt mehr Hauch und wirkt “weiter vorn” als bei der unbearbeiteten Version. Für Beispiel 6 wurde die maximale Kompressionsrate mit der Einstellung “Nuke” gewählt, die Eingangsverstärkung bis kurz vor die Clipping-Grenze aufgezogen und der Drive-Regler fast bis zum Rechtsanschlag gedreht. Was ihr hört, ist eine extrem verdichtete Stimme, die aber durch den Saturation-Effekt nicht platt oder ausdruckslos wirkt. Bei hohen Kompressionsraten besteht die Gefahr, dass die Vocals “totkomprimiert” werden und dann keinerlei Ausstrahlung mehr haben. Der Mike-e macht’s möglich: Harte Kompression mit Nuke und trotzdem Soul in der Stimme!

Audio Samples
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Hörbeispiel 4: Vocals mit Mike-e ohne Saturation und Kompression
GainDriveComp ModeRatioMix
350AusBypass0%
Audio Samples
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Hörbeispiel 5: Vocals mit Mike-e mit Kompression und Saturation
GainDriveComp ModeRatioAttackReleaseMix
409HF Emphasis4:10,9 ms100 ms80% Wet
Audio Samples
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Hörbeispiel 6: Vocals mit Mike-e mit „Nuke“
GainDriveComp ModeRatioAttackReleaseMix
459HF EmphasisNuke20 ms250 ms100% Wet

Fazit

Wenn man einmal anfängt mit dem Empirical Labs Mike-e herumzuspielen, dann hört man so schnell nicht mehr auf. Das Gerät kann von sauberer, ehrlicher Mikro-Vorverstärkung bis hin zum Ultra-Distortion-Hammer alles außer Kaffee kochen. Man hat das Gefühl in neue Welten der Soundstruktur vorzudringen und die Gesangsstimme plötzlich völlig neu zu entdecken. Deshalb ist das – leider etwas teure – Gerät jeden Cent wert!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • brillanter, präsenter Klang
  • viele Klangvarianten realisierbar
  • gute Bedienbarkeit
Contra
  • keins
Artikelbild
Empirical Labs Mike-e Test
Für 2.099,00€ bei
Der digital gesteuerte Empirical Labs Mike-e Microphone Preamp bietet Suchtpotential und ist sein Geld wert.
Der digital gesteuerte Empirical Labs Mike-e Microphone Preamp bietet Suchtpotential und ist sein Geld wert.
Technische Spezifikationen
  • Frequenzgang: 3 Hz – 200 kHz
  • Signal-Rausch-Abstand: 130 dB
  • Eingangs-Impedanz: 600 Ω
  • Eingangs-Impedanz Instrumenteneingang: 332 kΩ
  • Ausgangsimpedanz: 38 Ω
  • Leistungsaufnahme: 15 W maximal
  • Preis: 2.159,00 Euro
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