SE Electronics sE8 Test

Der in China ansässige Hersteller sE Electronics hat jüngst ein neues Stäbchenmikrofon auf den gut gefüllten Markt der Kleinmembraner geworfen, sE8 nennt es sich. Retro-Boom hin oder her, “SDCs” (Small Diaphragm Condenser) erfreuen sich offenbar nach wie vor großer Beliebtheit.

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Vermeintlich echte “Vintage-Wärme” können sie zwar nicht, und auch die elegante Höhenentschärfung, wie sie beispielsweise die kultigen Bändchenmikrofone serienmässig an Bord haben, zählt nicht zu ihren hervorstechenden Fähigkeiten. Dafür sind sie unschlagbar leicht zu handhaben, bilden viele Quellen realitätsnah ab und sind anspruchslos, was die Einsatzbedingungen angeht.
Böse Zungen behaupten allerdings, dass gerade günstige Modelle zur Schärfe in den oberen Registern neigen und tendenziell harsch klingende Instrumente wenig vorteilhaft in Szene setzen. Diesen Nachteil soll unser Test-Stereoset nicht besitzen. Trotz moderatem Preis und üppiger Ausstattung verspricht man bei sE höchste Qualität, eine handgefertigte Produktion sowie eine lineare, unaufdringliche Klangcharakteristik. Ob das zum Setpreis von weniger als 400 Euro nicht etwas zuviel versprochen ist, findet ihr heraus, wenn ihr jetzt weiter lest.

Details

Kompakt und schnörkellos kommen die beiden sE8 daher

Dass ein erfolgreich absolvierter Test nicht an schlechter Ausstattung scheitern wird, deutet sich schon beim Auspacken des sE8 Stereosets an. Nach dem Öffnen der Pappschachtel kommt nämlich zunächst ein weiteres Behältnis in Form eines stabilen Aluköfferchens zum Vorschein. Darin liegen, sicher gebettet, die beiden Mikrofone, zwei einfache Kunststoffhalterungen, zwei Windschütze sowie eine Stereoschiene aus Metall. Die nähere Inspektion der Gewinde offenbart weiterhin drei passende EU-Gewindeverkleinerungen. Eine – auch auf deutsch geschriebene – kurze Anleitung rundet das gute Bild ab, das unsere Testobjekte gleich zum Einstieg abgeben. Die Schallwandler selbst geben sich optisch zurückhaltend, mit 12 Zentimetern Länge und 2,3 Zentimetern Durchmesser auf 140 Gramm liegen sie angenehm solide in der Hand. Dreht und wendet man sie hin und her, fallen die Ausstattungsmerkmale ins Auge, die dem Sound-Freund die Arbeit erleichtern sollen. Da wäre zunächst die zweistufige Pegelabschwächung um wahlweise -10 oder -20 dB zu nennen, darunter angeordnet findet sich ein schaltbares Hochpassfilter, mit dem sich nicht benötigte Bassfrequenzen bei entweder 80 oder 160 Hertz abwärts eliminieren lassen. Für die Wahl aller Funktionen ist ein spitzer Gegenstand vonnöten, den die beiden, roten Schieberegler sind versenkt angebracht, um versehentliches Verstellen auszuschließen. Im vorderen Teil der Mikrofone fällt das extrem feinmaschige Schutzgitter vor den goldbeschichteten Membranen auf, auf der gegenüber liegenden Seite findet sich die – ebenfalls vergoldete – XLR Anschlussbuchse sowie die Seriennummer. Im Falle unserer Testexemplare handelt es sich um die Nummern 17A und 17B, sie sind also aufeinander abgestimmt und gehören zusammen. An der Verarbeitung der Testmodelle gibt es nichts auszusetzen.

Fotostrecke: 4 Bilder Alles da: Das sE8 Stereoset kommt mit komplettem Zubehör.

Auch die technischen Werte sind sehr ordentlich

Bei den sE8 handelt es sich um Echtkondensatormikrofone, ihre Kapseln sind also extern und nicht – wie viele andere Kapseln in günstigeren Schallwandlern – permanent polarisiert (Back Electret). SE weist in seiner Produktbeschreibung außerdem auf einen hohen Anteil an Handarbeit an den Kapseln sowie das durchdachte elektrische Design hin, welches eine besonders hohe Dynamik, Rauscharmut und Detailtreue zur Folge haben soll. Der Blick auf ‘s Datenblatt offenbart tatsächlich sehr gute Werte. 20 – 20000 Hertz nutzbarer Übertragungsbereich sind guter Standard bei Kleinmembranmikrofonen dieses Typs und auch der ebene Frequenzgang mit einem leichten “Hügel” bei etwa 7000 Hertz ist ein gewohntes Bild. 139 dB Grenzschalldruck bei ausgeschaltetem und 159 dB bei aktiviertem 20 dB Pad sind allerdings schon eine Ansage, die ordentliche Dynamik verspricht. Ein Rauschabstand von 81 dB (A) darf in der Preisklasse ebenfalls als wirklich vorbildlich gelten, dasselbe trifft auf die Empfindlichkeit von 25 mV/Pa zu. In der Praxis heisst das, dass man mit dem sE8 leise Signale mit geringem Rauschen und sehr laute mit geringen Verzerrungen auf’s Band bringen kann. Die schönsten Messwerte bedeuten allerdings nichts, wenn das Mikrofon dann im Einsatz nicht gut klingt. Also auf zum Praxisteil!

Praxis

Plastisch und detalliert klingen die Testkandidaten an der akustischen Gitarre

Um die Qualitäten der sE8 an der Akustischen beurteilen zu können, habe ich wieder Kollege Michael Krummheuer ins Studio eingeladen, als Klangquelle fungiert eine Baton Rouge Dreadnought. Als Referenzmikrofone kommen die bekannten Oktava MK012 zum Einsatz, welche auch preislich umgefähr im Bereich der sEs liegen. Zudem gelten die russischen Klassiker als ausgesprochen gut geeignet, wenn es um Gitarrenaufnahmen geht. In den “Achtern” haben sie allerdings ihren Meister gefunden, denn die Chinesen klingen wirklich gut. Positioniert in XY-Aufstellung und im Abstand von etwa 40 Zentimetern auf den zwölften Bund gerichtet, erzeugen die Testkandidaten ein ausgesprochen ausgewogen klingendes Abbild des Gespielten. Besonders fällt die Räumlichkeit auf, mit der die Mikrofone zu Werke gehen, gleichzeitig lösen sie Höhen und obere Mitten sehr gut auf ohne aufdringlich oder harsch zu klingen. Im Vergleich wirken die Oktavas “kleiner” und etwas nöhlend in den Mitten. Auch die räumliche Darstellung ist enger als bei den sEs. Hier könnt ihr euch die Soundfiles anhören, die Testmikrofone habe ich sowohl beim Picking als auch Strumming zusätzlich noch mit dem Low Cut bei 80 Hertz aufgenommen.

Gitarren-Abnahme mit XY-Aufstellung und im Abstand von etwa 40 Zentimetern.
Gitarren-Abnahme mit XY-Aufstellung und im Abstand von etwa 40 Zentimetern.
Audio Samples
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sE8: Gitarre Picking sE8: Gitarre Picking, 80Hz Low Cut Oktava MK012: Gitarre Picking sE8: Gitarre Strumming sE8: Gitarre Strumming, 80Hz Low Cut Oktava MK012: Gitarre Strumming
Fotostrecke: 2 Bilder Zweimal zweistufig, bitte: Das sE8 kommt mit Pad und Hochpassfilter.

Über dem Schlagzeug können die sE8 ebenfalls überzeugen

Als nächste Station wandern die beiden sE8 in ORTF-Anordnung über mein Sakae Trilogy Drumset, welches aus einer 22×14 Bassdrum, 12×8 und 16×16 Toms sowie einer 14×4 Messing-Snare besteht. Bei den Becken handelt es sich um ein Paiste Traditionals Set aus 14er Hats, 18 Zoll Thin Crash und 20 Zoll Medium Ride. Der Hörtest zeigt auch hier zwei sehr ausgewogen klingende Mikrofone, die das gesamte Kit homogen abbilden. Besonders im Kontext mit den Closemics ergibt sich hier ein tolles Gesamtbild ohne unangenehme Schärfen. Gut gefällt mir auch die Übertragung der Details von Snare-Ansprache und Hi-Hat. Im Vergleich gehen die beiden Oktavas hier grobkörniger und spröder zu Werke, Transienten wirken etwas aufgeraut und weniger exakt. Würde man die amerikanischen Trendbegriffe zur Klangbeschreibung bemühen, müsste man die sE8 mit dem Adjektiv “smooth” belegen. Für ein Mikrofon der 200-Euro-Klasse ist das Ergebnis jedenfalls beachtlich.

sE8 in ORTF-Anordnung über dem Schlagzeug.
sE8 in ORTF-Anordnung über dem Schlagzeug.
Audio Samples
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sE8: Overheads, -10dB Pad, Drumkit sE8: Overheads, -10dB Pad, solo Oktava MK012: Overheads, Drumkit Oktava MK012: Overheads, solo

Als Becken-Closemic kommt den sE der Hochpassfilter zugute

Kleinmembran-Kondensatoren werden traditionell gern als Stützmikrofone zur Abnahme von Hi-Hats und Rides verwendet und wie erwartet, können die beiden Testkandidaten auch in dieser Anwendung überzeugen. Wieder zeigt der Vergleich mit den Oktavas eine insgesamt sehr gefällige, unaufdringliche Abbildung, was speziell bei eher schrill oder scharf klingenden Becken sehr von Vorteile ist. Auch die Übersprechungen der anderen Instrumente im Kit klingen etwas höher aufgelöst und weniger “Dosen-artig” als bei den Oktavas. Der schaltbare Low Cut ist gerade an Becken, welche im Nahbereich ein tieffrequentes Brummen erzeugen, ein Pluspunkt, denn damit lässt sich der Sound direkt an der Quelle “aufräumen”. Das Ride-Becken habe ich euch daher auch mit der 160 Hertz Cut Off-Frequenz aufgenommen.

Fotostrecke: 2 Bilder Einsatz als Stützmikrofon bei Hi-Hat…
Audio Samples
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sE8: Hi-Hats, -10dB Pad, solo sE8: Hi-Hats, -10dB Pad, Drumkit Oktava MK012: Hi-Hats, solo Oktava MK012: Hi-Hats, Drumkit sE8: Ride, -10dB Pad, solo sE8: Ride, -10dB Pad, Drumkit sE8: Ride, 160Hz Low Cut, solo sE8: Ride, 160Hz Low Cut, Drumkit Oktava MK012: Ride, solo Oktava MK012: Ride, Drumkit

An der Snaredrum besitzt das sE8 fast schon dynamische Eigenschaften

Eine Überraschung hält das sE8 an der Snaredrum parat. Es klingt nämlich fast wie ein lebendiges dynamisches Mikrofon und erinnert mich in dieser Eigenschaft etwas an das Audix i5. Das hatte ich zum Test allerdings nicht parat, daher kommt das obligatorische Shure SM57 als akustischer Anhaltspunkt zum Einsatz. Im Vergleich besitzt das sE natürlich etwas mehr Brillianz, klingt aber nicht so topfig scharf wie viele andere günstige Kleinmembraner an der Snare. Stattdessen bildet es auch die Mitten angemessen präsent ab und wirkt damit kaum weniger druckvoll als der Shure Klassiker. Auch die Übersprechungen sind geringer und klingen zudem auch besser. Als ausgesprochenes Rocksnare-Mic würde ich es trotzdem nicht empfehlen, aber wer einen etwas detaillierten Sound mag, ohne den Bauch der Trommel zu verlieren, sollte sich so ein sE mal anhören.

Close Miking an der Snare - klingt fast wie ein lebendiges dynamisches Mikrofon.
Close Miking an der Snare – klingt fast wie ein lebendiges dynamisches Mikrofon.
Audio Samples
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sE8: Snare, 80Hz Low Cut, -20dB Pad, solo sE8: Snare, 80Hz Low Cut, -20dB Pad, Drumkit Shure SM57: Snare, solo Shure SM57: Snare, Drumkit

Fazit

Ganz offensichtlich haben sE Electronics bei der Konstruktion des sE8 Einiges richtig gemacht, unser Test Stereoset klingt nämlich wirklich gut. Sowohl an der Akustischen als auch an den Positionen rund ums Drumset geben sich die kompakten Schallwandler keine Blöße. Ausgewogen und detailliert werden Transienten abgebildet, die räumliche Darstellung ist für Modelle dieser Preisklasse ganz hervorragend und von der gefürchteten Höhenschärfe günstiger Mikrofone sind sie weit entfernt. Die gute technische Ausstattung mit zweistufigem Low Cut und Pad sorgt für ein weites Anwendungsfeld und der gute Lieferumfang gewährleistet, dass man sofort loslegen kann. Nimmt man jetzt noch die saubere Verarbeitung und den sehr humanen Preis dazu, bleibt eigentlich nur eine glatte Fünfsterne-Bewertung. Es dürfte schwierig werden, für weniger Geld mehr Mikrofon zu kaufen.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • detailreicher, ausgewogener Klangcharakter
  • gute Verarbeitung
  • sehr gute Ausstattung
  • sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis
Contra
  • keins
Artikelbild
SE Electronics sE8 Test
Für 208,00€ bei
sE Sound is very good: Das sE8 Stereopaar liefert sehr gute Ergebnisse im Test.
sE Sound is very good: Das sE8 Stereopaar liefert sehr gute Ergebnisse im Test.
Technische Spezifikationen
  • Hersteller: sE Electronics
  • Bezeichnung: sE8 Stereoset
  • Wandlerprinzip: Kleinmembran-Kondensatormikrofon
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Impedanz: 110 Ohm
  • Frequenzgang: 20-20000 Hertz
  • Finish: mattschwarz, lackiert
  • Ausgang: XLR
  • Abmessungen: L: 12,0 x B: 2,3 Zentimeter
  • Gewicht: 140 Gramm
  • Zubehör: Aluminiumkoffer, Halter, Stereoschiene, Windschutz, EU-Gewindeverkleinerung, Anleitung
  • Herkunftsland: China
  • Preis (Verkaufspreis): 379,00 EUR
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Kommentieren
Profilbild von Shane McGill

Shane McGill sagt:

#1 - 30.08.2017 um 13:57 Uhr

0

Das Oktava MK012 als Referenzmikrofone zu nehmen ist ja nicht gerade die beste Idee....Wenn schon möchte ich einen Vergleich hören mit einem Neumann, AKG (480) oder einem Schoeps um einen wirklichen Eindruck zu gewinnen.

Profilbild von Chris

Chris sagt:

#2 - 02.02.2018 um 07:58 Uhr

0

Hallo Max,
da bin ich ganz bei Shane McGill. Wie ist denn der Vergleich zu den großen Namen?
Nick Mavridis hatte mal einen großen Testmarathon von Kleinmembranern hier ins leben gerufen. Wo ordnen sich diese Mics ein? Es gibt hier mittlerweile viele weitere Tests von Kleinmembranern, u.a. das Lauten LA120, das CAD e70...etc. Wo ordnen sich diese Mikrofone im Testmarathon-Vergleich ein. Auch wird bei fast allen "neuen" Tests das Air Band völlig vergessen. Hier muss ich Nick wieder mal für seine ausführlichen Tests loben.LG
Chris

Profilbild von Chris

Chris sagt:

#3 - 20.02.2018 um 11:35 Uhr

0

Hallo Max,
was meinst du....kann das SE8 mit einem Beyer MC930 in Punkto Auflösung mithalten?
Das wäre ein Anhaltspunkt.Danke!
LG
Chris

Profilbild von Marco

Marco sagt:

#4 - 24.03.2020 um 10:52 Uhr

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Ich hab mir die beiden geholt, aber leider hab ich ein extremes Rauschen auf den Audiospuren :( Keine Ahnung wie ich das wegkriegen soll

    Profilbild von Nick (Redaktion Recording)

    Nick (Redaktion Recording) sagt:

    #4.1 - 24.03.2020 um 11:26 Uhr

    0

    Hallo Marko,das ist natürlich ärgerlich. Aber wenn es bei beiden gleich ist (mal getauscht?), dann spricht das gegen einen Defekt. Und ein im Vergleich zu anderen Kleinmembranern erhöhtes Rauschen wäre dem Tester ganz sicher aufgefallen. Hast Du andere Mikrofone zum Vergleich getestet mit der Konfiguration? Dynamische Mikrofone beispielsweise sollten etwas mehr, Großmembranmikrofone etwas weniger rauschen. Aber ein "extremes" Rauschen spricht eher dafür, dass irgendwo in Deiner Kette ein Fehler liegt. Vielleicht ein hohes Pad eingeschaltet, ein verkehrter Eingang benutzt oder so. Unter https://www.bonedo.de/artik... findest Du einfache Pegelanweisung. Ansonsten einfach den Einzelhändler oder den Vertrieb um Support bitten.Beste Grüße und viel Erfolg
    Nick Mavridis (Redaktion Recording)

Profilbild von Chrysovergis

Chrysovergis sagt:

#5 - 20.04.2022 um 08:41 Uhr

0

Did you measure the noise and signal to noise of the sE Electronics SE8? Do these measures correspond to those given by the manufacturer?

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