Mikme Microphone blackgold 16GB Test

Mobil in ordentlicher Qualität aufnehmen? Das geht schon lang. Allerdings sind es so gut wie immer zwei Kleinmembrankapseln, die Schall in Wechselspannung umwandeln, ob bei mobilen Digitalrekordern oder iOS-Mikrofonen.

Will man, wie es bei der Gesangs- und Sprachaufnahme Usus ist, mit einem Großmembranmikro arbeiten, bleibt ein USB-Mikrofon, das auch an Mobilgeräten funktioniert. Mikme aus Österreich geht einen anderen Weg: Das Mikme Microphone ist kaum größer als eine Packung Spielkarten, enthält aber eine mittenkontaktierte Großmembrankapsel, AD-Wandlereinheit, Kopfhöreramp sowie Anbindung per USB oder Bluetooth. Ach ja: 16 GB Speicher sind auch direkt verbaut, damit ist das System ein Stand-alone-Aufnahmegerät!

Details

Bäm? Ja: Bäm!

Würde man zur Theatralik neigen, würde man die Features des Mikme aufzählen und danach „Bäm!“ sagen. Und das wäre gar nicht so falsch, denn ein vergleichbares System musste man bislang vergeblich suchen. Eine wirklich geniale Idee ist das Mikme nicht, sondern eher eine Ohrfeige für alle anderen Hersteller. Die können sich nämlich mal ganz brav in einer Reihe aufstellen und sich Antworten für die Frage überlegen, weshalb sie in der Vergangenheit zwar fleißig USB-Mikrofone gebaut haben, aber nicht auf den Trichter gekommen sind, eine zumindest einfache Aufnahmemöglickeit zu integrieren (Fachjournalisten wie ich stellen sich gleich mit in die Reihe, denn die hätten sowas ja schon mal fordern können.) Gut, sehr sicher wurde diese nahliegende Lösung hier oder dort schon diskutiert und einfach aufgrund von technischen Problemen, zu erwartender kurzer Produktzyklen oder einfach nicht so schnell wie bei Mikme in die Tat umgesetzt. Vor mir auf dem Schreibtisch befindet sich in jedem Fall etwas, was ich mit Entzücken vorliegen habe: etwas wirklich neues! Also: „Bäm“!

Fotostrecke: 4 Bilder Wirklich nicht sonderlich größer als der Korb eines Großmembranmikrofons: Der komplette Rekorder.

Eckdaten des eckigen Mikros

Zunächst einmal ist im Eckigen etwas Rundes zu finden – die Kapsel. Es ist eine klassische Großmembran-Kondensatorkapsel typischer, verbreiteter Bauform. Sie ist etwa 1 Zoll groß, mit einem Kupferring verschraubt, mittenkontaktiert und durch die unkontaktierte Passivmembran auf der Rückseite ein Niere. Sie bezieht ihre Vorspannung nicht aus einem auf der Backplate aufgebrachten Elektret, sondern per extern zugeführter 48V-Versorgung. Aus den Daten ist zu erfahren, dass der zunächst analoge Ausgang der Mikrofonelektronik 18 Millivolt pro Pascal ausgibt und die nicht weiter benannten Verzerrungsprodukte bei 125 dB SPL einen Wert (wahrscheinlich 0,5 %) überschreiten, der als maximaler Schalldruckpegel betitelt wird. Die anschließende AD-Wandlung erfolgt mit bis zu 96 kHz Samplingrate bei 24 Bit. Aufgenommen werden kann in nicht reduziertem Waveformat oder als MP4 – oder beides gleichzeitig. Zur Verbindung über USB 2.0 oder Bluetooth 2.1 sind folgende Betriebssysteme geeignet: iOS ab 9, macOS ab 10.8 und alle Windows-Versionen von XP aufwärts.

Nierenkapsel wie in “großen” Studiomikrofonen: Mikme, hier in der Rückansicht

Festinstallation beim Mobilgerät

Der Speicher ist, genauso wie beim 920mAh-Akku schlechter Apple-Tradition folgend, fest verbaut. Für einen Einsatz wie die ausufernde Spontansession am Lagerfeuer oder ein Interview, das deutlich länger wird als geplant, sollten 16 GB ausreichen. Aber zumindest grundsätzlich ist einem die Möglichkeit verwehrt, schlicht und einfach sorglos mit dem Mikme bewaffnet loszuziehen, ohne ständig den Blick auf Bildschirme zu werfen und zu koppeln. Wer sich für ein Mikme entscheidet, der wird sich vielleicht bewusst für ein Gerät entscheiden, das man nutzen kann, während das Smartphone in der Tasche bleibt oder (Revolution!) ausgeschaltet bleibt. Um mal die Kirche im Dorf zu lassen: Mit 16 GB lässt sich das schließlich einkanalige Mikrofonsignal bei 44,1 kHz immerhin über 30 Stunden aufzeichnen. 

Praxis

Auspacken und loslegen?

Mikme Microphone auspacken, den großen Knopf da oben drücken, mit dem man das Mikro sicher aktiviert … nichts tut sich. Hm. Lange drücken! Nichts tut sich. Ok, der Akku ist bestimmt nicht geladen. USB-Kabel dran. Nichts tut sich. Na gut: Ich schaue das Tutorialvideo. Aha: Mikme umdrehen, den kleinen linken Taster lange drücken, dann geht das Ding an. Einfach einmal den großen Taster auf der Oberseite drücken, schon nimmt das Ding auf. Es blinkt kurz, wenn ich reinspreche. Das wird ein Clip sein. Ich muss also den Pegel einstellen. Wo geht das nun wieder? 

Fotostrecke: 2 Bilder Plus und Minus kann man irgendwie verstehen. Aber ist das Mic Gain oder Kopfhörerlevel? Oder kann man das umschalten? Und was bedeuten die Taster und LEDs links? Statt Trial and Error ist hier der Blick ins Manual oder Tutorial-Video angesagt.

Schade, aber nicht wirklich schlimm: „Kommt noch“

Ich schnappe mir den Sänger Chul-Min und gehe mit ihm zum Recorden nach draußen. Die Einrichtung des kleinen Mikrofonschächtelchens gelingt flott, die App liefert die notwendigen Parameter im schnellen Zugriff. Es ist zwar direkt die Aufnahme möglich, auch Overdubs sind problemlos, ein kleiner Playback-Track für Chul-Min muss aber ungenutzt bleiben: Das geht in der aktuellen Version der App nicht. Auf Nachfrage war aber zu erfahren, dass diese Option zu späterem Zeitpunkt integriert wird. Das halte ich auch für absolut notwendig, denn sonst bleibt eine der coolsten Möglichkeiten des Mikme ungenutzt. Wie cool ist es denn bitte, während man im Auto im Stau steht, in inspirierender Umgebung in der Natur oder einfach dort, wo man feststellt, dass der Sound hervorragend geeignet ist, mit dem Aufnehmen von Vocal-Tracks loszulegen? Das war jetzt zwar eine rhetorische Frage, aber ich will sie trotzdem beantworten: Das ist ziemlich cool! Der aktuelle Workaround sieht leider so aus, dass man einen derartigen Track über den Lautsprecher von Smartphone und Co. mit dem Mikme aufnimmt und dann dazu Overdubs erstellt. Aber schon klar: Richtig genial würde es werden, wenn man das Mikme mit kleinen DAW-Apps benutzen würde oder für sein investiertes Geld ein handliches USB-Mikrofon erhält, das auch gleich die Monitoring-Aufgabe mit abfrühstückt. Nur leider geht das nicht. Allerdings ist immerhin in Planung, das Mikme mit einem Update class-compliant werden zu lassen. 

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Klang: top!

Optisch ist das Mikme vielleicht nicht das, was man von einem Studiomikrofon erwartet, klanglich liefert es aber genau das: Der Sound ist voll und detailliert, der Nahbesprechungseffekt ist – endlich bei einem mobilen Device! – so, wie man es von typischen Großmembranern her kennt und oft für Sprache und Gesang benötigt. Klasse! Prinzipiell ist der Sound modern ausgerichtet, kurze Konsonanten werden leicht angedickt, für meinen Geschmack dürfte es gerne ein Stück weniger scharf sein. Nicht unwichtig für ein Mobilmikrofon, vor welchem man im Gegensatz zum Studio nur selten einen Vokalisten festtackern können wird, damit der Sweet Spot ausreichend groß ist. Die Ausblendung von der Rückseite ist in Ordnung, die Klangfärbungen von nahe der Off-Axis eintreffendem Schall halten sich in angenehmen Grenzen. Gut gewählt ist der Punkt, ab dem das Mikme vor möglichem Clipping warnt. Das rote Blinken des Main Buttons erscheint nicht erst, wenn es zu spät ist. Eine schaltbare „Clip Hold“-Funktion fände ich aber gut, die anzeigt, dass es in der letzten Aufnahme Clips gegeben hat. Nicht immer hat man schließlich die Oberseite des Mikrofons im Blick, während man aufzeichnet. 

Audio Samples
0:00
Erstes Recording im Wald Waldatmo mit Bach Mikme Studio 10 cm Mikme Studio 30 cm MXL Blizzard 10 cm MXL Blizzard 30 cm Mojave MA-201FET 10 cm

Vorsicht

Diese bei Großmembranern noch nie in diesem Maße dagewesene Freiheit hat zur Folge, dass man auch mal unübliche Aufstellorte ausprobieren wird. Was in der Außenwelt hervorragend funktioniert, kann in geschlossenen Räumen problematisch werden: Allzu große Nähe zu Netzteilen, Leuchtstoffröhren und anderen Störquellen quittiert das Mikme mit einem Brummen im Signalweg. Es ist demnach oft notwendig, den Kopfhörerausgang zu verwenden, um das Signal zu kontrollieren. Übrigens lässt sich über einen langen Klick auf den großen Haupttaster das zuletzt aufgenommene File direkt abhören.

Fotostrecke: 6 Bilder Über die App ist alles direkt im Zugriff – und kinderleicht zu bedienen.

Video ist ohne Zutun synchron

Schön ist in jedem Fall die Möglichkeit, ein Video mit dem iOS-Gerät zu erstellen und das Signal des Mikme direkt dazu synchronisiert zu haben. Einfache Editingfunktionen und sogar Audioeffekte sind ein netter Zusatz. Sicher, die App darf gerne (und wird) noch an Funktionsumfang zunehmen. Momentan ist es beispielsweise noch so, dass mit Horizontalausrichtung beim Videofilmen die Bedienelemente auf dem Touchscreen vertikal ausgerichtet bleiben. Das sind aber Kinderkrankheiten, die ein junges Unternehmen mit begrenzter Manpower nicht in einer Nacht ausbügeln kann. Das sollte man als User also nachsehen.
Nachfolgend seht ihr ein Video, indem zunächst mit dem iPhone aufgenommen wurde – automatisch synchron. Danach (0:42) seht ihr Sänger Chul-Min und mich im Wald. Das wurde mit einer “großen” Kamera gefilmt und nachträglich synchronisiert. Dort sieht man deswegen auch, wie das Mikme in den Aufnahmemodus geschaltet wird.

Fazit

Mit dem Mikme Microphone ist nun endlich ein mobiles Großmembranmikrofon auf dem Markt, welches eigenständiges Recording ermöglicht und gut in die heutige Smartphonewelt integriert ist. Es ist technisch und klanglich absolut ordentlich, auch im Zusammenspiel mit der Software muss man von einer guten Performance sprechen. Wirklich preiswert ist es nicht, vor allem, wenn man an die „Investitionssicherheit“ denkt. Das liegt aber in erster Linie am Wunschzettel, den ich zum Mikme zusammengestellt habe. Das Produkt ist brandneu, vieles, was angesprochen wurde, ist in der Mache und möglicherweise in Kürze schon integriert. Und trotz des zum aktuellen Zeitpunkt noch ungenutzten Potenzials möchte ich hier konstatieren: Das Mikme ist ein geniales kleines Tool, welches Freiheit und wirklich sehr guten Großmembransound miteinander verbindet. Und damit ist es sicher genau das, was sich viele Tonschaffende insgeheim gewünscht haben!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • äußerst kompaktes Großmembran-Kondensatormikrofon
  • eingebaute Recordingmöglichkeit
  • Anbindung über USB oder Bluetooth
  • Kopfhörerausgang
  • praktische App mit Videofunktion
  • klanglich und technisch ordentlich
Contra
  • Speicher nicht erweiterbar
  • keine Beschriftung und Legende für LED-Farben
  • (noch) keine Möglichkeit in der App, zum Playback zu spielen oder zu singen
  • (noch) nicht wie ein USB-Mikrofon mit Monitoring an mobilen oder stationären Geräten nutzbar
Artikelbild
Mikme Microphone blackgold 16GB Test
Für 399,00€ bei
Features und Spezifikationen
  • Großmembran-Kondensatormikrofon
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Frequenzgang: 18 Hz–22 kHz (ohne Angabe der Abfallpunkte)
  • Übertragungsfaktor: 18 mV/Pa
  • maximaler Schalldruckpegel: 125 dB SPL (ohne Angabe des %-Wertes)
  • AD-Wandlung: 24 Bit, bis zu 96 kHz
  • 16 GB interner Speicher
  • Formate: WAV und MP4, auch simultan
  • iOS-App: Steuerung, Audio-Recording und synchrones Aufzeichnen von Videos (ab iOS 9)
  • USB-Anschluss (Ladevorgang, Dateitransfer): 2.1 (ab macOS 10.8 und Windows XP)
  • Bluetooth 2.1
  • Preis: € 499,– (Straßenpreis am 20.11.2017)
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