Microtech Gefell M 221 Test

Die Neumann-Nachfolgefirma Microtech Gefell hat das Druckempfängermikrofon M 221 zum umfangreichen Test der Kleinmembraner hier bei bonedo beigesteuert. Gefell hat, anders als Neumann, eine beachtliche Erfahrung in der Herstellung von Messmikrofonen, was bei dem Bau von Kugeln für die Tontechnikanwendung gerade recht kommt. 

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Was viele Tontechniker nicht wissen: Microtech Gefell stellt eine Reihe Empfänger für die Messtechnik her, darunter auch Klimasonden und Erschütterungssensoren. Nun soll ein Druckempfängermikrofon wie das M 221 aber musikalischen Ansprüchen genügen anstatt nur vermeintlich kalte, leblose und nüchterne Aufgaben zu erledigen. Ist das überhaupt ein Widerspruch? Unabhängig von der Antwort auf diese Frage: Was leistet die Top-Kugel von Microtech Gefell?

Details

Beliebte Kapsel

Dass ich diesen Testbericht des Microtech Gefell M 221 mit Messtechnik beginne, hat natürlich einen guten Grund, denn an Möglichkeiten, ein Review über ein Gefell zu starten, bietet das Unternehmen aus Thüringen wahrlich mehr als ausreichend. Es ist die Kapsel, die sowohl im phantomgespeisten M 221 zum Einsatz kommt als auch am konstant stromgespeisten Messmikrofon MM 210: die MK 221, welche ganz offensichtlich auch namensgebend für das M 221 ist. Genau dieses Modell wird auch von der High-End-Mikrofonschmiede Josephson in Santa Cruz für die C617-Mikros verbaut – und das, obwohl Josephson selbst hervorragende Kapseln baut, ja mehr noch: Josephson stellt selbst sogar OEM-Kapseln für andere Hersteller her! Das spricht natürlich alleine schon für die Qualität der MK 221. Microtech ist nicht das einzige Unternehmen, in dem messtechnisch und tontechnisch-musikalisch genutzte Mikrofonkapseln gleichermaßen genutzt werden: Ein bekanntes Beispiel ist der Messgerätehersteller Brüel & Kjær, der vor zwanzig Jahren in verschiedene Unternehmen gesplittet wurde. Die Kapseln der Brüel & Kjær Sound and Vibration Measurement A/S kommen in den Mikrofonen der Danish Pro Audio – kurz DPA – zum Einsatz. Wer in Gefell eine Werksbesichtigung machen kann, der hat vielleicht die Chance zu erkennen, wie penibel dort gearbeitet wird. Jedes der kleinen Löcher in der 221-Schutzkappe wird unter einer Lupe von Hand absolut perfekt nachgefeilt, um ein akustisch einwandfreies System zu erhalten. Zudem wird eine solche Kapsel nicht einfach hergestellt und verkauft, sondern einem langen Temperierungsverfahren unterzogen und immer wieder ausführlich getestet. Gute Voraussetzungen also!

Fotostrecke: 6 Bilder Microtech Gefell M 221: Kapsel aus der Meßtechnik

Frequenzgang und Polardiagramm

Der kleine „Fingerhut“ ist mit einem Standardgewinde auf dem Korpus befestigt, in seinem Inneren arbeitet eine Halbzoll-Nickelmembran. Durch die kleine Baugröße der Kapsel und den schlanken Body des gesamten Mikrofons, in erster Linie aber durch sehr gutes Design, ist das M 221 bis hinauf zu 2 kHz eine ideale Kugel und wird nur langsam und sehr gleichmäßig zu den hohen Frequenzen hin richtend – wie es jeder Druckempfänger tut. Bei 16 kHz beträgt die Rückwärtsdämpfung dann 10 dB. Auf der Achse gemessen, wird der Standardfrequenzgang im Kilohertzbereich leicht wellig mit einer vorsichtigen Beule im Air-Band – der Toleranzschlauch bleibt über das menschliche Hörspektrum hier 2 dB klein. Ein leichter Abfall ist zur 20kHz-Marke festzustellen, Richtung Infraschall bleibt die Kurve konstant. Die Elektronik mischt sich nicht weiter ein (der Frequenzgang von Messmikro MM 210 und M 221 ist in den Unterlagen identisch), sodass die notwendige Kapillaröffnung zum Ausgleich atmosphärischer Druckänderungen die untere Grenzfrequenz definiert. Bei der MK 221 liegt diese bei 3,5 Hz, also weit unterhalb der tiefsten Pfeifen im Pedalwerk einer Kirchenorgel (und unter der Grenzfrequenz der in der Tontechnik eingesetzten Digitalwandler und der Sinnhaftigkeit musikalischer Geschehnisse sowieso). Das System ist freifeldentzerrt, also nicht mit einer zusätzlichen Höhenanhebung ausgestattet.

Hoher Feldbetriebsübertragungsfaktor

Erstaunlich hoch ist der Übertragungsfaktor des Mikrofons: 50 mV/Pa sind ein Wert, den viele Großmembran-Kondensatormikrofone nicht erreichen. Hier haben wir ein Ergebnis aus der Messtechnik, denn dort beträgt die Polarisationsspannung der Kondensatorkapsel meist 200 Volt, wohingegen bei Studiomikrofonen 60 bis 80 Volt genutzt werden. Am transformatorlosen Ausgang des Druckempfänger-Mikros liegt der offenbar ordentlich gehöroptimierte Störgeräuschpegel bei 15 dB(A) (CCIR sind 28 dB), dies ist angesichts des Übertragungsfaktors und der 0,5%-THD-Marke von 136 dB(SPL) ein wirklich sehr guter Wert. Aber wer hätte auch etwas anderes erwartet? Die Ausgangsimpedanz des MG M 221 liegt deutlich unter den meist verlangten 200 Ohm, mit 100 Ohm sind also auch längere Kabel an den meisten Preamps unproblematisch – das ist nicht unwichtig bei der Arbeit in großen Räumen wie Konzerthallen und Kirchen.

Fotostrecke: 4 Bilder XLR-Anschluss

Äußerlichkeiten

Mit 123 Gramm ist das Kugelmikrofon kein Schwergewicht, mit 17 Zentimetern Länge und 21 Millimetern Durchmesser am Fuß auch nicht sonderlich groß. Das Gefell M 221 ist wie die passende Mikrofonhalterung MH93.1 vernickelt. Diese Oberfläche ist, anders als übliche Vernickelung, unter Beimischung von feinen Kohlepartikeln dunkler, aber trotzdem empfindlich und löst bei manchen Menschen Kontaktallergien aus. Microtech Gefell allerdings überzieht diese Schicht mit eine hauchdünnen Schutzschicht, um beide Problematiken zu minimieren. Dem Praxisteil vorwegnehmen kann ich an dieser Stelle, dass auch das M 221 absolut hervorragend gefertigt ist, es scheint nichts mit noch so kleinem Makel das Werk im Saale-Orla-Kreis zu verlassen. Baulich ist das an der Gleichmäßigkeit der Oberfläche, der Lasergravur und den Gewinden zu erkennen. Mehr “Deutsche Wertarbeit” ist wohl kaum möglich, das M 221 ist eines der Aushängeschilder dafür.

Praxis

Es fällt in unserem ersten Versuch mit dem Microtech Gefell M 221 zunächst auf, dass das Mikrofonsignal nicht besonders spritzig und höhenreich klingt. Das ist bei unserem Testaufbau auch kein Wunder, denn das Kondensatormikro ist freifeldentzerrt – eine Diffusfeldentzerrung macht durch eine Höhenanhebung wieder wett, dass Druckempfänger mit zunehmendem Abstand zur Schallquelle im oberen Frequenzband abnehmende Pegel empfangen. In der Positionierung wie in den Soundbeispielen leidet naturgemäß etwas die räumliche Darstellung, im Gegenzug wird das Signal aber etwas voluminöser, dicker und mächtiger. Dieser Umstand ist keineswegs negativ zu betrachten, sondern hat schlicht mit der Wahl des Aufstellungsortes zu tun, der für die Vergleiche für alle Mikrofone identisch war. Bei geringeren Abständen (aber selbst weit im Raum wie im Beispiel mit der Akustikgitarre) wird deutlich, dass das Gefell ein hervorragend natürlich klingendes Mikrofon ist, welches auch den kleinsten Anflug von Charakter verhindern zu wollen scheint. Vergleicht man das Signal mit den ebenfalls grandios natürlich klingenden Schoeps-Systemen und den tendenziell analytisch-drahtiger klingenden DPAs, kann man dennoch einige Eigenschaften feststellen, die das M 221 ausmachen. So wirkt es etwas konkreter, direkter und durchsetzungsfähiger, was an der gefühlt höheren Präsenz des Gesamtsignals liegt. Mit der Nähe der Besprechung und höherem Anteil axial aufgenommenen Direktschalls nimmt dieses Phänomen wieder etwas ab – wahrscheinlich ist die weit in den oberen Frequenzbereich hinein stabile Richtcharakteristik ein gutes Stück mit dafür verantwortlich. 

MG M 221 während des Tests im AB-Betrieb
MG M 221 während des Tests im AB-Betrieb

Es ist schon erstaunlich, wie schnell und wie trocken dieses Mikrofon ist– da schmiert nichts. Anders als etwa ein Oktava 012 ist es eben nicht bauchig, was in vielen Recordingsituationen vorteilhaft sein kann. Wo ein Drumkit durchaus mal etwas schwimmen darf, ist dies beispielsweise bei Orgelaufnahmen zu vermeiden, da hier der Raum und die Phasenlagen an den (meist nur zwei) Mikrofonorten für das “große” Gefühl zuständig sind – und auch ausreichen sollte. Der Akustikgitarre im Soundbeispiel tut das ebenfalls sehr gut, achtet mal auf den Direkt- und Diffusschall der Basssaiten! 

Audio Samples
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Microtech Gefell M 221 Microtech Gefell M 221 mit KA 3 Microtech Gefell M 221 mit KA 6

Möchte man den Frequenzgang verändern, greift man zu den Kugelaufsätzen KA 3 oder KA 4, die natürlich nicht nur auf der Achse, sondern insgesamt wirken. Derartige Kugelaufsätze übrigens sind keine Besonderheit von Microtech Gefell, sondern finden zum Beispiel auch bei DPA ihre Verwendung. Was ich bei DPA praktischer finde: Hier muss das Kapselgitter nicht abgenommen werden, um die Kugeln zu installieren (dafür erfordert dort die Änderung des Grids oder die Verwendung des Nose Cones die Arbeit vor der offenen, frei zugänglichen Membran!). Der kleinere KA 3 hebt zwischen 4 und 12 kHz um ganze 3 dB an, der größere KA 4 wirkt in diesem Umfang schon ab etwa 3 kHz. Beide akustische Equalizer setzen bei etwa 1000 Hz ein, das Air Band bleibt eher unbeeinflusst. Die Eigenschaften des M 221 ähneln mit Aufsatz denen des legendären Neumann M 50, welches heute als M 150 Tube erhältlich ist und entgegen dem ersten Eindruck ein Kleinmembran-Kondensatormikrofon ist. Die Kapsel mit der Titanmembran ist dort fest in eine kleine Kugelfläche eingebaut. Die Wirkungsweise ist neben der Änderung des Pegelfrequenzgangs auch die stärkere Richtwirkung des Systems, was bei Überhallung an der Mikrofonposition hervorragende Ergebnisse liefert. An der Mikrofonposition für die Audiobeispiele klingt das Signal dann auch deutlich passender – hier wäre die Verwendung eines der Kugelaufsätze also die deutlich bessere Entscheidung. Generell habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass man im Zweifel lieber aus klanglichen Gründen auf den Kugelaufsatz verzichten sollte – auch ein akustischer Equalizer ist schließlich ein Equalizer, was die Phasenlage nicht unbeeindruckt lässt. Allerdings gilt auch hier, dass der Qualitätsabfall oftmals am Rande der Wahrnehmungsschwelle rangiert. Wen Schallbeugungskugeln weiter interessieren, der sollte sich übrigens mal bei Schoeps das Stereomikrofon KFM 6 ansehen sowie seine Weiterentwicklung für Surroundanwendungen. In jedem Fall ist die Verfügbarkeit der Aufsätze eine Bereicherung für das Kleinmembran-Mikrofon:

Das Gefell mit Kugelaufsatz
Das Gefell mit Kugelaufsatz

Über das Matching habe ich bislang kein Wort verloren – wozu auch? Bei derart penibler Arbeit in Gefell ist es kein Wunder, dass man einfach zwei Kisten mit zwei Mikrofonen geschickt bekommt. Wahrscheinlich hätte man in Thüringen auch blind ins Lagerregal greifen können und zwei zufällige M 221 versenden können, möglicherweise wurde genau das getan. Die Qualitätssicherung bei MG funktioniert (anders als beim englischstämmigen Autohersteller mit dem gleichen Kürzel übrigens) hervorragend, insofern sind mit den Ohren auch nach langem Kennenlernen wirklich keinerlei Unterschiede zwischen den beiden Mikrofonen auszumachen. Ein abschließender Gedanke noch: Es gibt einige Stimmen unter den Mikrofonnutzern, aber auch -herstellern, die die Nichtmodularität eines Systems begrüßen, weil in diesem Fall der Mikrofonverstärker explizit auf die Kapsel abgestimmt werden kann.

Fazit

Wer Mikrofone aus Gefell kennt, der wird nichts anderes erwartet haben: Das MG M 221 spielt in der gleichen Liga wie Schoeps und die teureren DPA-Linien – seine Qualitäten offenbart es dem User vielleicht erst nach langer Zeit der Nutzung, denn positiv wie negativ auffällig ist eigentlich nichts: Es ist ohne jeglichen noch so kleinen Anlass zur Kritik geplant und gefertigt und zeigt nur marginalen Charakter – welcher im Grunde wieder auf die Qualität zurückzuführen ist, die sich im sehr frequenzstabilen Polardiagramm zeigt. Tendenziell kann man einen etwas prägnanten Klang ausmachen, wenn man eine derartige Beschreibung überhaupt tätigen will. Insofern ist die Entscheidung für oder gegen ein 221 Geschmackssache, allerdings sind die Unterschiede wirklich sehr, sehr gering. Wie bei allen Schallwandlern von Microtech Gefell erhält man auch mit dem M 221 ein ungemein hochwertiges, flexibles und wertiges Werkzeug. Natürlich muss man für ein Paar der Kleinmembraner tief in die Tasche greifen, doch ist es dann schlicht und einfach Folgendes: eine Investition – und zwar eine sehr gute.

hervorragende technische Werte
  • ausgewogen
  • flexibel durch Kugelaufsätze
Contra
Hervorragend: M 221 aus den thüringischen Gefell
Hervorragend: M 221 aus den thüringischen Gefell
Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Kugel
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48 V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (±2 dB)
  • Übertragungsfaktor: 50 mV/Pa
  • THD+N: 15 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 136 dB SPL (0,5% THD+N)
  • Preis (Stück): € 1920,- (UVP)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • hervorragende technische Werte
  • ausgewogen
  • flexibel durch Kugelaufsätze
Contra
  • -
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Microtech Gefell M 221 Test
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