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Marshall DSL5C Test

Der Marshall DSL5C im bonedo-Test  –  Dass Marshall einmal zu den im wahrsten Sinne des Wortes tonangebenden Traditionsherstellern von Gitarrenverstärkern gehören sollte, stand für den Gründer Jim Marshall in den frühen Sechziger Jahren nicht zur Debatte. Damals hatte er gerade seinen Drumladen in Hanwell im Westen Londons eröffnet und verkaufte auch Gitarren- und Bassverstärker an die Bandkollegen seiner Schlagzeugkunden und -schüler. Zu diesen gehörten Namen wie Pete Townshend oder Ritchie Blackmore, Gitarristen, die keine Lust mehr auf die damals angesagten ultracleanen Sounds hatten und ein raueres und aggressiveres Klangideal anstrebten. Auf der Basis des Fender Bassman entstand schließlich der erste Marshall, der legendäre JTM45. Seitdem gehören verzerrte Gitarrensounds zum guten Ton und Marshallamps auf jede Bühne. 

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Auch nach Jim Marshalls Tod am 5. April 2012 wird auf der Insel fleißig weiter entwickelt und gebaut, und neben den schwergewichtigen Boliden für die große Bühne sind es vermehrt auch kleinere Modelle mit weniger Leistung für den Hausgebrauch und den ambitionierten Einsteiger. Unser Testkandidat, der Marshall DSL5C, gehört in diese Reihe und erhebt den Anspruch, flexibel in jeder Umgebung zu überzeugen, vom Proberaum über den Live-Einsatz bis hin zum Studio. 

Details

Konzept

Der Marshall DSL5C ist ein Vollröhren-Gitarrencombo mit einer Leistung von 5 Watt und einem integrierten 10 Zoll Celestion-Speaker. Der Grundgedanke hinter dem DSL5C war, eine kleine und kompakte Variante des DLS 100 zu bauen, die den Sound des großen Bruders auch im Wohnzimmer und bei weitaus geringeren Lautstärken ermöglicht. Jeder, der schon einmal versucht hat, in den heimischen vier Wänden in den Genuss seines geliebten 100-Watt-Röhrenverstärkers zu kommen, der weiß, dass man dabei sehr viele Kompromisse eingehen muss. Entweder klingt der Amp nicht, weil man den Master nur minimal aufdrehen kann, oder man prügelt die Endstufenleistung mittels Powersoak klein und der Sound verliert jegliche Dynamik. Daher ist es durchaus sinnvoll, die Anschaffung eines niedrig dimensionierten Röhrenamps zum heimischen Abrocken in Erwägung zu ziehen. Die Endstufenpower des DSL5C kann bei Bedarf sogar auf 1 Watt reduziert werden, was Endstufenverzerrungen auch in Zimmerlautstärke ermöglicht – die Bedienungsanleitung spricht sogar von 0,5 Watt! Der Amp bietet neben zwei Kanälen und einem seriellen Einschleifweg auch die Möglichkeit, einen Kopfhörer anzuschließen oder das Ampsignal am frequenzkorrigierten Line Out abzugreifen.

Fotostrecke: 4 Bilder Mittlerweile sind Röhrenamps mit geringer Leistung gerne gesehene Gäste in Studios und Wohnzimmern

Die Bedienelemente

Auf dem Frontpaneel befindet sich neben der Eingangsbuchse der Volume-Regler für den Classic Gain Kanal. Bei ihm handelt es sich im Grunde zwar um den cleaneren der beiden Kanäle, aber auch mit ihm lassen sich bereits anständige Verzerrungen generieren. Das Ganze geht natürlich mit erhöhter Lautstärke einher, weil dieser Kanal keinen separaten Mastervolume-Regler besitzt. Zwischen dem Classic Gain Kanal und dem benachbarten Ultra Gain Kanal liegt ein Drucktaster für die Kanalumschaltung. Dessen Aufgabe kann auch der zum Lieferumfang gehörende Fußschalter übernehmen, der an der Rückseite angeschlossen wird. Der Ultra Gain Kanal hat je einen Gain- und Volumeregler. Es folgt die klassische Dreiband-Klangregelung mit Treble, Middle und Bass, die von einem weiteren Drucktaster mit der Bezeichnung Tone Shift begleitet wird. Dieser sorgt zusammen mit dem Mittenregler laut Bedienungsanleitung für aggressive, moderne Metal-Sounds. Ein Deep Schalter addiert bei Bedarf in der Endstufe zusätzliche Tieftonanteile, um den Sound insgesamt anzufetten. Das Powermanagement übernimmt beim DSL5C ein beleuchteter ON/OFF-Netzschalter. 

Fotostrecke: 4 Bilder Das Frontpanel des kleinen Vollröhrenverstärkers

Die Rückseite

Das Combogehäuse ist hinten mit einer schützenden Holz-Gitterabdeckung versehen. Zwei große Öffnungen garantieren ausreichende Kühlung der Röhren und lassen den Sound des internen 10 Zoll Speakers teilweise nach hinten entweichen. In geschlossenen Räumen entsteht so ein gewisser 3D-Klang, besonders dann, wenn man den Amp in etwa einem Meter Abstand zur Wand aufstellt. Der Nachteil von Comboverstärkern offenbart sich vor allem auf sehr großen Bühnen und besonders bei Open Air Auftritten, bei denen ein großer Teil der Lautstärke wirkungslos nach hinten verpufft. Hier bieten geschlossene Lautsprechergehäuse wesentlich mehr Druck. Kommen wir zu den Anschlüssen am Verstärkerchassis. Die Lautsprecherbuchse ist mit dem internen Speaker belegt. Der benachbarte Low Power/Full Power-Drucktaster schaltet die Endstufe von der vollen 5-Watt-Leistung auf das sehr niedriges Niveau von nur einem bzw. einem halben Watt. Am Speaker-Emulated Line Out liegt ein frequenzkorrigiertes Signal an, das für Mischpult oder Recording-Equipment aufbereitet ist.  Läuft der Amp im Low Power Modus, fungiert diese Buchse als Kopfhörerausgang. In diesem Fall wird der interne Lautsprecher ausgeschaltet und man kann getrost um Mitternacht abrocken, ohne die Nachbarschaft aufzuwecken. Außerdem lässt sich über die Audio In Buchse Musik von einem Audioplayer zu Übungszwecken beimischen. Weiter geht es mit dem Anschluss für den beigelegten Fußschalter, mit dem zwischen den beiden Kanälen hin– und hergeschaltet wird. Außerdem bietet der DSL5C einen seriellen Effekteinschleifweg mit Send- und Returnbuchse. Da hier das komplette Ampsignal anliegt, ist die Qualität des verwendeten Effektgerätes maßgeblich für einen guten Gesamtsound. Bliebe noch die Netzbuchse mit integrierter Sicherung zu erwähnen, über die der Amp mit Strom versorgt wird. 

Fotostrecke: 4 Bilder Die offene Rückseite des Amps
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Praxis

Eines vorweg: Der kleine Brüller macht trotz der geringen Endstufenleistung von fünf Watt zumindest in den heimischen vier Wänden einen enormen Lärm. Ob diese Power letztlich auch für eine Probe ausreicht, liegt sowohl am Musikstil als auch an der Disziplin der Mitmusiker. Der Amp ist eher für verzerrte Sounds ausgelegt, denn die geringe Endstufenleistung kommt ultracleanen Klängen nicht wirklich entgegen. Ich habe es trotzdem versucht und den Classic Gain Kanal mit meiner Rickenbacker-Gitarre angespielt. Hier beginnt der Amp schon ab der 10-Uhr-Stellung des Volume-Reglers in die Sättigung zu gehen, was zugegebenermaßen durchaus seinen Reiz hat. 

Auch der DSL muss im Praxistest beweisen, dass er sich das Marshall-Logo verdient hat!
Auch der DSL muss im Praxistest beweisen, dass er sich das Marshall-Logo verdient hat!

Der DSL5C bietet eine integrierte Speakersimulation, deren Signal ich gleichzeitig zum mikrofonierten aufgezeichnet habe. Eingebaute Speakersimulationen gehören bei Übungsverstärkern seit einigen Jahren fast schon zum Standard und ähneln sich klanglich sehr stark. Ich habe mir im Laufe der Zeit angewöhnt, alle Sounds beim Recorden am Analyzer anzusehen. Beim Frequenzgang der hier integrierten Speakersimulation ist mir ein massiver Abfall um 1KHZ aufgefallen, der Sound wirkt etwas glasig. Aber hört selber. Alle Audiobeispiele sind in doppelter Ausführung vorhanden, so könnt ihr bei jedem die beiden Signale miteinander vergleichen.

Audio Samples
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Rickenbacker Clean Speaker Rickenbacker Clean Speaker-Simulation

Im ersten Audiobeispiel habe ich den Classic Gain Volume-Regler auf Halbgas gedreht, wodurch die leichte Verzerrung des Kanals mit den schwachen Singlecoils der Rickenbacker eine gelungene Symbiose eingeht, die Pickings klingen sehr rund und fett. Die Klangregler stehen auf 12 Uhr, Tone Shift- und Deep-Taster sind deaktiviert.

Audio Samples
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Clean Flat Speaker Clean Flat Speaker-Simulation

Mit dem Stegpickup der Stratocaster und dem Volume-Regler auf 15 Uhr lässt der klassische Marshall-Zerrsound à la Ritchie Blackmore grüßen. Der Sound ist jetzt zwar stärker komprimiert, besitzt aber noch genügend Dynamikreserven. Auch hier habe ich den Deep Schalter nicht aktiviert. Er bringt im Bereich um die 100 Hz zwar einen gewissen Bassschub, der beim Üben im Wohnzimmer durchaus  Sinn macht, bei hohen Lautstärken droht sich der Amp jedoch schnell klanglich zu verschlucken. 

Audio Samples
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Strat Clean Speaker Strat Speaker-Simulation

Wenn es um stark verzerrte Sounds geht, hat der DSL5C ganz klar die Nase vorn. Der Ultra Gain Kanal bietet mit seiner kräftige Verzerrung weniger Raum für Differenzierungen, die Sounds klingen fett und sind recht stark komprimiert. Die Klang- und Zerrstruktur ist klar vorgegeben und lässt sich deshalb nur in einem gewissen Rahmen leicht variieren. Den größten Klangunterschied bringt der Tone Shift Schalter. Er greift in die Klangregelung des Amps ein, was sich besonders im Mittenbereich bemerkbar macht. Bei Aktivierung wird der Sound schlanker und rotziger. Im nächsten Audiobeispiel hört ihr den Ultra Gain Kanal zuerst mit deaktiviertem und dann mit aktiviertem Tone Shift. Der Gainregler steht auf 12 Uhr, die verwendete Gitarre ist meine Stratocaster mit Kloppmann-Singlecoils. 

Audio Samples
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Ultra Gain 11 Uhr Speaker Ultra Gain 11 Uhr Speaker-Simulation

Mit der Les Paul wird der Ton naturgemäß fetter. Obwohl meine Gitarre nicht mit besonders kräftigen Humbuckern bestückt ist, klingt es singend und sahnig, also beste Voraussetzungen für schnelle Sololinien. Diesmal habe ich den Tone Shift Schalter aktiviert, wodurch der Klang dank der feiner strukturierten Mitten immer noch sehr luftig ist. Der Mittenregler steht auf 11 Uhr, während sich Bass und Treble in der 13 Uhr Position befinden. Der Gainregler steht auf 15 Uhr.

Audio Samples
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Ultra Gain 14 Uhr Speaker Ultra Gain 14 Uhr Speaker-Simulation

Zum Schluss gibts noch ein Soundbeispiel mit allem, was Küche und Keller zu bieten haben, sprich Vollgas-Gain. Zusammen mit der tiefergestimmten Les Paul wollte ich einen klischeehaften Metalsound mit leicht ausgehöhlten Mittenanteilen nachbauen. Wegen der starken Komprimierung klingt es allerdings etwas verpackter, was aber den 5 Watt und dem einzelnen 10 Zoll Speaker geschuldet ist. Die Mitten stehen auf 9 Uhr, der Bass auf 15 und Treble auf 13. Für besagte luftigere Mitten ist der Tone Shift aktiviert. 

Audio Samples
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Ultra Gain 17 Uhr Speaker Ultra Gain 17 Uhr Speaker-Simulation
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Fazit

Der DSL5C aus dem Hause Marshall ist ein 5 Watt Röhrencombo, der auf verzerrte Sounds spezialisiert ist. Auch clean lässt sich der Verstärker spielen, dann aber nur bei sehr geringen Lautstärken. Während die klangliche Palette des Classic Gain Kanals von einer leichten Sättigung bis hin zu Deep Purple-artigen Zerrsounds reicht, bietet der Ultra Gain Kanal in dieser Hinsicht weitaus höhere Reserven. Der Amp eignet sich mit seinen 5 Watt sehr gut als Übungsamp oder für den Recordingeinsatz, für die Probe mit einer gestandenen Rockband sollte man aber vielleicht doch einen seiner größeren Brüder ins Auge fassen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • Abmessungen
  • zwei Kanäle
Contra
  • Speakersimulation klingt glasig
  • cleane Sounds nur sehr leise möglich
Artikelbild
Marshall DSL5C Test
Für 529,00€ bei
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Leistung: 5 Watt, umschaltbar auf 1 Watt
  • Speaker: 1x 10″ Celestion Ten 30
  • Kanäle: 2
  • Röhrenbestückung: 3x ECC83 und 1x ECC99
  • Dreiband-EQ
  • Tone Shift & Deep Schalter
  • Audio In
  • FX-Loop
  • Kopfhörerausgang
  • inkl. Fußschalter
  • Abmessungen: 455 x 430 x 240 mm
  • Gewicht: 12,7 kg
  • Preis: € 477,– (UVP)
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Frontansicht: typischer Marshall-Look

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