Anzeige

JZ Microphones Vintage V11 Test

Nein, “Vintage 11” ist nicht der Name für ein Team in der höchsten Altersklasse im englischen Fußball. Vielmehr handelt es sich um ein weiteres Mikrofon aus Juris Zarins’ Manufaktur, welches wie die Vintage 47, 67 und 12 aus der gleichen Serie stammt. Allerdings – und das ist ungewöhnlich – liegt die Abslösesumme mit 555 Talern bei fast der Hälfte dessen, was für jeden der drei genannten Kollegen an Transfergebühr fällig wird. Das lässt aufhorchen: Taugt das Mikrofon zum hochwertigen Einstieg in die Profiliga der Großmembran-Kondenser und zum sinnvollen Erweitern eines bestehenden Mikrofonkaders?

JZ_Microphones_Vintage_11_203-1014781 Bild


Wir haben uns das V11 zum Testspiel kommen lassen und direkt auf den Platz geschickt. In welcher Liga das JZ beheimatet ist, ist anhand der äußeren Merkmale kaum auszumachen, denn mit fester Niere und ohne Pad und Filter ist die Vielseitigkeit zumindest recht eingeschränkt. Aber was zählt, ist ja schliesslich das Ergebnis.

DETAILS

Der günstigere Preis im Vergleich zu JZs Champions League kommt offenbar nicht von ungefähr: Statt Holzschatulle ist es eine sicherlich preiswertere Plastikbox, die das V11 aufnimmt. Es liegt übrigens eine kleine elastische Halterung bei, die mit Elastomeren statt Gummibändern arbeitet. Auch der Mikrofonbody, der bei den anderen Vintages aufgrund der nicht ganz tadellosen Beschichtung schon eher an 2. Bundesliga erinnerte, ist beim Vintage 11 eher “Regionalliga Nord”: Am dicken, schwarzen Messing wurde gespart, im Bereich zwischen Korb und Fußstück trägt das 11er ein schwarz glänzendes Trikot (das eher an den Schiri erinnert), auf dem ein wenig ambitioniert wirkendes JZ-Logo positioniert wurde. Rückseitig ist in Plakettenform ein Label mit den Informationen über das Mikrofon angebracht. Neben der Rückennummer 11 liest man dort den Herstellungsort Riga und die Serial. 

Umschalten, um auf verschiedene Spielsituationen reagieren zu können, ist bei dem JZ leider nicht möglich, denn neben der vorgegebenen Richtcharakteristik Niere muss das Mikrofon ohne Vordämpfung und HPF auskommen – was generell für ein Mikro erst einmal kein Beinbruch ist. Neben der obligatorischen, männlichen XLR-Buchse findet man auf der Unterseite zwei Anschlüsse für Schraubstollen. Diese sollen sich jedoch nicht in die Grasnarbe bohren, sondern sind lediglich dafür gedacht, die kleine elastische Elastomerhalterung aufzunehmen. Immerhin: Unter den vier Vintage-Mikros ist das 11 das einzige, das mit einer elastischen Halterung aufwarten kann. Allerdings muss man auch auf den praktischen Kugelkopf verzichten.

Weitaus feinmaschiger als jedes Tornetz ist das schwarze Korbgitter gestaltet, welches aus zwei unterschiedlich dichten Gittern besteht – eine feine Gaze allerdings ist nicht vorhanden. Das wichtigste Element ist aber bekanntlich rund: Im Inneren agiert eine GDC-11-Kapsel, welche in bekannter JZ-Manier mit einem besonderen Supttering-Verfahren ihre Leitfähigkeit erhalten hat. Mit 27 Millimetern Memranduchmesser ist die Kapsel zwei Millimeter größer als die GDC-47, -67 und -12 der anderen Mikrofone und liegt dadurch knapp über einem Zoll. Laut JZ Microphones ist es ja die Kapsel, die den Charakter ihrer Mikrofone prägt. Findet man bei den drei genannten Zahlen noch Verwandtschaft in der Neumann-Historie und beim AKG C12, soll die 11 hingegen eigenständig sein – aber dennoch nebulös “vintage”. Wir werden sehen.
Mit großer Membran- und dadurch Kondensatorfläche lassen sich ordentliche Pegel hinter der Kapsel abgreifen. Nach der Elektronik sind es 22 Millivolt pro Pascal, die das Mikro ausgibt, Doping mittels 48 Volt Phantomspeisung vorausgesetzt. Die Class-A-Schaltung im Inneren sorgt für nur 6,5 dB(A) Eigenrauschen, erst bei 134 dB geht dem System die Puste aus, denn ab dort sind es 0,5% THD (1 kHz an 1 kOhm).
Mit verletzungsbedingten Ausfällen scheint der baltische Hersteller nicht zu rechnen, das erklärt sich durch die fünfjährige Garantiezeit.

Anzeige

PRAXIS

Das JZ Microphones Vintage 11 darf sich schon einmal warmlaufen. Es wird schon bei der Platzrunde deutlich, dass Spritzigkeit und Agilität hier die falschen Attribute sind. Mein erster Blick geht in die technischen Daten… tatsächlich: Das Elfer verfügt über eine massive Bassüberhöhung leicht unterhalb von 100 Hz. Für einen derartigen Bauch würde jeder Spieler unverzüglich zur Sonderbehandlung beim Fitnesstrainer geschickt. Natürlich ist der Frequenzgang eines Mikrofon Geschmackssache und von den Gegebenheiten und Wünschen abhängig, doch hat die Überhöhung auch Auswirkungen auf der anderen Seite: Normalisiert man den Pegel dieses und anderer Mikrofone, fällt auf, wie leise es klingt, da ja im Bassbereich viel Energie verbraten wird: Das Mikrofon wirkt höhenarm und muffig, geradezu lustlos und behäbig. Das ist für Mikros mit besonders großer Membranfläche generell nicht unüblich, doch ist das hier eindeutig zu viel. Außerdem ist “vintage” meiner Meinung nach mehr als das annähernde Nichtvorhandensein von Frequenzen über 10 kHz. Um es auf den (Elfmeter-)Punkt zu bringen: “Wenig Höhen” in dieser Art kann auch mein Equalizer.

Audio Samples
0:00
JZ Vintage 11 10 cm JZ Vintage 11 30 cm Mojave MA-201FET 10 cm Mojave MA-201FET 30 cm CAD Equitek E200 mkI 10 cm

Durchaus angenehm ist aber im Zusammenhang mit dem extraordinären Frequenzgang die durchaus angenehme Kompression, die besonders in den Tiefmitten zu beobachten ist. Sollen Stimmen tieffrequent stark unterstützt werden und sind Dumpfheit und Dichte im Mix sowieso gewünscht, nimmt das V11 diese Signale volley und verfrachtet sie mit Vollspann ins lange Eck: Tor!
Besonders bei starkem Nahbesprechungseffekt durch geringen Abstand ist es aber schlicht und einfach ein klassisches Eigentor, dass das Mikrofon nicht mit einem Low-Cut ausgestattet ist. Wirklich: Hier wird ein derartiges Filter zwingend benötigt, am besten mehrstufig und mit unterschiedlichen Flankensteilheiten! Noch etwas fällt mir auf: Durch den recht offenen Korb und die große Membran ist das Mikrofon recht anfällig für Popplaute – Poppschutz oder disziplinierte Vokalisten müssen also vorausgesetzt werden.
Trotz der allgemeinen Behäbigkeit werden Konsonanten zwar ordentlich übertragen, mit den schnellen Dribbelkünsten der beiden Vergleichsmikrofone kann das Vintage 11 jedoch nicht mithalten. So fehlt mir für viele Stimmen und Mixes die gewisse Spritzigkeit, die in Zweikämpfen mit der Snare, der Hi-Hat oder sonstigen Signalen für gutes Sprachverständnis sorgt. Doch auch hier gilt: Es ist durchaus möglich, dass das JZ genau die Anforderungen erfüllt, die man in einer Produktion benötigt, beispielsweise für einen bewußt belegten Klang oder bei stark zischelndem Signal. Möglicherweise ist man in derartigen Situationen mit einem Shure SM7B genauso gut bedient – einem dynamischen Mikrofon wohlgemerkt.
Es ist mir nicht ganz klar, was ich von diesem Mikrofon halten soll. Auch nach längerer Zeit mit dem Mikrofon habe ich immer das Gefühl, dass die Auswechseltafel in die Höhe gehalten werden müsste. Die Rote Karte ist es nicht, die gezückt werden muss, denn an und für sich macht das 11 seinen Job solide, ist sehr rauscharm und zerrt sehr spät. Von einem Allrounder ist das Großmembranmikrofon aber so weit entfernt wie Griechenland von einem WM-Sieg. Das Mikro kostet gut 500 Euro; in dieser Preisklasse kann man deutlich vielseitigere Spieler auf dem Markt finden. Doch wie ist es noch gleich im Fußball: Es zählt immer das, was die gesamte Mannschaft leistet, vielleicht gliedert es sich ja doch gut ein und harmoniert mit Stimme, Instrument und Soundvorstellungen.

Anzeige

FAZIT

Das Runde muss bekanntlich ins Eckige, doch so ganz rund erscheint mir das JZ Microphones Vintage 11 nicht. Es hat eine deutliche Bassanhebung, die man am Mikrofon selbst leider nicht in den Griff bekommt – dass hier kein Hochpassfilter verbaut ist, das den Bassbereich wie ein Manndecker im Zaum halten kann, ist ziemlich “Flasche leer”. Es kann zwar mal vorkommen, dass man den Grundsound eines Vintage 11 gezielt einsetzen möchte, doch ich glaube, dass es bei den meisten Produktionen auf der Ersatzbank weilen müsste. Nicht, dass es wirklich ein “drittklassiges” Mikrofon wäre (so ist es fast schon erschreckend rauscharm!), aber es kann die Potenziale des Kondensatorprinzips nur bedingt ausspielen. Das V67 der Vintage-Serie macht seinen Job deutlich besser, doch sollte man sich auch jenseits von JZs Altherren-Mannschaft umsehen: Die BH-Mikrofone und das BT-Mittenmembran 301 sind hingegen richtige Torgaranten! Ich für meinen Teil werde zumindest kein Fan des Vintage 11.

Pro
  • geringes Eigenrauschen
  • recht eigenständiger Sound
Contra
  • für viele Anwendungen deutlich zu höhenarm
  • mehrstufiger Bassfilter wäre notwendig
JZ_Microphones_Vintage_11_205-1014808 Bild
Technische Spezifikationen
  • Membrangröße: groß (über 1″)
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator (nicht vorpolarisiert)
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (ohne Angabe des Toleranzbereichs)
  • Übertragungsfaktor: 22 mV/PA
  • THD+N: 6,5 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 134 dB SPL
  • Ausgang: XLR male
  • Besonderheit: Elastomer-Klammer im Lieferumfang
  • Preis: € 555,- (UVP)
Unser Fazit:
3 / 5
Pro
  • geringes Eigenrauschen
  • recht eigenständiger Sound
Contra
  • für viele Anwendungen deutlich zu höhenarm
  • mehrstufiger Bassfilter wäre notwendig
Artikelbild
JZ Microphones Vintage V11 Test
Für 499,00€ bei
Hot or Not
?
JZ_Microphones_Vintage_11_-3 Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1