Beyerdynamic MC 840 N Test

Manche Mikrofonhersteller haben es sich auf die Fahne geschrieben, Mikrofone mit besonderem Klangcharakter herzustellen. Hat man das umschaltbare Großmembran-Kondensatormikrofon MC 840 vor sich, dann scheint es fast, als hätte der deutsche Hersteller Beyerdynamic noch nicht einmal eine Fahne. Wir haben dieses unscheinbare Arbeitspferd im Rahmen unseres groß angelegten Mikrofontests auf den Ständer gepfropft.

Das Unternehmen Beyerdynamic, vielen eher durch hervorragende Kopfhörer wie die weltbekannten DT-150, den Bändchen oder das M88 bekannt, ist ein Hersteller mit durch und durch “deutschem” Image – samt zugehöriger Kultivierung. Internetseite, Produktbroschüren, ja sogar die Produkte selbst versprühen schlichten Ingenieurs-Charme und sind damit von Peppigkeit ungefähr so weit entfernt wie Angela Merkel von Wave-Punk. Quasi das Negativbild des ultra-extravaganten Herstellers Blue. Uncool? Vielleicht, aber dafür ist das hier getestete Mikro ein hervorragender Alleskönner, wie der Test gezeigt hat.

Details

Doppelmembran-Kondensatormikrofon mit flexibler Richtcharakteristik

Kein Kunststück ist es, herauszufinden, dass Beyerdynamic mit der Herstellung dynamischer Mikrofone begonnen hat – der Name verrät’s schließlich. Noch unter dem Namen Beyer wurde das M 640 N gefertigt, ein winziges dynamisches Mikrofönchen, das sich nicht nur durch seine Abmessungen, sondern besonders durch seinen Sound zum höchst interessanten Schallwandler an Snare und Gitarrenamp machte. Allerdings ist jetzt und heute das Doppelmembran-Kondensatormikrofon MC 840 unser Testobjekt (das 640 wird seit Äonen nicht mehr hergestellt). Dessen beide goldbedampften Großmembrankapseln lassen sich zu Kugel, Acht, Breiter Niere und Hyperniere schalten. Häufig wird sicher nur die vordere Kapsel verwendet werden, was bei diesem Konstruktionsprinzip bekanntermaßen die “normale” Niere als Richtcharakteristik zur Folge hat. Zur vollen Ausstattung gehören bei einem derartigen Mikrofon noch eine Vordämpfung und ein Hochpassfilter, die mit den Werten -10 und -20 dB beziehungsweise 60 Hz oder wahlweise 160 Hz (einpolig) Einzug gefunden haben. Letztgenannte Einstellungen lassen sich auf der Rückseite vornehmen, die Richtcharakteristik hingegen auf der Vorderseite, die wie bei fast allen Mikrofonen mit dem Logo versehen ist und gleichzeitig die Hauptaufsprechrichtung kennzeichnet. Das Beyerdynamic wird mit Phantomspeisung in Betriebsbereitschaft versetzt. Angenehm: Auch 12 Volt reichen dem Gerät völlig aus, maximal sind 52 zulässig. Der Feldleerlaufübertragungsfaktor liegt bei 18 mV/PA, mit Vordämpfung liegt der Grenzschalldruckpegel (0,5% THD) bei 147 dB SPL.

Fotostrecke: 4 Bilder Mit einem Drehrad werden die Richtcharakteristiken umgeschaltetu2026

Die Frequenzkurve lässt einen typischen “Wohlklang” erwarten

Der Frequenzgang zeigt keine Überraschungen. Auf ihn könnte man von 50 Hz bis 2 kHz bei der Kugel (0°) eine Wasserwaage legen, bei den richtenden Charakteristiken würde sie zunehmend kippeln: Der Grund dafür ist eine leichte Erhebung um 300 Hz, die aber selbst bei der Acht nur ein Dezibelchen von der Nulllinie entfernt ist. Wie bei so vielen Großmembran-Kondensatormikrofonen weist auch das MC 840 eine Delle bei 3-4 kHz auf (in Kugelschaltung am ausgeprägtesten) sowie einen kleineren Boost um 6 und einen höheren über 10 kHz (beide sehr breitbandig, maximal 3 dB). Es ist also damit zu rechnen, dass das Beyer klanglich recht unauffällig klingt – die Nichtlinearitäten entsprechen dem üblichen Verständnis von “Wohlklang” bei vielen Signalen und nehmen eine entsprechende Anpassung per EQ voraus. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass sich Klang mit Zahlen kaum darstellen lässt. Die zugelassene Abweichung der angegebenen Daten beträgt außerdem laut Datenblatt 2,5 dB nach oben und unten.

Fotostrecke: 2 Bilder Hinter dem Mikrofonkorb gut sichtbar: die goldbedampfte Doppelmembran.

Geliefert wird das Mikrofon mit dem großen Kopf samt Klammer und elastischer Aufhängung in einem kleinen Köfferchen.

Praxis

Emotionsloses aber pflichtbewusstes Arbeitstier

Mit einem bunten Soundfeuerwerk oder wie auch immer geartetem Versprühen von Individualität habe ich beim Test sowieso nicht gerechnet. So habe ich mich im Rahmen unserer Testreihe dem MC recht neutral genähert, das Beyerdynamic führte seine Aufgabe erwartungsgemäß emotionslos aus. “Dem ist alles egal” kommentierte ich das Mikro durch die Regieraumscheibe. Mein Kollege nannte das Mikro sogar den “Sozialpädagogen unter den Großmembranen”. Allerdings tut man dem 840 unrecht, wenn man sich über es lustig macht: Der Proband arbeitet pflichtbewusst und ausnehmend gewissenhaft.

Individualität ist nicht unbedingt die Stärke des MC 840.

Klangliche Ausreißer sucht man vergebens

Er macht seinen Job in zuverlässig hoher Qualität, bleibt dabei unaufdringlich und stellt sich nie in den Vordergrund. Was hier vielleicht im Ansatz immer noch etwas negativ klingen mag, ist anders gemeint: Störende Nebengeräusche oder gar Fehler im Signal sucht man vergeblich, die Höhen werden fein aufgelöst, sind aber nie harsch. Im Bassbereich ist das Mikrofon eher “kühl” und trocken, das Gerät arbeitet nie unsauber, schwammig oder “wummerig”. Hervorragend! Die verschiedenen Richtcharakteristiken arbeiten bezüglich ihres Frequenzgangs (und natürlich ihrer Richtwirkung) so, wie man es erwartet – das “Lehrbuch” lässt grüßen. Die sanften Hubbel im Frequenzverlauf sind oftmals leichte Tendenzen jener EQ-Einstellungen, die man sowieso vornehmen würde; nie hatte ich den Wunsch, diese wieder auszugleichen. Lediglich für manche Instrumentalaufnahmen halte ich es für denkbar, dass die leichte Unterstützung der Präsenzen im Mix zugunsten anderer Signale etwas heruntergefahren werden müsste – klangliche “Verbiegungen” wie extreme HPF-Settings einmal außenvorgelassen. Als “extrem” kann das schaltbare Filter mit seiner Steilheit von nur 6 dB/oct natürlich nicht gelten, doch sind die möglichen Beschädigungen im Passband bei seichtem Kurvenverlauf tendenziell geringer als bei steilem. Im Ergebnis bedeutet dies eine wirklich unauffällige Filterung!

Audio Samples
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10 cm, weiblich 10 cm, weiblich, HPF 30 cm, weiblich 10 cm, männlich 10 cm, männlich, HPF 30 cm, männlich
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Acht, weiblich Kugel, weiblich Acht, männlich

Der neutrale Klang verlangt nach mehr Würze

Nun gut, aber die Kehrseite der Medaille sieht naturgemäß so aus, dass man gerade in Rock-/Pop-Produktionen – und hier insbesondere bei der Aufnahme von Stimmen – das brave Signal des MC 840 oftmals noch ein wenig würzen möchte. Drücken wir es einmal so aus: Das 840 hat nichts, was störend sein könnte, aber eben auch nichts von dem, was man oftmals gerne hätte. Weiteres Equipment muss her. Ein 1176- oder LA2A-Kompressor kann mit dem Beyer-Signal seine volle Stärke zeigen. Auch mindestens ein hochwertiger EQ sollte zur Verfügung stehen – und jemand, der ihn wirklich gut bedienen kann. Dazu kommt, dass der Nahbesprechungseffekt deutlich verhaltener und blasser ausfällt als bei vielen vergleichbaren Mikrofonen, doch genau wegen dieser Eigenart werden viele Mikrofone gekauft.

Das Beyerdynamic MC 840 N ist ein multifunktionelles, gutmütiges, aber sicher etwas charakterloses Werkzeug. Als “Mädchen für alles” bildet es meiner Meinung nach einen hervorragenden Grundstock in Studios, in denen mehr als nur Stimmen aufgezeichnet werden oder in denen “Färber”-Mikros nicht benötigt oder zusätzlich vorhanden sind. Einem Einsteiger würde ich das Mikrofon nur bedingt empfehlen, denn es bedarf der Fähigkeiten des Engineers und weiterer Ausstattung, aus dem Signal das zu formen, was man letztendlich benötigt. Der deutsche Hersteller hat mit seinem 840 ein typisch deutsches Stück Ingenieursleistung auf dem Markt: Technisch exzellent, gleichzeitig aber bescheiden und zweckdienlich. Dieses Mikrofon wird man sich auch in 40 Jahren nicht “satthören” können. Und die Chancen stehen sehr gut, dass es dann auch noch funktioniert wie am ersten Tag!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • klanglich sehr neutrales und unauffälliges Mikrofon
  • für eine Vielzahl an Anwendungsfeldern geeignet
  • sehr gute Verarbeitung
Contra
  • für Einsteiger eher ungeeignet
Artikelbild
Beyerdynamic MC 840 N Test
Für 1.690,00€ bei
  • Empfängerprinzip: 2 x Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Kugel, Breite Niere, Niere, Hyperniere, Acht (auch fernumschaltbar)
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 11 – 52V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 30 Hz – 20 kHz (keine Toleranzangabe)
  • Übertragungsfaktor: 18 mV/Pa
  • THD+N: 17 dB (A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 127 dB SPL (ohne Pad)
  • Pad: -10 dB, -20 dB
  • HPF: 6 dB/oct (80 Hz oder 160 Hz)
  • Ausgang: XLR
  • Preis: EUR 1230,- (UVP)
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Profilbild von Klaus Joter

Klaus Joter sagt:

#1 - 20.12.2017 um 17:51 Uhr

0

Es ist schon arg subjektiv, wenn man ein Mikro, das ein Signal angeblich so gut wie naturgetreu aufnehmen kann, als charakterlos zu bezeichnen. Charakterlos kann dann höchstens die Schallquelle sein. Aber gut, lassen wir das. Man kann nur hoffen, dass die Leser dieses erkennen können.
Einer der Gründe liegt auch darin, dass so gut wie sämtliche Autoren Großmembraner mit Stimmen und noch dazu mit Pop-Stimmen füttern. Instrumente scheint es für sie nicht zu geben und klassische Stimmen schon gar nicht. Und wenn man - so wie ich - auch in diesem Bereich arbeitet, wird man zu unterscheiden wissen, woher denn der "Charakter" kommen soll, vom Mikro oder von der Stimme.

    Profilbild von Nick (Redaktion Recording)

    Nick (Redaktion Recording) sagt:

    #1.1 - 20.12.2017 um 18:52 Uhr

    0

    Hallo Klaus,danke für Deine Anmerkung. "Charakter" setzen die meisten ja mit einem Hinzufügen von Harmonischen und ähnlichen Veränderungen gleich, oftmals auch Resonanzen. Ob und wie sie zum Signal und zum musikalischen Vorhaben passen, ist höchst unterschiedlich. Es ist übrigens so, dass wir Mikrofone mit einer Vielzahl Schallquellen testen, in erster Linie aber Gesangsstimmen (und da richten wir uns zugegebenermaßen und sicher verständlicherweise nach der "Masse") in die Artikel integrieren. Stimmen sind für die meisten Leute besser einzuordnen als die meisten Instrumente und daher aussagekräftiger, was die Eigenschaften eines Mikrofons angeht. Aber da stimme ich gerne zu: Gänzlich objekitv darstellen ist wohl kaum möglich.Beste Grüße
    Nick Mavridis (Redaktion Recording)

    Antwort auf #1 von Klaus Joter

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