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Dean Soltero Standard CW Test

Mit Dean Gitarren verbindet man sofort außergewöhnliches (Heavy) Design, eine sehr große V-förmige Kopfplatte und bunte Lackierungen. Mir ist immer noch Michael Angelo Batio vor Augen, der mit seiner Doppelhalsgitarre gespenstig aus dem Nebel steigt und mit Two-Hand-Tapping die bösen Geister vertreibt. Deswegen hatte ich auch meine Langhaarperücke aufgesetzt, um das Instrument standesgemäß vom UPS-Fahrer entgegenzunehmen.

Doch es kam anders als erwartet. Schon der Karton war kleiner als vermutet, und nach dem Auspacken musst ich zwei Mal hinschauen: Das soll eine Dean sein? Und wo bitteschön ist die riesige Kopfplatte? Stattdessen liegt eine brave Gitarre mit Les Paul ähnlicher Korpusform in strahlend weißer Lackierung vor mir. Zwar wurden die optischen Erwartungen nicht erfüllt, aber auch so sieht sie nicht schlecht aus. Der folgende bonedo-Gentest wird zeigen, wie viel Erbsubstanz sie von der Dean-Familie mitbekommen hat, oder ob sie doch aus der Art schlägt.

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KORPUS
Wie bereits erwähnt, ist die Soltero an das Design der Les Paul angelehnt. Es gibt einen weit ausgeschnittenen Single Cutaway, der am 20. Bund beginnt, und eine extremer gestaltete Deckenwölbung als beim Vorbild. Mit Mahagonikorpus und Ahorndecke bringt die Gitarre einige Kilos auf die Waage und wurde deshalb nach dem ersten Heben von mir direkt in die Schwergewichtsklasse eingestuft. Wer lange Gigs mit dem Instrument spielen möchte, der sollte eine stabile Rückenmuskulatur und einen guten Gurt sein Eigen nennen. Dabei sieht sie mit ihrer strahlend weißen Lackierung fast engelsähnlich leicht aus …

Na ja, dann vielleicht doch eher Wolf im Schafspelz? Die Kanten des Bodys sind angenehm abgerundet, sodass sich das Instrument auch sehr gut im Sitzen spielen lässt und angenehm am Körper anliegt. Die Hardwarebestückung besteht aus einer Tune-O-Matic Bridge mit Stoptail Piece. Alle Metallteile an der Gitarre, also Bridge, Stimm-Mechaniken und Pickup-Kappen sind matt verchromt, was optisch sehr gut zur weißen Lackierung passt.

Die einzigen Farbkleckse auf dem Korpus stellen die gelben Knöpfe der zwei Volume- und zwei Tone-Potis dar. Standesgemäß kommt die Les Paul Form mit zwei Humbuckern, die über einen Dreiweg Toggle-Switch geschaltet werden. Als kleines Extra gibt es noch zwei Strap-Lock-Pins, damit die Gitarre auf gar keinen Fall aus dem Gurt rutschen kann. Verarbeitung und Lackierung sind ausgezeichnet.

Bringen Farbe ins Spiel: die vier güldenen Potiknöpfe
Bringen Farbe ins Spiel: die vier güldenen Potiknöpfe

PICKUPS
Die beiden Dean Vintage-Style Humbucker sind mit matten Chromkappen geschützt und stabil in einer schwarzen Kunststoffhalterung befestigt. Mit dem Toggle-Switch kann man die üblichen drei Kombinationen Hals, Hals&Steg und Stegtonabnehmer abrufen. Die Tonabnehmer bieten hohen Output und lassen das Pegelmessgerät sehr weit nach oben schlagen. Hier wird schon mal klar, wohin die Reise geht: ein guter Ausgangspegel, der den Amp schon sehr früh in die Zerrung fahren kann.

HALS
Das C-Profil des Halses ist recht dick, liegt aber immer noch gut in der Hand und lässt sich, dank der guten Voreinstellung, sehr gut bespielen. Das Palisandergriffbrett ist sauber auf den Mahagonihals geleimt, der wie der Body rückseitig weiß lackiert ist. Die 22 sauber verarbeiteten und abgerichteten Bünde garantieren eine gute Intonation und viel Spaß beim Bending. Auch der Bundübergang am Hals ist ohne scharfe Kanten oder abstehenden Bunddraht. Hier wurde wirklich akkurat und sorgfältig gearbeitet.

Wer gerne hoch hinaus möchte, kann dies mit der Soltero tun: Die hohen Lagen sind dank des Cutaways, der erst am 22. Bund beginnt, sehr gut erreichbar. Zur Orientierung auf dem Griffbrett finden wir die obligatorischen schwarzen Punkte am Griffbrettrand. Zusätzlich dazu verleihen kunstvoll geschwungene Soltero Perlmutt-Einlagen dem Ganzen eine edle Ausstrahlung. Der Sattel ist perfekt gefeilt und garantiert so eine optimale Saitenlage am ersten Bund – die Leersaiten schwingen bestens, ohne zu schnarren. Die Kopfplatte ist leicht angewinkelt und auf der Vorderseite schwarz lackiert. Dort finden wir den Dean Schriftzug und den Namen Soltero in Perlmutt und weiter unten die Abdeckplatte für den Halsstellstab. Von der Form her erinnert die Kopfplatte ein wenig an PRS Gitarren, die Seiten sind oval und jeweils mit drei Grover Stimm-Mechaniken bestückt. Die sechs Tuner arbeiten sehr leichtgängig und ohne toten Punkt.

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PRAXIS/SOUND
Im Karton fand sich keinerlei nennenswertes Zubehör – eine Tatsache, die wir mittlerweile offensichtlich bei Gitarren aus dem „Unter-Tausend-Bereich“ in Kauf nehmen müssen. Hier wird als Erstes beim Zubehör gespart, Koffer oder Gigbag müssen extra erstanden werden. Das Gleiche gilt für Kabel und diversen anderen Kleinkram.

Schon unverstärkt liefert die Gitarre einen guten, kräftigen Ton mit reichlich Sustain. Ich bin mal gespannt, wie sich das über den Amp anhört. Als Erstes nehmen wir uns die drei Pickup-Kombinationen mit einem Cleansound aus dem Fender Twin vor. Den Anfang macht der Hals-Pickup (Audio:Clean 1). Für einen Halstonabnehmer ist der Klang recht brillant. Will man wärmere Jazz- oder Blues-Sounds erzeugen, dann sollte der Tone-Regler etwas zurückgenommen werden; der nämlich senkt alle Frequenzen über 1 kHz ab.

Audio Samples
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Clean 1 Clean 2 Clean 3

Weiter geht es mit dem Steg-Pickup. Dieser klingt selbstverständlich brillanter und schlanker als die Halsposition, in Sachen Charakter zeigt sich aber eigentlich kein großartiger Unterschied – es sind eben die gleichen Pickup-Typen (Audio: Clean 2). Jetzt kommt die mittlere Position des Toggle Switch und damit beide Pickups im Synchron-Betrieb (Audio: Clean 3)

Hier fällt sofort der extrem reduzierte Pegel im Vergleich zu den einzeln angewählten Tonabnehmern auf. Schade eigentlich, das sollte normalerweise nicht sein. Klingt, als wären die Humbucker für diese Position gesplittet oder mit einer Out-Of-Phase-Schaltung versehen worden. Der hohe Ausgangspegel der einzelnen Pickups macht sich unmittelbar nach dem Anschließen der Gitarre an den cleanen Kanal des Hughes & Kettner Duotone bemerkbar. Hier muss der Volume-Regler weit zurückgedreht werden (9 Uhr), um tatsächlich ein unverzerrtes Signal zu erhalten. Jetzt kann man den Amp durch harten Anschlag leicht übersteuern, und da der Hals-Pickup eine gute Portion Höhen liefert, können dreckige Funk-Riffs authentisch gespielt werden (Audio:Dirt Funk).

Audio Samples
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Dirt Funk Clean Riff

Der Attack ist zwar nicht so direkt wie bei einer Strat oder Tele, aber es knackt schon ganz gut. Den Nachteil des geringeren Pegels bei der Kombination beider Pickups kann man sich auch zunutze machen. Wenn die einzelnen Tonabnehmer den Amp schon übersteuern, hat man mit der mittleren Position einen fast unverzerrten Ton. Hier zu hören mit einem Drop D Tuning (Audio: Clean Riff). Die Bassübertragung ist gut, hier wummert nichts.

Sogar bei extremeren Downtunings hat der Bassist noch genügend Platz. Am aggressivsten kommt selbstverständlich der Steg-Pickup rüber. Er kitzelt dem Amp bereits in Gain-Settings ein ordentliches Brett heraus, in denen andere Gitarren noch clean klingen (Audio: Rock Chords).

Audio Samples
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Rock Chords Classic Overdrive Lead

Jetzt wird der Overdrive-Kanal aktiviert und auch hier macht die Soltero einen guten Eindruck. Knackige Palm Mute Powerchords werden mit ausreichend Dynamik übertragen. Man merkt eben, dass genau hier die Stärken dieser Gitarre liegen. Mit diesen Sounds fühlt sie sich wohl, und das spürt auch der Gitarrist (Audio: Classic Overdrive). Jetzt noch etwas mehr Verzerrung vom Amp und wir testen die Leadsounds beider  Pickups. Ihr hört zuerst den Hals- und dann den Steg-Tonabnehmer (Audio: Lead). Ansprache und Spielgefühl sind gut, die Obertonentwicklung ebenfalls. Bei langen Tönen gibt es auch entsprechendes Sustain, der schwere Mahagoni-Body schwingt gut mit. Allerdings bin ich mit den Tonabnehmern nicht hundertprozentig zufrieden. Der Klangunterschied ist bei solchen Zerr-Einstellungen nicht mehr so deutlich hörbar wie im cleanen Bereich; da hatte ich schon Les Paul Kopien aus dem gleichen Preissegment in der Hand, die das besser konnten.

Ich höre schon die Buh-Rufe aus der Heavy Ecke: „Was soll das denn, man braucht doch eh nur den Stegpickup und zwar voll aufgedreht! Halspickups sind nur was für Jazzer und andere Weicheier …“  Gesagt getan, hier kommen die Männergitarren!

Audio Samples
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Lo Riff

Da kann man wirklich nicht meckern. Guter Attack auf der tiefen E-Saite und schöne schmatzende Höhen, das macht richtig Spaß, hier kommt das Instrument richtig in Fahrt. Man hat das Gefühl, die Gitarre ist speziell für diese Mid-Scoop-Sounds gemacht, denn die Tiefenwiedergabe ist immer noch knackig und klar, obwohl die Bassfrequenzen am Amp weit aufgedreht sind. Fettes Fundament ohne Dröhnorgien, so soll das sein.

Wir kommen jetzt zu den obligatorischen Tests bezüglich Dynamik und Akkordverständlichkeit bei hohen Zerr-Sounds. Zuerst wird die dynamische Bandbreite des Volume-Reglers an der Gitarre getestet. Ich habe den Steg-Pickup angewählt und spiele zuerst bei heruntergedrehtem Volume (3), dann voll aufgedreht (10/Audio: Dyna Poti). Der Sound ist bei heruntergeregeltem Volume noch recht verzerrt. Hier macht sich der hohe Output-Pegel bemerkbar.

Audio Samples
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Dyna Poti Dyna Pick

Für Blues und Classic-Rock-Fans, die von verzerrt auf clean mit dem Volume-Regler an der Gitarre wechseln, ist das eher nichts. Weiter geht es mit der Pick-Dynamik. Ich schlage zuerst leicht mit den Fingern und dann hart mit dem Plektrum an (Audio: Dyna Pick) .

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Die Pickups neigen dazu, bei hohen Verzerrungen die feinen Spielnuancen nicht mehr so differenziert wiederzugeben. Das ist nun einmal nicht die Stärke dieses Instruments. Ebenso ist es mit der Akkordverständlichkeit bei hoher Verzerrung: Je mehr Saiten angeschlagen werden, desto matschiger der Sound (Audio: Chords). Zum Schluss kommt noch ein Beispiel im Bandkontext, wo die Gitarre ihre Stärken zum Besten geben kann. Powerchords und Overdrive-Sounds im Stoner-Rock Style. Ich habe zu Beginn den Tone-Regler komplett abgedreht und später dann voll auf, wobei die Amp-Einstellung gleich geblieben ist.  Ihr werdet es hören … (Audio: Stoner).

Audio Samples
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Chords Stoner
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FAZIT
Die Dean Soltero Standard ist eine feine Gitarre. Sie ist extrem gut verarbeitet, sauber lackiert und mit sehr guter Hardware ausgestattet. Auch die Bespielbarkeit steht dahinter nicht zurück. Allerdings ist das Instrument nicht unbedingt jedem zu empfehlen, denn die Stärken der Gitarre sind nicht gleichmäßig verteilt: Für gewisse Anwendungsbereiche empfiehlt sie sich ohne Einschränkungen, während sie für andere nicht so gut geeignet ist. Die Soltero ist definitiv eine gute Rock-Gitarre, die eigentlich nur Eines will: Laut spielen. Und das meine ich durchaus positiv. Den Steg-Pickup aktivieren, das Volume an der Gitarre auf Zehn drehen und Powerchords schrubben funktioniert mit diesem Instrument absolut perfekt. Auch sustainreiche Lead-Sounds sind kein Problem. Bei verzerrten Sounds leidet allerdings die Dynamik und die Klangvielfalt ein wenig. Wer aber auf diese Aspekte keinen so großen Wert legt, und eine amtliche, gut verarbeitete  Rock-Gitarre zum günstigen Preis sucht, der sollte die Soltero auf jeden Fall einmal in die Hand nehmen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist gut.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Verarbeitung
  • Bespielbarkeit
  • Pickup-Output
Contra
  • Pickup-Dynamik
  • Pickups klingen sehr ähnlich
  • Pegel wird geringer wenn beide Pickups angewählt sind
Artikelbild
Dean Soltero Standard CW Test
Für 599,00€ bei
Technische Daten
  • Hersteller: Dean
  • Model: Soltero Standard CW
  • Finish: Classic White
  • Korpus: Mahagoni/Ahorn Decke
  • Hals: Mahagoni
  • Griffbrett: Palisander
  • Profil: Standard C
  • Halsbr.Sattel: 43,22 mm
  • Halsbr. 12.Bd.: 52,42 mm
  • Halsdicke 5. Bund: 24,48 mm
  • Mensur: 628 mm
  • Bünde: Medium
  • Mechaniken: Grover
  • Pickups: 2x Dean Vintage Humbucker
  • Regler: 2x Volume, 2x Tone
  • Brücke: Tune-O-Matic mit Stoptail Piece
  • Preis: 629,- Euro
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