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Chandler Limited GAV19T Test

Das Chandler GAV 19T Röhrentop im bonedo-Test – Wer in Sachen Studioequipment bewandert ist, dem ist mit Sicherheit auch der Name Chandler schon einmal begegnet. Das Familienunternehmen Chandler Limited aus Iowa hat sich in den letzten Jahren auf dem Studiosektor einen sehr guten Namen gemacht. Die High End Analogprozessoren werden mittlerweile von Produzenten und Toningenieuren in aller Welt geschätzt. Wade Goeke, seines Zeichens Chef und Mastermind des aufstrebenden Unternehmens, entwickelt zum Beispiel, basierend auf Originalbauplänen der Abbey Road Studios in London Equalizer, Kompressoren/Limiter, Mixer und Preamps.

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Neu dagegen ist die Entwicklung von Gitarrenequipment. Und wenn sich eine Firma wie Chandler auf dieses Feld begibt, dann kann man davon ausgehen, dass es sich auch bei unserem Testobjekt, einem Röhren-Topteil, nicht um einen “normalen” Gitarrenamp handelt. Was mir dann allerdings tatsächlich auf den Seziertisch kam, hat mich fast umgehauen.

Details

Konzept

Beim Chandler GAV19T handelt es sich um ein handverdrahtetes Vollröhren-Gitarrentopteil mit einer Ausgangsleistung von 19 Watt. Klanglich orientiert es sich zwar an den klassischen Gitarrenamps von Vox, Selmer und Marshall, eine Kopie ist dieser Amp aber nicht. Wade Goeke ist mit dem Anspruch angetreten, diesen Amp mit den besten Eigenschaften der legendären Vorbilder auszustatten. Die Röhrenbestückung besteht aus zwei EL84 und jeweils einer ECC83, ECC803 und EZ81.

Fotostrecke: 2 Bilder Voll…

Das Besondere des GAV19T liegt unter anderem darin, dass der Amp seine Verzerrung ausschließlich mit seiner Endstufe realisiert. Der Klang einer gesättigten Endstufe gilt bekanntlich als Königsdisziplin und absoluter Ohrenschmaus. Ein Gitarrenamp, der mit einem solchen Anspruch antritt, ist mir bisher noch nicht in die Hände gefallen. Um so gespannter war ich, wie der Chandler mit den unterschiedlichen Gitarrentypen klarkommt. Keine große Überraschung ist sein Preisniveau, das sich in Boutique-Regionen bewegt – eine Tatsache, die viele Gitarrenhelden davon abhalten könnte, auch nur einen Gedanken an den Kauf dieses Schätzchens zu verschwenden. Ich musste allerdings am eigenen Leib erfahren, dass man wegen seines ausgeprägten Suchtpotenzials ganz schnell in die Bredouille kommen kann, aber dazu später mehr. Bevor wir zu seinen klanglichen Eigenschaften kommen, schauen wir uns zuerst einmal die äußeren Gegebenheiten an.

Aufbau

Obwohl der Chandler GAV19T in der Tradition klassischer Gitarrenverstärker steht und er ganz besonders gut deren Sounds reproduzieren kann, ist sein elektronischer Aufbau nicht einfach nur eine modifizierte althergebrachte Schaltung. Zur Realisierung seiner Klangvorstellungen hat Wade Goeke von ihm speziell entwickelte Schaltkreise installiert.

Fotostrecke: 2 Bilder Design: Schick und absolut klassisch.

Die Reise des Gitarrensignals durch die Innereien des Verstärkers beginnt mit dem Einstöpseln in eine der beiden Eingangsbuchsen. Je nach Gitarrentyp und gewünschtem Sound wird man sich für High oder Normal entscheiden. High eignet sich nicht nur zum Anschluss ausgangsschwacher Vintagegitarren wie Stratocaster oder Telecaster, sondern auch für Humbuckergitarren oder Instrumente mit aktiven Pickups. Die Normal-Buchse bringt im Gegensatz zum High-Eingang einen dumpferen und cleaneren Ton, wobei das Wort “clean” beim GAV19T eigentlich unangebracht ist, da der Amp keine wirklich cleanen Sounds erzeugen kann.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Input-Sektion mit Bias- und Input-Regler

Die Klangregelung

Kommen wir zur Klangregelung. Sie besteht aus je einem Bass- und einem Treble-Regler und arbeitet mit Baxandall-Filtern, im Fachjargon wegen ihrer charakteristischen Filterkurve auch als “Kuhschwanzfilter” bekannt, und einer ECC803 Röhre. Sie beeinflusst laut Wade Goeke den natürlichen Klang des Verstärkers weitaus weniger als gewöhnliche Schaltungen und ähnelt eher einem Treble Booster. Hier lässt sich nicht nur der Frequenzgang, sondern auch die Zerrstruktur beeinflussen. Wie schon erwähnt, findet die eigentliche Verzerrung beim GAV19T nicht in der Vorstufe statt, sondern wird – im Gegensatz zu anderen Gitarrenverstärkern – ausschließlich von der Endstufe realisiert. Um diese gezielt anzufeuern, stehen zwei Drehstufenschalter zur Verfügung. Der Tone-Schalter bietet neben der ersten neutralen Out-Position vier Presets, um die Verzerrung der Endstufe je nach Geschmack auf unterschiedliche Art und Weise zu gestalten. Position 2 arbeitet wie ein Treble Booster und fügt dem Sound feine Obertöne hinzu, Position drei mit der Bezeichnung “thick” boostet das gesamte Frequenzspektrum, allerdings mit herausgefilterten Tiefbassanteilen. Damit wird ein Mulmen speziell bei stark verzerrten Sounds verhindert. In der vierten “aggressive”-Position werden die oberen Mitten betont, während die letzte “mids”-Position den unteren Mittenbereich unterstützt. Das Maß, mit dem die Endstufe angeblasen wird, lässt sich mit dem Boost-Drehstufenschalter einstellen. Ein Normal-/Intense-Schalter sorgt für eine leichte Ungleichheit in der Gegentakt-Schaltung. Auch hier ändert sich der Sound, je nach Gitarre und der Stellung des Input-Reglers teilweise drastisch.

Die Rückseite

An seiner Rückseite verfügt das rote Topteil über zwei Lautsprecherbuchsen für 8 bzw. 16 Ohm Gitarrenboxen. Ein Netzanschluss und die dazugehörige Sicherung runden das Bild ab. Einen Einschleifweg sucht man hier übrigens vergebens, da er mit dem Konzept der endstufenbasierten Verzerrung auch nicht funktionieren würde.

Fotostrecke: 3 Bilder Auch die Rückseite des Amps kann sich sehen lassen
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Praxis

Praxis und Sound

Heidewitzka, Herr Kapitän, was für ein Wahnsinnsteil! Der Amp erzeugt eine breite Palette sehr authentischer klassischer Gitarrensounds, die man sonst nur schwer realisieren kann. Sie erinnern an die klassischen Rock- und Blues-Klänge der Sechziger und Siebziger Jahre. Wollte man damals einen solchen übersteuerten Ton, hatte man nur die Möglichkeit, den Amp so weit aufzureißen, bis seine Endstufe in die Sättigung ging. Außer mit Fuzz-Pedalen gab es in dieser Zeit keine Möglichkeit, den Sound auch bei gemäßigten Lautstärken zu verzerren, und die seit den 80er Jahren übliche Vorstufenverzerrung mittels mehrerer kaskadierter Vorstufenröhren kannte man noch nicht.
Wer auf klassische, endstufengesättigte Sounds a la Vox AC 30 und alter 50 Watt Marshall Amps steht, ist hier goldrichtig. Der Sound ist plastisch und bietet eine unglaubliche Lebendigkeit. Nur wenn man den Amp zu fett einstellt, bekommt der Ton einen leicht fuzzigen Charakter, was aber auch wieder einen ganz besonderen Reiz hat. Der Amp klingt besonders mit Medium-Gain-Einstellungen richtig “groß”. Viele Gitarristen denken, dass man mit besonders viel Verzerrung Brachialität und Druck erzeugen kann. Ich habe in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass Sounds mit Mediumzerre oft viel mehr Druck haben und den anderen Instrumenten im Playback mehr Platz lassen. In diesem Bereich hat der GAV19T die Nase ganz weit vorn. Mit der Les Paul bekommt man schnell diesen alten Eric Clapton Sound hin, den er in den 60er Jahren bei John Mayall benutzte. Auch ZZ Top Sounds gelingen bestens. Der Amp verträgt sich unglaublich gut mit Boostern und alten Fuzzpedalen. Mit dem Treblebooster ist man in Sekunden bei Brian May und anderen Klassikern wie Ritchie Blackmore. Egal, wie hoch die Verzerrung eingestellt ist, der Amp klingt nie nach Gleichmacher-Bratsound und der Charakter unterschiedlicher Gitarren wird immer deutlich herausgearbeitet. Mit der Strat erhält man tolle angezerrte, klingelnde AC 30 Sounds, an denen The Edge sicher seine Freude hätte. Hier darf man den Input-Regler allerdings nicht zu weit aufdrehen, sonst wird zu viel Verzerrung generiert. Bei Bedarf lässt sich der Stegpickup der Strat schön anfetten und entschärfen. Hier müssen Bias und Tone-Drehstufenschalter entsprechend fett eingestellt sein. Viele der klassischen Gitarrensounds hatten trotz relativ wenig Gaineinstellung viel Sustain, was man nur mit Endstufenverzerrung hinbekommt.

Bei unserem Kandidaten geht die Verzerrung mit dem Ton eine wunderbare Symbiose ein, wobei man die Zerrintensität sehr gut mit dem Anschlag steuern kann. In meinem ersten Soundbeispiel hört man den Amp in einem Lowgain-Setting zusammen mit meiner Stratocaster. Den Sound könnte man schon fast als eine Mischform von Steve Ray Vaughan und Ritchie Blackmore bezeichnen. Man hört schon deutlich die Endstufenkompression und den insgesamt homogenen Klang des GAV19T.

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Audio Samples
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Low-Gain-Setting – Strat

Im nächsten Audiobeispiel habe ich sowohl im Input als auch im Boostbereich eine Schippe Gain draufgelegt. Gibt man am Eingang mehr Gas, erhält der Ton gleichzeitig mehr Obertöne. Der Input steht hier auf drei (Achtung: Nicht 3 Uhr!), Bias auf drei, genau wie bei einem guten alten Selmer-Amp. Die Endstufe habe ich mit dem Boost Schalter um + 4 dB angeblasen und den Tone-Drehstufenschalter auf “Thick” gestellt. Dass der tieffrequente Bereich leicht ausgedünnt wird, sieht man ganz deutlich am Analyzer. Obwohl der Sound fett und rund ist, geht die Kurve unterhalb von 100 Herz deutlich nach unten. Diese mulmigen und fetten Bässe braucht man bei der Gitarre sowieso nicht unbedingt. Viel wichtiger sind die Mittenbereiche, aber hört selber. Hier also wieder die Strat mit dem Stegpickup.

Audio Samples
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Strat: Steg-PU
GitarreInputBiasBoostDrive-Tone
Strat33+4dBThick

Clean geht beim Chandler GAV 19T gar nicht, wenig Gain heißt hier angezerrt. Wenn man wenig Input gibt, erhält man mit der Zwischenstellung der Stratocaster einen sehr schönen klingelnden Sound, der einem gut abgehangenen Vox AC 30 ähnelt.

Audio Samples
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Minimum Gain – Strat Zwischenposition

Mit der Les Paul verhält sich der GAV19T etwas anders. Er klingt komprimierter und singt weitaus kräftiger als mit den höhenreicheren Stratpickups. Der Ton ist cremiger, aber völlig mulmfrei. Beim folgenden Audiobeispiel steht der Bias auf Position 4 und der Input auf 3,5. Mit dem “Aggressive”-Preset und einem Boost von +3 dB wird die Endstufe mit Betonung der oberen Mitten in die Verzerrung gebracht, was mir im Zusammenhang mit der Les Paul am besten gefallen hat. Man merkt, dass der Ton in den oberen Lagen nicht dünner wird, sondern fett und stabil bleibt und dabei wunderbar singt.

Audio Samples
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Chandler GAV19T Beispiel4
GitarreInputBiasBoostDrive-Tone
Les Paul3,54+3dBAgressive

Eine ganz andere Seite zeigt sich mit der Rickenbacker Gitarre, die sich sehr gut für klare Riffs und klassische Rockgitarren im Stil von Tom Petty und Brian Adams eignet. Hier bleibt der knallige Anschlag trotz Verzerrung komplett erhalten. Der Ton drückt und hat trotz des fetten Sounds genug Obertöne, um sich gut durchzusetzen.

Audio Samples
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Rickenbacker

Mit der SG und dem Bottleneck gelangen wir zum klassischen Medium-Gain-Sound, ohne dass irgendwelche Frequenzen leiden oder auf der Strecke bleiben. Der Klang ist weder zu spitz, noch nervt er im kritischen Bereich zwischen 900 und 1000 HZ. Die Zerrstruktur ist fein und harmonisch.

Audio Samples
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Medium-Gain-Sound – SG

Zum Schluss noch etwas Spezielles mit einer Baritongitarre von Danelectro. Dieses klassische “Presspappenmodell” ist mit Lipstick-Pickups ausgestattet und erzeugt zusammen mit dem GAV19T einen imposanten röhrigen Sound. Die Endstufe habe ich hier mit dem Drive-Tone Treble Boost Preset maximal angeblasen, während der Input relativ gemäßigt auf 3 steht. Als Eingangsbuchse dient High, der Tone-Schalter steht auf “Intense”.

Audio Samples
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Danelectro – Bariton
GitarreInputDrive-ToneTone-Switch
Danelectro Bariton3Treble BoostIntense
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Fazit

Der Chandler GAV19T ist einer der besten Studio-Amps, die ich bisher getestet habe und gleichzeitig ein Unikum, denn nach vergleichbaren Gitarrenamps, die ihre Verzerrung ausschließlich aus der Endstufe gewinnen, muss man sehr lange suchen. Hier findet man Sounds, zu denen sich andere Gitarrenamps nicht ohne Weiteres überreden lassen, und zu denen höchstens wirklich gute alte Marshalls und Vox-Amps in der Lage sind. Er bietet eine breite Palette klassischer Gitarrenklänge, die sich sehr präzise auf den eigenen Geschmack anpassen lassen – besonders im Studio eine unglaubliche Bereicherung. Er reagiert extrem feinfühlig auf die Spielweise und die jeweilige Gitarre und wirklich unbrauchbare Sound gibt es eigentlich nicht. Zwar muss man für seine Anschaffung tief in die Tasche greifen, aber der Amp ist jeden Cent wert. Während es live etwas problematisch werden könnte, weil der Amp in seiner Powersektion zerrt und man die Endlautstärke nur bedingt in den Griff bekommt, kann er im Tonstudio zur Offenbarung werden. Seine Sounds sind extrem authentisch und ohne jeglichen Einsatz von Kompressoren oder Equalizern sofort CD-tauglich. Der Chandler Limited GAV19T ist ein durchdachtes und in sich schlüssiges Konzept mit einem Mördersound.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Sound
  • Vielseitigkeit
  • Einfache Bedienung
  • Authentizität
  • Verarbeitung
Contra
  • Keine Cleansounds möglich
  • Nur bedingt livetauglich
Artikelbild
Chandler Limited GAV19T Test
Mit dem GAV19T ist Chandler auf Anhieb ein großer Wurf gelungen
Mit dem GAV19T ist Chandler auf Anhieb ein großer Wurf gelungen
Technische Daten
  • Hersteller: Chandler
  • Modell: Chandler Limited GAV19T
  • Arbeitsweise: Vollröhren-Gitarrenverstärker Schaltungsdesign: Vollröhrenverstärker Class A (Kathodenschaltung)
  • Leistung: 19 Watt
  • Röhren: 2 x EL84, 1 x ECC83, 1 x EZ 81 x ECC 803
  • Anschlüsse: High Input, Low Input, Speaker Out 8/16 Ohm, Netzanschluss
  • Regler: Bias, Input, Treble, Bass, Tone, Boost
  • Schalter: ON/OFF, Standby, Tone: Normal/Intense
  • Gewicht: 12 Kg
  • Maße: 50 x 22 x 21 cm (B x H x T)
  • Besonderheiten: variable Drive-Sektion, 2-Band Baxandall Tone-Regler für Bass & Treble, endstufenbasierte Verzerrung
  • Preis: 2684,00 Euro UVP
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Profilbild von MG

MG sagt:

#1 - 14.03.2013 um 02:03 Uhr

0

Klingt interessant - allerdings hätte ich die Soundbeispiele gerne ohne zusätzlichen Hall/Delay gehört!

Profilbild von Joe

Joe sagt:

#2 - 19.02.2017 um 23:23 Uhr

0

Wahnsinn, wie geil der Amp klingt. Leider zu teuer für mich.

Profilbild von Gnaw

Gnaw sagt:

#3 - 16.07.2021 um 17:02 Uhr

0

Wirklich ein großartig klingender Amp - ein wahrer Traum. Danke für den Test liebes Bonedo-Team!Aber eine kurze Frage hätte ich dennoch: Welches Cab/Lautsprecher wurden für die Audiobeispiele verwendet? Vielen Dank im Voraus für die Antwort.

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