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Chameleon Labs 560EQ Test

Dass es sich beim API-500-Modul Chameleon Labs 560EQ um die EQ-Sektion aus dem am Neve 1073 orientierten Preamp Chameleon Labs 7603 handelt, wird natürlich beim näheren Hinsehen klar und so steht es auch auf der Website von Chameleon Labs.

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Diese Firma aus Seattle trägt dort ein bisschen dick auf und erklärt, wegweisende neue Technologien zu entwickeln, um die vintageverliebten Rocklegenden ihrer Heimatstadt mit preiswerten und dennoch extrem hochwertigen Äquivalenten teurer Klassiker zu versorgen. Man lässt es sich dort natürlich nicht nehmen, einen Musiker zu namedroppen, der sich erschossen hat, bevor er ein Produkt der Firma überhaupt gesehen haben konnte. Die Wahrheit um Chameleon Labs sieht vermutlich etwas weniger glamourös aus.
Offenbar handelt es sich um eine kleine Firma, die anfangs detailgetreue Nachbauten zweier Studioklassiker fertigte: den allfälligen Nachbau des SSL-Summenkompressors und eine bis ins Layout der Platine getreue Kopie des Neve 1073. Das Œuvre wurde teils in preiswerteren Weltregionen gefertigt, bis Qualitätsprobleme dazu führten, dass man sich entschied, in Zukunft in den USA zu produzieren. Auch verabschiedete man sich vom reinen Kopieren fremder Schaltungen und fing an, die Designs zu modifizieren. Das verkauft man jetzt natürlich gerne als Forschungsarbeit im Interesse der Qualität, es ist aber wohl naheliegend, dass es ebenso um rechtliche Fragen geht.

Details

Der 560 sieht nicht so aus wie ein Neve-Style-EQ, ist aber einer.

Dass das Erscheinungsbild grundsätzlich an API erinnert ist freilich keine Überraschung bei einem Modul für API-500er-Rahmen. Chameleon Labs entschied sich darüberhinaus wie auch beim 19“-Bruder 7603 für die Verwendung von Potis, die unverkennbar vom klassischen API-Design inspiriert sind. Allerdings kommen keine Doppelpotis zum Einsatz, was ein bisschen schade ist, weil Platz ja nicht gerade im Überfluss vorhanden ist. Das Bedienfeld fängt (für meine Begriffe wenig intuitiv) oben mit den unteren Frequenzen an und endet unten mit den oberen. Auf das Hochpassfilter, das auf Off, 40, 80, 120 und 160 schaltbar ist, folgt die Basssektion, die wie ein originaler 1073 ±15 dB bei 35/60/110/220 Hz beherrscht, auch das darunter platzierte Mittenband liegt mit ±15 dB bei 0,7/1,6/3,2/4,8/7,2 kHz bis auf das fehlende 320Hz-Band mit dem Neve-Vorbild gleichauf. Die Höhensektion bietet 3,4/4,9/7/12/16 kHz (±15 dB). Ganz unten befindet sich ein Gainpoti nebst Bypassknöpfchen. Das Gehäuse macht einen sehr stabilen und sorgfältig gearbeiteten Eindruck.

Fotostrecke: 3 Bilder Das Gehäuse macht einen hochwertigen Eindruck.

Nur ein billiger Klon? Aber nicht doch.

Dass es sich beim 560 mitnichten um ein Billigprodukt handelt, ist einerseits aus der Abwesenheit jeglicher ICs und andererseits aus den eigens für Chameleon Labs entwickelten Übertragern zu erkennen. Die Schaltung ist diskret, mit hochwertigen Bauteilen bestückt und sieht ordentlich und robust gefertigt aus. Dabei hat der Hersteller offensichtlich versucht, die größtmögliche Nähe zum Neve-Klassiker zu wahren und abgesehen davon, dass heutzutage natürlich einige Bauteile nicht im Original verfügbar sind, lediglich einige Details verändert. So war zum Beispiel der echte 1073 im Höhenband nicht durchstimmbar. Wir haben es also mit einem ausgewachsenen Neve-Nachbau für die Hosentasche zu tun, und das für einen sehr attraktiven Preis. Das macht mich natürlich neugierig auf den Praxistest.

Fotostrecke: 3 Bilder Blick auf die Platine
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Praxis

Miniaturisierung und Bedienung

Es geht ja manchmal bei Modulen wie dem Chameleon Labs 560EQ zu wie im Miniaturwunderland. Gerade, wenn es gilt, Designs aus der 19“-Welt zu übertragen, sind die Ergebnisse nicht immer benutzerfreundlich. Leider ist das Chamäleon hier ein absolutes Negativbeispiel: Die Knöpfe sind so dicht neben- und untereinander angeordnet, dass es auch ohne Wurstfinger so gerade eben gelingt, sie überhaupt zu greifen. Sie zu drehen ist nur in kleinen Schrittchen möglich, dann muss man umgreifen. Das nervt.
Eigentlich ist der Wille unübersehbar, eine wertig aussehende Frontblende zu gestalten, wir finden hier eigens mit dem Logo des Herstellers versehene gefräste Aluminiumpotis und lasergravierte Typographie, die güldene Farbe der Drehregler wirkt aber für meine Augen etwas zu bling bling. Aufgrund des Platzmangels mutet der EQ dann leider doch etwas billiger an, als es ein Design mit Doppelpotis täte.

Sehr hohe Knöpfchendichte: CL 560 im Praxisbetrieb
Sehr hohe Knöpfchendichte: CL 560 im Praxisbetrieb

Als Zweites fällt mir ein technischer Mangel auf. Sowohl in meinem 4er-Heritage-Testgehäuse als auch in einem 8er-Fredenstein-Housing reduziert sich der Pegel des durchlaufenden Audiosignals um 10,5 bis 11 dB und muss dann mit dem Gainregler aufgeholt werden. Den Grund dafür konnte ich nicht ermitteln – ein eigens für weitere Tests eingeflogenes Chameleon-Labs-Housing und eine API-Lunchbox verhielten sich ebenso. Noch wesentlich ärgerlicher ist ein sehr lautes Störgeräusch, das beim Fredenstein-Housing hinzukommt und das Gerät dort vollständig unbenutzbar macht.Der Hersteller versicherte mir, dass die Pegel im Labor höchstens um 1 dB abweichen und der Vertrieb schickte ein weiteres Exemplar, das bei mir allerdings denselben Fehler aufwies. Nun glaube ich dem Hersteller gerne. Ich gehe aufgrund der Informationen, die ich von Chameleon Labs habe, davon aus, dass es sich bei den beiden Modulen, die ich getestet habe, um Einzelfälle handelt und der Pegel normalerweise stimmt und auch das Störgeräusch normalerweise nicht auftritt. Nun wäre zu klären, ob es sich um eine mangelhafte Anpassung an in Europa erhältliche Housings handelt (sofern diese irgendwie von amerikanischen Housings abweichen) oder gleich zwei Geräte defekt ausgeliefert wurden. Beides wirft kein gutes Licht auf das Qualitätsmanagement der Firma.

Ob das laute Knacksen, das beim Bewegen der Potis manchmal zu hören ist, demselben Fehler geschuldet ist, ist da schon fast nebensächlich. Seltsam und ein bisschen unpraktisch ist auf jeden Fall, dass der Bypassmodus den Low Cut nicht ändert, der bleibt auch dann aktiv und muss zum Vergleichen separat deaktiviert werden. Praktisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Potis ganz in der Tradition der alten Neve-Module, jeweils eine Off-Position haben. Nervig nur, dass diese Off Position bei jedem Poti unterschiedlich gelagert ist, bei den tiefen Frequenzen ist es 20 Uhr und bei den Höhen 19 Uhr, wobei die Beschriftung zudem beim High Shelf eher 18 Uhr suggeriert. Das sind so kleine Stolpersteine, die bei der schnellen Arbeit stören können, weil man immer dreimal hinsehen muss, ob das Band wirklich aus ist.

Zwei CL-EQs im Studio
Zwei CL-EQs im Studio

Der Sound des Chameleon Labs 560 ist klassisch und druckvoll

Was den klanglichen Charakter angeht, ist das putzige Ding ganz Neve-Klon. Der Klirrfaktor ist etwas stärker als bei vergleichbaren Geräten, aber durchaus im Bereich der neutralen Klangwiedergabe zu verorten. Schon ohne mutwillige Frequenzänderungen sorgt die Schaltung für eine leichte Phasenverschiebung in den Randbereichen, etwa bei 60 Hz und oberhalb von 10 kHz, sodass sich schon durch bloßes Durchschleifen eine leichte Anfettung ergibt, die ganz angenehm ist. Das muss man mögen, aber das kann man auch mögen.

Es macht nicht mal besonders viel Vergnügen, Bereiche abzusenken, mit einer Anhebung lässt sich aber meist eine Verdichtung erzeugen, die zwar nicht immer mit dem Quellmaterial eine musikalisch sinnvolle Verbindung eingeht, häufig aber einen Glanz in die Hütte bringt, der vorher nicht da war. Der Sound also, das kann ich zusammenfassend sagen, gefällt mir ausgesprochen gut.

Audio Samples
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Drumloop flat Drumloop 3,4 kHz + 7 dB Drumloop 60 Hz + 3 dB Drumloop 1,5 kHz + 7 dB Drumloop LoCut 100 Hz

Am Beispiel eines Drumloops lässt sich gut hören, wie die Höhen auf eine schöne Art zupackend crispy betont werden. Dezent ist anders, aber langweilig wird das auf jeden Fall nicht. Ich würde den Charakter der Höhen (wie für Neve-Style-EQs typisch) nicht als transparent, sondern eher als dicht bezeichnen. Bassanhebungen wirken dagegen transparent und warm, etwas dynamiktreuer vielleicht als beim Vintage-1073, muten aber auch manchmal wie ein Fremdkörper an (siehe Audiobeispiel).

In den Mitten macht sich eine Anhebung grundsätzlich sehr gut. Das liegt sicher daran, dass die Schaltung eine gute Resonanz mitbringt, die den Sound anreichert. Das gibt gerade schlanken Mitten ein Plus an Substanz, das meist willkommen ist. Der Low Cut ist häufig ein zuverlässiger Gradmesser für die Qualität einer Schaltung. Und tatsächlich zeigt sich, dass auch ein relativ hoch angesetzter Cut dem Rest des Klangs keinerlei Schaden zufügt. Chapeau!

Audio Samples
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Piano flat Piano 1,6 kHz + 7 dB, 4,9 kHz + 7 dB Piano 220 Hz + 7 dB Bass flat Bass 110 Hz + 10 dB

Das funktioniert zum Beispiel auch besonders gut bei Klavieraufnahmen, wenn man nichts dagegen hat, den Charakter des Instrumentes sozusagen zu überfahren. So lässt sich aus einem einfachen Upright ein Achtziger-Jahre-Pop Klavier zaubern, das wundervoll blechern glänzt. Aber gerade das Klavier in meinem Beispiel zeigt auch, wie eine Bassanhebung mit dem 560 misslingen kann, die Anreicherung wirkt dann etwas aufgesetzt, resoniert ungebeten herum und verdeckt damit fast die eigentliche Musik.Das hängt natürlich ganz vom Ausgangsmaterial ab. Beim Bass in meinem Beispiel verbindet sich die Anhebung ganz vorbildlich mit dem Grundgefühl der Aufnahme.

Audio Samples
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Vocals flat Vocals 7 kHz + 10 dB Vocals 4,9 kHz + 7 dB Vocals LoCut 100Hz

Besonders wichtig ist natürlich, wie das Modul mit Vocals umzugehen vermag. Eine Anhebung ganz oben empfiehlt sich meiner Ansicht nach nicht unbedingt und wirkt leicht etwas harsch. Das hängt selbstverständlich stark von der Stimme ab. Toll klingt in meinen Ohren eine Anhebung der Präsenzen um 4,9kHz herum. Da klingt es dann ganz klassisch, zeitlos und edel. 

Klingt der 560 wie ein Neve 1073?

Zugegeben, der Vergleich ist wegen des enormen Preisunterschiedes ein bisschen unfair. Außerdem müsste zunächst geklärt werden, ob wir als Vergleichsreferenz ein Vintage-Exemplar, ein modernes Original oder einen der vielen anderen Klone heranziehen wollen. Zufällig besitze ich ein Exemplar des nicht mehr erhältlichen Chameleon Labs 7602, der dem Original im Design so ähnlich war, dass er in Europa nur unter dem Ladentisch gehandelt wurde. Der 7602 klingt im Vergleich mit Vintagemodellen relativ harmlos, aber macht abgesehen davon eine sehr gute Figur. Diesen mit dem 560 zu vergleichen, erscheint mir interessant.
Erwartungsgemäß sind sich die beiden Einheiten recht ähnlich. Während der 7602 im Vergleich zu einem BAE oder AMS-Neve oder gar einem Vintagemodell etwas matt wirkt, aber durchaus klar und hochwertig, wirkt der 560 mitunter ein kleines bisschen klirriger, kann aber durchaus locker mit anderen Klonen mithalten. Dabei würde ich ihn eher im Bereich tonal angereichert verordnen, die Resonanz nimmt stellenweise etwas mehr Raum ein als bei anderen Nachbauten. Das geht im unteren Mittenbereich in Einzelfällen auf Kosten der Klarheit. Allerdings spielt sich das alles schon eher im Graswachsenhören-Bereich ab. Insgesamt würde ich sagen, dass der kleine Kasten seinem Vorbild so nahe kommt, wie man bei dem Preis eigentlich nicht erwarten dürfte.

Klanglich kann der CL 560 voll überzeugen.
Klanglich kann der CL 560 voll überzeugen.

Ein paar Worte zum Chameleon-Labs-880-Housing

Das API-500er-Housing Chameleon Labs 880 ist ein Rahmen für bis zu acht Module. Der Hersteller legt Wert auf die Feststellung, dass es mit einem Mehrspannungsnetzteil ausgerüstet ist und innovative Features bietet, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Signale direkt ohne externe Verkabelung von einem Modul an das rechts daneben liegende zu leiten. Nun ist ein Mehrspannungsnetzteil, soweit ich das überblicke, erst einmal die Voraussetzung dafür, dass 500er-Module in einem solchen Rahmen überhaupt laufen und ein interner Routingschalter ist nicht sehr innovativ, sondern in den meisten Gehäusen Standard. Zudem befindet sich der Schalter im Inneren des Gehäuses, sodass man die Module erst ausbauen muss, um ihn zu nutzen. Das haben andere Hersteller besser durchdacht. Eine Möglichkeit, die Steuerspannungen von Kompressormodulen zu linken, fehlt komplett. Einen Ground Lift hat das Netzteil nicht und auch andere, zugegeben exotische Besonderheiten wie Aux-Buchsen sucht man ebenfalls vergeblich. Abgesehen davon macht das Gehäuse durchaus einen robusten Eindruck und sollte dank XLR- und D-Sub-Buchsen (mit Tascam-Belegung) überall problemlos einsetzbar sein.

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Fazit

Der 560EQ von Chameleon Labs verspricht, die analoge Dimension ins digitale Zeitalter zu tragen. Mit diesem Postulat werden natürlich Erwartungen geweckt. Schließlich ranken sich um das Wort „analog“ einige Legenden, die teilweise darauf basieren, mit „digital“ eine Art Verwässerung zu assoziieren. Wir erwarten also ein Gerät, das einerseits die berühmte analoge Sättigung bietet und andererseits unbestechliche Klarheit. Beides bietet der 560EQ. Ob der Charakter der Sättigung nun Neve-typisch ist oder überhaupt schön oder erwünscht, das bleibt natürlich Geschmackssache. Mir gefällt’s. Freunde der unauffälligen Frequenz-Modellage sollten hier vorsichtig sein, allerdings liegt das auch ein bisschen in der Natur der Sache. Es ist ja ein Neve-Nachbau. Und als solcher ein sehr gelungener!
Chameleon Labs bietet hier einen Equalizer mit absolut hervorragendem Sound zu einem unschlagbaren Preis. Technisch ist das Gerät zwar offenbar sehr hochwertig und sauber gearbeitet, leider funktionierten beide Exemplare, die ich zum Testen hatte, nicht wirklich fehlerfrei. Was der genaue Fehler war, ließ sich zwar nicht klären, aber bei zwei fehlerhaften von zwei getesteten Geräten wäre es unlauter, nicht wenigstens einen halben Punkt in der Wertung abzuziehen. Ich empfehle also bis auf Weiteres, vor dem Kauf zu prüfen, ob das Gerät funktioniert. Eventuell ist es klug, gleich die 19“-Variante 7603 mit Preamp anzuschaffen. Denn auch wenn das Modul macht, was es soll, steht dem Spaß bei der Verwendung im Weg, dass die Potis so eng angeordnet sind, dass sie sich fast berühren. Das ist in der Praxis derart nervig, dass ich einen weiteren Punkt abziehen muss. Andererseits ist das Ding unglaublich preiswert. Vergleichbare Geräte anderer Hersteller kosten ein Vielfaches. Schade, das alles. Klanglich hätten das 5 Punkte werden können.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • hervorragender und charaktervoller Klang
  • extrem günstiger Preis
Contra
  • offenbar mangelhafte Qualitätskontrolle
  • Potis zu dicht angeordnet
Artikelbild
Chameleon Labs 560EQ Test
Chameleon_Labs_560_Test_7
Features und Spezifikationen
  • Equalizer nach Art eines Neve 1073 EQ
  • Hochpassfilter: Off/40/80/160/320 Hz
  • Tiefenband: 35/60/110/220 Hz (±15 dB)
  • Mittenband: 0,7/1,6/3,2/4,8/7,2 kHz (±15 dB)
  • Höhenband: 3,4/4,9/7/12/16 kHz (±15 dB)
  • Maße: API-500er-Standard, eine Modulbreite
  • Preis: € 270,– (Straßenpreis am 25.7.2019)
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