Behringer Tube Ultragain MIC100 Test

Wahrscheinlich ist der kleine Behringer Tube Ultragain Mic100 der günstigste Vorverstärker aller Zeiten. Was leistet die Desktop-Kiste zum Gegenwert eines typischen Supermarkteinkaufs?

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Wohl auch aufgrund des überaus günstigen Straßenpreises zählt der Mic100 immer noch zu den Verkaufsrennern. Mit einer gut gewählten Basisausstattung wirbt das Gerät um preisbewusste Musiker, denen der Behringer-Pre allzeit gute Aufnahmen von Mikrofon- und Instrumentensignalen verspricht. Dabei ist eine gewisse konzeptionelle und optische Ähnlichkeit zum ART Tube MP nicht von der Hand zu weisen, wobei der Behringer sein Vorbild an Features über- und beim Verkaufspreis untertrifft. Wir haben einmal genauer hingeschaut…

Details

Gain und Output

Beim Mic100 handelt es sich um einen kleinen Desktop-Preamp, der aus seiner Transistorschaltung satte 70 dB Gain holen kann. Ein entsprechender Klinken-Input ermöglicht es, das Teil ebenso als DI-Box für Gitarren und Bässe zu nutzen. Die Bedienung ist denkbar einfach: Zunächst stellt man am „Chickenhead“-Potiknopf das Input-Gain (von 26 bis 60 dB) ein, danach kann man das Ergebnis mit dem Output-Poti feintunen. Dieses reicht von –∞ bis +10 dB, bietet also nochmals etwas mehr Verstärkung. Der Clou liegt aber darin, dass man durch entsprechendes Zusammenspiel beider Potis die in die Schaltung integrierte 12AX7-Doppeltriodenröhre stärker „kitzeln“ kann und somit nicht nur cleane Aufnahmen möglich sind, sondern sogar satte Distortion-Effekte.

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Ausstattungsplus trotz Preisminus

Auch bei einem derart günstigen Gerät sind Phasendrehung und Phantomspeisung Standards, die nicht fehlen dürfen – und dies auch nicht tun. Zudem verfügt der Mic100 noch über ein 20-dB-Pad für besonders heiße Eingangssignale sowie über einen Preset-Limiter. Letzterer lässt sich per Schalter aktivieren, aber darüberhinaus nicht weiter verfeinert einstellen, man muss ich hier also auf das Preset des Herstellers verlassen. Diesen Limiter findet man beim ART Tube MP übrigens nicht, ebenso fehlt dort die Pegelanzeige aus acht LED-Segmenten. Hier hat Behringer seinem Einstiegsmodell also sogar noch mehr Funktionalität verpasst.

Anschlüsse ohne Kennzeichnung

Auf der unbeschrifteten (!) Rückseite des Gehäuses befinden sich sämtliche Anschlüsse des Gerätes. Zum einen der des externen 9V-Netzteils, dessen geräteseitiger Stecker mit einer kleinen Zugentlastung gesichert werden kann. Diese wirkt zwar recht klapprig, ist aber auf jeden Fall besser als gar keine. Daneben liegen die Audioanschlüsse: der symmetrische XLR-Mic-Input und der symmetrische XLR-Output, dazu eine unsymmetrische Klinke für den hochohmigen Instrumenteneingang sowie ein weiterer unsymmetrischer Klinkenausgang. Gerade weil sich der Mic100 für den Probenraum- und Live-Einsatz eignet, wäre eine Beschriftung der Anschlüsse wünschenswert gewesen, um auch in hektischen und schlecht beleuchteten Situationen eine Fehlbedienung auszuschließen.

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Röhre: ja, Röhrenpreamp: bedingt

In technischer Hinsicht handelt es sich beim Mic100 im Kern um einen Transistor-Preamp auf IC-Basis, in den eine niedervoltig betriebene Röhre integriert wurde. Konkrete bedeutet das: An der eigentlichen Vorverstärkung ist die Röhre praktisch nicht beteiligt. Sie geht allerdings aufgrund der geringen Betriebsspannung um so schneller in die Knie und steuert dann die Sättigungs-und Verzerrungseffekte bei, die sich mit einer reinen Transistorschaltung ungleich schwerer erzielen ließen. Im Prinzip ist es also eine dem Marketing geschultete Darstellung, dass es sich hier um einen „Röhrenpreamp“ handelte. Das kann auch gar nicht sein, denn ein halbleiterfreier Vollröhrenpreamp lässt sich nur zu einem Vielfachen des Mic100-Preises herstellen und anbieten. Das aber nur am Rande, denn erstens gilt dies für das ART-Vorbild natürlich ebenso und auch für viele andere Preamps aus der Einstiegsklasse, und es muss gar nichts Schlechtes heißen. Die Studio-Geschichte ist gespickt mit legendären Transistorpreamps und ein prinzipieller, allgemeingültiger Vorteil von (Voll-)Röhrentechnik lässt sich nicht seriös feststellen. Im Idealfall liefert solch eine Hybridschaltung das beste beider Welten: Hohe, verlässliche und saubere Vorverstärkung sowie ein bisschen Klirr, der sich nach persönlichem Gusto dosieren lässt.

Fotostrecke: 3 Bilder Übersichtliches Innenleben: Die Audioschaltung des Desktop-Gerätes

Dünne Bleche, aber gut verschraubte Buchsen

Die Schaltung des Mic100 ist durchaus sauber aufgebaut, wobei sich die 12AX7-Doppeltriode neben der überwiegend preisgünstig (weil perfekt automatisierbar) in SMD-Technik gefertigten Transistorschaltung geradezu archaisch ausnimmt. Sämtliche Anschlussbuchsen sind ordentlich mit dem Gehäuse verschraubt – dies ist wichtig, weil sonst die Schaltung im Gehäuse durch die Steckvorgänge mechanisch belastet werden könnte und darüber früher oder später den Geist aufgeben würde. Leider sieht man dem Gehäuse die Budget-Fertigung aber bereits auf den ersten Blick an. Behringer hat sich hier für sehr dünnes Blech entschieden, welches so flexibel ist, dass es an den Kanten der Gehäuseteile nicht bündig abschließt. Das Gehäuse ist dennoch ausreichen stabil, aber einen Schönheitspreis gewinnt es nicht. Und ein wenig pfleglich sollte man den Mic100 schon behandeln – wobei dies ja letztlich für jedes Stück Equipment gilt.

Kommentieren
Profilbild von Ted

Ted sagt:

#1 - 27.08.2020 um 09:50 Uhr

0

Gekauft hatte ich mir den MIC100 zuerst, um damit meinen Keyboardausgang zu verstärken, der im Proberaum einfach zu leise war. Mittlerweile habe ich eine bessere Röhre eingebaut und benutze ihn für alle Gesangsaufnahmen. Einen Röhren-Mikrofon-Amp mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis wird man in der Tat nicht finden.

    Profilbild von Matthias Luederitz

    Matthias Luederitz sagt:

    #1.1 - 25.03.2021 um 01:54 Uhr

    0

    Hallo. Welche Röhre kannst du empfehlen?

    +1
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